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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Januar (No. 1 - 26)
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Deutſche Seefahrt.
(Schlußi.)

Im Jahre 1773 hatte er eine Reiſe nach Guyana gemacht, und
war eines Lecks wegen genöthigt geweſen, zwiſchen Surinam und Ber-
bice der Küſte zuzuſteueren, wo er am Korentynfluſſe (Kormantin) eine
ungemein fruchtbare, noch von keiner europäiſchen Macht in Beſitz g⸗
nommenen, Lantſchaft fand. Alg er nun ſpäter in Kolberg ſich häuss
lich niedergelaff n - hatte, um das Seefahren mit dem ruhigen väter-
lichen Gewerbe eines Bierbrauers zu vertauſchen, ſann er hin und her,
wie er dem Baterlande auch in ſeinem neuen Stande nützlich werden
fönne, ' Ftug's ſagt er, wirbelte mir auch jene Landſchaft im Kopfe
herum der Patrivtismus ward in mir lebendig und ich ſann, warum
denn nicht mein Land hier eben ſo gut als Frankreich und England
ſeine Colonie habe, und Zucker und Kaffee und andere Colonialwaaren
eben wie jene, anbauen laſſen ſoll? Je länger ich mir das Project
anſah, deſto mehr verliebte ich mich drein, und zugleich meinte ich,
daß ich ſelbſt, in meiner Einfalt, wohl der Mann dazu ſeyn könnte,
Herz und Hand zur Ausführung dran ſtrecken zu helfen.“

Freilich wäre er ganz der rechte Mann geweſen, aber er hatte es mit
einer verknöcherten, ſich allweiſe dünkenden Bureaukratie zu thun. Was
kümmerte ſie ſich denn uins Seeweſen? Sie ſchrieb bergehohe Acıtn
und Protocolle und ließ den Himmel walten. Im Zimmer iſt's warm,
auf der See naß und kalt. Indeſſen der alte Netteldeck wirft ſei-
nen Plan aufs Papier; er denkt, wer die klare Auseinanderſetzung


packt ihn ſein ſäuberlich ein und ſchickt ihn an den alten Fritz. Aber
er erhaͤlt keine Antwort. Der König wurde damals mit ſo viel win-
tzigen Projecten heimgeſucht, daß er wahrſcheinlich Nettelbeck's Plan
gar nicht geleſen hat. Es wäre aber intereſſant, denſelben jetzt wie-
der hervorzuſuchen und drucken zu laſſen.

Aber die ſchöne Colonie wollte ihm nicht aus dem Sinne; er dachte
ſogar daran, auch in Afrika wieder ein Handlungscomptoir anzulegen,
um jene in Amerika mit ſchwarzen Arbeitern zu verſorgen, wie damals
allgemein geſchah. Als daher des alten Fritz Nachfolger nach Pommern
kam, überreichte er demſelben in Köslin ſeinen erweiterten Plan. Dies-
mal wurde derſelbe wenigſtens berückſichtigt, denn nach einigen Wochen
erfolgte der Beſcheid: „daß Se. Majeſtäl auf den entworfenen Plan
zu einer Seehandluug nach Afrika und Amerika für Höchſtdero eigene
Rechnung zwar nicht entriren möge, inzwiſchen die gemachten Vorſchläge
der Seehandlungsſocietät zugefertigt und derſelben überlaſſen habe, ob
ſie darauf ſich einzulaſſen raͤthſam finde.“

Neuelbeck meint, die Herren der Seehandlung könnten vielleicht ge-
neigt fein, Vernunft anzunehmen. Aber was geſchah? In noch kuͤr—
zerer Feiſt denn raſch genug expedirte man mich! — ging, nicht
von jener Societät, an die ich verwieſen worden, ſondern von dem
föniglid xreußiſch⸗-pommerſchen Kriegs- und Domainen-
Kammer Deputations-Collegium (das iſt doch ein Titel von
rechiſchaffener Längeh zu Köslin die Entſcheidung bei mir ein: da Se.
Majeſtät geruhi hätten, auf jene Vorſchläge nicht zu refleetiren, ſo
könne auch beſagtes Collegium ſich auf das weit ausſehende Handlunge
_ project nicht einlaffen,“ Nun ſo war denn meine Freude abermals
in den Brunnen gefallen, was mir herzlich leid that. Später habe ich
in Erfahrung gebracht, daß die Engländer auf den nämlichen Ge-
danken gekommen ſind, wie ich, und daß es ihnen auch nicht gefehlt
habe am Fluſſe Kormantin eine Niedertaſſungmitdem gebeih-
lichſten Erfolge zu gründen.“ \

ESo weit der würdige Vaͤterlandsfreund Nettelbeck. Sind aber wir
in den ſeitdem verfloſſenen fünfzig Jabren in dieſer Beziehung auch
nur eine Spanne weiter gekommen? Wo iſt die deutſche Flagge, wo
eine Colonie, wo auch nur ein einziges Kanonesſchiff? Und waͤs wird
man nady fünfzig Jahren von unſerer Sorgloſigkeit fagen? *#

Tagsbericht.

