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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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November (No. 256 - 282)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1047

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— — — —


Madrid ʒufaͤllig kein Katzenſprung iſt; zu einer ſolchen Reiſe gebraucht
der Menſch in unſerem civiliſirten Jahrhunderte erſtens Geld und zwar
viel Geld und zweitens einen Paß.

nicht ſelbſt auf andere Gedanken komme und umkehre. Doch dieſer
Troſt hielt nicht lange vor, denn der geaͤngſtigte Vater konnte ſich


drang?


thun und den Herrn Polizeipraͤfekten zu erſuchen, im Intereſſe eines


an der Greuze feſthalten zu laſſen. —
„Mein Gott,“ brummte Herr Matherel, waͤhrend er mit Sieben-


haft an den Mann bringen, das unterliegt keinem Zweifel; ſie hat


Entfuͤhrung vorbexeitet. Keich iſt ſie, fuͤr Geld kann man den Teufel


ſetzt mit einer Zigeunerin unter dem Namen eines Don Carlos, Mi-
guel oder wie das ſpaniſche Geſindel ſonſt heißen mag!“


wuͤnſchte die Frau vom Hauſe zu ſprechen. Das impertinente ſpaniſche
Kammermaͤdchen, das bei der letzten Audienz die Azucarillos und Pas
jitas praͤſentirte, erſchien, entſchuldigte die Donna Zuana für den Au-


Grobheit geſagt haben wuͤrde, wenn ſie kein Frauenzimmer geweſen
waͤrt.
Alſo warten, warten, und die Erfahrung machen, daß die Toilette


lange dauert, wie bei einer eleganten Pariſerin!

Die Zeit wird zwar vom Minuten- und Sekundenzeiger genau zu-
gemeſſen, aber ſie iſt und bleibt dennoch ein relativer Begriff: Stunden
werden zu Ewigkeiten und Ewigkeiten zu Stunden, je nachdem das
Herz ruhiger oder ungeſtuͤmer pocht. Auch Herr Matherel ſollte dies
heute erfabren. *
Ein Kniff, ein ſchaͤndlicher Kniff, um Zeit zu gewinnen“ grollte
‚er ein Mal uͤber das andere; „die Toilette nimmt ja gar kein Ende.“
Die Toilette dauerte in der That lange, aber ein Ende nahm ſie
doch; in Sammet und Seide, Gold und Edelſteinen ſtrahlend, wie an
einem beſondern Ehrentage erſchien Madame Figueras im Salon und
riei dem ungeſtuͤmen Gaſte mit der vollendetſten Artigkeit zu:

„Willkommen werther Freund! Sie ſind ſehr guͤtig. Dachte ich
mir's doch. Sie ſind zu Mittage unſer Gaſt.“ —

„Ihr Gaſt, Madame? Gehoͤrſamſter Diener! Der Appetit iſt mir
vergangen. Unter obwaltenden Verhaͤltniſſen.“


bedarf es Feiner langen, foͤrmlichen Einladung. Auf dem Punkte, wo
wir ſtehen, verſteht ſich das von ſelbſt“


nichts von ſelbſt, wir haben uns durchaus nicht verſtanden.“
„Setzen Sie ſich, Sie ſcheinen erhitzt zu ſein, kann ich mit einem
Glaſe Zuckerwaſſer aufwarten?“


verſtanden. Ich hatte die Ehre, Sie im Namen meines Sohnes um die
BGand Ihrer Tochter zu bitten; da Sie aber keine Tochter haben, ſo
werden Sie mir erlauben...“ ‚

3ch erlaube Ihnen Alles, wenn Sie mir zuvor die Bemerkung ge-
ſſtatten, daß Sie um Iſabella's Hand anhielten und ausdruͤcklich hinzu-
ſſetzten, die vortrefflichen perſoͤnlichen Eigenſchaften derſelben haͤtten Sie


zur Schwiegertochter, nur Iſabella; und Sie wie ihr Sohn bedauerten
nur eins, naͤmlich daß ſie nicht arın und ohne Familie fet; um zu be-






weiſen, daß nicht Eigennuß Sie flihre. Ich habe Ihnen meine Zuſtim-
mung gegeben/ noch mehr, ich geftand Ihuen, daß auch der Punkt,
der Sie mit Bedauern erfüllte, ſich für Sie ganz nach Wuͤnfch geftalte,
ſind wir alſo nicht vollkommen mit einander einverſtanden? Ich hoffe,
Sie werden mit mir zufrieden fein.“ N
„Ich zuſrieden? Wofuͤr halten Sie mich?““
Wofuͤr Sie gehalten ſein wollen, fuͤr den uneigennuͤtzigſten Vater
eines vortrefflichen Sohnes.“ e
Allzuguͤtig, Madame! Aber Sie ſind eine zu kluͤge Frau, als daß


