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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Februar (No. 27 - 50)
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Gin Traum meines Großvaters.
(Fortſetzung)
Richard ſprang auf und ſah den Redner mit einem Blicke an,
alg fuͤrchte er die Tiſchgenoſſen wollten ſich mit ihm einen ſchlechien
Spaß machen. ‘ 2
„Nun,““ fuhr der Freund fort, Du brauchſt mich nicht ſo miß-


wickelt/ als ich ihm zugetraut hätte. An Bord kann man einander nicht
ausweiden, man fißt vom Mergen bis zum Abend veiſammen, man
fann dem Herzen Luft machen. Aber Richard, laß es gut ſein; 's iſt
eine gute Probe. Wenn Dich das Maͤdchen liebt ſo hafı Du nichtẽ


Treulofen wegen graue Haare waͤchſen zu laſſen, wäre zu viel Ehre.
Angeſtoßen, Richard es lebe die Freuntſchaft! Und laß Dich von den
Duckmaufern nicht argern; der Eine trinkt ein Glas und wird zum
Bieh! der Andere nımmt es mit einem Dutzend Tummlern auf und

fteht ſeh


wollte er ſich erheitern und auch zeigen, daß ihn nichts anfechte. Er
granf; er tranf viel. Anfangs war der Grog ihm wie Waſſer; aber
nach und nach vergaß er ſich und die Welt; ein Glas folgte Dem an-
dern; alg die Zecher nach Hauſe gehen wollten, konnte er nicht mehr

ſtehen.

Zwei Freunde alg „ſolide Köpfe“ bekannt, nabmen den Trunkenen


ein Frauenzimmer, das in den Mantel gehüllt war und aus dem Hauſe


truͤnkenen, den ſie in der Mitte hatſen, ins Geſicht, ſtieß einen Schrei
aus und eilte fort. ;


alten Jack hatte ihre Richtigkeit. Drei Tage lang hauen Oheim und


gekarteten Partie ihre Einwilligung zu geben. Aber Richarts Freund
datte auch darin Recht, daß dieſe Kriegsliſt das Gegentheil bewirkte.
Als ſie fah, was im Werke ſei, blieb ſie auf alle Fragen und Vor-
ſtellungen ſtumm.

„Fahrt mich nach Cork zurück!“ war die einzige Antwort, welche


Der alte Seemann ſetzte dem Eigenſinne Eigenſinn entgegen und


ſtarre Mädchenſinn werde brechen. Mit bittrem Geimm ſtrich er end-
lich die Segel, im Grunde aber hatte er großen Reſpekt vor ſeiner
Nichte bekommen. Mit Anbruch der Nacht erreichte die Yıdt dea An-
kerplatz und eg war gerade zehn Uhr ale die Paſſagiere mit der Barke
am Kai von Cork ankamen ; ;

Durch die Fahrt aufs Aeußerſte getrieben und das Schlimmſte von
Richarts Verzweiflung erwartend, ſitzte ſie ale Bedenken bei Seite,
wachte ſich vom Oheim los und eilte zum Hauſe des Geliebten.
Sie pochte und gab dem Bedienten den Auftrag, ſeinem Herrn zu ſa-
gen, ſie ſei wohlbehalteu wieder angekommen. Sie hörte, Richatd ſei
nicht zu Hauſe und wollte nun ſchnell zum väterlichen Hauſe eilen, als
ſie jenen drei Mäunern begegnete.

Sie war indeß uicht allein Zuſchaueria des Auftrittes, in welchem


merft, was die eigenwillige Nichte vorhabe, war ihr in einiger Ents

Ungluͤckliche nach Hauſe gebracht wurde. —
Als Charlot von den Männern forteilte, ergriff der Oheim ſie beim



den Dienſt verſagten, fort und ſagte: *
Raſch/ raſch, Mädchen, die Sache nimmt eine zu ernſte Wendung,
als baß da noch viel nach Prüderie und Kinderei gefragt werden könne.
Straf mich Goit, wenn ichs nicht gut Dir meine; aber jeßt muß ſichs
auf der Stelle entſcheiden, ob Du lieber ein Vieh oder einen EChren-


Hand Aber keine Stelldichein keine Tbhorheiten waͤhrend der Zeit!
Du bleibſt Gefangene auf Ehrenwort! Nach Ablauf der Bedenkzeit
folaſt Du dem einen oder dem andern zum Altate. Verftanden? 5ch


heute Abend kommt ſie zur Sprade, — —



Als Charlot nach Hauſe kam, ſchloß ſie ſich "ogleih auf ihrem Zime
mer ein; die beiden Brüder dagegen ſaßen bie in die ſpaie Nacht bei-
** in lebhaftem Geſpraͤche. Zulctzt trug der alte Jack den Sieg

avon.

