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Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

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Nr. 91 - Nr. 100 (23. April - 4. Mai)
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Erſcheint täglich mit Ausnahme der Sonn⸗ und Feiertage
Samiſtags niit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljaͤhrlich
Mt. .ào ohne Trägerlohu u. Pöſtauffchlag. Beſtellungen
bei den Poſtanſtalten u. bei der Expedition Zwingerſtraße?

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Beſtellungen
auf den „Pfälzer Boten werden fortwährend bei
ſämmtlichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen,
ſowie in anſerer Expedition Heidelberg, Zwinger⸗
traße T entgegen jenommen.

Verlag des „Pfälzer Bote.“

—— — — — — — — a —
— — —— —

Verantwortlicher Redalteur:
Julius Jecker in Heidelberg.





ueilage bei.



Poliliſche Vochenüherſicht.
O Heidelberg, 23. April.

Die bſterliche Stille in der innern Politik macht
in Deutſchlaud allmählich wieder neuem Leben Platz.
Vorerſt find es die hochbedeutſamen Reden der Abgg.
Balleſtrem und Porſch, welche im Laufe der Woche
lebhaft erörtert worden ſind. Die Katholiken Deutſch⸗
lands haben dieſe Reden mit großer Genugthuung
vernommen und erkennen daß die Führer der Cen—
trumspartei feſt entſchloſſen ſind, auch in Zukunft für
eine chriſtlich⸗conſervative Politik energiſch einzutreten.
Zwar iſt das chriſtliche Werk in Preußen das auch
aͤuf die Bundesſtaaten nicht ohne Einfluß gewelen
wäre, geſcheitert durch unheilvolle Ränke, daß die
chriſtlichen Parteien aber nicht ruhen werden, bis ſie
ihr hohes Ziel erreicht haben, deſſen duͤrfen die Loge
und ihre Schleppträger ſicher fein, —. In der c 0 n-
ſervativen Partei dauert die ſog. Helldorf⸗Criſis
fort. Ber Wiederzuſammentritt des preuß. Landtags
werden die Gegenſätze in der conſervativen Pariei
wohl noch ſchaͤrfer hervortreten und man darf erwar—
ten, daß die gläubig geſinnten Elemente dieſer Frat⸗
tion, wie aus dem Ferrenhauſe, den liberaliſirenden
Abg Helldorf auch aus der Landtagsfraktion aus-
ſchließn. — In Eſſen an der Ruhr hat in dieſer
Woche der kath. Lehrerverband getagt. Der
neue Kultusminiſter hat auf deſſen Begrüßzung ver⸗
bindlichſt danken laſſen. — In Neuß war der rhein.
Handwerkertag verſammelt.



für Stadt

Seidelberg, 6nnt}tuu‚ den A Mtil 1892,

des Cartells. Das Cartell, ſo heißt es dort, war







In den „Hamb. Nachr.“ verwendet fich ein leicht
zu erkennender Mitarbeiter für die Wiederbelebung


Originalroman nach dem Engliſchen
von KlaraRheinau. Nachdruck verb.

Neben dem luſtig flackernden Feuer ſtand ein behaalt
Her Lehnituhl, dicht daneben ein altfränkijhes Tilhchen
Mit einem Arbeitzförbehen, einen Halb voNlendeten Strumpf
Und einem aroßen, fehr verariffenen Gebetbuche. „Hier
leßen Sie fidh nieder und wechjein Sie raich ihre Fußbe-
Heidung,” jagte. Srau Harper einen Stuhl zum Feuer rüc-
end und der erftaunten Martha ein Baar warme Strümpfe
Und Bantoffeln reidhend. „Inzwijhen werde icdh eine Mes»
dizin für Ste bereiten.“. Damit hujhte das ercentriihe
Gejchöpf an einen Wandjhrank, entnahm Ddemielben eine
Hlajche und Hatte in wenigen Sehunden, mit Hilfe des über
dem Heuer fiedenden Wafiers, ein Gla3 föfllih duftenden

rog bereitet. 2

„So — dies trinken Sie jebt,” fagte fie zu Martha
Und fügte, als diefe zögerte, in überlegenem Tone bei:
„Sch weiß am Beften, wa3 für Sie gut ift. Sıe kKönnen
ü ein Fieber oder gar die Wuzzehrung zuziehen, wenn
Sie fid nicht tüchtig erwärmen. Noch ftärkere Menichen
als Sie find, holten ſich ſchon den Tod durch naffe Füße,

