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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Dezember (No. 283 - 307)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1240

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der Schwefter deg Kaifers von Braſilien und der Königin ven Portue
gal. Diefer Chebund, indenı er das Sihd meines Sohnes fichert, fügt
noch etuen Troſt mehr zu den andern, Die mir Gott porbehalten hat
(ajoute encore une consolation de plus ä& celles que Dieu m’a röser-
v6es.) Uuſeie Herrſchaft in Algerien wird bald allgemein und ruhig
ſein. Unter der Anfuͤhrung erprobter Chefs — in deren Zahl ich ſtolz
bin, einen meiner Soͤhne zu zaͤhlen — vereinen unfrre tapfern Solda-
ten mit bewundernswerther Standhaftigkeit die Muͤbſeligkeiten des
Kriegs und die Arbeiten des Friedens. Die noͤthigen Maßregeln zur
Ausfuͤhrung des allgemeinen Eiſenbahnſyſtems und fuͤr die verſchiede-
nen Unternehmungen zu nationalem Nutzen ſollen Ihren Berathungen
vorgelegt werden. Ein Geſetzentwurf über den Secundaͤruntericht wird
dem Wurfche der Eharte, bezuͤslich auf die Freiheit des Unterrichts,
Genuͤge leiſten und zugleich das Anſehen und die Wirkſamkeit des
Staats bej der Öffen'lichen Erziehung aufrecht halten. Meine Herren,
ich betrachte mit tiefem Dank gegen die Vorſehung dieſen Zuſtaͤnd eh-
renhaften Friedens und wachſender Wohlfahrt, deffen unfer Vaterland
genießt. Stets geleitet von unſerer Hingebung und unferer Treue fuͤr
Frankreich, haben wir — ich und die Meinigen — nie einen audern
Caͤrgeiz gehabt, als ihm wobl zu dienen. Es iſt die Zupeiſicht, dieſe
Pflicht zu erfuͤllen, die meine Staͤrke auszgemacht hat, in den Pruͤfun-
gen meines Lebens, und die bis zum letzten Ende derſelben mein Troͤſt
und meine feſteſte Stuͤtze ſein wird.“ —

— Zwiſchen den Bey von Tunis und der ſardiniſchen Regierung
war es zu einigen Mibbelligkeiten gekommen, die Krieg befuͤrchten lie-
ßen. Heute erfaͤhrt man, daß der Bey die Vermittelung des frauzoͤſt-
ſchen Generalconſuls angenommen hat und ſich zu Conceſſtonen ge-


Aach Briefen aus Madrid vom 21. Dez. iſt das Redactions-
local und die Drugerei des Eco del Comercib gewaltfam erbroͤchen
vorden; die Preſſen wurden zerflört; einer der Redactoren mußte ſich
fluͤchten; Aulaß zu dieſem Friedensbruch gab der Artikel des Journals
gegen die Koͤnigin Marie Chriſtine. Die Publication des Blattes
mußte ſuspendirt werden. *

London 25. Dez. Die Finanzagenten der ſpaniſchen Regierung
haben die offizielle Anzeige gemacht, daß die am 1. Zanuar fälligen
halbjaͤhrigen Zinſen von der neuen zpEt. Staatsſchuld dezahlt werden.



Die Bierbrauerei von Spitalfields in London.

In ſeinem Werke „Mittheilungen aus dem Reiſetagebuche eines
deutſchen Naturforſchers in England, Baſel 1843“ giht der Verfaſſer
(Profeſſor Schoͤnbein in Bafeh uͤber die Bierbrauerei in London ei:
nen Bericht, aus welchem wir fuͤr unſere Leſer das Intereſſanteſte aus-
heben.

