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Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
Juli (No. 152 - 177)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0623

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2

haͤtte noch nicht das zwanzigſte Jahr erreicht und prangte in jener uͤp—
pigen Jugendbluͤthe, an die noch kein Mißgeſchick die rauhe zerſtoͤrende
Hand gelegt zu haben ſchien. Ihr wahrhaft majeſtaͤtiſcher Wuchs ge-
wann noch durch die edle ſtolze Haltung, und ihr Auge, blau und Har
wie der Fruͤhlingshimmel, riß ünviderſtehlich zur Bewunderuug hin.
Man hat oft gefagt, das Antlitz ſei der Spiegel der Seele. ;
habe gefunden, daß ſich das Antlitz des Menfchen zu deffen Innern ver-
haͤlt wie der Titel eines Buches zum Buche ſelbſt! Wie oft zieht uns
der Titel eines Buches an und wie ſelten pflegt dieſes jenem vollkom-
7 men ıu entſprechen! Eugenia ſo hieß meines Vaters zweite Gattin,
war die Tochter eines jener Barone, die außer ihrem Stammbaum
nichts beſitzen als uͤbertriebenen Stotz und eine grenzenloſe Anmaßung,
uͤber die man jetzt nur mitleidig zu laͤcheln gewohnt iſt. Er war erſt
vor Kurzem geſtorben, und hatte ſeiner Tochter nichts hinterlaſſen als
ſeinen Namen und ſeine Schulden.
Oheim kennen gelernt und ihr gleich, wenn ich ſo ſagen darf, ſein Herz
geſchenkt. (Fortſ. folgt.)

— —

Buntes. *


ern, welche den Geſchaͤftsmann aufheitern und ihm fuͤr die Comptoir-
ſorgen eine freundliche Entſchaͤdigung bieten. Es war der Hochzeitstag
ſeiner Toͤchter Schoͤn geputzte junge Maͤdchen umkreiſten die Braut
und freudig blickte der Vater auf die bunten und froͤhlichen Gruppen.
Als er darauf, um noch einige Anſtalten zu treffen, durch einen lan-
gen Gang dahin ſchritt, begegnete ihm eine der Maͤgde, eine Dirne
vom Lande, die exſt vor Kurzem in den Dienſt des Hauſes getreten


machte derſelben Vorwuͤrfe uͤber eine ſolche Unſauberkeit, uͤnd begab


Gaͤttin noch einige Verabredungen zu treffen. Die Magd kehrte einen
Augenblick darauf aus dem Keller zuruͤck, mit mehreren Weinflaͤſchen
im Arme, doch ohne Licht. Dem Kaufmann fiel es ploͤtzlich ein, daß
an demſelben Tage einige Pulverfaͤſſer in den Keller geſchafft wurden,
und daß fein Handlungsdiener eins geoͤffnet hatte, um für einen Kuuͤ—
den eine Brobe heraus zu nehmen. „Wo iſt das Licht?“ fragte er


herauf bringen,“ ſprach die Magd. „Wo haft Du es gelaffen? —
Ich habe es in ein Faß geſteckt, das mit ſchwarzem Sand gefuͤllt
war.“ — Der Kaufmann ſtuͤrzte hinab in den Keller der Gang dort-
hin war lang und finſter. Seine Kniee ſchlotterten, fein Athem ſſtoͤckte,


_ gen der Tod bereits erfaßt. Am aͤußeren Ende des Gaͤnges, in dem
Ffenſtehenden Keller, gexade unter dem Gemache, in welchem ſich das
Brautpaar und die Hochzeitsgaͤſte befanden, erblickte er das verhaͤng-
nißvolle, faſt bis zu Rande gefuͤllte Pulverfaß, in dem das brennende

