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Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
Mai (No. 102 - 126)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0430

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‚ Die wandelnden Leichname,

2 oder:
der wahnſinnige Todtengräber.
Schaubernovelle von Dr. Jeremtas Wolfg. Molchunke.

14 Gortſetzung.
Zweites Rapitel.
Weh! 2
(Schillers Braut von Meſſina)

— — — — — — — — — — — — 72 —

Wir muͤffen unſere verebrten Leſer und namentlich die liebenswuͤrdi-


obigen Nachtſtuͤckes unmoͤglich folgen laſſen koͤnnen. Sechs Setzer, ei-
ner nach den andern, denen wir das Manuſcript uͤbergaben, wurden
vor Entſetzen uͤber die graͤßlichen Begebenheiten des 2ten Kapitels theils
ohnmaͤchtig, theils vom Starrkrampf erfaßt und keiner wagt ſich mehr


ſten Nummer eine andere Erzaͤhlung liefern.
] Die Redackion.

24 BuntesS

+ Eine Geſpenſtergeſchichte aus der neueſten Zeit! Das Echo du
Cher meldet aus Chateauneuf; „Herr N., der vor Kurzem ſeine
Frau verlor, wohnt in einem Haͤuschen in der Naͤhe von Chateauneuf.
In der Samſtagnacht vom 22 auf den 23. April Iag der junge Witt-
wer friedlich und gemuͤthlich im Bette, als er durch das Gebell ſeines
Hundes geweckt wurde. N. ſprang auf, griff zur Flinte, riß die Haus-
thuͤr auf und lauſchte. Was ſah er? O Himmel uͤber die Garten-
hecke ſtieg ein weißes Geſpenſt eine Fackel in der Hand; und es kam
naͤher und naͤher.

ſo mach' Dich fort!“ — — Und das Geſpenſt ſchien von Gott zu
kommen, denn es ſtand ſtill und rief im Geiſtertone:
get! ich bin der Geiſt Deiner ſeligen Frau! Erkennſt Du mich nicht?
Ich bin gekommen, damit Du die A... nicht heiratheſt, denn ſie iſt
der Stelle nicht werth, die ich bei Lebzeiten einnahm! Nur eine kann
mich erſetzen; es iſt die B.. Bedenke wohl was Du vornimmit . ...
wo nicht““ Hier endete die Geiſtermahnung, denn der Wittwer
hatte das Geſpenſt aufs Korn genommen und abgedruͤckt. Der Schuß
fiel, das Geſpenſt war verſchwunden. Am naͤchſten Morgen erſchien


haͤngig und der Prozeß in vollem Gange. Denn am naͤmlichen Mor-
gen ward ein junges Weib ins Spital zu Chateauneuf gebracht, dem
der eine Schenkel durch einen Flintenſchuß ſchwer verletzt iſt. Und —
o Wunder! — dieſe Verwundete war niemand anders, als die em-
pfohlene Eheſtandscandidatin D ... —


trieb, hatte ein junges Weib, das ſo ſchoͤn wie muthvoll war und ihn
bei den gefaͤhrlichſten Unternehmungen begleitete. Das ehliche Gluͤck
des Raͤuberhauptmanns wurde durch die Geburt eines Sohnes noch er-
hoͤht. Aber die Vaterfreude waͤhrte nicht lange, da das Kind faſt den
ganzen Tag ſchrie, ein Umſtand, der dem Banditen ſo laͤſtig, wie ge-
faͤhrlich ſchien. Mehr als einmal drohte er, dem Schreier den Hals
umdrehen zu wollen und in einer Nacht, wo er mordgieriger als ge-
woͤhnlich heim kam, weil ein Fang mißlungen war, fprang er, als das
Kind wieder ſchrie, ploͤtzlich auf und erdroͤſſelte es vor den Augen der
Mutter, die vergebens gegen den Unmenſchen ankaͤmpfte. Die gluͤhende
Liebe des Chepaars perwandelte ſich jetzt in den gluͤhendſten Haß. Durch
die ſteten Verwuͤnſchungen der Frau aufgebracht und ihre Rache fuͤrch-
tend, beſchleß der Bandit, dem vielbeweinten Kinde die Mutier nach-
zufenden. Eines Abends ſagte er zu ſeinem Neffen, alg er ihm das


dittta fuͤr die andere Welt ſchreiben wolle.

ſtand Wer zufaͤllig hatte das Weib des Banditen dieſe Nacht gleich:
falls zur Bollziehung ihrer Rache auserſehen. Es gelang ihr, die übele
Laune des Banditen zu bannen und, ſeinen Plan dergeſſend, ſchlief er
ein! Das Weib benutzte ſofort den Moͤment, nahm des Mannes Buͤchſe


— — i — 3 S SE






ſie das Geld loͤſte, das auf den Kopf des gefürchteten Raͤuberhaupt-
manns geſetzt war. Als der Neffe des Banditen den Schuß fallen
hoͤrte, rief er: „Still, mein Oheim rechnet mit Giuditta ab!“ legte
ſich auf die andere Seite und ſchlief ruhig wieder ein. 2

+ Die Stadt Paris hat noch ohngefaͤhr 50 Mill. Fraues Schulden.
Ein bauluſtiger Spekulant macht ſich jetzt anheiſchig, daß er die huͤbſche
Summe fuͤr die Stadt uͤbernehmen wolle, wenn ihm die elyſaͤiſchen
Felder und der Cour Ia Reine zur Anlegung eines nenen Stadtvirtels
abgetreten wuͤrden. Der Municipalrath wird in ſeiner naͤchſten Sitzung
den Vorſchlag in Ueberlegung ziehen.

