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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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April (No. 77 - 101)
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Julimanen errichtete Saͤule zu ſchleichen, und die auf dem Gipfel der-
ſelben ſtehende Statue zu berauben. Man hofft die frechen Diebe bald
zu entdecken, da dieſelben gluͤcklicherweiſe nicht entkommen ſind, ohne
einige Spuren zu hinterlaſſen.“ — Folgende Notiz war fuͤr die Nach-
richten aus der eleganten Welt beftimmt: „Auf dem letzten Mas:
kenball wurden fuͤnf Matrofen, und zwei dem aͤnderen Geſchlecht au-
gehoͤrende Poſtillons arretirt, welche eine voͤllig ausgeartete Cachucha
mit einander tanzten.“ — Cuſebe wurde mit ſeiner Klage abgewie-
ſen, und in die Koͤſten verurtheilt.

Bu nt e s.

+ Im Roman: „Die Fuͤrſtentoͤchter“ Thl. I, S. 33 ſteht buchſtaͤblich:
„Iunerer Kampf war auch dem geuͤbteſten Menſchenkenner auf dem
Geſicht des Vermummten ſichtbar.“

*7 '3n einem Kaffeehaus zu Fuͤrth ſaßen einſt viele Aktionairs und
Geldgeſchaͤftsleute zuſammen an einem Tiſch und ſpielten Domino. „Ach-
wie ſchaine waͤrs doch, wemr derft die Staatspapierche und die Obli-
gationes und die guten Actienſcheinche ſelber machen,“ ſagte Herz Bapz
penheimer Nou, was is der mehr,“ ſagt Loͤwele Ferth, „aß ich den
Herrn doch will aufgieben zu rothen, wie aß mer's macht, daß alle
Balken und Steine im ganzen Houß werden zu eitel Hybothekenſchei-
ner und kouſchere Obligationes und Goͤldſtaͤngelcher — wer's nit weiß,
bezahlt ſechs Kreuzer!“ — Die ſaͤmmtlichen Anweſenden gehen es ein,
und Keiner erraͤth, wie das ohne ein Wunder moͤglich fei, Alle bezah-
len und Loͤwele Ferth ſtreicht das Geld ein. „Nu, nu, weißt Du’s
denn? ſchreien aus einem Halſe die Andern. — „Na, ich weiß auch
nit — da ſenn mei ſechs Kreuzer.“ /

+ Wie uͤberall, ſo bemühen ſich auch die Damen in Paris fehr


ſogenannten Faney Fairs ſehr beliebt, bei denen vornehmen Damen be-
kanntlich als Verkaͤuferinnen von allerlei Gegenſtaͤnden fuͤr die Armen
fungiren, und die Herren ſich einfinden, bei ihnen zu kaͤufen. Eine
kleine Hinterliſt zu Gunſten der Armen iſt da wohl erlaubt, und kommt
nicht ſelten vor. So erzaͤhlt man, die Baronin von L: hatte ſich vor-
genommen, den Grafen T. an der empfindlichſten Stelle ſeines Her-
zens — naͤmlich an der Boͤrſe zu verwunden, da der Graf fuͤr ziemlich
getzig gilt... Er ging bei einer ſolchen Ausſtellung umher handelte an


im hoͤchſten Grade erzuͤrnte. In dem Augenblicke, ols er mit einem
Bekannten ein ſehr lebhaftes Geſpraͤch augeknuͤpft hatte, ſchlich die
junge Baronin von L hinter ihn, und ſtellte dandie beiden ſchoͤnſten
geſchliffenen Glasvaſen auf. Bei der erſten Bewegung, die der Graf
waͤchte, warf er ſie herunter, und ſte zerbrachen. Die Damen ſtellten
ſich verzweifelt. Der Graf drehte ſich um, und erblickte erbleichend die
Ueberreſte der ſchoͤnen Opfer.
Sraf,” fagte die junge Dame, welche die Vaſen ſo geſchickt aufgeſtellt
Hatte, „fie koſten nur 150 Franken.“ Der Graf betraͤchtete die Truͤm—
mer mit wahrhaft ruͤhrender Trauer, doch zoͤg er, ohne weiter ein
Wort zu ſagen, die Boͤrſe, zahlte die 150 Frauken, und ging fort, huͤ—