Talglicht ſteckte, in deſſen roͤthlicher Flamme ein langer abgebrannter
Docht ſichtbar war. Dieſer Anblick maͤchte ihn faſt erſtarren und das
froͤhe Gelaͤchter der Geſellſchaft oben ließ ſein Blut gefrieren. Einige


außer Stand weiter zu ſchreiten. Die Geiger uͤber ihm ſpielten auf
— und der Tanz begann mit einer ſolchen Lebhaftigkeit, das der Fußbo-
— Dden erzitterte und die Flaſchen im Keller gegen einander kürrten.
Schon glaubte der ungluͤckſelige Kaufmann zu ſchauen, daß das Licht


Wie aber ſollte er das Licht herausheben? die leichteſte Beruͤhrung
konnte den abgebrannten Docht in das Pulver fallen machen. Mit
einer unbeſchreibbaren Geiſtesgegenwart ninſchloß er das Licht mit ſei-
nen beiden Haͤnden, preßte die Flamme und den Docht mit ſeiuͤen
Fingern ſeſt zuſammen, und hob auf diefe Weiſe daffelbe gluͤcklich aus
dem Faſſe heraus. Er trug das Licht ſergfaͤltig durch den Gang hin,
ſeine Hand war verbraunt, er achtete nicht darauf — die Seelenangſt
aber war zu groß geweſen — am Ende des Gaͤnges ſank er ohnmaͤch-
tig zu Boden, der Schrecken hatte ihn uͤberwaͤltigt. Er verfiel in ein
heftiges Fieber, von dem er erſt vor mehreren Wochen genas.



T+ Bom 1, Jaͤnner 1833 bis 31. Dezember 1842 wurden in Frank-
reih 114 Notare wegen Pflichtverletzung vor die Aſſtſengerichte geſtellt,
93 wurden der Faͤlſchung angektagt. Solcher Faͤlſchuͤngen Famen 1943
vor. Ein einziger Notar hat nicht weniger als 1100 Faͤlſchungen veruͤbt.





Eig in dem boͤhmiſchen Staͤdtchen Starkof befindliches Buch vom
Jahre 1573 uͤber Kriminalrechtsfaͤlle enthaͤlt unter andern auch foͤlgende,
über Kasvar Swane, wegen Krebſenfang (im Jahre 1573), und uͤber
Paul Pyrkele, wegen Diebſtahl (im Jahre 1578) in boͤhmifcher Spraͤche
gefaͤllte Urtheile: * —
—1. Wir Buͤrgermeiſter und Raͤthe der Stadt Starkow — —. fällen
dieſes Urtheil: Kaspar Swanc habe den Tod durch der Straug ver-
dient. Allein er ſoll begnadigt werden, damit er nicht in des Henkers
Haͤnd gerathe, und zwar deßhalb, weil der Galgen ſchwach und der
Verbrecher ſehr ſchwer iſt, und der Henker allein nicht im Stande iſt,
ihn hinzurichten, indem er keinen Gehuͤlfen hat, und ſeine Ehegattin


2. Wir Buͤrgermeiſter uͤnd Raͤthe der Stadt Starkow — fülfen
nach unferm Rechte dieſes Urtheil: Paul Pyrkele habe den Tod durch
den Strang verdient, allein er ſoll begnadigt werden, weil der Galgen
zuſammenfluͤrzte.
Aphorismen.

— Es gibt viele Menfchen, welche ſagen, was ſie denken und-
denken, was ſie ſagen follten. ; 2 *
— Die Schwachen am Geiſte ſehnen ſich nach politiſcher Ruhe, wie
die Schwachen am Leibe nach dem Bette. * 4
— Die Jugend iſt ein gefaͤhrlicher
langweilige Nuͤchternheit.
—— Wer offenbare politiſche Dummheiten vertheidigt, iſt entweder
ein Betruͤger oder ein Dunnmkopf.
— In unſerer Zeit muͤſfen die Braven wie Einſtedler leben.
— Den wahren Werth des Verſtandes und Geldes lernt man erft
in der Noth kennen. —— ꝛ —
— Die oͤffentliche Meinung iſt das natuͤrliche Ergebniß unſerer po-
litiſchen Aufklaͤrung, und der Zwang, welchen man ihr anthut, kann
mithin eben ſo wenig lange beftehen, als der Krieg der Menſchen ge:
gen die Natur. 2— —
— Unſern aroßen politiſchen Wahrheiten geht es wie der China-

