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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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März (No. 51 - 76)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0303

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werden, — bildet ſich ein Verein fuͤr die Befferung der Frauen
in Oſtindien und Syrien! — Haben Sie, verehtte Damen, f
wenig Kenntniß Ihrer eigenen naͤchſten Umgebung, daß Sie Ihre
Kraͤfte nach Oſtindien wenden, waͤhrend in Ihrem Berlin Hunderte
Wrer Geſchlechtsgenoſſinnen, Chriſtinnen, Deutfche, Berlineriuͤnen, in
Suͤnde dahin leben und endlich ein von ihnen ſetbſt verfluchtes Leben
elend endigen? Helfen Sie doch denen, die Ihnen gewiß naͤher ſtehen,
als die Frauen von Oſtindien, aus dem Pfuhl des Verderbens; helfen
Sie ihnen zu chriſilicher Erkenntniß und zu ehrlich verdienten Lebens-
Unterhalt, und Sie werden ſich die Achtuͤng der Welt verdieneuͤ!

Ein Beiſpiel, ſtatt vieler, moͤge Ihnen zeigen, daß Sie nicht nach
Oſtindien zu gehen brauchen,. daß Sie in Berlin fuͤr Verbreitung des
Chriſtenthums den ſchoͤnſten Wirkungskreis finden koͤnnen. — Loͤdoiskaͤ
N., ein ſchoͤnes, unſchuldiges Maͤdchen von 17 Jahren, Tochter eines
ſchlecht beſoldeten Beamten, kommt nach Berlin in eine in gutem Rufe
ſtehende Putzhandlung; ſie iſt brav und tugendhaft (freilich keine Kopf-
baͤngerin), lebhaft und lebensfroh. Ein Wuͤſtling der Nachbarſchaͤft
ſieht dieſe Blume, verlockt ſie mit Huͤlfe einer Frau die für fromm
gilt, weil ſie, den Kopf hängend, in die Kirche geht; dieſe gibt und
macht Gelegenheit; die Blume wird geknickt, — mit einigen Friedrichs-
dor auf die Straße gejagt; ſie komnit in Schulden; die gute, fromme,
huͤlfreiche Frau hilft gegen Contract davon. Die Eltern verſtoßen ihr
Kind; in drei Viertel Jahren iſt Lodoiska ein Freudenmaͤdchen, und in
fuͤnf Viertel Jahren, als Opfer der Ausſchweifuͤng, Leiche in der Chas
rite! Das iſt in Berlin geſchehen, nicht in Oſtindien; und das
geſchieht an Hunderten, ja an Taufenden in Berlin. —

„Du ſollſt deinen Naͤchſten lieben, wie dich ſelbſt,“ ſagt der Stif-
ter unſerer Religion, die Sie, meine Damen, bis nach Sſtindien zu
verbreiten mitwirken wollen. Sind denn Ihre Stubenmaͤdchen, Ihre
Loͤchinnen nicht Ihre Naͤchſten? Haben Sie fuͤr dieſe keinen frommen
Spruch, keine chriſtliche warnende Stimme, ſie vom Wege des Laſters
abzuhalten; — nur fuͤr die Syrierin oder fuͤr die Oſtindierin? — Der
Verfaſſer dieſes Aufſatzes hat in der Cholerazeit maͤnche Huͤtte der Ar-
muth, helfend, rathend und troͤſtend, aber nicht froͤmmelnd, beſucht
und manche, durch's geſchmuͤckte Laſter zerknickte Tügend gefunden; —
da waͤre zu hetfen geweſen durch zaͤrte, liebreiche Frauenhaͤnd, durch
Schweſterhand! — Nahe an hundert weiblicher Choleraleichen ſind mit
ihrem Namen und Stand („N. N., Freudenmaͤdchen“) in die Cholera-
liſte eingeſchrieben und der Name gedruckt der Oeffenilichkeit uͤbergeben
worden; aber nicht die Cholera hat ſie gewuͤrgt, — nein, an gebro-
chenen Herzen ſind ſte erlegen und die gütige Cholera hat ſie vom
groͤßeren, laͤngeren Leiden befreit.