Trotz ihrer derben Weiſe laa ietzt ſo viel wirkliche
— dem Wejen., der befonderen Frau, ‚ daß Martha
mit einem dankbaren Blick das Glas erariff und leerte.

Nun wirds Ihnen beſſer werden,“ fagte Frau Har-
ber Gefriedigt, nodh einen Schemel für Martha hHerbeihol-
nd.” „Wenn Sie wollen Können wir jeßt von unfern Ge-
iften reden.“ . Die arme Waije, . welche von der uner-
Darteten Güte der Wirthin fajtzu Thränen gerührt wor-
den war, erjhrak von Neuem, aber Fra Harber juhr. in
Deruhigendem Tone fort: „IH in eine rauhe Frau, wie
Sie gejehen haben, Fräulein, aber hinter einemt runzeligen
@efiät verbirgt H nicht immer ein laltes oder hartes
pra Wer egrlicb — glaube,; Siefind e& —
Bat nichts von mir zu be — —
Mit Fhnen redete, fo geihah es nur, weil Sie mir fremd

üren; wenn man, wie ic), meift arme Miether hat, Iernt
Man e8, mißtrautfe& zu werden. - Denn- die Härfte‘ von



14)







nicht ſtachen.“ Weiter heißt es: „Die Möhlichkeit,
daß die Nationalliheralen eine Majorität gewinnen
können, iſt nach früheren Erfahrungen nahezu erwie⸗




einer Verbindung der beiden conſervativen Fractionen



Wollten wir aber auf eine
verzichten,

verfaſſungsmäßigen Zuſtände von Jahr zu Jahr zwei—
felhafter werden.“ Wir bezweifeln, ob ſich die in
dieſen Sätzen ausgeſprochenen Hoffnungen des Ex—
kanzlers exfüllen. Die entſchiedenen Conſervativen




Anzeige-Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg
Ladenburg, Weinheim, Schwetingen Pbhilippsburg,
Wie8loch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbach
Eberbach, Buchen, Walldürn, Te Biſchofsh. Wertheim ꝛ
Druck, Vexlag u. Expedition von Gebr guber
in Heidelberg, Zwingerſtraße?.







Die Lage der Franzoſen iſt dem gegenüber um ſo
bedenklichex, als ihre den Dahomehaͤnern entgegen⸗
ſchwach an Zahi find
und da gußerdem die vom Senagal herbeordeten
franzöſiſchen Verſtärkungen dermuthlich zu ſpät auf
Daß eine
etwaige größere Schlappe der Franzoſen in Weſtafrika
der ohnehin ſchon erſchütterten Stellung des Cabinets

zweifellos.

Der am 18 Arril unterzeichnete neue ſchweize⸗
riſch: italieniſche Handelsvertrag laͤuft bis zum
Die Contrahenten haben ſich




den Wagen der Natioualliberalen zu ſpannen.



durchaus nicht erledigt. Das fühlen Alle, auch Diejenigen,
welche den Männerorden nicht hold ſind; das bekennt
auch die Preſſe der verſchiedenſten Richtungen.
ein beſondexes Anzeichen für dieſe erfreuliche That—


daß der „Evangeliſche Bund“ für Württemberg eine
„Bewegung“ für nothwendig hält und deshalb in

ſammlungen rc. auffordert, wobei er ſogar die Gedan⸗
ken für die Reden und Beſchlüſſe angibt, ſelbſt aber

die Mache nicht erkenne. Das geht alſo gerade wie
mit der „Bewegung“ gegen die Jeſuiten, bei der auch
die Bündler die Drähte zogen. Die Katholiken
Württembergs werden ſich aber dadurch nicht ver—
blüffen laſſen.