„Nun gut, John,“ ſagte Charlots Vater, „es fei! Ich gebe Dit
nach aber ich fürchte, Dein Plan bringt uns wenig Heil, denn, ver-
laß Dich darauf, ihre Wahl fällt nicht auf Deinen Freund.“

„vLieber Anthony, meine Nichte iſt weder eine Gans noch eine


von Dir wohl gtthan war, ſo zu haͤndeln. Die Weiber tteibt alle
der Geiſt des Widerſptuchs. Dein Verbot war ein Anker fuͤr ihre Lei-
denſchaſt. Einzig und allein mit den Hinderniſſen beſchaͤftigt, die Du
ihrer Verbindung mit Richard entgegen ſtellteſt, hat ſie noch gar nicht


Lichte zu betrachten. Wie dem aber auͤch ſei, wir duͤrfen ſie ſich denn
doch nicht aufzehren laſſen, und eg iſt höchſte Zeit, auch an ihre Ge-
ſundheit zu denken. Du ſiehſt ſie taͤglich urd weriſt es nicht, wie ihr
dieſe ſchiefe Stellung zugeſetzt hat. Kaum ein Jaͤhr iſts her, als ich
ſie zum letzten Malẽ fah und ich hätte ſie, wie gefagt, faſt nicht wie?
der erkannt. Noch ein Jahr in ſo peinlicher Ungewißheit, und Du
kannſt den Sarg für ſie beſtellen. Deshalb iſt mein Plan der biſte
Steht die Wahl ihr frei, ſo muß ſie auch klar überdenken, was ſie de-
ginnt und ich halte ſie für viel zu klug und tugendhaft, als daß ſie
dem Wolfe ſo geradezu in den Rachen ſpringen könnie. Nimmt ſie mei-
nen Freund, ſo geht Alles gut; denn ſchlimm iſt beſſer alg ſchlimier!
Lieber will ich ſie an des Saͤufers Seite leben, alg in dieſem Jammer
ſterben ſehn. Und damit gute Nacht Anthony!“ —

Währead der vierzehntägigen Bedenkzeit kam Charlot faſt nicht aus
ihrer Stube. Ihr Bewerber machte zwaͤr täglich Beſuch und jedes mal
ward ihr derſelbe gemeldet, doch nur zwei Mal erſchien ſie im Frem: -
denzimmer. So ſchwand die Friſt; nur noch einen Tag haͤtte ſie frei
und noch hatte ſie auch nicht die leiſeſte Andeutung über ihre Abſicht
laut werden laſſen.

Richard liebte Charlot trotz ſeiner wilden Lebensweiſe innig und
treu; er ſagte nicht zu viel, alg er ihr beihenerte, er wiſſe ſich nicht
der kleinſten Untreue ſchuldig. Alg er am Morgen nach jenem wüſten
Abend die Augen aufſchlug, war ſie ſein erſtet Gedanke. Er fragte
(Fortſ. flgt.)

Wie die Schwaben heirathen.
(Schluß) 2
Die Hochzeit ſelbſt wird im Wirthshauſe durch Tanz und Mahl ge-
feiert. Damit Alles in Zucht und Ehren für ſich und vorbeigehe,


dankt und gegabt (a’ dankt und ’gäubt) wird, an abgeſonderten
Tiſchen; den führnehmſten Platz bei den Mannsbildern erhält
der Hochzeiter, bei den Weibebildern die Hoͤchzeüerin, jenem zur
Seite der Ehrvater, dieſer zunaͤchſt die Ehrmutter oder Zuchtfrau. Bei-
der Pflicht iſt nun, üder Eiahaltung gewiſſer Orenungen Wache zu
halten, beſonders der Letzteren, daß die Braut nicht geſtoblen, D, h.
ohne ihr Vorwiſſen nicht vom Platze entfernt werde. Um dieſen Spaß
doch durchzuführen, erſinnen unb verſuchen nun die jungen Leute aller-
lei Ränke und Schwänle, Gtiffe und Kniffe, und gelingt es ihnen end-
lich doch, ihren Plan durchzuſetzen, ſo führen ſie die Braut in eine
Nebenſtube, und feiern den Triumpf unter lautem Jubel bei Wein
und Tanz auf Koßen der Schlamperin. Iſt die Betheiligte ents
weder zu genau oder zu unvermögend, um dieſe eben nicht undedeuz
tende Nebenausgabe beſtreiten zu wollen oder zu können, ſo übernimmt
der Ehrvater oder der Hochzeiter ſelbſt den Antheil; im Falle aber,
daß dieſes Brautſtehlen überhaupt eine „maleſiedige SG’heyete*)“
verurſacht, wird der Verdruß von den Brautdieben und andern
Theilnehmern ſelbſt durch Vergütung des Wirthes und der Muſikanten
friedlich geheben.

Mit dem letzten öffentlichen Hochzeit Alt, dem Abdanken, dem
Zechbezablen und dem Gauben, welches um die eilfte nächtliche
Stunde geſchieht, verhaͤlt es ſich kürzlich folgender Maßen: Der Abs
vanker — ein in jedem nicht kleinem Dorfe eigens hiezu eingeſchulter


zierlich abgefaßte und hochgelahrte, über geiſtliche und weltliche Mates
rien ſich verbreitende, zur Feier wohl paſſende Rede, wobei nament
Eſnen argen Verdruß.
 
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