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Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
Juli (No. 152 - 177)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0611

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Frauen waͤhlten, verdient um ſo mehr ein bleibendes Andenken, als
die Fuͤrſtinnen Olga, Anaſtaſia und Natalia wuͤrdig geweſen ſind, die
Krone zu tragen, weil ſie durch ihren Einfluß auf ihre Gatten zum
Gluͤck des Volks, denen Sorgen ſie erleichtert und deſſen Leiden ſie ge-
lindert haben, beizutragen verſtanden haben!


auf den Weg, durchſtreiften das ganze Land und ſuchten die ſchoͤnſten
Toͤchter unter den erſten Familien aus. Ihre Zahl belief ſich auf ſech-
zig bis hundert, und es gereichte denen, die an dieſer edeln Verſamm-
lung Theil hatten, zur großen Ehre. Man fuͤhrte ſie in den Kreml,
wo ſie unter der Sbhut des Hof-Intendanten vis zu dem feſtlichen
Tage blieben, an welchem der Fuͤrſt den verſammelten Herrn Dieſeni-
gen nennen mußte, welche ſein hoͤchſter Wille berief, mit ihm die Krone


ſich ihnen Niemand naͤhern. Der Czaar allein, unter einer Verklei-
Dung verſteckt, und einige durch ihn autoriſirte Perſonen traten bei ih-
nen ein, um ihre Schoͤnheit zu taxiren und ihren Character zu pruͤfen
Oft erhielt der Hofnarr des Czaaren Befehl, ſich mit den kaiſerlichen
Inſignien zu ſchmuͤcken, und den Fuͤrſten vorzuſtellen. Die ſchoͤnen


gung, indem ſte die Blicke des falſchen Monarchen auf ſich zu ziehen
fuchten und die des wahren verſchmaͤhten.

Alexis, Sohn Michaels und Vater Peters des Großen, einer der
erleuchtetſten Fuͤrſten des Nordens, reſpektirte dieſen Gebrauch noch.
Ueberzeugt davon, daß es fuͤr einen von Hoͤflingen umgebenen Monar-
chen ſchwer iſt, die Wahrheit keunen zu lernen, legte er zuweilen gern
die Zeichen ſeiner Groͤße ab, und beſuͤchte, als einfacher Privatmann
verkleidet, die Schloͤſſer der Großen, die Haͤuſer der Buͤrger und die
Huͤtten der Bauern. Wurde er zufaͤllig von ſeinen Hofleuten erkannt,
ſo mußten dieſe ſein Ineognito reſpektiren und ihn dem Range gemaͤß


ſah er Alles mit eigenen Augen und lernte Dinge kennen, welche ihm
zu ſagen die Herrn des Hofes wohl gehuͤtet haben wuͤrden. Zuweilen
kam er zu ſeinen Guͤnſtlingen, ohne ſich anmelden zu laſſen, aß bei
iihnen und verbrachte einige froͤhliche Stunden unter ihnen, wobei man
vergaß, daß er ihr Souveraͤn und ſie ſeine Unterthanen waren. Vor-
zuͤglich gern beſuchte und uͤberraſchte er den Bojaren Matwejef, der
ſein Guͤnſtling und einer der voͤrzuͤglichſten Raͤthe der Krone war.
Eines Tages kam er auf deſfen Landgut in der einfachen Tracht
eines Garde⸗Capitains im Augenblicke, als Matwejef ihn am wenig-
ſten erwartete! Beide waren verwundert, Matwejef als er den Moͤnar-
chen bemerkte, den er in der Hauptſtadt vermuthete, und Alexis, als
er an dem Tiſche eine junge Dame von ſeltener Schoͤnheit ſah. Sich
nach dem Befehle des Czaaren richtend, empfing ihn Matwejef wie
einen Offizier und lud ihn ein, Platz an feinem Tiſche zu nehmen,
was Alexis auch that.
Anfaͤnglich war die Converſation wenig belebt, als aber der Ezaar
„ das Wort an die ſchoͤne Unbekannte richtete, wuͤrde er von ihren Ant-
worten ganz entzuͤckt! und ſah ſie nach Beendigung der Tafel mit Be-
dauern ſich entfernen.
„Woher iſt die Dame?“ fragte Alexis.


ter eines armen Edelmanns, welcher zur Friſtung ſeiner Exiſtenz genoͤ—
thigt ift, in einem entlegenen Dorfe zu leben; er hat mich gebeten,
mich der Erziehung ſeines einzigen Kindes zu unterziehen; ich habe alle
meine Sorgen darauf verwandt, und muß geſtehen, daß der Same
auf kein undankbares Land gefailen iſt: Das Kind iſt unterrichtet, fanft
und ſittfam, wird von Allen geliebt und ich ſehe es als meine eigene
Tochter an.“
Vortrefflich!“ erwiederte der Czaar, „wendet auch ferner noch
Eure Sorge auf ſie, ich werde dann für ihre Ausſtattung ſorgen und
ihr einen Mann verſchaffen. Weiß ſte wer ich bin?“
Nein, Sire; ſte iſt noch nie von hier heransgefommen, und hat
Ew. Majeſtaͤt · niemals geſehen.“
„Dann huͤtet Euch auch, es ihr zu ſagen.“
Alexis zog ſich nachdenkend zuruͤck. Die ſchoͤne Natalie hatte einen
— FebHaften Eindruck auf ihn gemacht, er dachte daruͤber nach, wem er
wohl das Schickſal eines ſo liebenswuͤrdigen Weſens anvertrauen koͤnne.
Beim zweiten Befuch fand er ſie noch reizender; ſeine Brſuche wurden
nach und nach haͤufiger, bald war es fuͤr ihn unmoͤglich, einen Tag
ohne ihren Anblick zu verleben, und oft blteb er ganze Abende an der
Seite der ſchoͤnen Natalie Aleris erſchien immer M der iform

eines Garde:-Capitäns, und da Matwejef nicht gewagt hatte, das Ge-

heimniß des Souveraͤns zu verraͤthen, ſo blieb ſeine Pflegetochter in

einem vollſtaͤndigen Irrthum uͤber den Rang Alexis, und behandelte

ihn wie einen Freund ihres Beſchuͤtzers, was ihrer Conſervation, die

voller Freiheit und Natuͤrlichkeit war, einen neuen Neiz verlieh.
Echluß folgt.

