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Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
August (No. 178 - 203)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0799

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vorbereitend, ging ich gemeſſenen Schrittes einher. Ploͤßzlich fuhr Et-
was ſchnell wie ein Pfeil, zwiſchen meinen Beinen duͤrch? ehe ich mich


Wicht nebſt ſeinew Miniaturſchlitten neben mir. Man denke ſich die
fatale Situation und das Gelaͤchter der Anwefenden. Muͤrtend ſtand
ich auf,. nahm meinen Hut und ging reiter. Das wird gut werden,
daͤchte ich bei mir ſelber; kaum einige Meilen zurücgelegt, um ein
Amt zu erhalten, ſo erlebe ich ſchon eine Fatalitaͤt, Waͤre ich aber-
glaͤubiſch geweſen, ſo haͤtte ich vielleicht dies für eine ſchlimme Voͤrbe-
deutung angeſehen.

Ich ging nun in ein Gaſthaus, brachte meine Kleidung wieder in
Ordnung und begab mich zur Wohnung des Patrons. Es war mir
nicht recht wohl dabei zu Muthe; denn ich war von jeher etwas ſchuͤch-
tern. Die Thuͤre des groben Gebaͤudes war verſchloͤſſen; ich mußte
klingeln! Den Diener, welcher oͤffnete, bat ich, mich ſeinem Herrn zu
melden. Ich ſollte ſosleich erſcheinen. Vor der Thuͤre des Zimmere,
in welches ich gewieſen ward, lag ein kleinet Hund, welchem ich in
meinem Eifer ſo heftig auf den Schwanz trat, daß er gauz erbaͤrmlich
zu ſchreien anfing.
wit ſolchex Vehemenz aus der Thuͤre, durch welche ich in's Zimmer


verging beinahe hoͤren und ſehen. Entſchuldigungen doͤr uns hinmur-
melnd, verwünfchten wir beide heimlich einander. Doͤch faͤßte ich wie-
der Muth, als mir der Kirchenpatron freundlich entgegen Fam und mich
nach meinem Begehren fragte. Mit faſt zitternder Stimme braͤchte ich
mein Geſuch vor und uͤberreichte daffelbe am Ende noͤch ſchriftlich,
meine Zeugniſſe beifuͤgend. Nachdem er ſaͤmmtliche Papiere fluͤchtig
durchlaufen hatte, beſchied er mich, in acht Tagen wieder zu kommen!
Dieſe acht Tage waren für mich eine halbe Ewinkeit. Euͤdlich war die
Friſt abgelaufen; ich erhielt die Stelle. ;

Der Tag nahte heran, an welchem ich die Antrittspredigt hakten
ſollte. Vor dieſer war mir's bange; nicht etwa vor der Predigt felbſt,
— ich fuͤrchtete einen jener ünangenehmen Zuͤfaͤlle, welche ſich in

er Regel bei Perſonen, denen die Geſtirne unguͤnſtig ſtehen, einzuſtel-
den pflegen.‘ Ein Liebhaber von Hunden, hielt ich mir ſtets einen Pins


um meine Autrittepredigt zu halten. Der Kuͤſter und einige Knaͤben
jagten ihn indeſſen wieder hinaus. An dieſem Tage war gerade etwaͤs
von der Kanzel zu publiciren, das der Kuͤſter vor dem Beginnen des
Gottesdieuſtes dem Pfarrer auf einem Zettel geſchrieben überreichen
muͤßte Diesmal hatte es der gute Mann vergeffen. Er ſchlich ſich
daher, als ich eben meine Rede aufangen wollte, hinter mich und zupfte
mig am Rode, um mir das Papier zu geben. Ich, in der Meinung,
88 fet mein fataler Hund, trete zuruͤck, treffe den Küfter, und der ehr:
wuͤrdige Mann fliegt, wie aus einem Moͤrfer abgeſchoͤſſen, zum Erſtau-
ren des religioͤſen Publikums unter großem Gepoͤlter die Treppe hinab,
Ddoch, außer einigen Quetſchungen, ohne weiteren Schaden zu nehmen.
Welche Senſation dies erregte, kann man ſich leicht denken Indeſſen
war die Kirche der Ort zu weiteren Eroͤrterungen nicht. Ich begann
meine Predigt und führte ſte ſo gut durch, daß, den Küfter ausge-
nommen, die ganze Gemeinde mit mir zufrieden war.

Als ich das erſte Kind taufte, ein zu fruͤh gebornes, ſchwaches
Geſchoͤpfchen, benetzte ich blos das Muͤßchen mit dem kaͤlten Waſſer,
aus Furcht, das wenige Gehirn des Kindleins moͤchte unter dem pa-
viernen Schaͤdel all zu heftig erſchuͤttert werden. Meine gute Abſicht
wurde aber ſchlecht belohnt. Die Eltern des Kindes hingen mir einen
Prozeß an, deſſen Ausgang ein derber Verweis von meinem Biſchof
war. Kurz hierauf ſollte ich eine Trauung vollziehen. Der Braͤllii!
gam war ein bejahrter, haͤßlicher Kerl, deſſen rechte Hand ganz durch
die Gicht gelähmt und entſtellt war; die Braut hingegen war lung und
ſchoͤn. Ich ließ daher bei der Trauung den Braͤutigaͤm der Braut die
linke Hand, ſtatt der unbrauchbaren rechten, reichen. Eine abermalige
Klage war die Folge hiervon; ich haͤtte beinahe mein Brod verloͤrei