Iſt es auch recht und iſt es chriſtlich, meine Damen, von folchem
leiblichen und ſittlichem Eiende Ihres Geſchlechts vor Ihren Fuͤßen
nichts ſehen und nichts wiſſen zu wollen und fuͤr die Beſſerung oſtin-
diſcher und ſyriſcher Schweſtern zu ſchwaͤrmen, waͤhrend deutſche Frauen
vor Ihren Augen in's Verderben ſinken und auf dem Stroh verfaulen?
— Möchten Sie nicht auch nach China gehen und dort Kleinkinderbe-
wahranftalten errichten, da die Chinefen die Kinder in's Waſſer wer-
fen, wenn ihnen. deren Zahl zu groß wird? Das thut man ja in Ber-
lin nicht. Man ſorgt fogar für die unehelichen, fogenannten Ziehkin-
der in Berlin, wie in andern großen Staͤdten Deutſchlands. Iſt ſo
ein Leidenswurm geboren, ſo gibt man ihn ſogleich nach Moͤglichkeit
in die Koſt; die ſich damit abgebende Perfon erhaͤlt 20—30 Thlr.
auf die Hand, und wenn das Kind ſtirbt, noch einmal 20—30 Thlr.,
denn daß das Wuͤrmchen ſtirbt, das iſt gewiß. „Aber mein Gott, es
wird doch nicht umgebracht?!” D nein, es wird nur dreimal des
Tags mit ſtedend heißem (8S0—90° R.) Mehlbrei gefuͤttert; das kann
der arme Wurm nicht verdauen, und er geht zu ſeinem einzigen, ewi-
gen Vater. Der Hr. Leichenbeſchauer fchreibt in den Todtenzettel:
„geitorben an Sticgfluß,“ vermahnt die Leute, mit der Liebe zu
kleinen Kindern nicht zu weit zu gehen und ihnen nicht ſo viel zu
effen zu geben, und nun Adieu, Erdenwaͤllet; du guter Wurm brauchſt
keine Miſſtonsfuͤrſorge mehr, du biſt bei Dem, der Vater aller Men-
ſchen nicht einer einzelnen Secte ift. —

Sehen Sie, meine verehrten, chriſtlich frommen Damen, da brau-
chen Sie nicht ſo weit, nach Oſtindien und nach Syrien zu gehen,
wenn ſie wahre Werke in chriſtlichem Sinne fhun wollen; hier haben
Sie alle Haͤnde voll zu thun; und ſind Sie an der Spree fertig, ſo
gibt e& noch Arbeit an der Iſar genug! Alſo bier bleiben! — hier
wirken — meine chriſtlichen Damen! Leben Sie wohl! g

‘ Dr. J.

()



Das Hauskreuz, oder: Was vom Brauutwein-
trinken zu halten ſei?
(Fortſetzung)

Nun iſt mir alles deuͤtlich geworden und ich ſehe
daß die neu entdeckte Waͤhrheit durch nichts wieder-
legt werden kann! Heute aber habe ich auch gelernt, daß der Braͤnnt-
wein der argſte Betruͤger {ft; er gewaͤhri nicht das Gute, was
er verheißt und fuͤhrt obenein denjenigen ins Verderben, der ſich ihm
hingiebt! Aber Herr Pfarrer, warum hat man dies dem Handwerker
und Bauern nicht ſchon laͤngſt geſagt?

Der Pfarrer. Haͤtte ich es früher gewußt, lieben Kinder, ich
haͤtte es euch ſchon laͤngſt geſagt. Doch da der Branntwein ſich erſt
in den letzten 60 Jahren ſo ſehr verbreitet hat, ſo koͤnnte man
ſeine Folgen nicht früher erkennen, als jetzt.

Ein Baner. Wenn dẽr Branntwein aber nicht ſtaͤrkt und ernaͤhrt,
ſo hat ihn ja der gemeine Mann auch nicht noͤthig bei ſeiner
ſauren Arbeit. ;