Bun t e S,
+ Sn der Berliner Voſſiſchen Zeitung lieſ't man folgende herzbre-


Jahr litt ich an einer ſehr ſchmerzhaften Flechten⸗Unterleibskrankheit,
wobei mein Geſchaͤft im Laufe der Krankheitszeit ſehr gelitten hat und


meine Schmerzen gelindert, ſo daß ich den Betrieb meines Geſchaͤfts


nen himmlichen Vater habe ich fuͤnf Monate hindurch Tag und Nacht,
Stunden lang auf meinen Knieen in meinen großen Schmerzen, weil
ich in dieſer Zeit nicht liegen und ſitzen konnte, ſondern Alles (?) auf
den Knieen verrichten mußte (!), wobei mich viele meiner reſpectablen
Kunden beim Beſuch getroffen haben, gebeten und zugleich das Geluͤbde
verſprochen, daß, ſobald ich durch ſeine Gnade meine Geſundheit er-
langt haben werde, ich von Dato ab, mein Geſchaͤfts- und Verkaufs-


Zeiten; auch duͤrfen meine Leute nicht an ſolchen Tagen arbeiten, je-
doch bezahle ich dieſelben fuͤr jeden Feiertag — Sonntag ansgendm-
men — den Gehuͤlfen mit fuͤnfzehn Silbergroſchen und den Lehrling


Fomme, daß ſie, anſtatt nach der Kirche gehen, arbeiten muͤſſen $ S.
anter, Goͤldſchlaͤger, breite Straße Non8S.“ *

+ Blan zu einem Wintergarten in Paris Es circulirt in
dieſem Augenblicke unter den Capitaliſten in Paris der Plan zur Er-
richtung einer Actien-Geſellſchaft, die mittelſt eines Gruͤndungs-Capi-
tals von 25 Millionen Frauken zum Baue eines „Wintergartens? ſchrei-
ten ſollte! Dieſe feenhafte Schoͤpfung ſollte auf einem Platze zwiſchen
den elyſaͤiſchen Feldern, und zwiſchen der Hauptſtraße der St. Honore-
Vorſtadt, in der Art des Palais-Royal, erſtehen. Dem Plane des
Projectanten gemaͤß ſollte dieſer Garten durchaus mit exotiſchen Pflan-
zen und Blumengewaͤchſen bedeckt, und kuͤnſtlich erwaͤrmt werden. Rund
um die Einſchließungsmauern dieſer Zauberanſtalt follten dann Caffee-
haͤuſer, Buden, Reſtaurationen, Leſecabinette, Baͤder, und ein Thea-
ter angelegt werden, wodurch Tauſende von wohlhabeuden Patienten
der Muͤhe enthoben wuͤrden, nach dem milden Klima von Nizza, Piſa,
Neapel und Malta auf die Winterszeit zu wandern!!



Etymologie des Namens der Stadt Paris. Der Name
Paris iſt aus zwei celtiſchen Woͤrtern gebildet, aus par, welches ein
Fahrzeug, und ys, das Menſchen bedeutet, als wenn man fagen wollte,
Schiffsleute, weil die Pariſer, an beiden Ufern der Seine wohnend,
von dieſer Lage Vortheil zogen, und einen ausgebreiteten Handel zu
Waſſer betrieben. Dieſer Handel, der bis zu dem dritten Geſchlechte
der franzoͤſiſchen Koͤnige fortgeſetzt wurde, gab auch Veranlaſſung, daß
die Staͤdt Paxis ein Schiff in ihrem Wappen fuͤhrt. /

+ Yır dem Eilwagen⸗Bureau von Laffitte, Caillard u. Comp.
zu Paris wurde vor einigen Tagen ein kaum vier Jahre alter Knabe
nach Bruͤſſel eingeſchrieben. Der Conducteur wurde erſucht, den klei-
nen Paſſagier nebſt einem Briefe an eine Mad. Alexendre, deren
Adreſfe genau bezeichnet wurde, An Bruͤſſel abzugeben. An dem Be-
ſtimmungsorte angekommen, wollte der Eonducteur den ihm ertheilten
Auftrag vollziehen; aber es war keine Mad. Arexandre zu finden,
und er ſah fich genoͤthigt, das Kind und den Brief auf das Poſtamt
zuruͤckzubtingen. Der Bitef- ward geoͤffnet, und es ging aus den we-
nigen Zeilen, welche er enthielt, hervor, daß der Mann, welchem der
Knabe anvertraut geweſen war, nach Algier gegangen fet, und Daß er
ſich nun ſehr ungerne bon ſeinem Pfleglinge getrennt habe Da Die
Mutter des Knaben nicht aufzufinden mwar, o haben ſich die Bruͤfſeler
Poſtmeiſter des Kleiuen angenommen, und wollen iu, falls er micht
reclamirt werden folte eriehen Laffen



 
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