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Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
Juli (No. 152 - 177)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0694

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* Die Ahnung.
taͤu von Meſaͤnge ünd ihte Tochter waren kaum im Echloſſe Beau-
clait angelangt, als die Letztete duch ſchen naͤch kulzem BVerweilen im
Salon ſich entfernte und nach den Zimmern ihret lleben Freundin, des
Ftduleins Erueſtine von Beauͤctait eilte. )

Adele! Adele!“ rief Erneſtine auf die'eben Eintretende zufpringend,
„wie freue ich mich, Dich wieder zu ſehen! Aber warum biſt Du nicht
ſchon ſeit acht Tagen hier? Ich habe wohl zwanzig Mal an Deine
Mutter geſchrieben, ſogar einen Boten abgeſchickt —“ l

„Meine Mutter wollte Paris nicht fruͤher verlaſſen; ſie war un-
baͤrmherzig,“ rewiederte Fraͤulein Adele von Meſange. — „Ei! Du verz


Man fagt’5.”

Aber die Hochzeit iſt doch ſchon feſtgeſedi/“ fuhr Fraͤulein von


„Ja, antwortete Erneſtine, die Augen niederſchlagend.
„Ich bin uͤberzeugt,“ verſetzte ihre Freundin, „daͤß er im Salon
war, als ich dort erſchien; ei! wie draͤngte es mich, Dich wieder zu
ſehen, ich verließ Ales, um Dich nur einen Augeuͤblick fruͤher umarz
men zu koͤnnen.“ * n ‚
Du biſt eine liebe, gute Freundin,“ fagte Erneſtine, Adele in ihre
Arme ſchließend, „und Deine Neugierde wird ſoͤgleich befriedigt wer-


ſteigen, um einen Spazierritt nach dem Walde zu machen; ich glaube

ſie ſchon zu hoͤren, — ſſie kommen unter unſerm Fenſter voruͤber.“
Wirklich vernahm man die Tritte der Pferde und die Stimmen der

Herren und Reitknechte. Die beiden jungen Maͤdchen liefen ar's Feu-


ſelbſt geſehen zu werden. *
„Zeige ihn mir nicht,“ ſagte Adele Erneſtinen in's Ohr, vich werde


der dort auf dem Fuchs auch nicht, — er iſt zu'mager; der Blon-


heirathen. Der nach ihm Kommende iſt ein Freund meines Vaters,
ich kenne ihn, er iſt ſchon verheirathet. — Ha! ich wette, der dort
iſrs der junge Mann, welcher eben auf den Grauſchimmel ſieigt; er
iſt ſehr huͤbſch und lenkt ſein Pferd mit Grazie; ich liebe eine folche


weißes, ein wenig blaſſes Geſicht; — er ſieht herauf; v! er iſt's gewiß,
es iſt Guſtav von Vanbert, nicht wabr?“

Die beiden jungen Maͤdchen verließen das Fenſter, und Fraͤulein
von Beauclair ſagte zu ihrer Freundin:

„Du haſt's errathen, er iſt's.“

„Weun er wirklich ſo liebenswuͤrdig iſt, wie er es zu ſein ſcheint,“


„Er iſt ſehr liebenswuͤrdig,“ erwiederte Erneſtiue.

„Und Du liebſt ihn auch?“ ;

„Ich weiß es nicht.“

Wie! Du weißt es nicht? aber willſt Du ihn denn nicht in acht
Tageu heirathen?“

„Man ſagt's.“

Iſt das denn noch keine abgemachte Sache? haſt Du denn dazu
noch uicht Deine Einwilligung gegeben?“ '

„Za, ich werde meinen Eltern gehorcheu.“

„Ohne Liebe?“

Ich weiß es nicht, Adele.“

Aber ohne Schmerz?“

„da, ohne Schmerz. Hoͤre, Adele; mit mir erzogen kennſ Du


Eße Freundin und Du weißt Alles, was in meinem Herzen vorgeht.
Ich brauche Dir nicht zu ſagen, daß, wenn ich auch Feine Liebè fuͤr
Derrn von Vanbert empfinde, ſich doͤch auch keine andere Leidenſchaft
in meinem Herzen regt. — Dieſen Abend wirſt Du nur von meiner
nahen Hochzeit ſprechen hoͤren, Du wirft uns Morgen nach Baris be:
gietten, wirſt die Vorbereitungen zu meiner Hochzeit ſehen, meine Aus-
ſattung, meine Juwelen, Du wirſt Herrn von Vanbert ſehen, der
für mich die lehhafteſte Neigung zu empfinden ſcheint, meine Mutter,
velche über dieſe Vexbindung entzuͤckt, meinen Vater, der davon bezau-
bert iſt. Nichts ſcheint ſich den Wuͤnſchen der beiden Familien entge-
gen zu ſtellen, wohlan! Trotz alle dem empfinde ich aber in mir
etwas, das mir ſagt, daß dieſe Heirath nicht zu Staude fommen wird.“



