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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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März (No. 51 - 76)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0253

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Erdbeben auf Guadeloupe.
Paris, I1. März. Die ſchrecklichen Nachrichten, welche geſtern
Abend aus Guadeloupe eingetroffen, haben alle Gemuͤther mit Beſtuͤr⸗
zung erfüllt, und die wenigen Privatbriefe, welche hergelangt ſind, die
allgemeine Beſorgniß nur noch geſteigert. Wir hoffen, daß die in den
Praivatſchreiben angegebene Zahl der Todten und Verwuͤndelen über:
trieben ſei. Einer dieſer Briefe behauptet, daß uͤber 6000 Menſchen
umgekommen und mehr als 3000 ſchwer verwundet ſeien. E& waͤre
dies etwa zwei Drittheile der ganzen Bevoͤlkerung. Die Hauptſtraße
von Point-a-Pitre, welche ganz aus ſteinernen Gebaͤuden deſteht, die
Rue Darbaud, iſt nur noch ein einziger Haufen von Trümmern. . Die
wenigen Haͤuſer, welche in anderen Theilen der Stadt ſtehen blieben,
wurden von den Flammen verzehrt, die auf mehr als hundert Punkten
aufſchlugen. Im Augenblicke, wo ſich die Kataſtrophe zutrug, waren
zu Point⸗a⸗Pitre in dem ſchoͤnen „Cafe Americaiu,“ wo gerade ein
Schiff ausgeſpielt wurde, uͤber 200 der angeſehenſten Perſonen verſam-
melt, von denen auch nicht eine einzige fich retten Fonnte.
Elende, welche die allgemeine Verwirrung benuͤtzen wollten, um zu
bluͤndern, wurden verhaftet; wie es heißt, waͤren ed amerikaniſche
Matroſen, mit ihrem Capitaͤn an der Spitze. — Der „Courrier fran-
cais hat heute die Initiative zu einer oͤffentlichen Subfeription fuͤr
die Opfer von Guadaloupe ergriffen und ſelbſt die Liſte mit einer Unz
kerzeichnung von 300 Frs. eroͤffnet. Wahrſcheinlich werden ſaͤmmtliche
Journale von Paris und in den Departementen diefem Beiſpiele fol-
gen. — HAM MEn Schreiben aus Pointe-a-Litre vom 9 Februar, in
der „Preffe,‘ hat Baſſe Terce auf Guadeloupe nur wenig durch das
Erdbeben gelitten; alle HAufer”hfiehen ftehen, viele jedoch wurden ſehr
beſchaͤdigt und unbewohnbar gemacht. Zu Point-à-Pitre dagegen, Ddefz
ſen Bevoͤlkerung vor der Kaaſtrople 16,000 Seelen zaͤhlte, ſind keine
- 3ehn Häufer in wohnlichen Zuſtand geblieben. . E bheißt in diefem
Schreiben unfer anderenm „ Unmittelbar nach dem Erdbeben brach auf
2 bis 300 Punkten zugeich Feuer aus und verzehrte alles. Noch jetzt


kann auch nur die atfernteſte Vorſtellung von dieſem ſchauͤderhaften
Ungluͤcke geben. Ir koͤnnen das, was wir vor unferen Mugen fehen,
kaum glauben. «4 verließ geſtern Baffe-Terre mit dem Gouverneur
und kam mit iln hierher. Die Zahl der Opfer iſt groß aber doch

glüclicherweife eringer, als befuͤrchtet woͤrden war. Hr. Nadau, In-


runter 13 ſeier Verwandten und
nes ſeiner Ander zu retten.

dentlich &. Nicht ſelten iſt
drei Glier gebrochen haben.

d Sclaven; eg gelang ihm nur, ei-
Die Zahl der Verwuͤndeten iſt außeror-

Der Schauplatz iſt hundertmal ſchreckli-
chex al ein Schlachtfeld.“ — In einem anderen Schreiben vom 10.
Febrreißt es: „So eben komme ich von Moule. Ich kann Ihnen
nichveſchreiben, was ich in der ſchrecklichen Stunde empfand, die ich

mien in dieſen Ruinen zubrachte. Ich Fonnte mir nicht denken, daß
Ungluͤck ſo groß war und alles,. was ich ſagen koͤnnte, wuͤrde
Inen nur eine ſchwache Idee von der furchtbaren Wirklichkeit geben.

Vom Quai de la Poiſſonerie bis zum Hoſpital ſtehen nur noch kinige

wenige Mauern, die mit Kanoͤnen eingeſchoſſen werden muͤſſen. Ich

war Zeuge des Unfalles von Port⸗Royaͤl geweſen und kann verſichern,
daß dieſer nichts war im Vergleich mit dem Ungluͤcke, welches Point⸗à⸗

Vitre betroffen. Die Colonie iſt ruinirt aber groß, unerſchuͤttert die

Seelenſtaͤrke der Creolen.“

— In einem Briefe vom 11. Febr. wird berichtet, daß zu Point⸗à⸗
Pitre die Zaht der Todten ſo groß war, daͤß eine Beerdigung nicht
ſtattfand; die Leichen wurden dem Meere uͤbergeben. Man beforgte;
daß bei der raſchen Verweſung einer ſo großen Anzahl Leichen in die?
ſem heißen Clima Krautheiten entſtehen Fönnten: Bei dem Erdbeben
borſt die Erde auf mehreren Punkten der Infel und warf Waſſer und









