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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Mai (No. 102 - 126)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0479

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der geſellſchaftlichen VBerhältniffe, Ich werde Ihnen daher nicht verheh-
len daß ich ſteben Kinder habe, die ſchoͤn wie der Tag find, und daß
Miftreß Devalle, meine Gemahlin, ohgleich ſie ſchen zwei und dreißig
Jahre zÄhlte, als fie mir ihre Hand gab, mit Hilfe meiner Bemühun:
gen eine der beſten Taͤnzerinen zu Briſtol geworden iſt, ſo daß ich Ihr


von ihr dann ſchon ausgebildet, um ihnen mit der Violine Unterricht
in der Kunſt ihres Gleichen zu barbiren, zu geben. So vereinigen wir
mit dem Kultus der Muſen die gewoͤbuͤlichen Geſchaͤfte des Lebens.
Und ſo muß es wohl ſein, denn der Himmel hat uns mit Zaͤhnen ver-
ſehen und zwar nicht, um ſie unbenutzt zu laſſen.“ 2

— Nein, gewiß nicht, — bemerkte der Jockey — „fie dienen viel-
mehr dazu, das Alter der Thuͤre zu erkennen; wie alt biſt Du?“

— „In runder Zahl angegeben: funfzig Jahr alt!!

— „SIch fürchte, mein hochgebildeter Freund, daß Du nicht ſtark
genug biſt fuͤr das Geſchaͤft, welches wir Dir auftragen wollen.“
— „ScH habe nicht die Kraͤfte eines Herkules,“ — erwiderte der
Laſttraͤger — „aber ich beſitze das, was dieſem gewaltigen Manne iln-
mer fehlte, naͤmlich ein Schiebkarren. Ich habe haͤufig daruͤber nach-
gedacht/ was für Wunder er mit Hilfe von zwei vder drei Fleinen
Werkzeugen, deren unſere Zeitgenoſſen ſich bedienen, ohne ſie gehoͤrig
ſchaͤtzen, Laͤtten verrichten koͤnnen. Bemerken Se außerdem . ..“

— Sieb auf die Straße hinab, Dick,“ — untekrbrach ihn Charles,
welcher anfing, uͤber die Beredſamkeit des kleinen Negers zu erfchrecken
— „der Packwagen kann nicht mehr fern ſein. Nun mein Freund,“
— ſprach er, ſich zu Caeſar wendend — „biſt Du eigentlich ein Laſt-
traͤger oder keiner?“ *

— Am die Wahrheit zu ſagen,“ — antwortete Devalle — „ſo
noͤthigt mich der ewige Wechſel der Jahreszeiten, bisweilen die Anwen:


her, ſtets in Arbeit gegriffen, ſich veraͤndert und beſtaͤndig eine andere


treu bleiben, außer etwa ſeiner Frau?
ſtehe es frei, das niedrigſte Geſchoͤpf Gottes zur Anmuth zu erziehen,
als den Schiebkarren zu ziehen. Aber nach Allem, und weuͤn ich mich
auf Phyſtognomie verſtehe, gehoͤren ſie nicht zu den Leuten, welche Al-
les nach dem Schein beurtheilen: die Frauen nach ihrem Kleide, die
Naͤnner nach ihrer Haut. Ich füge noch hinzu, daß meine Preiſe nicht
uͤbermaͤßig hoch ſind.“ ; .

Der kleine ſchwarze Laſttraͤger trat, nachdem er dieſe, nach ſeiner
Meinung ſehr wichtige Betrachtung angeſtellt hatte, Chaͤrles gruͤßend,
untex laͤcherlichen Grimaſſen zuruͤck. —

Seine Beredſamkeit, und noch mehr die Noth, brachten Charles da-
zu fih ſeiner zu bedienen. Eine halbe Stunde nach der Ankunft. des
Padwagens ward der Koffer Godfrey's durch den ſchwaͤrzeſien aller
Laſttraͤger Briſtols im Bureau reklamirt und durch denfelben in ein Hin-

terzimmer im Haͤuſe des alten Tuffin gebracht.