Der Pfarrer. Das iſt gerade die richtige und wichtige Folge
welche jene neue Entdeckung für das taͤgliche hat. Da der Brannts:
wein nicht ſtaͤrkt und erndhrt, fo hat ihn auch der Arbeiter
nicht noͤthig bei ſeiner fauren Arbeit! Wenn er euch ſtaͤrkte
bei euern Ardeiten, ſo wuͤrde ich der Erſte ſein der dagegen ſtritte,
wenn man Dden Branntwein wieder abſchaffen wollte. MNber ich ſehe
er iſt ein Verderber an Gut und Blut. Es iſt ſchon durch die Erfah-
rung bewieſen, die man in andern Laͤndern gemaͤcht hat, gerade der
gemeine Arbeiter beſindetſich am beſten dabet, wenn des
Schnaps wieder abgeſchafft wird! Daͤs widerſpricht freilich
dem alten Glauben geradezu, den man bisher von der ernaͤhrenden und
ſtaͤrkenden Kraft des Branntweins hatte. — Durch dieſen Glauben irre
gefuͤhrt, hatte man auch in Amerika fuͤr diefe Arbeiter allerlei Nach-
theile befuͤrchet von den Entſagungsvereinen; aber die Erfahrung hat
hinterher an Hunderttauſenden hinlaͤnglich bewieſen, daß man im Irr-
thume befangen war. Deun da der Branntwein die Verdauung hin-
dert, Lunge und Leber ſo leicht verdirbt, ſo muͤſſen ſich die Arbeiter
ohue Branntwein nothwendig weit gefunder fühlen. Ohne dem
kann der Arbeiter von den Erſparungen des Schnapsgeldes ſich waͤr—
mer kleiden ſtch nahrhafter fpeiſen. Mithin?wird durch die
Entſagung ſein Wohlbefinden in zweifacher Hinficht erhöhet. Er
kann daher nicht blos dieſelbe ſaule Arbeit verruͤhten, ſondern ſie wird
auch leichter als ſonſt, weil er nun beſſer und mehr ißt. Endlich
verbraucht er (Durch den Branntwein nicht mehr dazu aͤngeſpornt) nun
auch ſeine letzten Kraͤfte nicht mehr und ſinket am Abend nicht mehr
ſo erſchoͤpft auf ſein Lager, wie das fruͤher der Fall war! Dabei
lebt er ohne Zank und Streit, iſt heiter und froh im Kreiſe der Seini-
gen, iſt zufrieden mit ſeinem Gott und ſeinem Gewiſfen.

Ein Bauer. Dann koͤnnte man ja wirklich ganz ohne Braͤnnt-
wein leben?

Der Meiſter.
immer mehr ein,

Eortſetzung folgt.)



Brief⸗Kaſten.

Reclamationeen über verlorne oder auogebliebene Blaͤtter find, wie wir fruͤ⸗
ber ſchon ſo oft bemertt haben, von auswärts nicht directe an uns zu richten, fon»
dern an dasjenige Poſtamt, von welchem der verehrliche Abonnent die Blätter be-
zieht; indeſſen iſt eg uns rein unmöglich, das Morgenblatt vom Januar 1 bis inz
ctus. No. 27, die Schulzeitung his inelus. No. 8& und Gewerbeblatt vis inclus,
No 5 von dieſem Jahre nachzuͤliefern, da fie vergriffen ſind. Dies zur Nachricht
auf vielfach an uns gerichtete Erſuchen um Nachſendung feblender Blätter, — Die
Erzählung / Gewiſſensbiſſe,“ nicht geeignet. — Dergl. 7Etwas über Victor Hugo’s
Burggrafen, von 8. — 2+2 Seht b. D, Verg. g. — An das unbek. Julchen,w
gegen Inſertionsgebühr. — Nicht erſcheinen fönnen .die Chaxaden „Heurath,w von
S. — „RNofenkranz « von St—g,. — Das Logogriph, von F Poſtſtemp. Hbg. nebft
dem beigefügten „Buntes.u — n ;

Ferner bleiben unberückfichtigt die Gedichte „Hört ihr Narren allzumal ıC, 2c,“

von 5. D. in Hbg. — „Ob und wie aug L. — „Frühlingsempfindungen/ von
Ldmthr. „An Guizot.“ — „Des Landmanns Lſt. ı, S, aus Bof. — Die Zu-
ſendung von Rotilon in W. liegt zur gefll. Berfügung. — B, in Off. folgt bes
ſondere Antwort, — S, in Kf. „Die Dinten-B,“ find befannt, und über die Bruchf,
erwarten wir den Schluß. — Ferd. X, dankbar! Aber wichtige Gründe verhindern
die Veröf. —
Lin. DBrief aus H. mit der Unterfhrift, Minchen &. betfo., follten wir wohl
denken, daß der Hr. Verfaffer ſtatt in der Buß-—gaffe zu wohnen ein Logis irgend
wo anders hätte. Den lintergang der Erve, von St, Vernünftige bedürs
fen wohl der Beruhigung nicht. — Die Demolitions-Abgaben betrffd., kann 2
anonym zugeſandt keine Berückſichtigung finden. — Aus D, fd, vbemnächfl, — „An
einen Herrn von Sparrenfeld;‘‘ wir lẽgen die Auſſt bei Seite. * Rchm.
beſ. Antwort. — (25,) Nichts Beſonderes? — F—d L. in Fbg. dankbar! —


 
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