Sand aus. — Guadeloupe iſt durch einen mehrere Metres bretten,
aber nur einige Fuß tiefen Arm der See in zwei Haͤlften getheilt. Mehr
nur auf den niedern flachen Theilen der Inſel hat das Eroͤbeben Unz
heil verbreitet; die gebirgigen und vulkanifchen Regionen hatten keinen
beſondern Schaden zu erleiden. Die Staͤdte und Flecken! welche zer-
ſtoͤrt wurden, liegen in dem „Graud-Terre“ genannten Striche, dem
ebenen Theile der Colonie; die vorzugsweiſe „Guadeluope“ genannten
Diſtricte, wo Baſſe-Terre, der Siß der Regierung, liegt, haben uur
wenig gelitten, obgleich ſich unter ihrem Boden Lava hinbreitet und in
ihrer Mitte ſich der immerdampfende Vulcan „Soufriere“ erhebt Der
„Soufriere“ warf bei ſeinem letzten Ausbruche eine große Maſſe Sand
und Waſſer aus, wie jetzt auf den Punkten geſchehen, wo bet dem
dem Erdbebeben ſtroͤmte der
„Soufriere“ gewaltig Dampf aus. ; *

Rarie, 12. Vaͤrz Die Theilnahme an dem großen Ungluͤck,
welches die Infel Guadeloupe und vornehmlich die Stadt Pointe-a⸗
Pitre (mit 15,000 Einwoͤhnern, wovon 5000 umgekommen ſind h
betroffen hat, iſt allgemein. Von vielen Seiten her werden Supferip-
tionen eroͤffnet zur Sammlung von Hülfsgeldern, Der Erzbiſchof von
Varis hat durch ein Circularſchreiben allen Pfarrern ſeiner Dioͤceſe die
Weifung extheilt, zu Beitraͤgen aufzufordern. Aus den Seehaͤfen wer-
den Einzelheiten berichtet voͤn den ſchrecklichen Scenen auf Guadeloupe,
die aus Unglaubliche grenzen. Diẽ Regierung macht bekannt: ſie haͤbe
alle Depeſchen veroͤffentlicht, die ihr über das betrübende Ereigniß zu-


Calamitaͤt, zur Kenntniß bringen; Supfertptionen fehen bereits eroͤff-
net; Frankreich werde ſeinen Soͤhnen jenſeits des atlantiſchen Oceans
zu Huͤlfe kommen. Die Dampffregatte Gomer, welche die Nachricht
von der Cataſtrophe uͤberbracht hal, geht am 25. Maͤrz von Breſt aus


Tagsbericht.

Mainz, Naͤrz. Künftigen Freitag koͤmmt die Prozedur ge-
gen Dden Kaminfeger Schwarz vor dem Obergerichte vor, der, wegen
Mißhandlung ſeiner Tochter vom Zuchtpolizeigerichte verurtheilt worden
iſt, woͤgegen er appellirt hat.

Leipzig, 11. Maͤrz. Einem hier eiculirenden Geruͤchte zu Folge
iſt man in Halle einer burfchenſchaftlichen Verbin dung auf
die Spur gefommen.

Paris, II. Maͤrz. Das franzöf, Heer beſteht aus 75 Infanterieregimen-
tern, 25 Regimentern leichter Infanterie, 10 Bat, Orleausjaͤger, 1 Negiment
Zuaven, 3 Bataillonen afrikan leichter Infanterie, 81 Disziplinar⸗ und
Veteranenkompagnien, 4 Pi Fkompagnien, 4 Reg. Fremdenlegion, 21
Bat. afrikaniſcher Plaͤnkler oder Schaͤrffchuͤtzen, 12 Regimentern Drago-
ner, 8 Regimentern Uhlanen, 13 Regimentern Jaͤger 9 Legimentern
Huſaren, 4 Regimentern afrikaniſcher Jaͤger, 1 Korps inlaͤndiſcher afri-
kaniſcher Reiter, 2 Karabinierregimenteru, 10 Regimentern Kuͤraſſiere,
14 Regimentern Artillerie, 1 Reg. Pontoniere, 6 Schwadronen Wa-
genburg, 3 Regimentern vom Genie und der pariſer Munieipalgarde,
25 Legionen Gendarmerie.

London, 10. Maͤrz In London herrſcht jetzt ein ſehr boͤfes epi-
demiſches Fieber. Alle Spitaͤler ſind ſo uͤberfuͤllt! daß Niemand mehr
angenommen werden kann. *

— In beiden Parlamentshaͤuſern iſt eine Motion, welche die 4*
billigung der von Lord Ellenborougs in Oſtindien befolgten Poli-
tik ausfprechen ſollte, mit anſehnlicher Majoritaͤt verworfen worden.

Brüſſel, 11. Maͤrz. Die Differenzen mit den — der
Eiſenbahn zwiſchen Luͤttich und der preußifchen Sränze ſind —
ſeitigt und es ſteht jetzt feſt, daß die Bahn von Luͤttich nach —
am 15. Juli von da bis zur Graͤnze am 15. Okt. eroͤffnet werden wird.


 
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