Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

DOI Kapitel:
Nr. 111 - Nr. 120 (17. Mai - 28. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44150#0479

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext





































d
2






önte
lose



— — ——SufS— —





VE T FE
— — — — — —









— zteu? werden fortwährend bei
ſammtlichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen.
ſowie in anſerer Expedition Heidelberg. Zwinger⸗
traße 7 entgegen zenommen.

Berlag des „Pfälzer Bote.“

— — * —
E



Des Chrifti-Himmelfahrtfeltes wrgen, erfeheint
morgen kein Pfälzer Bote. Die nüchſte Uummer
wird am Freitag Miitag expedirt.

— —
Clwas von der w@mlücmnfmtw.
Den Teufel ſpürt das Völkchen nie,
Und wenn er ſie beim Kragen hätte.
(Goethes Fauſt;

Der „F. A. Günther's Deutſchen Tiſchler-Zeitung“
entnehmen wir nachſtẽhenden, zeitgemäßen Artikel:

Man braucht nicht an den Teufel zu glauben, um
zu erkennen, daß unſer wirthſchaftlich politiſches Leben
in den letzten Jahrzehnten von einer heilloſen Teufelei
beherrſcht wurde. Das war auch ſchon früher, etwas
wohl ſtets der Fall, jedoch nicht entfernt in dem
Maͤßſtabe, wie jetzt.

Warum heuie mehr, wie früher! Sehr einfach!
Zuerſt wurde dem Volke das Lied von der Anfklärung
geſungen. Ueberall und oft wurden Vorträge gehalten
zur Erlöſung des Volkes aus geiſtiger Knecht—
ſchaft und alle „Zeitungen für Jedermann aus dem
Volke (aAber fraßt mich nur nicht, welches Volk
gemeint iſt) trieften nur ſo von Weisheit, um das
mittelalterliche Dunkel“ aus den Köpfen zu entfernen.
Das Volk wurde denn auch ſehr aufgeklärt. Jeder
Schuſter, der nie einen paſſenden Stiefel fertig bringen
konnte, plapperte des Abends am Biertiſch über Philo—
ſophie, Juriſterei, von allen möglichen „Staats und
geiehrien Sachen.“ Und wenn Meuſchen mit 5 ge⸗
raden Sinnen verwundert darüber die Köpfe ſchüttelten,
daß aus einem Schuſter über Nacht ein Gelehrter
werden konnte, ſo haͤtten ſie eben noch das mittel—
alterliche Dunkehin ihren Köpfen. Nun können
aber die Menſchen alles mögliche vertragen, nur nicht
einen Zweifel an ihrer geiſtigen Helle. Es dauexte
denn auch gar nicht lange,
den Stammtiſch aufgeklärt.
über „Staats- und gelehrte Sachen.










als er de Bibel an de Pietſch gebunnen, und ſwenkte
ſe ſich üm'm Kopp“, ſo oder aͤhnlich ſagt Reuter
an einer Stelle. So war es auch hier. Die Auf—
klärung war im „Schwung“: raſch war alle Welt


Köpfen verſchwunden.
— leer. Ideales Empfinden naunte man ſentimentale
Simpelei, das Materielle und nur das Materielle
ſollte Werth haben.
der Witz, darum ſagte man zum Volke: „Junker und
Pfaffen“ hätten das Volk bisher in der Dummheit
erhalten, um im Trüben fiſchen und herrlich und in
Freuden leben zu können auf Koſten des Volke? Freilich,




dem Volke zu ſagen, daß man es nur yaufgeklärt“
mache und mit ihm einen Kampf gegen die Herrſchaft
von, Junker und Pfaffen“ führe, damit man — ſelbſt
die Herrſchaft bekomme.

Man verſtehe uns nicht falſch.
wohl, daß ſehr viel ideal veranlagte Menſchen in der



kämpften, aber wir wiſſen auch, daß Solche Thränen
der Wuth und der Scham vergoeſſen, als ſie ſahen,
daß — wie es in der hl. Schrift heißt — dex Böſe
Unkraut unter ihren Weizen geſäet hatte und nicht
geiſtige Klarheit und Geſittung, ſoadern Liſtigkeit

als ſie ſahen, daß eine Anzahl vaterlandsloſer Groß—


die Lieder von den „Junkern
ließ, um es vollſtändig beherrſchen, ärger ausbeuten
und knechten zu können, als es unter irgend einer
anderen Herrſchaft ſeit Anbeginn der Welt je geknechtet
geworden.

Iſt's etwa nicht wahr, daß in dem „mittelalter—
lichen Dunkel“ ein blühender Handwerker, ſowie ein


des Schacherers oder Bauſchwindlers ſind? Iſt's etwa
nicht wahr daß überall an Stelle redlicher, ſeßhafter
— der Hauſirer oder Reiſeonkel getreten
ind?

Jawohl, das iſt wahr und abermals wahr!