Den Franzoſen macht der Stand der Dahomey⸗
Angelegenheiten allmälich ernſtliche Kopfſchmerzen.
Aus Weſtafrika ſind in Paris hoͤchſt beuuruhigende
Nachrichten über die Lage in Dahomey eingetroͤffen.
Sie kündigen emen allgemeinen, unmittelbar bevor-
ſtehenden Angriff der Bahomeyaner auf die franzöſi⸗
ſchen Beſitzungen an. Die dahomeyaniſche Armee,
welche unter dem perſönlichen Befehie des Königs
Behanzin zunaͤchſt Kotonu und Porto Nuovo bedroht,
und mit Revolverkanonen
ſowie 4000 Wincheſter⸗Gewehren ausgerüſtet ſein.

— en — Kpoffchütteln,
einen wo ſie nur können.“









Dieſe Guͤte/ wo fie nur Härte erwartet, diefe Freundlichkeit
im Augenblice ihrer größten VBerlafjenheit, erjhütterten
Vartha in ihrem ſchwachen Zuſtand nebr, als dies alle
bisher ausaeſtandenen Leiden vermocht baiten. Sie faß
reauuaslos und blickte mit naſſen Augen in das Iodernde
Heuer, während ein unbeſchreibliches Glücksgefühl ihr
ganzes Sein durchdrang. —

„Als Sie mir vorhin jene richtige Antwort gaben be⸗
gann Zrau Harper wieder, „fing i an zu fürchten, Ddaß
i Ihren Charakter verkaunt hätte, und alz idh auf Fhrem
Tiſchẽ das Gebetbuch fand wuhßzte ich dies cewiß. Gott
behüte Sie, Kind,“ jagte fie pIlößlidh, Marthaz ſtilles
Weinen betrachtend, nehnien Sie ſich die Sache nicht 10
zu Herzen. IQH felbit war mehr als einmal ganz mittel-
108 und mwmeiß was dies Heißen will.. AWber i hatte nicht
einmal eine Zreundin, und Sie haben eine jolhe und
werden Sie haben, ſo lange ich mich nicht in Ihnen
täuſche. *

Sie ſprach mit einer gewiſſen Rührung und leate bei
den legtex Worten ihre Hand bekräftigend auf Marthas
Sgulter Wie von einem ‚unbdezwingliden Impuls ge-
trieben, ariff die arme Waije plößlih-darnach und drücte
einen Ruß darauf, . Dieje alte, welle Hand fchien ihr in
— jhöner als die feinſte und ariſtokratiſchſte

er Welt.

Die gute Frau ſchien beſchämt über dieſe ihr darge-
brachte ftumme Huldigung. - Haftig. entzog ſie Martha
ihre Hand und fagte ernit; „Niht mir danken Sie;, Kind,
jondern * Schöpfer da droben, der ANes zu unferm
Bellen lenkt. IhH- möchte gern Ihre Freundin jein;, aber-


hHaus Halten,“ fügte. fie mit; Teichtem

Seufzef bei: Doch
immer den ——

topf. ‚oben:halten, .. Siebdhen,. wir wollen 3zU-

en S 8 innten; Zuzwiſchen

ollen‘ Ste. webder‘ frieven. nod- hungern.“ — ——
— 2 — **






erfolgender Kündigung am 1. Januar 1898 außer
Kraft zu ſetzen.

In Brüſſel tagte am Oſterſountag der Congreß
Es wurden
Beſchlüſſe zu Gunſten des könihlichen Referendums-
rechts, des Referendums der öffentlichen Gewalten u.
In der Frage der
proportionellen Vertretung ſprach ſich die Verſamm⸗
lung mit gewiſſen Vorbehalten aus. Außerdem be—


den nächſten Parlamentswahlen ſich auf Annahme des
allgemeinen Wahlrechts als Grundprinzip zu ver-
pflichten häten. Wie anderswo verbünden fich alfo
bei den bevorſtehenden Wahlen die Liberalen Frei⸗
maurer mit den Radikalen (Sozialdemokraten und


gierung.

