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Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
Juli (No. 152 - 177)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0707

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„So antworte mir doch,“ fuhr Odoardo fort.

Lia aber ſchwieg fortwaͤhrend. B

Nunmehr vernahm ſie die Schritte des Grafen, der ſich entfernte.
Gleich darauf aber hoͤrte ſie ſeine Stimme wieder, er fragte ihre Kam-
werfran, ob ſie wiſſe, was ihrer Gebieterin fehle; die Zoͤfe entgegnete,
ſie wiſſe, daß ihre Herrin ſich auf ihr Zimmer zuruͤckgezogen und wahr-
ſcheinlich von der druͤckenden Hitze ermuͤdet, ſich zur Ruhe gelegt habe.

Und Lia hoͤrte, wie ſich Sdoardo in ſein Zimmer zuruͤckzog! wo er
ſich an einen Tiich ſetzte. Odoardo ſchrieb, während der Ausdruck der
Freude auf ſeinem Antlitze zu ſchauen war.

„Er ſchreibt ihr,“ ſprach Lia in ſich hinein.

* von Eiferſucht gepeinigt, fuhr ſie fort, durch das Schluͤfſelloch
zu lugen.

Der Graf beendigte ſeinen Brief, verſiegelte denſelben, fuͤgte die
Adreſſe darauf, klingelte einem Bedienten, gebot ihm, ein Pferd zu fat-
teln und das Schreiben nach Neapel zu bringen.

Es war der Brief, den Thereſe Poste-restante finden ſollte. Der
Bediente nahm das Schreiben und verließ das Gemach. — *

Die Graͤfin eilte nunmehr raſch durch eine Seitenthuͤr, welche auf
den Corridor fuͤhrte, und begab ſich in den Garten. Grade als der
Bediente aus dem Gitterthore des Parks ſprengen wollte, trat ihm die
Graͤfin entgegen.
Wohin reitet Ihr noch ſo ſpaͤt, Giuſeppo?“ fragte ſie.

Ich muß dieſes Schreiben des Herrn Grafen auf die Poſt bringen,“
antwortete der Diener.

Fortſ. folgt.)

Buntes.

Eine Ueberraſchung. Bei einer Dampfwagenfahrt von Dresden
nach Leipzig kam ein alter Jude mit einer bildſchoͤnen Tochter neben
mehrere junge Leute zu ſitzen. Der junge Mann, der dem ſchoͤnen
Kinde gegenuͤber ſaß, wollte gern mit ihr liebaͤugeln, ſobald er jedoch
ſein Auge erhob, begegnete er ſtets den wachſamen, lauernden Blicken

des Baters. Er baute daher ſeine letzte Hoffnung auf die Dunkelheit
. im Tunnel, und kaum fuhr der Zug denſelben ein, ſo bog er ſich vor,
erariff mit beiden Haͤnden den Kopf des jungen Maͤdchens, und kuͤßte
ihu tuͤchtig ab. — Den Kopf des jungen Maͤdchens? — Nein, der
aite Jude, die Abſicht des jungen Mannes errathend, hatte den ſeini-
gen vorgeſtreckt, und da er wiederum den jungen Mann umſchlungen
- bieltz fo wurden die Paſſagiere als der Zug wieder ans Licht kam,
noch Zeugen dieſer zaͤrtlichen Umarmung.

+ in Leipziger Schneider, dem durch das Aufhoͤren der Lokemotive
die beſte Gelegenheit zur Bekanntmachung ſeiner Ankuͤndigungeeinfaͤle
abgefchnitten ift, hat bereits die Herausgabe eines neuen Blattes
eingefädelt, (ganz nach dem Zuſchuͤitt jenes Blattes) welches allein
— feine Puffs enthalten ſoll. An Stichen wirds nicht fehlen. Die Elte
‚Blatt, in Weſtenrücken-Format, koſtet ſieben Silberlinge. Seine fe-
ften Kunden bezahlen blos den Ruͤcken, die Weſte iſt gratis. Das
Blatt wird nie zu frei ſein, da ſtets der Rock der reſp. Abonnenten
daruͤber liegt; die Behandlung der einzelnen Artikel wir immer ange-
meffen und der Styl glaͤtt ſein, da das Format gebuͤgelt wird.



