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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Dezember (No. 283 - 307)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1233

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dem Erdkreiſe gibt es für den vornehmen und gemeigen Voͤbel kei antz:

hatten ſich Menſchenhaufen auf der Plaza⸗Mayor aufgeſtellt und die
Fenſter und Balkonplaͤtze wurden mit ſchweren Piaſiern wie bei einem


Aufſehen.
ESchluß folgt.)

2* Suute ẽ.
. + Wenn einmal Paris vollends einbaſtillirt iſt, ſo wird es an Um-
fang der Stadt London gleichkommen. Schade, daß innerhalb dieſes


Man Lerechnet, mit Einſchluß des Militaͤrs, den Staͤnd der gegenwaͤr⸗
tigeu Bevoͤlkerung dieſer Hauptſtadt auf 1,200,000 Menſchen.



4 Wie weit die Charlatanexie der frauzoͤſiſchen Blaͤtter geht, um
für einen feil gebotenen Gegenſtand Kaͤufer aͤnzuͤlocken, geht aus fol
gende Verkaufs Anzeige hervor, die wir in der Gazette des Tribunaux
vom 9. Dez. finden: Ein ehemaliger Officier, der ſteben Mal
Maire einer großen Gemeinde geweſen iſt, befindet ſich aus Mangel
an Geldmitteln außer Stand, von einem unbeweglichen Beſitzthum Voͤr—
theil zu ziehen, welches in andern Haͤnden die Quelle eines coloffalen
Vermögens werden koͤnnte. Er wuͤnſcht darum, die ſchoͤne Schloßruine
von Ia Perriere zu verkaufen, welche auf dem linken Ufer des Fluſſes
Bram liegt in der Gemeinde Oradour St. Geneſt, zwei Stunden von
der Stadt Dorat, im Bezirk von Bellae.
der Regierung Franz und zur Zeit des Ritter Bayard war dies
Schloß, laut der Ueberlieferung, Eigenthum des Connetable von Bour-
bon, Grafen von Ia Marche, welcher dort Geld ſchlagen ließ. Man
verſichert, daß neben den Kellern des Schloſſes weitlaͤufige unterirdiſche
Gewoͤlbe ſind, in welchen der Fuͤrſt unermeßliche Schaͤtze niedergelegt
hatte. Abgeſehen ven Kunſtwerken und Alterthuͤmern, ſchaͤtzt man auf
80 Millionen den Inhalt von Tonnen, welche man vor etwa 125 Jah-
reu zufaͤllig durch ein großes Eiſengitter wahrgenommen hat. Dies


Aulaß gab zu behaupten, der Teufel habe ſich des Schatzes bemaͤchtigt
und man muͤſſe auf dieſen verzichten.
alten Einwohnern in der Nachbarſchaft erzaͤhlt, die e& von ihren Vaͤ—
tern geboͤrt haben. Gegenwaͤrtig koͤnnten die Nachſuchungen und Nach-


durch einen reichen Mann. Der Eigenthuͤmer, welcher ſich nicht in der
Lage befindet, die Koſten aufwenden zu koͤnnen, bietet das Grundſtuͤck
zum Verkauf aus fuͤr 50,000 Franken und den hundertſten Theil von
Dem, was gefunden wird. Liebhaber wollen ſich an Meiſter Leſterpt,
Notar zu Darnac in der Obervienne, wenden. Die Redacteure der
Zeitungen aller Meinungen werden gebeten, dieſen Artikel unentgeltlich
einzurüden, denn es liegt im oͤffentlichen Intereſſe, daß betraͤchtliche
Capitalien nicht laͤnger vergraben bleiben.“

- + Eine Weibsperſon kam dieſer Tage in einen Specereiladen in
Darmſtadt um Kaffee ſich zu kaufen. Der Commis wog ihr die ver-
laugte Quanitaͤt vor, und als er den Kaffee in gewoͤhnlicher Weiſe in
eine Tutte thun wollte, hielt ihm die Kaͤuferin in der Schuͤrze einen
irdenen Topf vor, in welcher er auf Verlangen den Kaffee einlaufen
ließ. Als nun der Commis Zahlung verlangte, gab die Kaͤuferin vor,
ſie habe ihr Geld vergeſſen, wollte ſolches aber ſogleich holen und bis
zu ibrer Ruͤckkehr den Topf mit dem Kaffee zuruͤcklaſſen, indeß ſte die-
ſen ſelbſt im Laden, Angeſichts des Commis, bei Seite ſtellte. Da ſte
jedoch ſo lange ausblieb, daß der Commis in ihr Wiederkommen Zwei-
fel ſetzte, ſo wollte dieſer den Kaffee wieder in den Behaͤlter ſchuͤtten,
fand aber einen leeren Topf ohne Boden. Die Gaunerin hatte den
Kaffee durch einen bodenloſen Topf in ihre Schuͤrze laufen und ſich
denſelben vielleicht ſchon gut ſchmecken laſſen, als der betrogene Com-
mis immer noch auf ihre Ruͤckkehr wartete.