In Däuemark wird das Ergebniß der Folke—
in allens der Regierung
naheſtehenden Kreiſen mit großer Befriedigung aufge!
nommmen, weil man darin einen Sieg der Reform⸗
politik der Regierung und eine Niederlage des Radi—
erblickt. Die Sozialiſten verloren einen
rovinzialſitz, behaupten aber die beiden Kopenhagener
Mandate. Der Kriegsminiſter Bahnſahn iſt mit 895
Stimmen gegen den ſozialiſtiſchen Kandidalen, welcher
3803 Stimmen erhielten, gewählt worden.

Die Meldungen über die erkrankten ruſſiſchen
Miniſter lauten jetzt bezüglich des Finanzminiſiers
Wyſchnegralski völlig beruhigend. Leßterer iſt ſoweit
wieder hergeſtellt, daß er am Montag vom Kaiſer u.
der Kaiſerin in Audienz empfangen werden koͤnnte,
zur Stunde dürfte er den ihm xom Czaren zur gaͤnz!
lichen Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit bewilligten
längeren Urlaub angetreten haben. Bis auf Weiteres
leitet Geheimrath v. Thoͤrner die Geſchäfte des Fi⸗

{®lägig befchieden.“ — .

„DiefesITajchentuch i{ft ſehr hübſch geſtickt, fuhr Frau

Harper fort, „allein ſolch kunſtvolle Arbeit bezahlt ſich hier
dies mit einem Seufzer;

nicht.“

Martha hörte ſie hatte ſo
große Hoffnungen auf diefes Tuch gebaut.

„SVBielleicht Fönnte Ihnen Sufanne behülflih fein,“ bhe-
gann die Wirthin wieder nach kurzem Sinnen; „fie ar-
keitet für ein Ausſtattunasgeſchaͤft und ſprach erſt deuie
davon, daß eS eben fo viel zu thıum gäbe. Möglich, daß
Sie Ihnen ftändige Arbeit verfhaffen fönnte. Das wür-
den Sie bald erlernen. Sie fönnen dody nähen?“ Sie
blidte bei diefer Frage forfchend und wie verzweifelnd auf
Marthas zarte, weiße Finger, aber das junge Mädchen
verficherte fie Lächelnd, datz es fih in diejer Kunft zZiemlich
zu Haufe fühlte. „Dann ift3 gut,“ jagte Frau Harper be-
friedigt; „eS wird fih ohne ‚Zmeifel madhen lafjen. Frei-
lid, die Bezahlung ift ſehr, ſehr gering, aber immerhin
beffer al® nicht®. Thatjache ijt, daß die Gefjcbhäftsinhaber
allen Brofit felber in die Tajdhe iteden wollen. Da ift
der Herx Thomſon für den Sie arbeiten werden,” fuhr
lie entrültet fort, „er fährt in eigener Equipage und
tinkt Champagner, während Hunderte gleihH Shnen und
Sufjanne _ von dem kargen Lohne den er zahlt, kaum ihr
Seben friften fönnen. Boch au für ihn wird die Beit
der Abrechnung Fommen,“ fuhr die feltjame Frau fort,
und ibre ſcharfen Augen flaͤmmten ardentlich unter den
zujammengezogenen Brauen; „die Böſen werden nicht
immer obenau ftehen.“ ; S }

Exrſtaunt blickie Martha dię Sprecherin an, und dieſe
bemerkte es mit einem halben Lächeln.

2W5, ich darf nicht ſo zu Shnen ſprechen, lenkte fie
ein, „fonft fürchten Sie ſich wieder vor mix. Doch Sie
würden ebenſe denken Kind, wenn Sie ſo lange und {jo
viel gelitten batten als ich. Ich möchte gar gerne Zhre
Geſchichie horen, denn ich merke.. wohl, daß Sie nicht
immer in bdiefen. Verbältniffen waren.. Erzählen Sie mir







(Sortjegung folgt.)


 
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