+ Heirathsannoncen. Nicht blos an Rhein und Donau gibt es
huͤngrige Journaliſten, die fuͤr ein Cotelettchen Gaſthoͤfe und fuͤr drei


taͤnzer u faw. loben, auch an Hudfon und Miſſiſippi bluͤht dieſer
Schaͤcher; denn im Gemeinen bleibt ſich die Menſchheit in beiden Hemi-
ſpaaͤren gleich. Nur treiben's die Haukees mit mehr Witz und Laune,
„und. die Jeſundere Preſſe darf die Niedertraͤchtigkeit in der Union nach
Luft und Belieben geißeln, waͤhrend im lieben Deutſchtand die Eenſur
Dden Lumpereien in der Tagesliteratur von wegen Berhütung oͤffent-
lichen Skandals nicht ſelten Schirm und Schutz iſt. Wie die Yankees
- journaliften es treiben, mag folgendes Beiſpiel beweifen, gleichviel ob
es eine echte Annonce iſt oder ob die Kunſt, Bettelannoncen zu ſchrei-
ben! perſiflirt wird. In einem nordamerikaniſchey Blatte ſtand neulich
eine Ankuͤndigung von Seiten des Herausgebers (editor), welche alſo
lautete: „Iede Heirathsanzeige, deren Einſendung kein Hochzeitekuchen
begleiter, wird petit geſetzt und in einen verlornen Winkel des Journals
verbanni. Begieitet aber ein ſtattlicher Kuchen das Anliegen, ſo wird
die Aukuͤndigung ſo geſtellt, daß ſie auffaͤllt und mit großen Buchſtaben


gedruckt. Werden noch Handſchuhe oder ſonſtige Hochzeitsgeſchenke bei:
zelegt, ſo erhoͤht die Redaction den Eclat der Anzeige durch Hinzufü-


der Cermonie aber-in Perſon bei und wird er zu der Chre hinzugeze-
gen, der Braut einen ſtuß zu geben, ſo wird die Ankundigung mit
der auffallendſten Schrift gedruct und mit Allem, was des Herauoge-





Pruͤgelei!
; Wenn rohe Kräfte ſinnlos waͤlten,
Da kann ſich kein Gebild geſtaltenl

Das Mannheimer Publikum hat uns wieder einen neuen Beweis feiner groß-
artigen Denkungeweiſe gegeben!
Jer meine Lefer zuerft einige Thatſachen. Schon einigemale fand man Are
tikelchen in der Nanndeimex Abendzeitung die jeden Leſer geſpannter machen muß»
ten. — jn dem Exſten, ſcheint es eineni ſparſamen Hauchaͤlter zu viel zu fein,
wenn der Oberregiſenr Hr. Düringer für Spiel und Regie 2000 fl. iabxlicben
Gehalt empfängt! und wunſcht denſelben in Betreff der Regiegeſchaͤfte auf 200 fl. -
veduzirt zu feben. — Wahsfcheinlich weiß derſelde gar nicht waͤs ein Negiffeur IM!
In der folgenden Zeitungenummer vertheivigt ſich Hr. Düringer mit der Yeber»
ſchrit — „Thue Recht, und ſcheue Niemande — gegen die Meinung, als fei er
der Schnldner, daß man Hın. Braunhofer eine andere Sphäre im Rolleufache
erfheilt - verwaͤhrt ſich gegen die Berläumdung als wolle er denfelben verdraͤngen
und erflärt, das er felbft gbige Aenderung zum Wohle der Anftalt, für gut halte,
SO wid hierüber nicht enticheiden, nur fei eS mir erlaubt eine tieine Jrage aufzu»
ftellen; — S es wahr, daß die Theaterberwaͤltunz Hru, Düringer die Wahl der
Rollen bei feinem Auftreten bewilligt, und dieſes Verlangen contraktmäßig abge-
ſchloſſen wurde? — — Die Antwort heißt „,Za‘. — Dann feße ich aͤber au
gar nicht ein, warum bier Rollenneid vorwalten follte, und perfonlichex Zwiß iſt
gewiß nicht im Spiefe, da Hr. Braunhofer ein braver liebenswürdiger Mann
ilt, der ſchon ſeit 17 Jadrem die allgemeine Achtung- ſich verdient hat. Aber eben
fo gut glaube ich auch ven Hrn. Düringer urtheilen zu dürfen, da er — Wwie
i aug reiner Quelle weiß — geadhtet und.detrauert nach 10 fährigem
Wirken aug Leipzig Abſchied nadı,
Wo liegt aiſo das Geheimnif, das die jüngſten Exceffe veranlaßte? — Nire