Wahr iſt's, daß unter der Herrſchaft des Junkers
ein blühender Menſchenſtand viele Jahrhunderte
exiſtirte und derſelbe unter der Börſe in wenigen
Jahrzehnten vernichtet wurde! Wahr iſt's auch, daß
bei den Predigten der „Pfaffen“ das Volk ſich ſeeliſch
befriedigt, glücklich fühlte, während es durch die Leh—
ren der kapitaliſtiſchen Zeitungen unzufrieden und nur
unzufrieden wird.

Und wie ſieht's mit der Aufklärung aus? Wer
das Geld hat, hat die Preſſe. Wer die Preſſe hat,
hat die öffentliche Meinung. Wer die öffentliche

Meinung hat, hat die Khuke der Geſetzgebung in der
Hand. Geld Preſſe, öffentliche Meinung, Geſetz⸗
gebung — Weltherrſchaft, Herrſchaft des internatid—

ausſieht? — Den Teufel merkt das Völkchen
und wenn er ſie beim Kragen hätte.
Unſer Thema lautet: Etwas von

nie,

der Sozial⸗

demokratie Ganz recht, wir haben das nicht dher—
geſſen. Wir ſind auch nur ſcheinbar von demſelben


Wir wollten nämlich durch das Vor—
ſtehende nur die Thatſache ins rechte Licht ſtellen,
daß trotz oder infolge der Lieder von der Aufklärung
und den Junkern und Pfaffen der Mittelſtand von
dereinſtiger Höhe tiefer und immer tiefer in die Ab—
hängigkeit der — Sänger dieſer Lieder gekommen iſt.


die Sozialdemokratie, welcher ihr gar nicht oft genug
vorgehalten werden kann! In dieſem Spiegel ſieht




Beziehung glücklich war. Iſts etwa nicht wahr, das


haben, hat alle Welt Geld? Und iſt's etwa nicht


deutſchen Vaterlande überall, ſelbſt auf den Dörfern,
neben reichen Bauern gut
Klein-Kaufleute exiſtirten? Und iſt's etwa nicht wahr,
daß heute die Landwirthſchaft überſchuldet iſt, in klei—



großen die Mehrzahl nur ein Werkzeug in der Hand

durch die neuen Aufklärungslieder
umnebelt iſt, ſo dürfte er durch das Bild doch ſtutzig
werden und ſich darüber wundern, daß die Arbeiter-
Mauſefalle bis auf's Haar derjenigen gleicht, welche
zur Zeit für den Mittelſtand aufgeſtellt wurde.
Ganz wie zur Zeit der Bürger- und Bauernſtand,
ſingt zur Zeit der Arbeiterſtand die Lieder von der
Aufklaͤrung. Raſch, fabelhaft raſch iſt dabei aus jedem



weiſer geworden. Jeder Karrenſchieber glaubt, min—
deſtens Kutſcher ſein zu könner, weiß beſſer als jeder
Gelehrte, wie Geſetze gemacht werden und der Staat
regiert wird. Wer nicht blindlings an die Lehren der
Sozialdemokratie glaubt, iſt natürlich ein Dummkopf,



— —

Die Waife.
Originalroman nach dem Engliſchen

40) von Klara Rheinau. Nachdruck verb
Die Verhandlungen nahmen, ihren Foertgang. Der
Richter wandte ſich an die Zuxn in einer längeren Rede,
und die Geſchworenen exhohen ſich bereits, um ſich zurück⸗
zuziehen, al® Marthaz VBertheidiger, weldhent ein Gerichts-
diener fırz zuvor eine geheimnikvolle Botjchaft _ gebracht,
um die Erlauͤbniß hat/ noch einen Zeugen vorzuführen.

Unter den Zufhauern, welche visjer mit athemloſem

77 den Verhandlungen gefolgt waren, entſtand in
diefen Worten eine lebhafte Bewegung. Sollte der Beklagten

Sache dennoch nicht verloren ſein?

Der Kichter Iud die Geſchworenen ein, noch einmal
Plas zu nehmen und wandte ſich dann, mit etwas ungläu—
biger Miene zu dem Advokaten;

„Kufen Sie ihren Zeugen,“ ſagte er kurz.

Der Anwalt winkte dem Gerichtsdiener, welcher vorher
mit ihm gefprochen, und diejfer Irat Danır zu Dem Aufrufer
und flüſterte mit ihm.

Die Neugierde im Publikum hatte nun ihren höchſten
Grad erreicht, demmn die triumphirende Miene des Verthei⸗
diger3 ließ elwas ganz Außergewöhnliches erwarten, Allex
MNugen wandten ſich nach dem Ausrufer, der zweifelnd und
ungläubig jeinen Auftrag in Empfang nahm, Erſt auf ein
bedeutungsvolles, wiederholtes Nicken des Gexichtsdieners
erhob er jeine Stimme und rief in dem gewöhnlichen nä-
Jelnden Tone, mit dem er auch alle vorhergehenden Zeugen
aufgerufen:

Heinrich Butler.“ —

Hatte die Bofaune des Erzengels plößlich in die Ver—
Jammlung GHineingetönt, die Wirkung wäre faum eine über-
raͤſchendere, unerwartere geweſen Der anklagende Anwalt.
Drehte, mit unglaͤubiger Miene, raſch den Kopf nach der
Thüre; Kichter, Gejchworene 1und Zuichauer. folgten feinem
Beijpiele.. Nur Marthaz Bertheidiger blieb unbeweglich.
(& Iohnte jich wahtlich; einen ganzen Tag in dem dumpfen,
eritidenden Kaume aunsgeharrt 3zu hHaben, um die triumphi-
rende Weiſe zu ſehen, mit welcher er ſich in ſeinen Stuhl

zurücklehnte und den Eindruck beobachtete, den die letzte
Ankündigung hervorgebracht.
VBon allen Anwejenden war natürlich Martha ſelbſt
die Yufgeregteite.. Beim Klange jenes Namens fprang fte
cug[ 8* thr danzes Geſicht ſtraͤhlte vorx Freude Dies
währte



fuche aber nicht finden fonne. Frau Harper, welche den
ganzen Tag nicht von ihres Schüßlings Seite gewichen War,




völlig zu theilen,
Luͤftall der freudigen Röthe welche Anfangs Maxthas





icht. - Sie zi:terte mun fihtbar an allen Gliedern. PLoßlich


mit einem Jubelruf deutete
SFrau Harper, welcdhe der Richtung ihres Fingers folgte ſah
au3 der die Thüre umlagernden Menge eine Geſtalt her
vortretent, welche fie augenblicklich erkannte,

Ja Doͤrt ſtand Buͤller in eigener Perſon, zwar todten
blaß und vom RKeifeftaub befchmubt, den einen Arm in der
Schlinge tragend, aber lebend und freiwillig anweſend,
dem Eifer naͤch zu urtheilen, mit welchem ſer vorwärts
drängte.

Mit halb geöffneten Lippen und hervorauellenden Augen
blickte Martha * ihm hin/ als ob ſie immer noch zpeifle;
allein al8 die Wirklichkeit ſeiner Anweſenheit ſich ihr
4 aufzwang, fauk ſie ohnmächtig in Frau Härpers

rme.

Eine allgemeine Verwirrung entſtand Die Aufmerk—
ſamkeit/ welche ſich Butler zugewandt, theilte ſich nun zwi⸗
chen diefem und der Beklagten, Laute Rufe des Mitleids
er Beiwunderung und Neberrajchung ertönten abwechſelnd
aus der Menge ;: jelbit die Sfeptijchiten betrachteten. Mar-
tha nun als eine unſchuldig Verfolgte.

Dugende von RKiechfläſchchen wurden von. den Damen
dargereicht, gefüllte Wajjergläfer von allen Seiten herbei⸗
gebracht; ja, felbit die Zujchauer an Dden Fenitern verließen
ihre Mläke, um der Ohnmächtigen friſche Luft zukommen






zu laſſen Dank dieſer Sorgfalt kehrte Marthas Bewußt⸗
ſein bald wieder zurücd.

Frau Harper hatte ihr Hut und Schleier entfernt
und der Anblick des ſchönen, edlen, in ſeiner Bläſſe faſt
* ausſehenden Antlitzes riß alle zur Bewunder⸗
ung hin!

Endlich, als die Ordnung einigermaßen, wieder herge—

truͤg, berichtete Butler von ſeiner zufälligen Begegnung
mit dem Verlebten — von dem gexeizten Wartwechſel der
dieſex gefolgt war, — von der Drohung Thomſons zu
ſchießen — dem kurzen Kampfe — und dem Tode des
jungen Mannes.

Das Kreuzderhör des anklagenden Anwaltes war lange
und gründlich! erſchütterte aber nicht im Mindeſten die
Glaubwürdigkeit des Zeugen. Der einzige anſcheinende
des Advokaten beſtand in der, mit ungläuhiger
da er doch ge—
flohen, jetzt zurückgekömmen ſei? Doͤch dieſer Vortheil war
nur von kurzer Dauer, denn Butler's Erwiderung zerſtörte
den momentaͤnen Triumph.

„Sch_floh, weil mir, der große Schreck faſt die klare
Befinnung geraubt Hatte,“ verfetzie er feſtEs iſt ein
entießlidhes Gefühl, mein Herr einen Nebenmenſchen —
wenn auch nur durch Zufall getadtet zu haben. Ich hielt
mich ferne, weil ich in anderek Umgebüng meine Gemüths—
ruhe wieder zu erlangen hHoffte, — aber es wollte mir
nicht gelingen. Endlich beſchloß ich zurückzukehren, mein
Geheimniß zu entdecken, und die dargus entſtehenden Folgen
auf mich zu nehmen, lieber, als die, drückende Laſt noch
länger auf mich zu nehmen, lieber, als die drückende Laſt
noch länger auf meinem SGewijen zu tragen. Die erſchüt⸗
ternde Sntdeckung, daͤß eine Unſchuldige an meiner Stelle
leide, beftimmte mich zu ſchleunigſter Rückkehr, und ohne
den Unfall, der uns auf der Reiſe betroffen, wäre ich heute
Norxgen ſchon hier geweſen! Doͤch dem Himmel ſei Dank!
ich bin auch jetzt noch nicht zu ſpät gekommen.“

(Schluß ſolgt)


 
Annotationen