Einer meiner Bekannten, welcher fruͤher als Chemiker laͤn⸗
gere Zeit in einer bedeutenden Brauanſtalt (Brewery) das Gaͤbrungs-
geſchaͤft leitete und mit allen Einzelnheiten der Bereitungsweiſe der eng-
liſchen Biexe auf das genaueſte bekannt war, hatte die Guͤte, mich in
die große Brauerei von Spitalfields einzufuͤhren und in alle Geheim-
niſſe der britiſchen Braukunſt einzuweihen. Die Lokalitaͤt, wo die Bier-
voͤrraͤthe aufbewabrt werden, iſt ein einfacher uͤber der Erde befindli-
er Raum, in welchem 120 Faͤſſer (Vats) aufgeſtellt find, jedes etwa
1200 Barrels faſſend, und alle mit dem beften Porter gefüllt. Die
Menge des hier aufgehaͤuften Bieres iſi ſo groß, daß man mit derfel-
ben einen kleinen See bilden koͤnnte. Obgleich nun eine folche Vor-
rathstonne groͤßer iſt als irgend ein Wein- oder Bierfaß auf dem Feſt-
lande, ſo pflegte man fruͤher doch noch vielmal umfangoͤvollere zu ge:
brauchen. Der erſte Bierbrauer Londons gab einmal Georg IV. und
deſſen zahlreichem Gefolge ein glaͤnzendes Fruͤhſtuͤck in einem Bierfaffe,
das ſo koloſſal war, daß es in einen gerdumigen Saal umgeſchaͤffen
werden konnte, ohne daß dies der koͤnigliche Gaͤſt bemerkte. Derfelbe
erhielt erft von dieſem Umſtande Kenntnif, als die Gefellfchaft die rie-
ſenhafte Tonne verlaſſen hatte. Bekannt iſt auch, daß einmal durch
das Springen der Reife eines Bierfaſſes eine ganze Straße uͤber-
ſchyemmt murde und mehrere Perſonen ihren Tod fanden in den ge-


Zwerg iſt, abgezapft und deren Inhalt. an die Bierhaͤuſer der Stadt
abgeſetzt war, ſo wurde der in ihr befindliche Porter etwas matt. Die-
fer umſtand veranlaßte die Bierhrauer, ikre Biervorraͤthe in kleinern
Faͤſſern aufguhewahren. Die gefuͤllten Faͤſſer liegen nicht, wie in uuV-


ſern Kellern quf dem Bauche, ſondern ſind auf den Kopf geſtellt und
werden von eiſernen Geſiellen getragen. Da bisweilen der Fall einz
trist, daß ein volles Faß fpringt und auslduft, fo ift Ddie Vorkehrung
getrofen, daß das Bier, ohne veıdorben zu merden, wieder in einem
Behaͤlter ſich ſammeln fkann. — Da taͤglich allein in die Stadt Lons
don von der Brauerei gegen tauſend Barreis Poͤrter geführt werden,
fo Fann man hieraus auf die Menge des jaͤhrlich von ihr gebraͤuten
Bieres ſchließen. (Ein Barrel faßt 36 Gallonen. Ein Gaͤllon betraͤgt
in wenig mehr als 5 Berliner Quart.) Folglich fuͤhrt die einzige
Brauerei von Spitalftelds taͤglich 180,000 und jaͤhrlich etwa 66 Mill.
Berliner Quart Porterbier in London ein. Man wird es nicht auffal-
{enDd finden, wenn i® hier die Vermuthung ausfpreche, daß die vou
mir in der Londoner Brauerei geſehenen Malzvorräthe woͤhl bedeuͤten-
der waren, als diejenigen, welche man je auf einmal in allen Bier-
brauereien der bairiſchen Hauptſigdt antreffen kann. Sechszehn Kaften,
von denen jeder etwa 4000 Säde faßt, fand ich mit Malz beinahe
gauz angefuͤllt. Ermähnenswerth iſt, daß in den Londoner Brauereien
nicht gemalzt, ſondern von dieſen das gekeimte Getraide vom Lande
bezogen wird. Ueber die Bereitungsweife des Porters und deſ-
ſen Beſtandtheile ſind allerhand irrige Meinungen auf dem Feſtlande,
ja in England felbft gaͤng und gäbe. Von meinem unterrichteten Fuͤh⸗
rer erfuhr ich, daß zur Bexeitung det Porters mur Hopfen und Malz
gebraucht und der Unterſchied zwiſchen Porter und Ale einzig und al:
lein dadurch herbeigefuͤhrt werde, daß man zur Verfertigunz des erſtern
black or brown malt, d. h. bei ziemlich hoher Temperatut getrockne-
tes, alſo etwas geroͤſtetes Malz verwende, waͤhrend man das Ale aus
lufttrockenem bereite. Daher kommt es denn auch, daß der Portet
braunroth iſt und ſo eigenthuͤmlich ſchmeckt, das Ale aber eine hellgelbe
Farbe hat und einen reinen Geſchmack beſttzt.