Der Marquis von G, einer der erſten Elegants zu Paris, befand-fich
ebenfalls bei dieſer Ausſtellung, und ſprach mit einer der Damen, Wwelz
che ihm die ſchoͤnſten Gegenſtaͤnde zum Kaufe anbot. — „O nein!“
autwortete er , valles dies reizt mich nicht; nur etwas moͤchte ich kau-
fen, denn das halte ich fuͤr das Schoͤnſte, — das kleine Tuch, das


daſſelbe anzubieten entgegnete. die junge Dame ſooleich, ohne die
Geiſtesgegenwart zu verlieren, „Ddenn es koſtet 500 Franken.“ „Jeder-
man bringt den Armen ſeine Gabe dar,“ ſprach der Marquis! Er
mußte das Tuch nehmen, weil die junge Verkaͤuferin ihm dafſelbe hin-
hielt, und legte ſeufzend eine Banknote von 500 Fr. hin.



Eine deutſche Krankheit: „die Fremdwörter⸗ Sucht.“
Es iſt eine eigenthuͤmliche Erſcheinung bei uns Deutſchen, und
dieſe tritt gerade jetzt, bei dem mehr und mehr erwachenden National-
gefuͤhl um ſo auffallender hervor, je mehr unſer gerechter Nationalſtolz
eine gewiſſe Geltung gewinnt — ja es iſt eine eigenthuͤmliche aber wi-
derwaͤrtige Erſcheinung, daß, wenn wir Deutſche vornehm und ge-
ehrt ſein wollen, unfere Mutter-Sprache mit einer Maſſe fremder



Voͤrter verflochten und verunſtaltet wird, ſo daß ſelbſt der deutfche
Mitbruder, der nicht die Zinne des Tempels der hoͤheren Wiſfenſchaf-
ten erſtiegen, der zum mindeſten ein Fremoͤwoͤrter-Buͤch in Taͤſchen Form
beſtaͤndig bei ſich traͤgt, ſeinen eignen Bruͤder nicht verſtehen kant
Wir wollen noch gur nicht einmal reden von dem hälb deutfchen,. halb
lateiniſchen „deutſchen Gerichtsſtyl,“ oͤder voͤn rein wiffenſchaft-
lichen Fachwerken, die einer beſondern Klaſſe voͤn deutſchen Buͤrgern
angehoͤren, obgleich auch hieruͤber, beſonders uͤber erfteren, mit Recht
ſchon oft Tadel ausgeſprochen worden iſt. Aber gegen unfere Tages:
blaͤtter wollen wir voͤr allem das Wort nehmen, und an dieſer Stelle -


terlaͤndiſchem Beweggrunde und aus Achtung vor unferer deuͤtſchen
Volksthuͤmlichkeit uͤberhaupt, ſo wie fuͤr unfere nichtgelehrten Mitbuͤr—
ger insbeſondere. *

Unſere warmen und heißen Vaterlauds- und Buͤrgerfreunde halten
es fuͤr einen großen Sieg der Volksaufklaͤrung, unſere Tagespreffe dem
Volke wir verſtehen hierunter auch unfere guten ehrlichen Land- und
Bauersleute, die bekanntlich ihren beſcheidenen Theil der ganzen Be-
voͤlkerung ausmachen — zugaͤngig zu wiſſen, und das iſt es auch in
der That. Aber Du lieber Goltl da kreuͤzigen ſich die guten Leute an
den oft kanderwelſchen Zeitungs-Artikeln mit dem lateiniſchen, fran-
zoͤſiſchen, engliſchen, italieniſchen und — wer weiß noch mit was für
auslaͤndiſchen Brocken, oft ganzen Zeilen, und am Ende wiſſen ſie

doch nicht, was ſie gelefen haben, fie maͤchen hoͤchſtens ein wichtizes

Geſicht dazu und ſehen aus. wie Einer, der beim Abſingen der lateini-
ſchen Veſper⸗Pſalmen in Andacht zerfließt, weil er kein Wort davon
verſteht, nur allein deßwegen, weil's lateiniſch iſt. ; ;