Breiſach, 16. Jan. Ich fäume nicht, Ihnen Naͤchricht zu erihei-
len, daß die Unterhaudlungen wegen des Baues einer Schiffbrücke über
den Rhein zu Ende geführt ſind und der Ausführung dieſes für Han-
del und Verkehr ſo wichtigen Unternehmens nun kein Hinderniß mehr
entgegen ſteht. Von Seite der Großh. Bad. ſo wie der Kön. Franz.
Regierung ſind die Koſtenüberſchläge bereits genehmigt und die Arbeiten
werden unverzüglich im Summiſſionswege in Accord gegeben werden.

Aargau. Der kl. Rath hat das die Verkehrsſtände zwiſchen Aar-

gau und dem Großherzogthum Baden betreffende Meworial der großh.
dadenſchen Regierung in einer ausführlichen Denkſchrift an den Voͤrott
beleuchtet und erwiedert.
Straßburg, 18. Januar. Wir ſahen dieſe Woche abermals ei-
nige Schaaren von Auswanderern, die aug dem benachbarten Groß-
herzogthum Baden kaͤmen uud ſich in Havre einzuſchiffen gedenken, um
in der neuen Welt ihr Glück zu verſuchen. Es waren meiſtens wohl-
habende und geſund ausſehende junge Leute, die ſich gewiß in ihrem
Vaterlande ebenfalls recht gut und a:ftändig hätten ernähren können.
Es wäre wirklich an der Zeit, jene herumziehenden Agenten ſcharf zu
beaufſichtigen, die, um ſich zu bereichern, ſo viele Tauſende dem Elende
zuführen. ;

Bom franzöſiſchen Oberrheine, 16. Jan. Nach einem vor
uns liegenden authentiſchen Einnahmenverzeichniſſe der Strasburg- Ba-
ſeler⸗Eifenbahn wurden in den letzten 5 Monaten v. J. für die Expe-
dition von Reiſenden und den Transport von Waaren 1,093,530 Fr.
40 Cent. eiagenommen, während in den erſten Monaten v. J. HUL
750,872 . 53 Cent eingingen. —
London, 11. Jan. In Bezug auf die Auswanderung von der
Weſtkuͤſte Afrika's nach Weſtindien hat Lord Stanley jeßt einen ibm
vorgelegten Plan genehmigt, deſſen Hauptzüge folgende find: Die
Regierüng wird die allgemeine Leitung und Beſolgung der Auswan-
derung naͤch den Colonien übernehmen und die Augwanderer gehoͤrig
ſchützen. Die Auswanderung ſoll mittelft der von einem Regierungs-
agenten gemietheten Schiffe geſchehen, ſämmtliche Koſten aber von den
Colonien getragen Werden, welche die Aus wanderer begehren und aufs
nehmen. Bevoͤr die Regierung ſolche Schiffe miethet, müffen die Co-
lonien die genügenden Borkehrungen zur geſtcherien Rüdzahlung der
Koſten getroffen haben. Die Ausführung des Planes wird damit br>
ginnen, daß die Regierung drei Schiffe — ür Yamaica,. Britt{ch-
Guiana und Trinidad — in Miethe nimmt. Alle übrigen weſtindiſchen
Colonien können der Wohlthat dieſes Augswanderungsfytems theihaftig
werden, ſobald ſie die noͤthigen Geſetze erl iſſen und die erforderlichen
Fonds aufgebracht haben.

Bareelona, S. Jan. Die Paſſage an den T orem iſt endlich
freigegeben; man bedarf keines Paſſes mehr, um einz oder auszu-
gehen. — Was die Kriegscontribution anbelangt, ſo geht auch von dem
neuen Termine ein Tag naͤch dem andern voruͤber, ohne daß die Ein-
wohner Anſtaͤlten machen, ihre Beiträge einzuliefetn. Es iſt nicht ab-
zuſehen, wie General Seoane den paſſiven Widerſtand der Einwohner
überwältigen werde.

Brüffel, 14. Jan. Der Sturm hat geſtern mehrfaches Unglück
angerichtet. In Lüttich hat er von einem baufälligen Hauſe, das eben
ausgebeſſert wurde, das Dach abgeriſſen und auf die Arbeiter geſchleu-
Bert, Rach vieler Mühe wurden derſelben aus den Trümmern her»
vorzeſchafft, ein füafter war getödet worden. Der Sifenbahnzug iſt
zwiſchen Antwerpen und Brüſſel mehrmals durch den Sturm aufge-
balten woͤrden. Zuleßt rif er das Da des Waarenbehälters ab und
warf e$ unter die Räder des Tebten Waggons. Zum Slück bemerkte
cg der Kondukteur und liez den Zug fogleih halten. Zugleich mwurde


einigen Contuſionen davon kam.


 
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