„Und warum nicht?“ *
„Ich kann Dir Hierduf nur wiederholen, daß ich es felbſt nicht weiß;
aber es kommt mir ſo vot, ald ob i® ule Hran on Vanbert heißen
werde und mein Leben neben dieſem Maune zuͤbriugeu folle; —- e# il
eige Ahnung.“ ; 4 4*
„Laͤcherlich,“ ſagte Adele; „Du biſt thoͤricht, meine liebe Freundid.”
„Es iſt moͤglich, aber dieſer Gedanke hat ſich wider meinen Willen


ich fuͤr Herrn von Vaͤnbert empfinde. Er iſt fehr liebenswuͤrdig, ich
geſtehe es; ich finde auch wie Du, daß es ein huͤbſcher Mann-ift; o
muthmaße ſeine guten Eigenſchaften wohl, und dennoch nehme ich Au
ftan mich an ihn zu ketten, um nicht zu uugluͤcklich zu ſein, weuͤn der
Ausgang erfolgt, den ich befuͤrchte.“ 8
„Bah! bah!“ ſagte Adele, „ich prophezeie Dir, daß Du in dret
Monaten die gluͤcklichſte Frau in Paris ſein und Herrn von Vanbeit
lieben wirſt, wie Julie ihren Romeo liebte.“
„Sie liebte ihn nicht lange,“ verſetzte Erneſtine.
; Eortſetzung folgt.)

Der Veſuv und ſeine Opfer.
Aus den neueſten Feuilletons des franzoͤſi-
ſchen Journals lo Sibele ins Deutſche überſetzt von Geor! Loß.)

Ein furchtbarer Ausbruch des Veſuvs gab zu einer wunderbaren Be-
gebenheit Vexanlaſſung, welche mir waͤbrend meines Aufenthalts in
Reapel erzaͤhlt wurde. ;

Aır dem Abhauge des Veſuos, nahe bei der Quelle eines Armes
des Sebetes, erhob ſich eine jener reizenden Villen, wie man fie auf
den Gemaͤlden Leopold Robexts erblickt. Es war ein elegantes vieredis
ges Gebaͤude, groͤßer als ein gewoͤhuliches Haus, aber weniger impo-
ſant als ein Palaſt, verſehen mit einem auf Saͤulen ruhenden Portico,
einem terraſſenfoͤrmigen Dache, gruͤnen Jalouſieen, blummengefchmuͤck-
ten Gelaͤnden, und einem Garten, in welchem Orangen, Rofen und


Waͤhrend des ganzen Tages blieb dieſe Villa, wie es in Neapel
Gebrauch iſt, tinſam und verſchloſſen; wenn aber der Abend erſchien,
und mir ihm die erfriſchende Meereskuͤhle, wurden die Jalouſieen lang-
ſam geoͤffnet, um die erquickende Luft herein zu laſſen; und dann Fonne
ten diejenigen, welche an dieſer Behauſung voruͤber kamen, durch die
geoͤffneten Fenſter Gemaͤcher mit vergoldeten Mobilien und reichen Tepe
pichen gewahren, in welchen Arm in Arm, ſich einander mit liebevot-
len Blicken betrachtend, ein ſchoͤner junger Mann und eine junge Dame
auf und ah ſchlenderten. Dieſes waren der Herr diefes kieinen Feen-
pallaſtes, Graf Odoardo Giordani und ſeine junge Gemahlin Lia.

Obgleich dieſe beiden jungen Leute ſich ſchon ſeit laͤngerer Zeit lieb-
ten, waren dennoch ſeit ihrer Verbindung erſt 6 Monate vergangen!
ihre Verheirathung ſollte in dem Augenblicke ſtattfinden, als die neas
politaniſche Revolution ausbrach; der Graf Odoardo aber, den Geburt
und Grundſaͤtze an die koͤnigliche Sache feſſelten, war dem Koͤnige
Ferdinand nach Sieilien gefolgt, und als Ehren-Kavalier der Königin
ſieben oder acht Monate in Palermo geblieben; als aber der Kardinal


Odvardo bei ſeiner Gebieterin um die Erlaubniß nachgeſucht, ihn beglei-
ten zu duͤrfen, und als dieſes zugeſtanden worden, folgte er ihm auf
ſeinem Triumphzuge nach Neapel. Mit ihm in die Hauptſtadt einges
zogen, hatte er dort ſeine Lia treu wieder gefunden, und ſich mit ihr

Lermaͤhlt, da ihrer Verbindung kein Hinderniß im Wege ſtand. Dem
Blutvergießen enteilend, welches die Stadt in Verzweifluͤng ſetzte, hatte


ich verſucht habe, und das ſie jetzt ſeit ſechs Monaten bewohnten Der
Graf waͤre jetzt unſtreitig der Gluͤcklichſte der Sterblichen geweſen haͤtte
ſich nicht eine Begebenheit ereignet, die ſeine Seele ungemein truͤbte.

Alle Mitglieder ſeiner Familie hatten den Haß nicht getheilt, den
er gegen die Franzoſen hegte, und der ihn bei ihrer Aunaͤherung Nea-
pel verlaſſen ließ. Des Grafen Odoardo juͤngere Schweſter, welche ſich
Thereſe nannte, war ein junges liebliches Maͤdchen, die wie eine Lilie
im Schatten des Kloſters dahinwelkte. Der Sitte der neapolitaniſchen
Familien zufolge war die Znkunft und die Liebe dieſes jungen liebens-
wuͤrdigen Geſchoͤpfes dem Vortheile ihres aͤlteren Bruders geopfert wor-


Gitter des Kloſters ſie von derſelben getrennt, und alg ihr Vater ſtaͤrt
und ihr aͤltexer Bruder, der ſie anbetete, freier Herr ſeiner Handlun
 
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