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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Dezember (No. 283 - 307)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1213

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‚ No. 301.


1843.











Segrxdung \
Motion des %Cbgeo;bneten Matby,

u

Herſtellung des freien Gebrauchs



Es tebt irgendwo ein Nann, von kräftigem Körperbau und feſter Geſundheit,
verſtändig und gut geartet. Der Nann dient mehreren Herren und IS8t feine ſchwie-
vige Auf, abe zur Zufriedenheit Aller, dies beweifen die guten Zeugniſſe, welche er
befißt. Er half ſogax ſeinen Herren aus einer großen Gefahr; er rettete ſie aus
den Händen eines machtigen Nachbars, der eg auf ihre Habe abgeſehen hatte. In
dem Kampfe, den er beſtand, hatte er ſo guten Gebrauch von ſeiner Kraft gemacht,
daß ibm die verren verſprachen, er dürfe fortan nicht mebr blindlings ihren Ge-
boten folgen, ſondern ſelbſt Vorſchläge machen, frei und offen ſagen, was er für
das Beſte balte; ſie würden darauf achten; dieß würde für ſie und ihn am zuträg-
lichfien fein. Der Mann that ſo und ward undequem. Man warf ihın vor, er
irete zu Dderb auf; er mache Lärm un Haufe, reize die vielen Hunde, welche die
Herren für ihr Vergnügen dielten, zu laͤutein Gebelle und Aöre überhaupt die Haus-
ordnung. Er wurde zwar fortwäͤhrend zu alleriei Dienftleikungen verwendet und


er dies bei einem Bedienten anbringen, der ſtrengen Befehl hatte, nur das Anges
Aehme zuzulaffen, das Unangenedme dagegen zurüczuweifen, Die Wahrheit aber
ift ſelten angenebm; das Angenebme oft nicht wahr; an alte Schulden und Ver-
ſprechen zumal wird Niemand gern erinnert.

Dex Mann, meine Derren iſt das deutſche Volk; das frei Wort, ſein altes
Recht, f ihın feierlich Verheißen, und es iſ die zugefrgte aNllgemeine Beflimmung
über den Gebrauch des freien Wortes dahin gegeben, daͤß der Deutſche ungehindert


ichäfte bet. WiN <r dagegen ſeine Meinnng fagen über das, was idm nüße oder
ſchade/ was ihm fehle oder ihn beläſtige: fo mujz er den bitieren Kern der Waͤdr-
heit unter einer Sülfe vom ſüßen Gegentheil verfteden, fetne ſtraͤfliche Tendenz zur
Offenheit in ein löbliches Someicheln verkehren und zulebt, — weil er in ſolchen
Künſten doch imner ein Stümper bleibt, — feine Gevanken , bevor ſie laut werz


bar vernichtet, oder in einer Weife zurecht zerrt, daß auch der Gefcheidtefte nicht
niehr erräth, was fie urſprünglich gewefen fein mögen.

Eo, meine DHerren, feht e& mit der freien Meinungsaußerung in Deutſchland.
So ſteht es mit der Preßfreiheit für Zeitungen und Zeüſchriften, für alle Schrifien
über öffentliche Angelegenbeiten in engeren und weiteren Kreiſen, für alle Schriften
die an das Volk gerichtet und nichtzu einer Dickleibigkeit angeſchwollen find, die
Höchfiens der Gelehrte roch ſchön findet! — Daß man heute die Zügel etwas loſer
Täßt, um ſie margen deſto fraffer anzuztehen; daß man dier den Nachbar zur RNechs
ten, Dort den Nachbar zur Linten ärgert, bis man ſich mit ihnen verftändigt, gegen-
ſeitig nur Lob zu geſtatten: dies andext die Sache evden ſo wenig, ais wenn der-
ſichert wird, man meine es nicht ſo ſchlimm, man wolle keine Waͤhrheit unterdrüs
den, ſondern nur für den gehörigen Anftand ſorgen. Ohne Freiheit giebt es Feine
Wahrheit, nur Nachoeterei; feinen Anſtand, einzig Dreffur, — Dem Kinde ſtebt das
Gängelband nicht übel, den Mann beſchimpft c8; den Sträfling, den Wahnftnnigen
überwacht das Auze des Wärters, der ündeſchoͤltene geht ſeinen Weg allein. —