Arutel dex Mittwochszeitung rechtfertigen zu wollen fcheiuͤt, ſich für Quantum Dess
feiden haltend, und mit dem paͤthetiſchen Satze ſchließt: — Auch das Publikum
weiß, was heißt, thue Recht und. fcheue Niemand!« — — Zeßt zur Sache felbk.
— SHr. Braunhofer hat während feiner. Engagements in Mannheim, hinfihtlid
ſeiner Leitungen in der Kunft, wie ich ſchon oben bemerft, ſich nichtallein die Zu-
friedenheit der Runſtkenner, fondern auch die Achtung des Publikums im AMNgemeiz
nen zu erxingen gewußt, welche ſich aber dei einigen Individuen zum Eniyukagz
mus gefteigert hat, und eben diefe ſind es, die ſich durch die neue Anordbuung Der
Berwaltung und Regie auf's Emipfindlichſte beleidigt fühlen. — Ia ich ſebe fogar
in Zweifel, ov nur Or. Braunhofer felbit ſich dadurch für gekränkt hielt;z denn
er wird recht gut wiſſen, daß der unaufhaͤltfame Fortſchriit der Zatre Feinem Künft-
ler mehr ais dem Schauſpieler Schranken ſetzt, und daß eben dieſer Rollenwechiel
em ſicherer die Ebrenkrone bringen wird, weil er dann Künftler im ganzen
Sinne des Wortes iſt! — Allein wie jede Sache ſteis ihre Parteiganger hatte, fo
auch hier, — Es kam zu heftigen Wortwechſein, und das Refultat war, wie €8
allgemein behauptet wird, daß Gr. Braunhofer feine Entlaffung zugeſchickt be-
tam. — Nun kehrte ſich die Wuth gegen das Tkeater-Comite‘ unv vorzüglih auf
den Regiſſeur Orn. Düringer. „Er allein — hieß es iſt der Schuldner,« —-
und das Yubkikum, in ſeiner Verkehrtheit, glaubie das Märden, und befhloß ſich
zu rächen. Das Trauexſpiel - Labale unb Lieden iſt angefündigt, — Düringer
ſpieit Braunho fers fruͤpere Rolle, — derfelbe eine andere. — Die Nachfucht til-
ſiete ſich, ſandte Boten nach Heidelberg, beſchwor ein halbes Hundert Mufenföhne,
die ſich freuten auf dieſem neuen Felde Bravour zu machen, und das Trauerſpiel
nahm feinen Anfang. — Das Theater war vollgepfropft, Zedermann wollte Dden
Spektafel mit anfehen, da es ſowohl in Mannheim alg in Heidelberg am Dienſtag
Vorgens ſchon allgemein bekannt war, daß Hr. Düringer ausgepfifen werden
ſollte! Der Boryang flog auf Hr. Braunhofer wurde mit Kränzen und Blu-
men begruͤßt; beim Auftketen Daringers aber, ſchalte ein lautes Preifen und
Rufen „Hinaus,« — — Zum Unglücke nahm die Geſchichte eine ernſthaftere Wer-
dung, als wohl viele glaubten. Es befaͤnd ſich der Bater und Bruder des Mal-
trailirten im Parterre, die, als ihre Nachbarſchaft zu pfeifen begann — mit Recht
auf's Höchſte erbittert — zu ſchlagen anfingen, und dies war der arößte Febler,
der begangen werden Fonnte, — E$ gab einen allgemeinen Aufſtand. — Schläge
— bfutige Köpfe — im Theater !! — . ; .

Der Vorhaͤng fiel, das Stüg wurde nicht weiter gefpielt. Nicht genug damit,
zogen die Arbexnen auch noch vor Düriugers Vohnung und ſchrieen „‚ RNievder
mit Düringer‘“ — und vor der Wohnung Braunbofers ſchallte ein Bravo
um’s andere, und beide befanden ſich noch im Theater! — Sollte man nicht glau-
ben, daß dies mur ganz gemeiver Pobel thun könne? — Nicht doch — ecS waren
meiſtens ſonſt ganz chrbare Männer, die auch gebildet ſein wollen! — Wie kann
yun das Urtheil Lauten, das über diefen Borfall gefällt wird? Ich Üüberlaffe Die
Antwort meinen Lefern, Was die Verwaltung des Mannheimer Zheaters IM All-
gemeinen betrifft, iſt fehr wenig zu ſagen: ewige Händel — inmmerDdalernde Unei-
nigkeit — und ſchlechte Refultate. Es lömmt mir gerabe vor, alg ſtünde ein
Heer bleiher Acoucheures um eine in den Wehen Kegende Mutter und beobachtete
jede Muskel , die vom Schmerz gezückt eine Grimaſſe fhneidet. — Jhre gunſt iſt
auf vie Neige gegangen, — Dacht doch den Kaiferfhnitt! Noch Viele ſind begie-
rig wie woyl das Kindlein gboren wird!!

Hug Hetvelberg von einem Mannheimer.


 
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