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Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

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Nr. 281 - Nr. 290 (10. Dezember - 21. Dezember)
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Das neue Jahr

ſteht in dem Zeichen der Kriſis Der neue Kurs“
iſt nach verheißungsvollen Anfaͤngen auf die Bahn
der Schwantungen und der Haibheiten gerathen wo—
durch das Vertrauen zu ſeinen leitenden Männern
icn Volte maͤchlig erſchuttert worden iſt! Wirth⸗
ſchaftticher Nievergang. Noth⸗ Ver⸗
dienſtlofigkeit und Arberterentlaffun—
gen überall, und dagegen keine beſſerude und
durchgreifende ſozratpofitiſche Akron, ſon
dern eine Militärvorlage welche eine Unſumme
von Opfern von der Nation fordern würde! Nach
Neujahr wird der Kampf um dieſe Militärporlage
auf das Aeußerſte entbrennen und bereits iſt uns,
wird dieſelbe nicht angenommen, die Reichstags—
auflöſungangedroht

Zu Oeſterreich fortgeſetzter Kampf zwiſchen
einem haltloſen Miniſterium und den Anſprüchen der
verſchiedenen Nationailitäten; in Frankreich eine
inmevre Kataftrophe, welche geradezu den Beſtand
der Republit in Frage ſtellt und bexeiis den Schatten
der Reſtauration', der Monarchie an die Wand
wirfi, in Ftalien wie in Spanien und Por:
tug al fortgejebte parlamentarijche” Zudungen ; in
RKußland. neue Unthaten der Nihiliften und im
Drient und in A{i en die von Rußland- gefchür-
ten Vorbereitungen zu einem Weltbrande!
So ſtehen wir denn vor ſehr kritiſchen und
cretguißvollen Zeitläufen, welche je den
Tag Erſchütterungen, Umwälzungen. folgenſchwere
Wendungen im Siaats- und Voͤlkerleben bringen
fönnen. Und das um ſo mehr, als die rothen Re⸗
volutionäre unausgeſetzt an der Arbeit ſind, um die
Ruhe der Geſellſchaſt und des Staates zu Tören.

Der einſichtige Leſer, der aufmerkſame Beobachter


mehr geneigt ſein, auf ein Blatt, eine Zeitung zu
aboͤnntren, welche ihm einen Spiegel der Zeit dar⸗


Berichterftattung, a u8giebige und jelbitjtändige
Beſprechung der öffentlichen Vorgänge, feſte politiſche
Beurtheilung derſelben bey unnaͤchgiebiger Betonung
der Bedrfniſſe uͤnd der Leiden des
Voͤlkes uͤberhaupt guverlaſſigkeit und
Reichhaltigkeif in allem Gebotenen:


je von ſeinem Blatte fordern darf.
Unter dieſen Geſichtspunkten und unter dem Hin—
weiſe auf die ſeitherigen Leiſtungen, die Haltung und

„Seberknsödeln.“

2) ‚Humoresfe von Th. Müller-Platteniteier.
Nachbruck verb)

Die Schloßkaſerne war, worauf ihr Name dextete, ein
ehemaliges Schloß und zwar ein furfürfilihes, In den
Schloffe ſelbft war ſeit langer Zeit das Amtsgericht und
Bezirksamnt untergebracht, während Ddie übrıgem umfang-
Lichen Gebäulichkeiten zur Kaſerne adoptirt worden waxen
Bomt rücwärtigen ZIHeile des Schlofjes, in dem Die Küchen
und VBorrathsraume lagen, Jah man direkt auf Ddie langge-
itrecite Nafjerne, welche ein Gitter gegen den Schloßhof zu
abſchloß an dem Nachts ein Poſten ſtand.