ſich mit einer Zigeunerin zu verbinden.“
Das waͤre der erſie Fall nicht. Schon mancher Grand von Spa-
nien vermaͤhlte ſich mit einer Gitaͤng.“ ;
„„Erlauben Sie mir die Bemerkung, daß der Name hier nichts zur
Sache thut; Gitana oder Zigeunerin, iſi und bleibt eine Bettkerin. Auͤch
leben wir nicht in Spanien, ſondern in Frankreich; ebenſo wenig iſt mein
Sohn ein Grand, ſondern eines ehrſamen Buͤrgers Kind. Üebrigens
werden Sie mir’s nicht uͤbel nehmen, wenn ein Vater in unſerem un-


„Keineswegs verdenke ich Ihnen das; doch haben Sie nicht aus-
druͤcklich erklaͤrt, daß Sie auf materielle Intereſſen kein Gewicht legen.“

„Ich bin Banquier, Madame. Doch ganz davon abgeſehen, wiſſen
Sie, was jetzt vorgeht?“ 4 —*—

„Laſſen Sie hoͤren.“

„Ihre Zigeunerin von Tochter, oder richtiger geſagt Ihre Gitana,
die nicht ihre Tochter iſt, entfuͤhrt meinen Sohn.“

„Die verkehrte Welt. Sagen Sie das Ihrem Sohne nicht nach,
Sie wuͤrden ihn laͤcherlich machen.“ *

(Fortſ. folgt.)

BGuntes.

Bei einem der letzten Manoͤvers in Oſtpreußen ſetzte eine Artit-
lerie Brigade im ſauſenden Galopp durch ein coupirtes Terrain und
Die Roſſe hatten den

des Grabens gekommen war, blieb im ſumpfigen Boden ſtecken. Der
erfie Kannonier deſſelben, ein Mann von riefiger Kraft, ſprang in das
Waſſer, ſtuͤtzte ſeine Schulter unter das Rohr des Geſchuͤtzes, hob daſ-
Bravo
2

mein Junge!“ ſagte der verſtorbene Prinz Auguſt und, von ſeiner


mit den Worten: „Trage das als Poͤrteépée zu meinem Andenken.“
Ein Geſchent von 50 Thalern in Gold folgte am Abend dem uͤber-
raſchten Soldaten in das Haus. Bald darauf wollte ein Artilleriſt, der
von dem Ereigniß gehoͤrt, ſeine Kraͤfte zeigen, und als der Prinz im
Artilleriehofe in Berlin ein 24 pfündiges Geſchuͤtz auf eine Lafette le-
gen ließ, hob der Verwegene daſſelbe von der Erde und legte ſich ſol-
„Der Menſch iſt ein Narr,“
ſprach der Prinz, „er riskirt ja ſeine geſunde Glieder ohne Noth, das
iſt Mißbrauch der Kraͤfte, drei Tage Arreſt!

Alles auf du und du! Der preußiſchen Lanwehr geht es jetzt
ſchlimm; ſie hatte ſich angewoͤhnt, ſich im Dienſte Sie nennen zu laſ-
ſen, wozu ſie indeſſen, wie wir neulich in einer Ordre des Koͤnigs von
Preußen bei der Entlaſſung vom Manoͤver und Bezeigung Alethoͤchſter




tig hin, ſobald der Landwehrmann im Dienſt und im Waffenrode iſt,


Landwehr nenne bereits ihren Waffenrock: den Duzkittel und laͤßt alſo


es auch ſein eigenes iſt, nicht vom Spotte verſchont Indeſſen weiß
man es doch jebt: im Dienſte heißt es Du, außer Dienſt Sie. Wem
faͤllt dabei nicht unwillkuͤrlich, die Juſtruktion ein, die, jener alte De-
genknopf einem mit Akkuſativ und Dativ etwas breuillirten Soldaten
zab: Zur Schwerenoth, dummer Kerl, ım Dienſt ſagſt dn mir au-



Niizʒer. Falſchmünzer.


 
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