‚ + Ym-12, Dez. Mittags ſichelte auf der Glaciswieſe zwiſchen dem
Ferdinands⸗ und Neuthore in Brünn ein Weib vollkommen friſches
Gras — Auch in Frankreich iſt die Witterung ſo mild, daß im Hofe
des Palais des beaux arts in Paris ein Maͤndelbaum und im Tui-
leriengarten viele Roſen in der Bluͤthe ſtehen. 2—



auf das weibliche Gemüth.
(Mitgetheilt von X, Staiger, Lehrer und Ultuar b„‚„)

Nichte als Romane und immer Romane! llagte mir unlängſt ein Bater, und
— der gute Mann mag wohl recht gehabt haben. Denn Romane find heut zu
Tage eine Haupttektüre; fogar bis aufs Land dat ſich ſchon die Sucht nach folchen
Büchern verbreitet. Man läßt die guten Bücher liegen/ die ſchlechten und Yerderda;
lichen liest man. Dadurch aͤber enlſteht nur eine Verzerrie, verſchrobene Bilaung,
wie man ſie jetzt ſo häufig antrifft. Beſonders nachiheilig aber wirlt eine ſolcht
Lektüre auf das weivliche Gemüth ein und namentlich junge Mädchen, die ſich da-
mit befaſſen, werden oft für ihr ganzes Leben unglücklich. Denn reizhar/ empfängs
lich/ böchſt biegſam und bildfam, machen ſolche Büchex auf daſfelbe nicht nur einen
ſehr tiefen Eindruck, ſondern geben ihm auch noch gewöhnlich eine Anſichf vom Leben,
das weit über der Wirklichkeit liegt.

Kurz, ein junges Mädchen, das einen Roman liest, iſt gewoͤhnlich ganz in dens
ſelben verfunken, e& heftet ſeine ganze Aufmerkſamkeit auf ihn hin; es webt und
Tebt ganz in den Gedanken und Empfindungen, ſo ex enthält. Einẽ neue Welt ers
blickt es! Nie bisher gelannte Anſpruͤche und Ausſichten erwachen und eröfacn ſich
iem; fremde Thaten unud Handlungen ſchaut jetzt ſein Auge; die Menſchen und Dinge,
ſie erſcheinen ihm In einem ganz andern Lichtt/ ja die ganze Natur hat ſich auf
einmal vor ihm verändirt. ‚Den Mittelpunkt aber vor Ailem bildet unſtreitig die
Liebe. Darum vreht ſich von nun an fein ganzes Sinaen une Streben; er ifs
um den ſich von feßt an fein ganzes Weſen bewegt. Diefe Liebe aber iſt keine
gewöhnliche, wirkliche Liebe, nein: ſic iſt tomanhafter Natur. Sie iſt kein Sehnen
nach einem ſchönen Character; ſein Lerlangen geht weiter. Herzlichleit Auſchuie-
gung an ſein Herz und Hingebung in ſeine Wünfche, das iſt einem ſolchen Näd-
Len nicht genug; 28 will eine gaͤnzliche Aufopferung der mäanlichen Würde und
Selbſtſtaͤndigleil. Denn in den gewoͤhnlichen Romanen, die leider jetzt bei ſo vie-


——


veridealiſirte, fondern eine romanhafte, Farikaturartige Welt, und in dieſe nun ver-
liebt ſich das Maädchen, beurtheili die wirkliche Weit darnach und richtet nach ihr
all ſein Wünfchen, Verlangen Da aber nichts das Gemüth mehr, verfimmt, alg
der Anblick einer verzerrien Natur, ſo iſt iſt es natürlich, daß ein ſolches Mädchen
guch ſeinen Geiſt von alem Natürlichen und Hochherzigen entwöhnt. Eine romane
hafie Stimmung jedoch iſt eine hoͤchſt gefährliche Stimmung, weil Körper und Geiſt
darunter leiden; iſt dann auch noͤch diefe Stimmung anhaltend, dann brechen: zuz
lebt gar vollends alle Nebel Derein, die niht3 alg Unzufriedenheit mit der Welt,
Uuͤbraͤuchbarkeit für ſie und Neberdruß der Geſchäfte des menſchlichen Lebens erzeu-
gen. Seht, ſolche Folgen erzeugt die gewöhnliche Romanenlektüre! —

