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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Dezember (No. 283 - 307)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1232

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Communiſten⸗Collegium.
Tempora mutentur es nos mutamus in illis.
Erſchienen war ein Jeder,

Sie ſetzten drein viel Ehre:

Zu hören vom Katheder

Des Veteranen Lehre.

Und wie er ſprach und wie er las,
Die Schneider kamen in Extas':
Weiſa gemeinſam Gut und Geldt
Vivat der Doktor Scheerenheld!⸗

So ſprach er: „Freunde, hörett
Erwägls in euern Schädeln!
Beine Comminsnius ſchwöret,
Gut alles e in zufadelnl-

Da ſchwuren ell die Schneiderlein
Belm Nadelöhr und ſtimmten ein:
Heiſa gemeinſam Gut ꝛc. ⁊c.

So fuhr er fort: / Communel
Ibr kennt den Werth der Nadel;
Gebraucht ſie als Harvune,

Beweiſet Kraft und Avel!«

Da ſprangen all von ihrem Sitz

Mit vorgehalt ner Nadelſpitz':

veiſa, gemeinſam Gut ec. ꝛc.

Ihr wißt,“ — ſprach er, — »nach Ellen
Gehörig abzumeffen; ; / ,
Wir wolln das Zeug uns ſtellen
Wanz hillig durch Erpreffen!«

Da ſchrieen all aus Mund und Naf

Mit hochgeſchwung nem Ellenmaaß:

Heiſa, gemeinſam Gut zE 2C,

Wir woll'n die Zeit zuſchneiden, —a
Rief aus der Communiſte,
Zuſammen nähn mit Seiden
Die ganz abſcheulich triſte!⸗
4* Da tönte Jubel durch das Haus,
— Die Scheeren klirrten zum Applaus:
/ #Heifa, gemeinſam Gut 2C. ꝛe.

Mun, was wir ausgeflügelt „n

So ſchloß er hauptnaͤchdruͤcklich:
Wenn ihr es ausgebügelt,
Gebraucht's, und werdẽt glücklich k⸗
Und laut beim Bügeleiſenſchall
Ertönt der Ruf der Schneider all:
Seifa, gemeinſam Gut und Geld!
Vivat der Doktor Scheerenheld!«
— Franz von Stetnach.

Banditenleben in Mexiko.

; } Zortfetzung.) —*
So Herren des Terrains geworden, beluden ſich die drei Moͤrder
mit Edelſteinen, Perlen und Golde; in erſteren Artikeln naͤmlich machte
das Haus bedeutende Geſchaͤfte. Schwer beladen kehrten die Graͤßli-
chen durch die Dachthuͤr zuruͤck und ſtiegen wieder von Azotea zu Azo-
tea. Kein Auge hatte ſie geſehen, kein Ohr hatte ſie gehoͤrt. Am fol-
genden Morgen fand man im Palaſte Joachin Dongo's, Calle de 1a
Anguila, Nr. 14, vierzehn Ermordete in ihrem Blute ſchwimmen.

Der damalige Vicekoͤnig von Mexiko war ein thaͤtiger, energiſcher,


Regel.
nug der Madrider Hof hafte ſeit Jahren nur unfaͤhige altersſchwache
Greiſe oder Dummkoͤpfe als Vicekoͤnige nach der neuen Welt geſchickt.
Dieſe Ausnahme war der Graf von Revillagedo, der ſich in der kur-
zen Zeit ſeiner Verwaltung einen Namen erwarb, welcher noch jetzt im
friſchen Andenken lebt und lange leben wird. Es werden von ihm


an der erften beſten Straßenecke uͤbte.


in Meriko gehaͤngt ſein ſollten. Fie Mexikaner trauten dem Virey


villagedo? Er ließ die eifriaſten Nachforſchungen anſtellen und ver-
ſplach demjenigen, der die Thaͤter anzeigen werde, 2000 Piaſter Be-


chen zu laſſen, wurde jeder, der ohne Beweismittel an die Hand ge-
ben zu koͤnnen, Anzeigen mache/ mit dem Preſidio bedrobht.

Fuͤnf Tage vergingen und von den Moͤrdein zeigte ſich, trotz der
ſtrengſten Nachforſchungen des Bicekönigs immer noch nicht die geringſte
Spur. Da kam ein Ontsbefiger, der einige Stunden von Meyiko
wohnte, zur Stadt, um den Schauplatz der ſchrecklichen Tragoͤdie, die
weit und breit das Tagesgeſpraͤch bildete, mit eigenen Augen zu ſehen.
Dazu bedurfte er aber, dem gegebenen Befeble zufolge, der poltzeilis
chen Erlaubniß. Der Mann gab auf der Polizei Namen, Vornamen,
Stand, Wohnort und Zweck der Reiſe zu Papiere, und erzaͤhlte bei-
laͤufig dem Kommiſſaͤr, daß er im Vorbeigehen vor einer Barbierſtube
einen jungen Herrn habe hineingehen ſehen, an deſſen Zopfbande ihm
ein Blutfleck aufgefallen ſei. Sofort wurde der Barbier geholt, wel:
cher ausfagte, daͤß ſich unter den Herren, die von ihm au diefem Morz
gen rafirt und friſirt worden, Sennor Eſteban Aldama befunden habe;
auch ihm, dem Barbier, ſei der Blutfleck aufgefallen und er habe da-
rauf hingedeutet, worauf Sennor Aldama erwidert, er komme ſoeben
von einem Hahnenkfampfe, wo er einen der ſchwerverwundeten Kampf-
haͤhye in die Hand genommen, ſich dadurch die Finger blutig gemacht
und mit denſelben, ohne darauf zu achten, ſeinen Zopf zuruͤckgeſchoͤben
und mit Blut befleckt habe.