Auffallende Fü forge, welche den Geiſt befchränkt, der nur mit Worten ſchaden
koͤnnte und die Hand frei [äbt, welche doch ſtehlen oder morden kannz zarte Pflege
der Sicherheit, welche das Werkzeug der Gedankenverbreitung, die Preffe, unter vOs
lizeiliche Aufſicht ſtellt, und doch andere Werkzeuge, welche dDas Leben zerſtören kön-


bes CSchöpfer8, vor den frei geſchaffenen Menfchengeifte, die ibn dem Gifte aleich
achtef, Dag mur abgegeben wird/ wenn vorher nachgewiefen iſt, vom wem und woju
es gebraucht werden ſoll! —

260 ſind nun die Früchte, an denen man die Weisheit der Gedankenbeſchränkung
und Angandsforge für die deutſche Nation zu erfennen vermöchte? - Wir erblifen
folche zunächft in der Lage, woͤrin fich die Hülfsquellen des materiellen Wohlfkandes
befinden. Cben fo frei, wie der Strom ver Gedanfken, bewegen ſich die Ströme,
auf denen der HGandel die Erzeugniffe der Urproduktion und vdes Gewerbfleißes abs
und zufüßrt. Mit eben dem Erfolge, wie die Preßcommiflion des Bundes, fißen
und fdwigen Commifionen halbe Jahrhunderte lang an der Elhbe, der Wefer, Ddem
MNhein, fie fMiden hicr und flicken vort, und bringen doch ntcht$ Rechtes zu Stande.
Bergebens, mie der veutiche Schriftftcller, miüht fich der deutfche Schifferz hier vers
fandet das Strombett, dort befhmeren ihn Zölle, und am Unterlaufe des deutfchen
Stromes trifft er den freiden Zöllner, der keineswegs die Schiffahrt unterdrückt,



ſondern nur dafür ſorgt, daß ſie ſich innerbalb der Grenzen eines deutſchen Anfan-
des bewege. Und wie wird der Deutfche angeſehen vom Austande und m Aur
lande? Meine Herren, ich will darüber ginwẽggehen, denn die Röthe der Schal:


welche ſich kund gibt in fo vielen Zeichen! Dex Madgiaͤre, obgleich mit Deutfhland
eng verbunden, ſchaut ſtolz herab auf den Deutſchen, alg auf ein Weſin niederer


nau, rückt langſam und ſtätig an ihr herauf; dem Dänen ſind wir tribatpflichtig
am Sund, er zwingt Deutſche die däniſche Sprache, das däniſche Commaͤndo zů
lernen; er rnft ganz Scandinapien auf gegen Holftein-Schleswig, daͤs die Errun»
genſchaft eines halben Jahrtauſends gegen däntfche Uebergriffe mit unverdroffenem
Muthe behauplet, in ſeinem edeln Kampfe aber voͤn den deutſchen Bruͤdern höchſtens
durch fromme Wünſche unterſtützt wird. Dem Britten, dem Hoͤlländer ſind wir Con-
ſumenten, fruges eonsumere nati, und weiter nichts; der Franzoſe beſitzt Metz und
Straßburg, und iſt noch nicht ſatt von deutſcher Beute. — Im Auslande in der
Deutſche wohlgelitten; er iſt ein unterrichteter Menfch, ein treuer, fleißiger Arbei-
ter; man bat ihn gern als Schulmeiſter, als Einwanderer, der ini Schweiße feines
Angefichtes ode Strecken urbar macht, als Handwerker, als Dienſtboten, alg Werb-


gen; man kennt es nicht, es gibt kein Lebenszeichen von ſich; man kennt nicht cin-


ſitzen auf fremden Thronen, ſitzen an der Seite freinder Königinnen, aber den in
Hriechenland mißhandelten Deutſchen weiß man nicht beffer zu heifen, als daß man
für ſie bett elt.