Er ſetzte den Koffer auf den Boden des Zimmers mit einer ſtill
trinmphirenden Miene. Charles Perry, deſſen Hand vor Freude ʒit-
terte, ging daran, die Stricke zu zerſchneiden . ..

— — Fortſetzuug folgt.)

Statiſtik der Pariſer Zeitungen.

Nach dem mit großer Sorgfalt redigirten. „Journal de la Librai-
rie“ erſcheinen gegenwaͤrtig zu Paris 395 Iburuale. Dieſe Zahl iſt
jedoch nur approximativ, da faſt jeden Morgen neue Blaͤtter entſtehen,
welche nicht voͤllig ſo lang vegetiten, wie die Roſen, waͤhrend andere
Abends an der Entkraͤftung -fterben. 15 ſind religioͤſen Inhakts, 21
ſind der Erziehung und dem Unterricht, 32 der Jurisprudenz gewidmet,
12 bringen die gerichtlichen Verhandlungen, 31 behandeln die Arznei-
wiſſenſchaften, 9 die militaͤriſchen Wiſſenſchaften, 22 die adminiſtrati-
ven Gegenſtaͤnde, 8 das Theater, 7 die ſchoͤnen Kuͤnſte 9 die Muſik,


‚ Nuancen der Politik gewidmet. 6 Journaͤle erfcheinen _ in polniſcher
Syrache Wie außerordentlich ſich die Zahl der Tagblaͤtter und peri-


Jahre 1812 deren nur 45 erſchienen. Der Zuwachs in 31 Jahren bie-
tet alfo ein Verhältniß von 8! zu 1. Dazu kommt noch die bedeu-
tende Vergroͤßerung des Formats bei den meiſten Tagblättern und das


ohne Bedenken annehmen, daß gegenwaͤrtig achtzehn Mal mehr Papier
bedruckt wird, als im Jahre 1812, Jetzt erſcheinen 36 Journale taͤg—
lich (im Jahre 1812 ‚erfchienen deren nuͤr 5)3 219 kommen monatlich
heraus, 532 wochentlich 2c. Was die Journale betrifft, welche nicht
ins Leben getreten ſind oder aufgehoͤrt haben zu erſcheinen, ſo koͤnnte
wan von den Probeblaͤttern und Einladungen zu allen jenen Idurnas -
{en , welche ſeit dem Jahre 1830 ans Licht zu treten wuͤnſchten, aber


Finſterniß derurtheilt wurden, fuͤglich Line kteine Bibliothek anlegen.
Unter den an Entkraͤftung verſchiedenen Zeitſchriften befanden fich, nebft
andern Curioſttaͤten, Dder .„Messager des Mariages“ „la Loge.(ein
Joarnal für Portiers!), und dası „Journal' des ami ‚ de Ia reforme
ortographique,, (sic!) — Bei dieſer Fluth von Zeitſchriften entſteht ſehr
leicht der triviale. Gedanke, wie groß ſich der Abonnementsbetrag fuͤr
alle dieſe Blaͤtter belaufen moͤchté? Um ſich dieſem geiſtreichen Lurus
hinzugeben, braucht manı weder Roͤthſchild, noch Aguados Univerſal-
erbe zu ſein; denn vermittelſt einer Bagatelle von 9137 Fr. kann man
ſich ein ganzes Jahr lang auf ſaͤmmniche 395 Pariſer Blätter, von
dem „Moniteur” (112 Fr.) und Galignanis Messeuger“ (100 $r.).
die ganze lange Stufenleiter von 80, 75, 60, 50;, 45, 40 20. bis hinab
zu 10, 8, 6, ja ſelbſt zu 3 und 2 Fr. abonniren. — In den Depar-
tements erfcheinen 417 Jvurnale. Daß dieſe Ueberzahl von Zeiſchrif-
ten das Beduͤrfniß weit uͤherſteigt, bedarf woͤhl kaum elner Erwaͤhuͤnng;
und dennoch ſteht Frankreich und England in der Schreib- und Leſe-


taͤglich, ja ſelbſt zwei Mal taͤglich erſcheinenden amerifanifchen Zeitun
gen anſteht, ſo weis man in der That nicht, ob man die Thaͤtigkeit
und Ausdauer der Herausgeber, oder die der Leſer mehr bewundern ſoll.