Der groͤßere Theil des Braugeſchaͤfts wird durch Dampfmaſchinen
vollbracht. Dennoch ſind 300 Menſchen in der Brauerei thaͤtig, um
diejenigen Arbeiten zu verrichten, welche keine Maſchine auszufuͤhren im
Stande iſt. Manche dieſer Leute ſind ſehr gut bezahlt. So 3 D, er
haͤlt deijenige, den man in Deutſchland vielleicht Oberbrauknecht nen-
nen wuͤrde, einen Jahrgehalt von 1000 bis 1200 Pfund Sterk. (10,000
bis 12,000 Gulden), alſo eine Summe, groͤßer, alg der Gehaͤlt von
mehr als einem deutſchen Miniſter. Freilich iſt der Mann, der dieſe
Stelle bekleidet, etwas mehr, als ein bairiſcher Brautnecht. Er muß
bis auf einen gewiſſen Grad eine wiſſenſchaftliche Bildung genoffen haz


mit der Mechauit mehr oder weniger vertraut fein. Es verfteht ſich
don felbfit, daß dieſem Head-brewer das wichtigſte Geſchaͤft einer Brauz
erei, die Leitung der Gaͤhrung naͤmlich, ſpeziell anvertraut iſi

Da ein großer Theil des Bieres in London verbraucht wird, ſo
muß daſſelbe von der Brauerei aus in die verſchiedenen Stadtviertel
gebracht werden Zu dieſem Behufe ſind nicht weniger als 120 Pferde
nothwendig. Die Staͤlle machen daͤher einen nicht unwichtigen oder
unintereſſanten Theil der Brauerei aus. Ein kaiſerlicher oder koͤnigli-
cher Leibſtall kann in der That nicht beſſer und ſchoͤner gehaͤlten fein,
als der Pferdeſtall einer Londoner Bierbrauerei. Die Pflege, die man
daſelbſt den Laſtpferden angedeihen laͤßt, kann nirgends weiter getrie-
ben werden. Fuͤr die kranken Thiere iſt ſogar ein eigenes Spital, wel-
ches noͤthigenfalls erwaͤrmt werden kann, vorhanden. Jedes Pferd hat
ſeinen beſondern Namen, welcher uͤber ſeinem Stande angeſchrieben ſteht
Durch eine eigene Dampfmaſchine wird das Futter ein Gemiſch von


eigenthuͤmliche und wohl die groͤßte, die es uͤberhaupt gibt. Die Roffe
haben ungewoͤhnlich ſtarken Gliederbau und vermoͤgen ungeheuere Laften
zu ziehen. Durchſchnittlich koſtet eines derſelben 70 Guineen, woraus
ſich ergibt, daß das in den Pferden ſteckende Kapital der Brauerei
mehr als 100,000 fl. betraͤgt. 7

In jeder Brauerei Londons wird Porter und Ale zu gleicher Zeit
bereitet, indeſſen in ſehr ungleichen Quantitaͤten, da man die erfie
Bierſorte viel haͤufiger trinkt als die letztere, und ſie vorzugsweiſe das
Getraͤnk der arbeitenden Klaſſe iſt. Die Vorrichtung zur Alebereitung
iſt immer von derjenigen geſondert, die zum Brauen des Porters dient.
Ich habe in der Brauerei von
Spitalfields acht Sorten Ale gekoſtet, von welcher die ſchwaͤchſte etwa
6°% die ſtaͤrkſte 12° Weingeift (doch wohl nicht abſoluten Alkohol?)
enthielt. Dieſes Bier mundet aber nicht einem Jeden; ſelbſt in ſehr
kleiuen Mengen getrunken, widerſteht es einem ſehr leicht, weil es au-
ßer ſeiner wiedrigen Staͤrke noch einen fuͤßlichen Geſchamck Fefißt. Uebri-
 
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