„Se hängt im Leben Alles zuſammen. Ein Volk, deſſen edelſte, deſſen geiſt q
Thätigkeit unwürdige Feffeln trägt, kann auch ſeine materiellen Hülfsquellen nicht


aͤnerkannt.
(Schluß folgt.)


Es werden folgende Petitionen angezeigt, beziehungsweiſe übergeben:
Durch das Sefretartat:

1) Bitte der Gemeinde Mößkirch um Verwendung beim großh. Staats uiniſterium
wegen Uebernabme der Straße von Mößkirch gegen Tuttlingen in den allges
meinen Staatsſtraßenverband.

2) Bitte der Gemeinderäthe zu Mößkirch, Rohrdorf, Langenhart, Gutenſtein,
und Stetten am kalten Narkt um Errichtung einer Poß- und Straßenver-
bindung zwiſchen Mößkirch und der würtendergiſchen Stadt Ebiugen über
Stetten am lalten Markt. 2

3) Der Brüder Auguſt und Friedrich Breſſel von Weiher um gerechte Hülfe und
Unterſtützung.


des ſtehenden Heeres und um Einführung einer zweckmäßigen Landwehr. .
3) Derfelben um Bewirlung vollſtändiger ünabhängigkeit der Juſtiz
6) Derſelben um Bewirkung der Preßfreihet. *
Des Leonhard Leitig weßen Herausgabe der Einſtandsgelder ſeines Brudere.
Ferner werden folgende Motionen angekündigt: 4
1) Des Ubg. Welder: Die hohe Kammer möge den ehrerbietigſten Antrag
auf eine Geſetzesvorlage ſtellen, durch welche bei der bevorſtehenden Aenderung un-
ſerer Gerichtsorganiſation und unſeres gerichtlichen Verfahrens für die Richted eine
ſolche Unabhängigkeit der Stellung begkündet wird, welche dem 5. 14 der Verfafs
ſunggurkunde entſpricht, welche in ganz Deuͤtſchland bis zur franzoͤſiſchen RNevolution
verfaſſungsmaßig beſtand und welche noch gegenwärtig bei den freien europäifchen
Nationen befteht, allermindeſtens aber doch eine ſolchẽ, wie ſie die Richter In den
andern deutſchen Staaten beſitzen. 4
2) Des Abg. v. Itz ſtein; Seine Lönigliche Hoheit den Großherzog ehrfurchts-
voll zu bitten, der gegenwärtigen Ständeverfammiung zu den, die Strafrechtspflege,
den Strafprozeß und die Gerichtsoerfaſſung betreffenden, den beiden Rammern be-
reits zur Berathung und Zuſtimmung übergebenen Geſetzen auch noch ein Geſetz-
entwurf üder Einführung der Geſchwornengerichten vortegen zu laffen, um diete
in vielen Punkten ſich einander bedingenden! höchſt wichtigen Geſetze in Ueberein-
ſtimmung bringen zu können.
Der Abg. Biſſing übexigbt eine Prtition der Aetuare bei dem großh Bezirks-
amt Stockach, um Reorganiſation des Acturaiatsfachs.
Der Ayg. Welte übergibt eine Petition der Gemeinde Sunthauſen um Mit-
wirkung zur endlichen und voͤlligen Vereinigung derſelben nicht blos unter Ein Be-
zirks⸗/ ſondern auch unter Ein Bürgermeiſteram̃t.


mann. Er beſteigt die Rednerbühne und ſpricht?

” Meine Herren! Anf dem letzten Landtage begründete ich im Wege der Motion
einen Antrag auf Veranderung unſeres Stenerſyftems. Noch ehe er zur Berathung
kam, wurde die Standeverſammlung gefehloffen. Nun da wir uns wi der verfan?



 
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