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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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März (No. 51 - 76)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0213

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, Zagsbericht.

Mannheim. Vor dem Aſſiſengerichte der Pfalz in Zweibrücken
wurde in fünf Sitzungen, vom 15. bis 19. Febr., die Anklage wegen
der von dem Archivdiener Kanzler in Speyer verübten Entwendung
von Dokumenten aus dem Kreisatchis verhandelt. Kaͤnzler ſelbſt war
ſchon vor Beginn der Unterſuchung nach Frankreich entflohen, von wo
er ſich nach Amerika einſchiffte. Die anweſenden Angeklagten waren
Schreibgehülfe Wilde, Handelsmann Holzmann, Kaufmann Reinig
und Tünchnergeſelle Henkel, welche theils zur Entwendung der Urkun-
den behülflich geweſen ſind, theils dieſelben von Kanzler gekauft haben
ſolllen. Sie wurden ſämmtlich freigeſprochen, während gegen Kanzler
das Kontumazialverfahren eingeleitet iſt. Die entwendeten Archivalien
ſid größtentheils von hoher Wichligkeit; ein nach Mannheim verkauf-
ies Suantum von 50 bis 60 Zentnern wurden durch Vermittlung der
badiſchen Behörden zurückgeliefert, andere ſind in Grünſtadt, Otter-
ſtadt und Mutierſtadt mit Befchlag belegt worden.

_ eidelberg, 1.März, Das hiefige Journal ſagt: „Die Bera-
tbungen in Beireff der Main: Neckat-Eiſenbahn, welche ſchon
feit längerer Zeit in Carlsruhe ſtatifanden, ſind nun beendigt und die
fremden Bevollmaͤchtiſten, nachdem man ſich über alle weſentlichen
Punfte vereinigt hat, bereis in ihre Heimath zurückzekehrt. Die Bahn
von Weinheim aus wird über Ladenburg (oder vielmehr über den
ganz in der Nähe dieſer Stadt gelegenen Roſenhof) nach
Friedrichsfeld geführt und bei Neckarhauſen eine Brücke über
den Neckar gebaut. Nur was den Wechſel der breiten und ſchma-
len Spurwelte der Bahnen betrifft, ſo können wir aus authentiſcher
Quelle berichten, daß dieſer erſt in dem Bahnhof zu Heidelberg
und beziehungsweiſe auch in dem zu Mannheim ſtaͤttfinden ſoll! Bei
den preußiſchen Bahnen iſt nämlich die Spurweite nur auf k Fuß
8 Zoll 5 Linien feſtgeſetzt, während ſie bei der badiſchen Bahn 51 Fuß
beträgt. So vicl ſich nun auch für dieſe breitere Spurweite und über-
haupi für das in Baden angenommene Syſtem hinſichtlich der Solidi-
tät der Bahn, Wagen 26, ſagen läßt, ſo fordert eben doch die Rückſicht
auf das gemeinſame Inter ſſe, daß Baden ſich in das allgemeiner an-
zenommene Syſtem füge, weßhalb man ſich auch dazu verſtanden ha-
ben ſoll, wenn einmal eine Erneuerung der Schienen nothwendig ſein
werde, die ſchmale Spurweite zu adoptiren und die dadurch nöthigen
Aenderungen vorzunehmen. Im Hinblick auf dieſe künfiige Aenderung
wird denn jetzt ſchon von Frankfurt aus eine Bahn mit der in Preu:
ßen angenommenen Spurweite bis Friedrichsfeld und von da ſo-
wobhl nach Mannheim alg nach Heidelberg neben der breiten
Bahn eine ſchwälere angelegt werden, was um ſo leichter geſchehen
Fann, alg der Damm ſchoͤn zu einer Doppelbahn vorbereitet iſt. Schon
von Frankfurt an haben die Reiſenden zu erklären, ob ſie nach Mann-
heim oder über Heidelberg fahren wollen und nach dieſer Erklä-
rung werden ſie in verſchiedene Wagen eingewieſen, die ſich in Fried-
richoͤfeld, ohne daß dies großen Aufenthalt verurſachen dürfie, von ei-
nander trennen. So lange nun verſchiedene Spurweiten beſtehen, was
wohl bis zum Verbrauche der jetzigen Schienen noch eine geraume Zeit
dauern kann, ſoll in dem hieſigen Bahnhofe hinſichtlich des Hauptzu-
ges mit den Wagen gewechſelt und Alles umgeladen werden, was uns
ferer Stadt zu weſentlichem Vortheile gereichen wird. — Sicherm Bers
nehmen nach wird ſchon in den nächſten Monaten die Bahn von Frank-
furt und Darmſtadt aus in Angriff genommen werden, und man hofft,
daß ſie in drei Jahren volleadet ſein wird.

