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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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April (No. 77 - 101)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0315

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Hauſes ſich eilig entfexnten, halfen die Diener dem Arzt den Leichnam
in das Zimmer des Greiſes tragen. Dieſer begriff nichts von der
traurigen Scene, welche ſich vor feinen Augen zutrug. Als er ſo viele
Leute ankommen ſah, floh er in eine Ecke der Stuͤbe und muͤrmelte
unaufbörlich: „Ich bin es nicht! Ich bin es nicht! Werft nicht mit
Steinen nach mir, ich bin unfehuldig! In die Themſe! In die Theniſe!“
Eortſetzung folgt.) 2

San LK ;

- In der „Haude und Spenerſchen Zeitung“ vom 16. Maͤrz fin-
det ſich nachſtehende Anzeige: Durch den Tod ihrer Mutter bleibt
ein achtjaͤhriger Knabe verwaiſet. Sollten ſich achtbare Leute aus rein
menſchenfreundlichen Abſichten ſich dieſes Weſens anzunehmen belieben,
ſo wuͤrden ſie durch die liebenswuͤrdige Perſoͤnlichkeit dieſes Knaben,
den man Carl nennen mag, ſich ſchon jenſeits und die ſeits ent-
ſchaͤdigt finden. Noch geht er mit Keinem, aber er wird gehen, wenn
man e6 ihm vorſtellt. Naͤheres in der Judenſtraße bei Raybauer
Nr. 17., Ddret Lampen, wo die Laterne angebracht iſt in der Metall-
waarenfabrik zum Wachsſtock.

7 Die Wittwe Geyer in Kehl bietet ihr Gaſthaus in badiſchen
Blaͤttern zum Verkaufe aus. Das Gaſthaus fuͤhrt das Schild „zum
Schwert,“ und ſie foͤrdert dafuͤr 60,000 Gulden. Unter dieſer Anzeige
ließ ein anderer Wirth, dem der Preis zu hoch erſchien, die Worte
ſetzen: Frau Wirthin zuw Swwert, ſchneiden ſie nicht! Stumpf, Wirth
in Heidelberg. * 4 / .

2



+ Um die Kraft der neuen Iſarbruͤcke in Muͤnchen zu erproben, hat
man fuͤnf ausgezeichnete Biertrinker tuͤchtig mit echtem Salvatoͤrbier


die mindeſte Erſchuͤtterung erlitt, ſomit iſt anzunehmen, daß ſelbe auf
lange Jahre den groͤßten Laſten trotzen wird.

+ An der table d’höte des beſten Gaſthauſes in einer kleinen Re-
denzſtadt ſaß neben den meiſt aus angeſehenen Standesperfoͤnen be-
ſtehenden Gaͤſten und dem Landesherrn verwandten Fuͤrſten eines be-
— nachtbarten kleinen Staates auch ein ſchon ziemlich bejahrter Offizier,
der Uniform und ſeinen militaͤiriſchen Abzeichen nach Hauͤptmann , der


kopf ſpielend bekoͤmmt den Einfall, dieß auch jetzt zu exerzieren und
fragt den Hauptmann: „Haben Sie noch keine Nachricht, ob der Haupt-
imann von Kapernaum endlich Obriſt geworden iſt?“ „Na!“ erwiederte
Dder Hauptmann, ganz rubhig, „Schaun’s das is halt nit moͤglich, da
jener Hauptmann ſo ein’m Haanen Palaͤſtiner Duodezfuͤrſten, wie man's
hierum auch viele hat, 3dient hat, der kaanen Obriſten brauchen kann,
weil ’rn halt nit ſtandesmaͤßig beſolden und ernaͤhrn kann!“





+ Bor hundert Jahren trugen alle Damen des Wiener Hofes, und
felbit die Kaiſerin, ſo tief ausgeſchnittene Kleider, daß Abraham
a Sancta Clara dagegen von der Kanzel herab eiferte und mit den
Worten ſchloß: „Weidber, die ſich ſo ſehr entbloͤßen, ſind nicht werth,
daß man ihnen ins Geſicht ſpuckt!“ Die Kaiſerin daruͤber ergrimmt,
ließ ihm fagen, daß er ſein Amt verlieren wuͤrde, wenn er dieß nicht
widerriefe. Am naͤchſten Sonntage that er es folgendermaßen: „Ich
ſagte neulich: Weiber die ſich ſo entbloͤßt tragen, feien nicht werth, daß
man ihnen ins Seficht ſpuͤckte; dieß widerrufe ich hiermit feierlichſt
und erklaͤre: ſie ſind es werth!“ *


daction und im Verlag eines Herrn Durand, hat ſich aber keines
ſonderlichen Succefjes zu erfreuen. Ein Capitaliſt, den man fragte, ob
er Actien nehmen wollte, ſagte: „Was ſoll ich im Capitol? Hal-
ten Sie mich fuͤr eine Gans?“ (Die Gaͤnſe retteten bekanntlich duͤrch
ihr SGefchnatter das Capitol zu Rom, als e& Nachts von Feinden er:
ſtiegen werden ſollte.)