Zwei Jahre darauf ward ich in die große Stadt Mverſetzt. Ich
fam gegen. Abend erſt an und ſtieg in einem großen Hoͤtel ab, wo iich
in Geſellſchaft mehrerer Maͤnner foupirte, die mit einander verwandt
zu fein ſchienen, jexoch gegen einander, wie ſich bald zeigen wird, nicht
rie freundlichſten Geftunungen hegten. Sie hatten ein Crbe mit einanz
der getheilt und waren Schwaͤger. Nachdem der erfte Appetit geſtillt
war, fingen ſie eine Unterredung an und ich entnahm gleich aus den
beftigen Acußerungen, daß Derjenige, welcher neben . mir faß, gegen
den Gegenuͤberſthenden etwas Schlimmes im Schilde fuͤhre Ploͤtzlich


krach der Sturm los, denn ein Nachbar ſchlug mit einem Sauce-Löffel
ſeinem Gegner auf den Mund, woduͤrch deſſen ganzes Geſicht nicht den
reizendſten Anblick gewaͤhrte; dieſer aber ergriff in demſelben Augen-


Kopfe meines Nachbars. Hierdurch ward das Gefecht allgemein. Der


den Stuhl und diente zur Baſts des Kampfes. Beafſteak, geroͤſtete
Kartoffeln, Sauce, kuͤrz, eine ganze Mahlzeit, hatten auf meinem Ruͤ—
cken Platz genommen, aͤuf welchen ſich zum Ueberfluß noch die Gegner
herumzerrten. Nach einigen Minuten erſchien der Wirth und treuͤnte
mit Hülfe einiger Kellner die Kämpfenden, Ich ſprang auf, Gott für
meine Befreiung dankend und trank in einem Nebenzimmer noch ein
Glas Grog auf den Schrecken. ; ‘
(Schluß folgt.)



Buntes. *

T Die Kunſt ging weiland nach Brot, jetzt aber giebt es Feinen gold-
neren Boden, als den der Buͤhne. Die große Oper in Paͤris zahlt
ihren Mitgliedern folgende Gagen: Mad. Stoltz bezieht alg Contraalt-
primadonna jaͤhrlich 75,000 Frs. Gehalt und iob Fre. fuͤr jede Vor-
ſtellung Spielhonorar; die Sopranprimadunna, Mad. Dorus : Graͤs,
0,000 Frs. und 80 Frs. Spielhonorar; Mad. Treilhet. Nathaͤn 20,000
Frs. und 50 Irs. Spielhonorar; Dem. Carlotta Griſt, die erſte Taͤn⸗
zerin, 40,000 Frs. und 60 Frs. Spielhonorar 2c.. Jede Choriſtin hat
mindeſtens 1200 und jede Figurantin 900 Frs jaͤhrliches Einkommen.

tBei dem Gaſtwirthe A — z. in Muͤnchen am Dultplatz iſt in
neueſter Zeit, wie das „Münchner Tagblatt“ meldet, der Gebrauch,
die Speilen nicht zu ſalzen, wenn nun die Gaͤfte Salz verlangen ſo
haben felbe hierfuͤr einen Kreuzer zu bezahlen, wofuͤr man- eine. foͤlche


17 £v. calculirt. Gallz neue Prellerei.

+ Als Beweis, daß die Seidenzucht in Ungarn im Emporkommen
iſt, mag Dienen, daß in dieſem Lande im 3. 1841 fuͤr 349,945 fl.
Cocons gewonnen wurden. An Spinnerlohn wurden verdient 159,000 fl.
Somit brachte die Seidencultur dem Lande ein Einkommen. von 308,945
Gulden.



+ Der Vivliniſt Piu in der Schweiz verehlichte ſich neulich mit ei:
ner Wittwe, die 44 Jahre juͤnger als er iſt; ein Freund des Braut-
paares ſchickte einen Sarg zur Hausſteuer. Denn der Braͤutigam iſt
106 Jahre alt und hat 125 Entel u. ſ. w.: die Braut hat nur erft
62 Lenze gelebt. ; —

+ SJerufatem wurde in dieſem Jahre von 7000 Pilgrimen be-
ſucht.

Auflofung der Räthſel in Nr. 188: ) Thekla

Hekla. — 2) Rode. Oder.
— 3) Dion. Lion. Zion. Pion. — 4) Mehl.

Lehm. Heim. Thau Haut.


Mann, Anna. — 8) Erneft. Nefler, Sterne, — 9) RNu,
Aus Maſſa. —"11) Paſſton. Pas. Sion,
Stockameiſen. —

Bier. Nubier. — 10)
Paß. Jon. — 12) Stock. Ameiſen



An die verehrliche Redaetion des Moͤrgenblattes dahier
Mannheim! den 25. Auguſt 1843.

In einer der letzten Nummern Ihres Blattes ſteht aus Carlsruhe
ein Artikel, woͤrin erzaͤhlt wird: „ein in der Naͤhe von Mannheim woh-
nender Edelmann habe ſeinen Diener erſchöoffen, und ſei nach der That
entflohen, um ſich der richterlichen Unterſuchung zu entziehen;“ noͤch
wird dabei boshaft bemerkt: „der Thaͤter finde keinen Vertheidiger.“
Da man nun dieſe Nachricht auf meinen Bater, welcher {n dieſem
Augenblick ſich auf ſeinem Guͤte in Bahern befindet, bezieht, ſo fordre
ich Sie hiermit auf, dieſe niedertraͤchtige Luͤge in Ihrem Blatte oͤffent-


hafter Menſchen iſt. Da Sie Ihren Artikel aus der Carksruber geitung
entnommen haben, ſo bitte ich Sie der Redaction derſelben meinen
Brief mitzutheilen.
Ergebenſt zeichnet ;
lot7) Ferdinand/ Graf von Waldner.


 
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