Bu n t e &.
Sinnreiche Entſchuldigung! Ein noch ruͤſtiger Kerl wurde von
einem Gendarmen arretirt und por das Paͤriſer Zuͤchtpolizeigericht ge-


zur Praͤfectur ein ſehr wachſames Auge auf feinen Arreſtanten zuhas
ben, weil dieſer ein hoͤlzernes Bein haͤtte. Auf einmal machte fich je-
doch der Inculpat, welcher unterdeſſen ſein hoͤlzernes Bein abgefchuallt
hatte, auf zwei ganz geſunden Beinen eilends davon. Der Gendarme
holte ihn nur mit großer Muͤhe wieder ein. Der Arreſtant vertheidigte
ſich lebhaft gegen die Anklage der Bettelet; er erklaͤrte er habe eintge
Perſonen nur deßhalb angeredet, um ſich nach dem Wege zum Hoſpi-
tal de la Charité zu erkundigen; das hoͤlzerne Bein habe er durchaͤus
nicht in der Abſicht, um Andere zu taͤuſchen, getragen, ſondern theils
zum Andenken an einen verewigten theuern Freund, dem dasſelbe einſt
gehoͤrt habe, und theils — aus Sparſamkeit, weil er dadurch nur Ei-
nen Schuh abnutze. Das Gericht nahm jedoch auf dieſe ſtunreiche
Entſchuldigung keine Ruͤckſicht, und verurtheilte den Inculpaten zu drei-
monatlichem Gefaͤngniß.

Lord Wharneliffe und Alexander Barring (jebt. Lord Ashburton)
erkauften im November 1834 fuͤr die runde Suͤmme von 187,000 Pfd.
Sterl. vom Eigenthuͤmer der „Times“ Hrn. Walter dieſes fruͤhere Sr-
gan der Whigs fuͤr die Torypartei. Nachdem das Geſchaͤft geſchloffen,
aͤußerten ſie gegen Hrn. Walter, daß er ſich nun auch wohl nach einem
andern Redakteur umzuſehen habe. „O nein,“ ſagte Hr. Walter, „tch
will mit Barnes ſprechen.“ Hierauf ging er zu dieſem uud fagte:
„Hr. Barnes, wir muͤſſen morgen als Toryjournal erſcheinen; habe
ich mich nach einem andern Redakteur umzufeheu? „Was muͤſſen Ba-
ring und Wharncliffe fuͤr Narren ſein, daß fie denken, ich koͤnne nur
fuͤr eine Partei ſchreiben,“ antwortete Barnes. — Deß Brod ich eſſe,
deß Lied ich ſinge!

Vor einem Kaufladen in Paris zog vor kurzem folgende Inſchrift
die Aufmerkſamkeit der Voruͤbergehenden auf fich: „Man erfucht! die-
ſes Magazin nicht mit jenem eines andern Charlatans, der ſich ge-
genuͤber etablirt hat, zu verwechſeln.

Auflöſungen der Räthſel in Ro. 115.
1) Frauenkloſter, Kloſterfrauen. — Rotte, Motte, Lotte. — 3) Ukas, Lukas.
— O SL, Egel, Flegel. — 5) Augen, Genau, Genua, Sauen, — 6) Handlun-
gen. — 7) Lug, Flug,/ Pflug. — 8) Fee, Tiſch, Fetiſch, Feſch (Cardinal), diſch.
— 9) L, Kr,, Flöte, Kröte. — 10) Mefjer, Weſſe, Eſſer, Eſſe, Meer. — 11)
Mißwachs. — 12) Seeland, Landſee.


 
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