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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Oktober (No. 230 - 255)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1001

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— —


1 843.









Tagsbericht.


Deputirten fuͤr den durch das Loos aus der 2. Kammer der Abgeord-
neten getretenen Friedr. Daniel Baſſermann ftatt. Derſelbe wurde
mit 72 Stimmen gegen 1 wieder erwaͤhlt. — Dieſes Reſultat wird die
Bewohner Mannheims nicht uͤberraſchen, indem gleich nach dem Aus-
teitt des heute Wiedererwaͤhlten von einer gewiſſen Seite das Geruͤcht
ausgeflreut wurde, man muͤſſe ſeiner Zeit dieſes Ergebniß zu erzielen
fuchen; es wurde erzielt, und wie, iſt fuͤr Mannheim kein Geheimniß!
Weun es nun noch in einem Bericht uͤber die Vorberathung der Wahl-
maͤnner den wir in der hieſigen Abendzeitung v. 24. d. Nr. 249 leſen,
beißt: „d. Itzſtein druͤckte den Wunſch aus, daß die Wahlmaͤnner durch
„eine einſtimmige Wahl zeigen ſollten, daß dieſelbe nicht ſowohl das
Verk einer Paͤrthei, wie man fo gerne ſage, ſondern der freie Ge-
fammtwille der Eiuwohner Mannheims fet 26.”, ſo muͤſſen


nen groben Irrthum vezeichnen. Was heißt eine freie Wahl? Nach
unſerer Anficht wenn die Ürwaͤhler von keiner Seite bevormundet
werden, wenn man jeden frei, ohne die mindeſte Einwirkung,
waͤhlen laͤßt wie es ihm ſein Gutduͤnken und ſeine Ueberzeugung vor-
fchreibt} Iſt dieſes — die Haͤnd aufs Herz — bei der letzten Wahl
der Wahlmänner in Mannheim geſchehen? Kein! Viele redliche Buͤr—
ger, die wahrhaft freiſtnnig find, aber die Bevormundung von der
einen wie von der andern Seite nicht zu erdulden vermoͤgen, machten,
Da ſte nur zu gut einſahen, daß die Anſtrengung von einer gewiſſen Seite,
bei dem großen Haufen — alſo bei der Mehrzahl — erfolgreich fein werden,
voͤn ihrem Wahlkechte keinen Gebrauch, denn jeder Schritt, den ſie gethan
hHätten,. waͤre gewiß vergeblich geweſen. Bei dem großen Wahlkampf un
verfloffenem Jahre zeihten ſich hier doch noch zwei Partheien die
ſich den Sieg ſtreitis machten? eine gemaͤßigt überale, und eine
ultra lberale; damals war es doch moͤglich daß durch den Kampf
eine Wahrheit ans Licht komme, aber wie diesmal? Iſt der
Sieg ehrenvoll, oder iſt es uͤberhaupt nur ein Sieg zu nennen, wenn
der Seneral mit feiner blinden Macht keine Gegner auf dem Schlacht-
feld findet? Welchem Buͤrger, der frei, unab haͤngig und treu der
Verfaſſung iſt, mußte es nicht eine Thraͤne der Wehmuth abpreſſen wenn er
‘ glei® vom erſten aber auch bis zum letzten Wahltag ſah, daß
die von der „Volksvormundſchaft“ (Wohlfahrtsjunta?) welche re-
gelmäßig jeden Abend in einem Hauſe in der Gegend des Fruchtmark-
tes ihre Sigungen hielt — ausgegebuen lithographirten Wahlzettel
ſogar oft noch der vorgeſchriebnen Reihenfolge nach aus der Wahlurne
hervorfamen? Wir ſiud der vollkommenſten Uebexzeugung, daß alle
Wahlmaͤuner heute ihrem Eid gemaͤß nach Gewiffen gewaͤhlt haben,
hat aber die /Volksvormundſchaft“ andere Wahlmaͤnner gewollt, als
jolche von denen ſie die innige Gewißheit hatte ſte wuͤrden nur dem heute
Gewaͤhlten ihre Stimme geben? Wir fragen nur, hat ſie — um von
dielem ein Beiſpiel hier anzufuͤhren — den erſten Vorſtand der Stadt-
gemeinde, der vor nicht langer Zeit mit eminenter Stimmenmehrheit
wieder erwaͤhlt wurde, auf ihre Liſte geſetzt? Nein — ſie glaubte wahr-
ſcheiulich ſeiner politiſchen Farbe nicht trauen zu duͤrfen! Und doch
nennt man die heutige Wahl eine Volkswahl „die der freie Geſammt-
wille der Einwobner Mannheim's bilde!“

Nicht daß wir etwa gegen die Perſon des Gewaͤhlten etwas haͤtten!
Nein das ſei ferne von uns.
zffentlichen Leben — als einen freiſinnigen Mann kennen gelernt,
der in unerſchrockner Art die Rechte des Volkes vor den Stufen des
Thrones vertheidigt hat, und wir ſind gewiß, daß er mit der Zeit eine
Zierde der bad. 2. Kammer werden wird, aber eben deßhalb wuͤrden
wir an der Stelle eines Mannes dex wenn auch nur einigermaßen
ſeines Werthes ſich bewußt ſein muß, auf das heutige Reſultat der




