Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI chapter:
September (No. 204 - 229)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0889

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext






No. 222.










Tagsbericht.

SE Heidelberg, 20. Sept. Wir hatten heute Abend einen tu-
multuariſchen Auftritt, der mit Einſchtagen der Laden und Fenfter des
Stadtpfarrers Sabel endigte. Um 4 Uhr war das Leichenbegaͤngniß
eiues hieſigen allgemein geaͤchteten Buͤrgers, Ofſtzier der Buͤrgercabal-
lerte, dem Paſtor Sabel eine Leichenrede hielt, die den allgemeinſten
Unwillen auf dem Kirchhof ſchon erregte.
den Geiſtlichen um ſo mehr, als der Verftorbene in allen Klaſſen der
Buͤrger hier ſehr beliebt war. Gegen 9. Uhr verſammelte ſich eine
dichte Maſſe vor der Wohnung des Pfarrers, und im Nu waren Laden
and Fenſter zertruͤmmert. Durch Unterſtuͤtzung mehrerer wackerer Buͤrger
und des Polizeiverſonals wurde jedoch einem weitern Umſichgreifen des
Aufſtands Fräftig entgegen gewirkt. Gegen 11 Uhr war alles ruhig
and die Maſſe ſing an ſich aͤllmaͤhlich zu verlaufen. Arretirungen ſind
bis jeßt keine vorgekommen, auch keine Verwundungen.

Baden, 19. Sept. Der Badeverkehr ift fortwaͤhrend, durch das
derxliche Wetter beguͤnſtigt, ungewoͤhnlich lebhaft; taͤglich ſtroͤmen von
naß und fern zahlreiche Fremde herbei, die ſich faſt immer einige Tage
aufzubalten und Ausfluͤge in die reizenden ndheren und ferneren Um-
gebungen der „Badeſtadt“ zu machen pflegen. Waͤhrend die Ruſſen
meiftentheil$ abgereist ſind, iſt die Zahl der Englaͤnder uͤberwiegend.
Die Vergnuͤgen der Badegeſeliſchaft gehen ihren gewohnten Gang, wie
wandern Jahren kaum noch in der Mitte Auguſt: die Freunde des
Baidwerks zerſtreuen ſich duͤrch Jagden;
Wergnügungen und des Tanzes finden ſich foͤrtwaͤhrend zahlreich in den
Wvendverfammlungen ein, welche gluͤcklicher Weiſe die in fruͤheren Jah-
Len fo ſehr beliebte Ungezwungenheit wieder gewonnen Haben, die ſte

eine Zeit lang durch den druͤckenden Alp eines ausſchließenden Koͤtterie-
weſens verloren hatten.

Waſenweiler, 19. Sept. Bezuͤglich des Artikels aus Emmen-
bingen in Ihrem Blatte Nr. 216 theile ich Ihnen ebenfalls die intereſ-
jante Nachricht mit: „daß dieſer Tage auch in dem hieſigen untern
Riede, nächft der Graͤnze von Oberſchaffhaufen beim Torfſtechen meh-
tere Zaͤhne- und Knochenſtuͤcke des Mammuths herausgemacht wur-
- den, die-Sr. Hochw. Herr Pfarrer Haͤberthuͤr zur Aufbewahrung uͤber-
nahın, IJa noch heute wurden durch veranlaßtes ferneres Nachſuchen
Bon Seite des Herrn Pfarrers abermals orgauͤiſche Ueberreſte aus der
alten Welt zu Tage gefoͤrdert. '

Cuvier unterſcheidet bekanntlich zwei Arten dieſer Thiere der anti-
diluvianifchen Zeit, als: den nordamerikaniſchen Mammuth oder Ohio-
Thier — und das Sibiriſche, deſſen Ueberreſi? noͤch hin und wieder in
nuſerem Deutſchlande gefunden werden. Bekanntlich floß in aͤlterer
Zeit durch das weite und ſchoͤne ebene Becken des hieſigen obern und
untern Riedes — laͤngs dem dieſſeitigen Kaiſerſtule — ein Arm des
Rheines, der ſich bei Riegel Bahn brach.
Frankfurt, 18. Sept. Die Offenbach⸗Frankfurter Eiſenbahn iſt
ganz abgeſteckt, und der Bau derſelben wird noch in dieſem Jahre be-
ginnen, der der Main-Neckar⸗Eiſenbahn fchreitet langſam fort. — Bei
der anhaltend uͤberaus ſchoͤnen Witterung ift der Fremdenzug durch


der. Mehrere Tage hintereinander find in der verfloſſenen Woche taͤg⸗
lich über 6000 Perſonen auf derſelben befoͤrdert worden.
Lendon, 16. September. Nach dem „Morning : Herald“ werden
mittelbar nach der Ruͤckkehr der Koͤnigin VBictoria nach London der
Berzog und die Herzogin von Nemours zum Befuͤch hier eintreffen. Sie
waren betanntlich abgehalten, den Feſtlichkeiten auf dem Schioſſe von
Eu beizuwohnen.