Oper „Czar und Zimmermann“ noͤch nicht geſehen habe. „Mein Lie-
Ler entgegnete dieſer, „ſo oft komme ich nicht in das Komoͤdienhaus.
Ich gehe nur zu meinem Vergnuͤgen hin, ich bin kein Abonnent!





triuken zu halten ſei?
(Fortſetzung)

Erſt im 7jährigen Kriege, alſo erſt vor 60-—70 Jahren ver-
Lreitete ſich der Branntmein auf das Land und war nun in jedem
WirthHshaufe zu haben. Doch wurde er nur in den Schenken, bei
be]onbereuz‚@cl.egenbeiren und nur maͤßig und nur von Wenigen getrun-
ken. Fragt nur die Alten in der Gemeinde, die wiſſen ſich dieſes noch
alles gut zu erinnern. Da gab es keine erhitzten Koͤbfe Feine Schlaͤ⸗
gereien, feine Wunden ohne Urſache und nicht ſo diek Unfrieden in den
Ehen. Noch Niemand aber trank ihn taͤglich {m Haufe, und noch
weniger an Werktagen. Wenn es was beſoͤnderes -fein follte, fo wurde
er wohl bei beſonderen Feſtlichkeiten gereicht, und dann uur in hoͤchſt
geringem Maße, aber Niemanden fiel es ein, denſelben bei feiner fau-
ren Arbeit zu trinken. Da trank man Bier und Waſſer im Sommer,
und im Winter ſtaͤrkte man ſich des Morgens an einer Brod-, Bier-
oder Mehlfuppe. Das gab Kraft und Luft zur Arbeit! *

Nach dem Tjaͤhrigen Krieg nahm fein Verbrauch leider immer
mehr zu, und während des letzten Kriegs mit den Franzos.
ſen Fam es ſogar Ddahin, daß man ihn auch In den Haͤufern voͤr—
raͤthig hatte; die anhaltenden Durchmaͤrſche und Einquattierungen was ,
So wurde dieſer Spiritus, der urſpruͤng-
lich nichts weiter als eine Medizin iſt, zum gewoͤhnlichen und alltaͤß—
lichen Getraͤnke. Der Franzoſe iſt aug dem Laͤnde vertrieben, doch Der -
Brauntwein iſt in allen Haͤuſern geblieben. Die Franzoſen brachten
noch Geld in Umlauf, doch der Braͤnntwein ſtiehlt es euͤch taͤgich aus
der Taſche. Die Franzoſen wollten unſere Kraft brecheu und uns zeit-
lich verderben, doch der Branntwein verdirbt Leib und Seele bis in
die Hoͤlle! Die Fraͤnzoſen wollten uns zu ihren Knechten machen,
aber der Branntwein hat uns zu ſeinen Sklaven erniedrigt; denn jenen
waren unfere Herzen abhold, doch dieſem ſchlagen alle Herzen entge-
gen. Er ift das groͤßte Hauskreuz: ein Raͤuber unferes Ver-
moͤgens und ein Moͤrder unſeres Lebens; und doch halten wir ihn fuͤr
unſeren beſten Freund; ja, er hat jetzt die Menſchen ſo bethoͤrt, daß
Viele ſogar glauben, ohne ihn gar nicht mehr leben zu koͤnnen!,

Ein Bauer. Ja, ja, der Branutwein iſt nicht immer in der
Welt gewefen. Mein Großvater hat es uns manchmal erzaͤhlt, daß
er den erſten Branntwein auf ſeiner Hoͤchzeit geſehen und getrunken
habe, und ſeitdem in vielen Jaͤhren keinen wieder, und er habe ſaurere
Arbeiten thun muͤſſen, als wir. n

Ein Anderer. Als ich vor 30—40 Jahren noch als Knecht diente,
da trank nur die Herrſchaft zuweilen einen Schnaps, das Geſinde aber


Nur bei der ergiebigſten Aernte wurden einige Schoppen eingezogen,
mit welchen wir denn die ganze Aerndte ausreichten! Jetzt wird aber
in einer Woche mehr vertrunken, und das ganze Jahr hindurch geht
wohl ein Faß voll auf. Und doch wurden ſoͤnſt dieſelben Arbeiten ge-
than, denn das Pfluͤgen, Saͤen und Maͤhen geht jetzt nicht ſchwerer
als ſonſt. —

Der Pfarrer. So ſehet ihr alſo deutlich, daß nicht blos in der
neueſten Zeit Hunderttauſend obne Branntwein leben, ſondern daß
auch in alter Zeit eure Vorfahren ihn weder tranken nach kannten
und es ging eben ſo gut, ja beſſer als jetzt! Ihr ſehet alfo, die Er-
fahrung beweiſet es unwiderleglich, der Branntwein iſt voͤllig entbehr-
lich, das muß jeder Vernuͤnftige eingeſtehen, und wer ihn alſo noch


Ein Bauer.! Habe ich doch wirklich bis heute geglaubt, ohne
Branntwein koͤnnte man nicht fertig werden nun ſehe ich aber ein,
daß es ein naͤrriſcher Aberglaube iſt. —

Ein Anderer. Das Schlimmſte iſt, daß aus ihm auch kein Blut
und Fleiſch werden kann, und daß er die Kraͤfte, die wir taͤglich bei
unſerer Arbeiten verbrauchen, nicht wieder erſetzt! Er muß alſo wohl
entbehrlich ſein. 2

Der Handwerker. Ja, lieber Gevatter ihr habt Necht, es I
ſchon ſchluͤnm genug, daß er fuͤr das viele Geld uns keinen Nutzen
bringt; doch dabei bleibt es nicht, er ſtiftet ja auch Schaden an: €r
zerfrißt den Magen, verdirbt Lunge und Leber, vexbrengt das Blut
und macht den inwendigen Menſchen ungeſund; das iſt mir Qfltiä dent-
lich geworden. Indeſſen Herr Pfarrer es iſt noch Ein „Aber“ dabei,
welches ich mir noch nicht erklaͤren kann.

Gortſehung folgt) 7






 
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