Berlin, 28. Februar. Im Staatsrathe ward neulich wieder über
das Eheſcheidungegeſetz discutirt, wo unter anderem der Geheimrath
von Sethe eine Sielle aus Luthers Schriften gegen die Vertheidiger
des Geſetzes geltend machte. Se. Maj. der König, der zugegen war,
zog die Echtheit der Stelle in Zweifel und ſoll geäußert haben, er
werde für Zurüdnahme brg Geſetzes ſtimmen, wenn ſich der Ausſpruch



Luthers als echt erweiſe. Hierauf ſoll Biſchof Neander mit dem Bande
von Luthers Werken hervorgetreten ſein nnd aus demſelben die Stelle
wörilich vorgeiragen haben, Hiermit ward die Sitzung geſchloſſen.

— Das Verbot der Carricaturen hat plötzlich alle Schaufenfer der
Buch⸗ und Kunſthandlungen von den zahlreichen Blaͤttern diefer Art
Eleert; bei der Lage unſerer Geſammtoerhältniſſe war die Freiheit der
Larricatuxen allerdings eine Abnormität, die keinen Brftand haben
konnte. Um Larricaturen zu ertragen, gehört ein politiſcher Staͤnd-
punkt, zu welchem man nur durch Freiheit der Preſſe und der öffent-
lichen Zuſtände gelangen kann.

Elbing / 25. Febr. Reiſende, welche vorgeſtern Heiligenbeil paſ-

ſirt haben, Terzählen, daß dort ein trauriges Ereigniß viel Aufregung
verurſacht habe. Es fır nämlich im Angeſichte dieſer Stadt ein mit
Erbſen beladenes, 5 Laſt großes Fahrzeug mit Mann und Maus um
* untergegangen, wobei vier Menſchen ihr Leben eingebüßt haben
ollen. ; ;
Bern. Der Regierungsrath hat den Wunſch um Abhaltung von
Maskenbaͤllen, alg die öffentliche Sittlichkeit verletzend, abgeſchlagen.
‚ Paris, 27. Februar. Die Journale beſchäftigen ſich fortwaͤhrend
faſt ausſchließlich mit Muthmaßungen über den Augsgang des Parteien-
kampfes über den auf die geheimen Fonds bezüglichen Geſetzentwurf;
ſchoͤpft und treiben ſich, ihre Leſer und ſich ermüdend, mit Wiederho:“
In den miniſteriellen Kreiſen war geſtern Abend eine
Aufergewöhnlidhe Heiterkeit bemerklich; es verbreitete ſich die allerdings
erwünſchte Nachricht, daß die abtrünnigen Conſervativen, mit Hrn, v.
Salvandy, ſich von der Intrigue wieder abgewaͤndt haben und in die
miniſteriellen Reihen wieder eingetreten ſind. Es ſtünde demnach außer
allem Zweifel/ daß des Miniſterium bei der Frage von den geheimen
Fonds die Majorität haben werde.

Madrid, 20. Febr. Es hat noch nichts darüber verlautet, ob
die Regierung bereiis die Mitglieder, welche den neuen Staatsrath
bilden follen, gewählt habe. Mehrere Perſonen glauben, nicht ohne
einigen Grund, daß dieſe Einrichtung nur zu dem Zwecke getroffen
worden, um zur Theilnahme an den Staatsgeſchäften Männer aller
Parteien herbeizuziehen, welche jetzt in Folge der politiſchen Zwiſtigkei-
ien davon entfernt ſind. Man möchte mit einem Worte die Vereini-
gung aller eonſtitutionellen Parteien erleichtern.

Serbien. Die „Ofener Zeitung“ meldet unterm 14, Februar:
„Die Stunde der Erlöſung für das unglückliche Serbien von ſeiner
tyranniſchen Gewaltherrſchaft hat geſchlagen. — So eben eingehenden
Correſpondenz : Nachrichten aug Konſtantinopel zu Folge iſt von Seite
Sr. Hoheit des G.oß⸗Sultans, Abdul-Medſchid Khaͤn, der kaiſerliche
Ferman zur Wiedereinſetzung Sr. Erlaucht des Fürſten Mi-
chael Obrenovits auf den ſerbiſchen Thron ausgefertigt
und zur Ueberbringung des Fermans ein faiſerlicher Com-
miſſar bereits ernannt worden.“ Die Agramer Zeituag be-
merkt hiezu: Da weder die Belarader Zeitung vom 15. d, M., noch


hievon enthalten, ſo dürfte dieſe wichtige Nachricht kaum einigen Glau-
ben verdienen.

Algier, 19. Febr. Letzten Doanerſtag um 1 Uhr wurde auf dem
Platz Bab el Qued der Araber Abdel-Kader-Zellouf Ben- Dahmar aus
der Gemeine Boutdjarnah, hingerichtet. Er war wegen mehrerer Mord-
thaten zum Tode veruriheilt worden. Die Erecution mii der Guillo-
tine, welche zum erſtenmal in Algerien Statt fand bisher hatte man
ſich des Natagans bedient, die Todesſtrafe zu vollziehen — führte eine
zroße Menſchenmene berbei. Abdel Kader — ein Namenevrtter des
Emirs — zeigte in ſeinen letzten Augenblicken kaltes Blut, und machte
dem Henker fein Bluiwerk leicht, indem er ohne Widerſtreben ſein ſchul-



 
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