— Diefer Tage ſind in der City Nachrichten uͤber eine ganze Reihe
don Schiffbruͤchen eingetroffen. Fuͤnf Schiffe, worunter zwei Indienfah-
mit werthvoller Ladung, verunglücten theils auf der Rückfahrt von
Vombay und Madtas nach England, theils auf der Hinfahrt r *ch Ju-



dien und Mauritius, und 17 Perſonen büßten dabei das Leben ein.
Ein Schiff von Glouceſter in Nordamerica ſtieß in offener See auf das
Wrack eines britiſchen Schooners, an deſſen Bord ein junger Mann
ſich befand, der ſeit ſechs Tagen ohne Nahrung auf demfelben umbere
getrieben war, nachdem die Wogen ſeinen Vatet, den Eigenthuͤmer des
Schiffes, und die übrige Mannfchaft verſchlungen hatten.

Naris, I18. Sept. Telegraphiſche Depefche. Perpignan,
16. Sept. Am 13. feuerten die Inſurgenten auf ein Boot des „Me:
leagre“ (eines franzoͤſiſchen Kriegsfchiffes), welches an der Fontaine im
Hafen von Barcelona Waſſer zu holen kam. Ein Matroſe wurde ſchwer
verwundet. Der franzoͤſiſche Conſul verlangt Genugthuung. Der „Con-
ſtitutional vom 10. hatte gemeldet, daß die Wachſamkeit der Junta
die Franzoſen verhindert habe, in vier Fabriken Feuer anzulegen. Der
Lonſul hat deßwegen Genugthuung erhalten. Am 14. war die Lage
Barcelona's noch immer die naͤmliche; die von Madrid- zuruͤckgekehrten
Commiſſarien machen gemeinſchaftliche Sache mit der Junta.

— Ueber die geheime Aſſociation, die vor einigen Tagen entdedt
worden, wird man wohl noch lange Zeit nichts vernehmen. Die ver:
hafteten Individuen werden in ſtrenger Haft gehalten. Mebhrere In
ſtruetiongrichter ſind mit deren Verhoͤr befchäftigt. 2
— Der Beſuch zu Eu ſoll der Civilliſte uͤber eine Miliion Fran«
ken gekoſtet haben.

Madrid, 11. Sept. Das Geruͤcht von einer Intervention Frauk-
reichs erhaͤlt hier nachgerade große Conſiſtenz. Es erklaͤrt ſich dies Ge-
ruͤcht um ſo leichter, als das Miniſterium Lopez ſie insgeheim wuͤnſcht,
und ſeine Gegner darin einen Vorwand zu heftigen Anklagen finden.
Das „Sco del Comereio“ verſichert es ſeien bereits mehrere Perſonen
nach Paris abgereiſt, um eine fofortige Intervention zu begehren. Es
fuͤgt dies Journal noch hinzu, es werde die Interventionsarmee viel-
leicht auch die Koͤnigin Chriſtine und den Herzog von Aumale, den
kuͤnftigen Koͤnig Spaniens, über die Pyrenaͤen escortiren

Von der ſpaniſchen Grenze, 14. Sept. Aus Barcelona fchreibt
man vom 13.: „Es haben ſich hier Geruͤchte von einer franzoͤſſtſchen
Intervention verbreitet. Dadurch iſt eine große Erbitterung gegen die
Franzoſen erzeugt worden; ſie kuͤhlte ſich heute an einem franzoͤſiſchen
Boote des „Meleagre“, welches in den Hafen kam, um Waffer einzu-
nehmen; es wurden mehrere Flintenſchuͤſſe gegen deffen Bemannung ab-
gefeuert. Es heiß, die Intervention werde ſich auf die Beſetzung Bar-
celona’s und Saragoffa’s beſchraͤnken, als welche Staͤdte die bedrohlich:
ſten Punkte fuͤr die Ruhe Spaniens ſeien. Die Ankunft des Brigadiers
Amettler und des Commandanten Martell hat den Infurgenten , weldie
bereits 200 Mann in den verſchiedenen Gefechten mit Prim verloren
hatten, neuen Muth eingefloͤßt. Eine große Anzahl von den Milizen,


ſen; er wird nichts unternehmen koͤnnen, ſo lange er keine Berftärkun:
gen von Madrid erhaͤlt.“ Aus Tones, zwei Lieues von Jaen, ſchreibt
man vom 3., daß dieſer Flecken durch eine Felſenmaſſe, die ſich vom
Gebirge losloͤste, faſt ganz zerſtoͤrt worden iftz uͤber 200 Perfonen fol
len von den Truͤmmern begraben worden ſein.

Ven der polniſchen Grenze, 12. Sept. Aus dem Königs
reich Polen geht uns jetzt die Nachricht zu, daß die ſo vielſach geta-


nenden Juden, welche deren Ueberſtedelung in die innern Kreife des


ſolle. Somit faͤllt die ganze ſcheinbare Strenge des Verfahrens fort,
denn die Mehrzahl der Iſraeliten wohnt in den Staͤdten; auf deui


Geſindel auf, das durch Schleichhandel ſeinen Lebeusunterhalt zu gewitrz



 
Annotationen