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Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
Juli (No. 152 - 177)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0614

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DieSntführerim

4 (Schluß.) ;

Bei näherer Bekanntſchaft machte Sir George die Entdedung, daß
die ſchoͤne Baronin die ſeltſame Liebhaberei befaß, welche in England
unter den Maͤnnern zwar nichts weniger alg ſelten, unter dem ſchoͤ⸗
nen Geſchleche dagegen gaͤnz beifpielos iſt! Sie iwaͤr naͤmlich eine
Eidenſchaftliche Frenndin des Angelns, Man haͤtte ſie einen weiblichen
Walton nennen koͤnnen. Sie haͤtte fuͤr die Sommerſaiſon ein Heines
Jachtſchiff gemiethet, und jeden Morgen, wenn das Wetter ſchoͤn war,
ſtand ſie mit Tagesanbruch auf, beſtieg ihr Bot, und fuhr mit aus-
geworfenen Angeln die Kuͤſte entlang. ĩ

Ich begreife nicht, wie Sie an dieſer laugweiligen Beſchaͤftigung

Vergyuͤgen finden koͤnnen; fagte Sir Geoͤrge eines Tages zu ihr-
. D! Ddas iſt eine waͤhre Luſt! erwiederle ſte munter; uuͤd überdies
haben mir die Aerzte die Seeluft und haͤufige Bewegung empfohlen.
Ich machte anfangs Spazirfahrten, um Ddiefem aͤrztlichen Rathe zu fol-
gen und fand bald Geſchmack am Fiſchefangen. Die Sache iſt freilich
oft etwas langweilig, denn meine Bedienten und Matroſen ſind die
einzige Gelellſchaft zuf dem Schiffe; aber der Major A#* und der
Capitän. C**" — Sie wiffen, wie galant Beide immer : gegen mi
find — haben mich ſo oft um Erlaubniß gebeten,
leiſten zu Ddürfen, und ich Ddenke,. ich muß ihre Bitte endlich wohl ge-
waͤhren.

Dies war zu viel fuͤr einen ſo feuͤrigen Liebhaber wie Sir George;
wie konnte er auch den Platz, den er als hoͤchſtes Gluͤck ſeines Lebens
anfah', ſeinen beiden gefaͤhrlichen Nebenbuͤhlern uͤberlaſſen? Die Baros
nin gab endlich ſeinen Bitten nach, uud erhielt die Erlaubniß ſie am
4 auf einer ihrer abentheuerlichen Waſſerfahrten begleiten
zu duͤrfen. —

Das Wetter war außerordentlich ſchoͤn, und die beiden Liebenden
gingen bald nach Sonnenaufgaͤng an Bord.
an der Küfte hin, und ſtachen ſelbſt weit in die . See, ohne daß die
Baronin Luſt zum Fiſchen zeigte... Anfangs war das Waſſer, deſſen
Oberflaͤche ein lauer Suͤdweſtwind leicht kraͤuſelte, ihrer Meinung naͤch


Morgen kein Vergnügen. Sir George fah Ddiefe Laune gar nicht un-


ronin ihm zuhoͤrte! Letztere ſchien ihrerfeits auch Alles aufzubieten, um
eine recht liebenswuͤrdige Wirthin zu machen, In der Cajuͤte wurde
ein Fruͤhſtuͤck ſervirt; die Seeluft hatte Appetit gemacht, und der Baro-
net ließ ſſich vorzuͤglich den Burgunder wohl ſchmecken. So verging
eine Stunde nach der andern; der Barouet. war.von Dder Liebenswürz
digkeit ſeiner ſchoͤnen Wirthin ganz entzuͤckt; er ſah und hoͤrte nur ſie,
und pergaß alles Andere um ſich her. Endlich ſah er wie zufaͤllig nach
der Ubhr, und ſprang uͤberraſcht aaf. ; !

Wie? ſchon vier Uhr? rief er erftaunt; ich glaube die Schiffsleute
haben noch nicht einmal an die Ruͤckfaͤhrt gedacht, und der Wind
kommt faft gerade von der Küfte her.. Wenn Sie noch angeln wollen
meine ©näDdige, ſo iſt es Zeit! daß Sie anfangen..

Die Antwort fuhr dem armen Baronet mie _ein elektriſcher Schlag
durch die Glieder.
und was noch mehr iſt, ich habe meinen Fiſch gefangen!


Fiſch hahen Sie gefangen.
Zwanzig tauſend Pfund erwiederte ſie kalt.
Sir Gebrge erblaßte vor Schrecken, und eilte aufs Verdeck.


der engliſchen Kuͤſte!


DBaronin, welche ihm auf das Verdeck gefoͤlgt war.
Er drehte ſich um, und. fchaute ſie an.
Shre Abficht iſt alfo, mich. — '


Gelingen ihres Planes hinlaͤnglich beurkundete.
Sir George waͤndte ſich zu den Matroſen.
rief er, fünfundzwanzig Loutedor für Euch,
— }
ünfundzwanzig Leuisdor! ſagte die Lady ſpoͤtti anzig-
tauſend Pfund in der andern 4 8* — 2 *—
Sefühllofes, verraͤtheriſches Weib! rief der Baronet wuͤthend, und

wenn Ihr wieder nach





ſchaufe die Seeleute mit ſo drohenden Blicken an, als haͤtte es in ſei-
ner Gewalt geſtanden, ſie ſuͤr die Nichtbeachtung feiner Aufforderung
zuͤchtigen zu laſſen. Auf einen Wink der Baronin ergriffen ihn jedoch
zwei nervige Faͤuſte, er wollte ſich wehren aber umſenſt, und man -
wuͤrde ihn gebunden haben, wenn er nicht das Verſprechen gegeben
haͤtte, ſich in der Cajuͤte rubig zu verhalten. Es blieb ihm in der
That nichts uͤbrig, als ſich in das Unabaͤnderliche zu fuͤgen.