Mannheimer Schaubühne. ;
Au diesmal hatte ſich das Luftfpiel der Sohn auf Neifen« der Theilnahme
des Publikums zu erfreuen, und ich bin feſt überzeugt, daß ſich genanntes Luſtſptel
noch lange auf dem Repertoir erhalten wird, wenn nänilich das darſtellende Perſo-
nale ſeinẽ Augabe ſtets ſo löſt, wie dies das erfiemal und auch heute wieder der
Fall war. Na dem Stücke hoͤrten wir ein Potpuri auf der Mundharmonika, vor-
getragen von Hrn. Bogler aus Wiesbaden. ;
Wenn ‚man die Beſchränktheit dieſes Inſtrumentes kennt, und weiß daß hier
von Modulationen gar nicht die Rede fein lann, ſo muß man in der That erſtau-
nen, ſowohl über die Fertigkeit, welche Hr. Bogler auf dieſem kleinen Inſtrumente
entwickelte, als auch üder den ſchoͤnen Ton und Vortrag genannten Künfliers. Der-
ſelbe erfreute ſich eines ungetheilten Beifallg, und wurbde gerufen, . Zum . Schluß
vder Schornfteinfegere vantomimifches Ballet in Z Aufzügen
von Hrn. Beauval, Mufik von K, A, Nitter. Das kleine Perfonal, aus
weldem unſex Ballet zuſammengeſetzt iſt, erhielt für heute eine Siütze an Herın
Bolange. Es wäre zu wünfhen, genannten Tänzet hier placirt zu ſebenz es
ließe ſich da für die Zukunft ſchon eiwaͤs größeres ausführen. Das Ballet, worin
einige recht komiſche Situationen vorkamen gewährte eine angenehme Unterhaltung,
die gemütoliche Mufßik ſprach an, die Leiftungen ſämmtlicher Tänzer aber wurden
heutẽ recht beifällig aufgenoinmen. 000008



Bücher Anzeige.

‚: [14109J]1 Nächſtens erſcheint und iſt in allen guten Buchhandlungen zu haben:


Buch fuͤr Buͤhnen Leider.

Vir enthalten uns aller weitern Anpreiſungen und führen nur einige ufälli
aufgeſchlagene Stellen hier an, um auf den hoͤhen Werth dieſes Werkes —


„S. 23. Wenn eine fremde Sängerin von Renomee als Gaſt auftritt (auch wenn
ſie der Bühne keine Koſten verurſacht, ſondern gegen ein ungarantirtes Be-
neſiz fingt) und ſo gefällt, daß ſie eine Romanze, da capo ſingen muß, ſo
iſt es durchaus nicht rathſam, ihr ein freundliches Wert darüber zu fagen,
ſie könnte ſonſt leicht übermüthig werden; weit beſſer iſt's, — man verplüfft
ſie. 3. B.: Wenn ſie in der Nähe des Maſchiniſten ſteht, ruft man dieſein
zu: Eilen Sie ſich/ wegen des Eiſenbahnzuges. Dann wendet man ſich
zur Sängerin, und fagt ihr ganz naiv: „Durch das Repetiren Jhres
Mu ſikftücks haben wir ohnedies 5 Minuten verloren.“

6, 35. Wenn ein Sänger, der früher 7 Jahre lang ein beliebtes Mitglied der
Anſtalt war, nach längexer Abweſenheit wieder einmal auftreten will, ſo
darf man dies, das Publikum mag es noch ſo ſehr wünſchen, durchaus nicht

geſtatten, ſelbſt nicht im Benefiz ſeiner Frau, ohne daß derſelbe bezahlt,
wenigſtens dadurch, daß er auch eine Rolle für die Anſtalt ſingt; dies aus
mehreren Gründen:

DKönnte der Gaſt eine gute Einnahme machen, und dies iſt ſchon an
und für ſich ſehr ärgerlich für einen Direktor, alſo der Geſundheit
nachtheilig.

2) Könnten doch einige, welche das Benefiz beſuchten, dafür ſpäter ein-
mal weniger ins Theater gehen; was ein offenbarer Nachtheil für die
Kaſſe wäre.

3) Könnten die Leute auf den frevelhaften Gedanken gebracht werden, der
ohnedies ſchon in einigen extravaganten Köpfen ſpucken ſoll, ale
wäre das Theater des Publikums, und nicht das Publilum des
Theaters wegen da, um deſſen Kaſſe zu füllen u. f w.

Wir glauben in dieſen wenigen Proben hinlänglich den hohen und tiefen Geiſt
des genialen Verfaffers dargelegt zu haben, und fügen nur noch bei, daß das
ganze Werk gedruckt erſcheinen wird.
 
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