Rauſch, und das Alter eine


fuͤrchtet ihren bittern Geſchmack. —

— Spinnen, Froͤſche und Grundeln wiſſen im voraus, was es fuͤr

Wetter gibt; unſere Staatsmaͤnner merken erſt, wenn es doͤnnert und
blitzt, daß ein Gewitter im Anzug iſt. *


waltſtreiche zu begehen, ſo finden- ſie ſich im Zuſtande politifcher Con:
vulſionen, und ſind ihrem Ende naͤhe. ; .
— Hund und Schmeichler machen oͤfters die Heftigkeit ihrer Lieb-

enſelben zuziehen.

\ Opern ⸗Bericht.

; —— (Von nd.) —
Sonntag/ den 2, Juli: „Don Juan.« Sroge Oper in 2 Abtheil. von Mozart.
(Gaſtrolle.) Donna Anna — Frau —— f, k. Hofopernſängerin

; © von Wien. 2—
Kommt eine Nezartſche Oper zur Anfführung, ſo iſt dies immer ein Feſttag
für uns. Es iſt kaum ein Monat vorüber, ſeitdem mir dieſes Meiſterwerk zu hös
ren bekamen und doch ſahen wir mit wahrer Sehnſucht einer Wiederholung entge-
gegen um ſo mehr, da wir früher ſchon in Erfahrung gebracht, daß Fr. v. Daf-
fett⸗Sarth aur der hieſigen Bühne gaͤſtiren wärde, die Parthie der Donna Anna
aber unſtreitig eine dex vorzüglichſten Leiſtungen genannter Kuͤnſtlerin iſt. Unfer .
Wunſch ging in Exrfüllung, denn Fr. v“ Haſſelt⸗Baͤrth erfreute und entzückte uns
heute wirklich im Don Juan alg Donna Anna. ;
Dieſe Partdie iſt unftreitig eine der ſchwierigſten Aufgaben für eine Sänge-
rin, ein wahrer Probierſtein an dem ſchon manchẽ ſeinwollende dramatiſche Künſt-
lerin bedeutend ſtrauchelte und auch fiel! Wir hörten heute nicht allein wieder die
gebildete Sängerin, die mit dem Techniſchen des Geſanges auch einen richtigen
aber zugleich ſeelenvollen und ergreifenden Vortrag verbindet, auch die denkende
Künſtlerin zeigt ſich uns wieder und zwar im hellflen Lichte! Was letztern Puntt
betrifft, erinnern wix namentlich an die kunſtgerechte Behandlung und den meiſter-
haften Vortrag der Recitative. In dieſer Bezlehung aber ſteht Fr. v. Haſſelt⸗Bartd
alg Künſtlexin ſo hoch, daß ſelbſt Sängerinnen, welche ebenfalls als Sterne erſte
Größe leuchten, dieſen Vorzug ſchon anerkannt haben, was wohl auch verdient he-
rückſichtigt zu werden; da in der Künſtlerwelt ein ſogenanntes / Gerechtigkeitwie-
derfahrenlaffen gar ſelten an der Tagesordnung iſt. *—
Die Lünftlerin hatte ſich von Seiten des außerordentlich zahlreichen Publifums
eines rauſchenden Beifalls zu erfreuen. Obwohl bei einigen in der heutigen Oper
beſchäftigten Perfonen manches zu wünſchen übrig blieb, griff doch Alles rafd zu-
ſammen und Liebe und Eifer für das betrliche Werk des ünſterblichen Neiſters wat
nirgends zu verlennen. Es war ein genußreicher Abend. ; ;
Der Vunſch Fr. v. HaffeltBarth vor ihrer Abreiſe noch als „GTeffondas und
Conſtanze / zu höten iſt ſo ziemlich ein allgemeiner. Dürfen wir hoffen, daß er
in Erfüllung gehe? ; ;



















 
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