Sir George ſchaute die, welche ihn auf ſo fhmachvolle Weiſe uͤber-
liſtet hatte, mit Entruͤſtung an. Sie empfahl den Matroſen, eine nach-
ſichtige Behandlung des Gefangenen; uͤbrigens aber ſchien ſie feine Lage
ohne ſichtbare Bewegung zu betrachten.

Von Ihnen alſo bin ich verrathen, verkauft! ſagte er ingrimmig,
von Ihnen, die ich ſo wahr, ſo innig liebte!

Sie liebten mich?

O Sie wußten es wohl, erwiederte Sir George. Da Ihr Sinn
einmal nach ſchnoͤdem Gewinn ſtand, wuͤrde mein ganzes Vermoͤgen,
2 8** Hand ſie nicht beſſer gezahlt haben, als diefer elende, Verz
rath? 1
Sie erwiederte kein Wort auf dieſen Vorwurf, und auch Sir George
redete von dieſem Augenblicke an keine Sylbe mehr, bis ſie in der
Themſe landeten. Er wurde den Matroſen uͤbergeben, und auf ſein
feierliches Verſprechen, keinen Verſuch zur Flucht zu wagen, in einen
Gaſthof gebracht. In der Meinung, es ſei doch einmal Alles verlo⸗—
reu; war er froh, ohne Einkerkerung davon zu kommen! oͤbwoͤhl er
fuͤrchtete, es ſei nur eine Friſt, bis feine Glaͤubiger von ſeiner Ankunft


Es war Nacht, als die Geſellſchaft landete!? Sir George vermochte


heimſuchte. In der Fruͤhe ſetzte er ſich nieder! und ſtellte einen Re-
vers aus, worin er ſein ganz Vermoͤgen den Glaͤubigern abtrat. Kaum
hatte er die Schrift aufgeſeßt, wurde ein Beſuch auͤgemeldet. CEs war
ſeine Entfuͤhrerin. *

Was ſuchen Sie bei mir? fragte er barſch. Ihr Geſchaͤft iſt ab-
gethan, ich habe es jetzt mit Auͤdern zu (hün. RE

Sie haben es mit Niemanden als mit mir zu thun, erwiederte die
Baronin mit leiſer Stimme, und mit einer Schuͤchternheit, welche mit
ihrem geſtrigen Benehmen im Widerſpruche ſlalld.

Sir George ſah ſie fragend an.

Sie ſind keines Andern Schuldner, als der meinige, fuhr ſie fort,
indem ſie ihm einige Papiere uͤberreichte, worin er feine losgekauften
Schuldverſchreibungẽn erkaunte. Er ſah die Lady mit ſprachloſem Er-
ſtaunen an. — ⏑ — 2
Sie hatten einſt eine Couſine, ſagte ſie mit niedergeſchlagenen

ugen. 7*
Ganz recht — Anne Fulton, erwiederte Sir George, wir waren


! 2 ging als Kind mit ihren Eltern nach Weſtindien, fuhr die Baro:
nin fort. ; *

Und heiratete dort ſpaͤter einen reichen Pflanzer, nicht war? Es
that mir ſehr leid, dies zu hoͤren, denn wir liebten einander als Kin-
der ſo zaͤrtlich.

Sie heirathete gegen ihren Willen, fuhr die Baronin fort; denn fie
erinnerte ſich ihrer Kinderjahre fehr gut: Sie iſt jeßt Witwe. *

Dem Barynet ging ailniaͤhlig ein Licht auf. Er eilte aͤuf ſte zu-
ergriff haſtig ihre Hand: O mein Gott, Sie ſind — ;

Ich vin Ihre Eouſine Anne Fulton! ;

Anne wer als reiche Witwe nach England zuruͤckgekehrt, wr ſie die
prekaͤre Lage ihres Veiters erfuhr. Sie fah ihn in Boulogne, ließ ſich
vor ſeiner Thuͤr umwerfen, und machte auf dieſe Weiſe ſeine naͤhere
Bekanntſchaft! Die Waſſerfahrt hatte ſie ebenfalls in der Abſicht ver-
anftaltet, um ihn nach England zu bringen, und ihn dort mit der
Nachricht zu uͤberraſchen, daß ſie alle ſeine Schulden bezahlt Die ſchul-
dig gebliebene entſcheidende Antwort ließ nicht laͤnger auf ſich waͤrten,
8* bedarf kaum der Verſicherung, daß ſtẽ zu Sir Georges Gunſten
ausfiel. 2



* 2 Bunte& © /
+ In Paris trifft man Borkehrungen zur Reinigung der Straßen
mittelſt einer Maſchinerie, welche naͤch dem Muſter der in London be-


auftragt-
 
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