ſammtwillen des Volkes hervorgegangen iſt. Wuͤrden doch die großen Man
ner, die ſo huͤbſche Reden halten koͤnnen und die Maſſe in Feuer und Beget-
rung zu verfegen wiſſen, ihre Kraͤfte dazu anwenden. in dem Volke, ſtatt
alg blinde Anbeter am Gaͤngelband zu leiten, ein Nationalgefuͤhl zu erwe-
cken und zu erhalten fuchen, damit jeder Buͤrger lerne felbſtſtaͤn—
dig handein, daß er erkennen moͤge, welche Pflichten und Rechte, er
alg Staatsbürger habe. So wuͤrde, ihr Volksredner! die Nachwelt euer
Andenken fegnen, ſiatt wenn ihr euch als Goͤtzen dienen laͤßt, der Nim-


einſehen muß, daß vieles was geſprochen und gethan wurde nicht im
Intereſſe des Volkes geſchah ſondern aus Eitelkeit, um ſeinem lieben
„SIch“ einen Namen zu machen, der aber mit dem Nedel durch den


_ #z Worms, 23. Oct. Nach und nach erfaͤhrt man die Details
des Unterfinkens des, bei Rheinduͤrkheim, verungluͤckten „Leopolds?“ Es


zu Thal komnienden „Koͤnigin? zuſammenſtieß, wobei es noch nicht er-
mittelt {{t, wer die Schuld traͤgt. Die Paffagiere in der großen Cajuͤte ver-

ie wenn manchmal das Boot beim
Anlanden an die Landungsbruͤcke ſtoͤßt; in der Vorcajuͤte wurde daͤge-


gen des Waſſers, was aber ſo ſchnell vor ſich ging, daß man die Effec-
len zu retten nicht mehr im Stande war. Man rief ſogleich mit dem
Spraͤchrohr um Huͤlfe, worauf die „Koͤnigin“ umwandte , zuruͤcktehrte
und Vaͤffagiere und Mannſchaft rettete. Zwei Feuerarbeiter, ſ. g. Sto-
cher ſollen jedoch fehlen. Ein großes Gluͤck war es, daß die „Koͤnigin“
nicht ſiaͤrker verletzt war, fonſt wuͤrden viele Menſchenleben verloren ge-


cher Zeit ein hollaͤndiſches Boot vorbeikam, und unterhalb Rheinduͤrk-


dampft haben ſoll, gewahrte und die erſte Nachricht hierherbrachte, die
freilich grauſeneregend war. Auf, dem „Leopold“ befanden ſich viele


Reiſende befinden ſich in der groͤßten Verlegenheit, indem ſie nichts
mehr beſttzen, als wie ſie gehen und ſtehen. Waͤhrend des Veſinkens
geriethen die Paſſagiere in die groͤßte Augſt; alles jammerte und weh-
klaͤgte und einige Frauen wurden ohnmaͤchtig, und mußten weggetra-
gen werden; einẽ davon liegt noch zu Gernsheim im Krankenbett. Man
hat eine Wache an's Ufer geſtellt, um diejenigen einſtweilen fern zu
halten, welche unbefugt retten wolen. Da uͤbrigens beide Schiffe ein
und derſelben Geſeltſchaft angehoͤren, ſo faͤllt hier der Verdacht von
Wettſtreit und Nebenbuhlerſchaft weg. .

Frankfurt, 21. Oct. Nach einer amtlichen Bekanntmachung be-
ginnt unſer Herbſt naͤchſten Montag, da aber die meiſten Trauben noch
unreif ſind, wird vorerſt wenig geleſen werden.

Stuttgart, 22 Oct. Das Regierungsblatt vom 21. October


ſend das Verbot der Druckſchrift: „Einundzwanzig Bogen aus der
Schweiz, herausgegeben von G. Herwegh“ Erſter Zheil. Zuͤrich und
MWinterthur. Der Verkauf eines jeden Exemplars dieſer Schrift in das
In. und Ausland wird zum erſten Male mit 75 fl und im Wiederho-
lungs⸗Falle noch haͤrter geahndet. *
Braunſchweig, 17. Oet. Um den Geſundheitszuſtand des Kö-
nigs von Hannover ſoll es viel bedenklicher ſtehen, als die von dort-
her Fommenden Zeituͤngsnachrichten anuehmen laffen. Er, leidet, wie


ſchon vor feiner letzten Reiſe nach England die lebhafteſte Beſorgniß der
Merzte erregt hatte und jeßt wiedergekehrt iſt. Man will waͤhrend der
Laͤgeruͤvungen eine auffallende Abnahme der Kraͤfte an ihm wahrge-
nommen haben.




 
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