Dieſe Ausrede kam dem Barbier ſonderhar und dem Polizeicom-
miſſaͤr hoͤchſt ſonderbar vor; denn Eſteban Aldama's Ruf war nicht
fein. Jetzt erinnerte man ſich auch des Umflandes, daß der Herr in
Dongo's Geſchaͤft geſtanden hatte! kurz Aldama wurde in Haft ge-
nommen.

Die Behoͤrde ſchritt nun ſofort zur Unterſuchung der Ausrede und
es ergab ſich durch mehrerer Augenzeugen Angabe, daß der Verhaftete
die reine Wahrheit geſagt hatte: er war wirklich bei dem Hahnen-
kamofe zu dem Blutflecke gekommen!

Schon ſollte Aldama wieder auf freien Fuß geſetzt werden, als es
herauskam, daß Ortiz einige Tage vor dem Verbrechen ein langes Mef-
ſer von einem Hauſtrer gekauft habe. Das intime Verhaͤltniß Aldas
ma’s mit Ortiz war bekaunt; die Verdachtgruͤnde gegen Erſteren erhiel-
ten durch die gegen Letzteren wieder neue Kraft: beide wurden abge-
ſondert eingeſperrt. In dem Verhoͤre lauteten ihre Antworten auf die
Hrage, wo ſte am Abend und in der NMacht, wo jene Mordthat vors
fiel geweſen ſeien, widerſprechend. Dazu kam, daß man wußte, beide
haͤtten mit Juan Viga Umgang gehabt. Dieſer Viga war ein Menfch,
von deſſen Raͤubereien die Behoͤrden zwar keine Ahnung hatten, deſfen
Verſchwendung aber auffiel. Er warf mit Piaſtern um ſich, obwohl
Srrache und Benehmen keinen Mann von Stande und Vermoͤgen ver-
riethen. Auch Juan Viga wurde feſtgenommen und ſehr in die Enge
getrieben, als er nachweiſen ſollte, woͤher er das viele Geld habe, das
bei ihm gefunden wurde.

Als Ortiz hoͤrte, auch Viga ſitze im Gefaͤngniſſe, ſah er in dem
an ſich ſo unbedeutenden Umſtande, der die drei Verhaftungen herbei-
fuͤhrte, die ſtrafende Hand der Vorſehung; ſein Gewiſſen erwachte und
nun bekannte er, wie das Verbrechen ausgefuͤhrt und wo der Raub
verborgen ſei. Nach Auffindung der Edelſteine und Goldmuͤnzen fah
auch Viga ein, daß Leugnen zu ſpaͤt ſei, und DA er nun doch verlo-
ren war, ſo bekannte er ſich noch zu zwoͤlf Mordthaten, die er im Laufe
ſeines thaͤtigen Lebens begangen hatte. ;

Aldama ließ ſich indeß durch dieſe Bekenntniſſe nicht irre machen,
ſondern beharrte auf ſeinem Ableugnungsſyſteme. Die Richter ſchritten
daher dem Tit. 14 des 5. Buchs der Carolina gemaͤß, aber er blieb
bei ſeinem Nichtwiſſen; er machte alle Stufen der Tortur durch, indeß
wenn er endlich auch nichts mehr in Abrede ſtellte, ſo bekannte er ſich
doch zu nichts. Aldama wurde zum Tode verurtheilt.

Am 8. Tage nach geſchehener Mordthat wurden auf der Plaza⸗Ma-
yor drei Galgen errichtet; der Vizekoͤnig ſtand auf dem Balkone, ſtolz
darauf, daß ſein Wort in Erfuͤllung ging. Unter dem Galgen erſt be-
kannte Aldama ſein Verbrechen, und ſtarb als reuiger Shnder. ,

Viga hatte waͤhrend des Ganges zum Galgen fortwaͤhtend ſehr
heftig geraucht. Als er auf die Plaza-Mayor kam, ging ihm Ange-
ſichts des Galgens die Cigarre aus; er bat den Nachrichter um Fruer;
dieſer rauchte zleichfalls und erzeigte ihm gern dieſe Gefaͤlligkeit. Der
Verurtheilte hatte, bis er die Augen verdrehte, die brennende Cigarre
im Munde; der Nachrichter, deſfen Helfeshelfer, die Wache/ die Zu-
ſchauer ohne Anſehen des Standes und Geſchiechtes, Alles rauchte: ſo
viel Köpfe, ſo viel brennende Cigarren! — x 2
In Mexito, wie in London, in dlachſenfingen und allenthalben auf
 
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