Am allermeiſten iſt dieſer Mißbrauch bei den volksthuͤmlichen, ſo-
genannten „liberalen“ Blaͤttern zu tadeln, die es doch uͤbernommen
haben ; das Volk zeitgemaͤß zu unterrichten und ihrer ſtaats-buͤrgerlichen
Reife entgegen zu fuͤhren. Eine ſolche Aufgabe die an ſich nicht allein
lobenswerth ift, ſondern im hohen Grade verdienſtlich. Die Tages-
preſſe iſt das große Schulbuch fuͤr Volksbildung und CErziehung,

Zur Erreichung dieſes Zweckes muß aber nicht allein der Stoff
ſorgfaͤltig ausgewaͤhlt und nach einem naturgemaͤßen Stufengange ge-
ordnet, fondern die Sprache auch verftaͤndlich ſein. Wie kann
ſie aber das, wenn ſie mit einer Maͤſfe fremder Woͤrter augeruͤhrt wird,
die den deutſchen Sinn in ſich eingewickelt haben, wie ein Paſtetenteig
die Gaͤnsleber! Ein einziger Zeituͤngsartikel, wenn er nicht ganz furz
iſt, prangt oft mit ein Paar Dutzend fremder Woͤrter, wie: Dialektik,
Kritexium, Tendenz-Cenſur, Vehikei, post festum, Terrorismus, Fiktion
und Faktion; elenientare und ſuͤblime Doktrinen, Kotterien 16 WL

Sieht das nicht dem Gewimmel von fremdem Geziefer auf einhei-
miſchem Boden gleich?

Bei dem Anblicke eines ſolchen Artikels kommt es uns gerade vor,
als haͤtten Kinderz oder Narrenhaͤnde den zwar etwas langen und wei-
ten, aber doch einmal volksthuͤmlichen Rock unſeres guten Michels
in ſeiner Einfachheit nicht ſchoͤn genug gefunden, und deßwegen an ſol-
chem allenthalben Loͤcher ausgeſchnitten, um In dieſe verſchiedenfarbige
rothe, blaue, gelbe 2020 — Placken einzuflicken, damit der ſonſt
ganze Rock bunt werde, und ſo ihrer Meinung nach ſchoͤner auss
ſaͤhe, und werthvoͤller ſei. Allein, mit rein vaterlaͤndiſchen Augen be-
trachtet, iſt es eben einmal ein geflickter Rock, wie der eines ganz
armen Mannes! *

Der Tadeltiſt zwar etwas hart, aher wohlgemeint und gerecht.

Wo gibt es noch eine Nation, die ihre Sprache ſonmit fremden
Woͤrtern verunſtaltet, wie die deutſche?! Iſt doch die Sprache das
wahre Abzeichen eines Volksſtammes, das unveraͤußerliche ſittliche
Volks⸗Wappen, deſſen Felder nicht durch fremdaͤrtige Zeichen ver-
unſtaltet werden ſollen. * *

Haben doch erſt kuͤrzlich wieder die preuͤßiſch-polniſchen Staͤnde um

die Reinhaltung ihrer Mutterſprache — als weſentliches Einhaltungs-
mittel ihrer Volksthuͤmlichkeit — an den Stufen des Koͤnigsthrones
gebeten! —
D'rum ihr Freunde des Volkes und Vaterlandes! iſt Euch al der
Volksbildung und Erziehung zum edlen Zwecke wahrhaft
aufrichtig gelegen, ſo forget Dafür;, daß Eure Lehre auch von
Jedermann verſtanden werden koͤnne, D, D, ſprechet 44
fchreibet deutfh, wenn Ihr flr das Bokk, und nicht blos fuͤr Ge-
lehrte Schreiben wollet; foͤnſt trifft Euch der unabweisliche Borwurk,
daß Ihr Eure Aufgabe entweder nicht begriffen habt, oder daß
es Euͤch darum ncht wahrhaft ernſt ſei. S.


 
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