Ueberhaupt, die gewöhnlichen Romane heben nicht den Geiſt ſondern bindern
ihn, ſich gufwärts zu ſchwingen; ſie bilden nicht den Verſtand⸗ ſondern verzerren
ton, und tahmen feine Luft zu geiſtiger Thätigfeit; ſie verfeinern auch nicht den
Geſchuack, ſondern gewöhnen ihn an Frazengemälde/ Caricatuxen; ſie veredeln nicht


und eine Menge von Schwachheiten, die aber ein Weib nicht lichenewürdig und
achtungswerth, wohl aber zurücfoßend und verächtlich machen. Sind aber einmal
die Gefühle verſtimmt und iſt das Herz nicht mehr zufrieden, — dann Wird ſie
felbſt auch als Frau, ſich faſt nichts als Ungemach bereiten und wedex Muth noch
Stärke zeigen, ſich ihnen entgegenzuſetzen. Kommen dann noch gar Anſyruͤche an
ihren Geliebten oder Gatten hinzu, die eben ſo viel Eigenſinn als Genügſamkett
kund geben, denen jedoch weder ibr Geliebter noch Gattẽ nachzugeben Luſt haben,
— bannn wird noch voliends ihr Himmel ſich trüben, zumal wenn dieſe ihr ſogar
Einwendungen machen oder gar ſich den Muth faſſen, fie in ihre Schranken zu wei-
ſen: ihre Heiterkeit wird dann ſchwinden, ihr Herz und ihre Liebe kalt für ihn wer-
den, Eigenfinn wird an die Stelle der Sanfimuth treten und ein gehäffiger Chas
rakter erſcheinen, kurz — ſie wird ſich höchſt unglücklich fühlen. Dies Alles geht
aus der Unnatur der gewöhnlichen Roͤmane hervoͤr Denn Unnatux ſchafft in der
Regel wieder Unnatur und Verkehrtes erzeugt faſt immer wieder verkehxtes. Za
vieiſeitig habe ich die Beobachtung gemacht, namentlich bei Mädchen, die leider
noch eine üble Erziehung genoflen, daß ſowobl ibt Geiſt als ihre Denkmweife und
ihrẽ Geſinnungen nur den Ton und die Richtung annahmen, die ibr die Momane
vormalten die ſie gefeſſelt. Es mußte übrigens ſo kommen, denn Romane, die nicht
durch Geiſt erfunden, mit Einſicht durchgeführt und mit Geſchmack geſchrieben ſind-
bilden nicht den Geiſt/ ſondern verbilden ihn, erzeugen Verſchrohenheit, und geben
dem Geſchmack eine ſchiefe, irrige Richtung. So ein Mädchen aber dem es aD Hs
ner guͤten Erziehung gebricht und — das zu allem Uebel von keinem weiſen Füh-
rer geleitet wird, der ihre Lektüre auswählt ſo ein Nädchen wird dann zuletzt nicht
nur an Geiſt, ſondern auch an Körper unglücklich. —

Ich will übrigens damit zwar nicht alle Romane verdamumen, doch aber einen
ſehr großen Theil! Denn es gibt auch gute Romane; dieſe aber veranügen frei-
lich nicht blos, ſondern geben auch dem Verſtande zu denken, Verfeine n den He-
ſchmack und veredeln das Herz. Romane aber der Art, und die werer die Sitten
noch den Geſchmack beleidigen, ſondern aug reiner Quelle entſtanden ſind, und die
nichts als Achtung gegen die Tugend athmen und Zartheit end Feinheit der Geſin-
nung und einen edlen Geſchmack an den Tag legen, nur ſolche Zomane ind zu en-
pfehlen und nur ſolche Romane — wenn es denn doch Romane leſen will — bil-
den und veredeln das Mädchen.

Indeß gibt es aber auch noch andere Bücher, die des Leſens werth ſind und Nu-
tzen verbreiten, welche? babe ich in meiner Drucfehrift: „Der neue Jugend-
kreund. Ein belehrendes Leſebuch in einer Reihe von Schilderuns
zen und Erzählungen zur Bildung eines edlen Herzeng8, befonders


251 u. ſ. w. erwähnt, und darauf verweiſe ich nun noch zum Schluße.

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