Droben in der Küche des Bezirksamtmannes war ein
Feuſter geoffnet und an dieſem lehnte Fräulein Anna, die
BezirksamtsSföchin. Sie hatte ein Eii auf
Inð uber das blaue Kattunkleid, daz die bloſen, kräftigen
Arme- frei ließ, eine kofette weiße Schürze gehunden,
„Was mag der arme Menſch wieder angeſtellt haben,“
Jagte fie vor ſich hin, indem ſie den an der Mauer lehnen⸗
de Luͤngelmanu unverwandt betrachtete und wohei ein
tiefer eufzer ſich Luft machte, oder ſohte, er
am Ende Frank fein?” Ihr Mitgefäihl kämpfte noch einige
Sefunden ‘ mit ihrer weiblidhen AWengitlichteit und dann
rief fie mit gedämpfter Stimme hHinab: „Herr Sungelmann.
Hert Lungelmann! . .. Sind Sie franf, weil Sie nicht
mit ausrückten?“

Lungelmann hob den, ihm, ob der Kochangelegenbeit
jorgenvoll auf die Braft gefunkenen Kopf und entgegnete
mit etmwas belegter Stimme: „Nein Fräulein Anna, krant
bi ı net, aber zun Koch baben ſ mich, g’macht und
Leberfnddeln foll.i kochen und Ddas . ... daS kann i net
— o6 — o9!” Fräulein Anna hatte auf einmal das
Geflihl, ais wenn ihr Hexz vloͤblich noch einmal ſo groß
geworden wäre. — dieſer Zufall war eine Füguns des
Himmels!

Auna kannte die ieweils bier garniſonirende Eskadron
in Kolge ihves ſo güuſtig gelegenen Obſervatoriums vom




den Charakter unſeres Blattes, empfehlen wir daͤher
mit voilem Vertrauen auf die Treue unſerer Leſer
und Freunde
zum Abonnement
für das erſte Quartal 1893
den

Pfälzer Boten.




s Weihnachten, Sozialdemofratie und
einiges Yndere.

Das Beihnachtefeſt ſteht vor der Thüre und
jedenfalls wird die Sozialdemokratie dasſelbe wieder
benutzen um ihrem Haſſe gegen das Chriſtenthum
einen erneuten Ausdruck zu verleihen, ſie benützt ja
regelmäßig die hohen chriſtlichen Feſte zu wüſten
Ausfallen gegen Alles, was dem Chriſten hehr und
heilig iſt. Zu den vorigen Oſtern feierte der „Vor—
wärts die zukünftigen „rothen Oſtern der inter—
nationalen Sozialdemokratie? und ſtellte als eine
erhabene Zeit das Jahr 1525 hin, als zu Oſtern
der blutigẽ Bauernkrieg ausbrach; der „Offenburger
Volksfreund pries das Oſterfeſt als Frühling der
Kultur als ſpzialiſtiſches Freiheitsfeſt“ im Gegen—
fatze zum chriſtlichen Feſte Zu den letzten Weihrach—
ten höhnte der „WVorwärts“ über das „Frieden auf
Erden“, welches nicht vom Chriſtenthume, ſondern
nur vom Sozialismus verwirklicht werden könne, und
die ſozialdemokraͤtiſche „Zeitung deutſcher Bergleute“
ſchrieb „Es dämmert; das Ziel welches die

Menſchheit ſeit beinahe 1900 Jahren vergebens er—
ſtrebt, es iſt uns näher gerückt. Schon blüht uns
die Morgenröthe einer beſſeren Zeit Erſt wenn dieſe
erreicht, werden wir ein wahres Friedensfeſt Feiern,
wird das „Friede auf Erden und den Menſchen ein
Wohlgefallen „zur Wahrheit werden.“ Das Blatt
erklärie, die Arbeiter könnten ein Weihnachtsfeſt im
chriſtlichen Sinne nicht feiern, denn:
„Eins, ihr Herxen könnt ihr nicht verlangen,

Daß man mit Euch ein Weihnachtsfeſt begeht.

und wenn ein Engelchor vor mir ſchriebe⸗

Der niederſchwebt im überird ſchen Licht

An euer Feſt des Friedens und der Liebe,

An eure — — glaub' ich nicht.“
„Religion iſt Prwaiſache“ heißt, ein von „zielbe—
wußien Genoſſen“ viel beſtrittener Satz des Fzial—
de mokratiſchen Programms; wie „ehrlich“ es damit

gemeint iſt, ſieht man bei Gelegenheit aller hohen

und durch und was ſie nicht ſelbſt ſah, das exfuhr ſie {bei
den Unteroffiziersfrauen, welche meiſtens Wäſcherinnen,
Modiſtinnen dder Kleidermacherinnen waren und Zräulein
Anna als Kundſchaft hoch ſchätzten.

BGar Mancher war, in den zehn Jahren, welche ſie
ihr; ietzige Stelle inne hatte in die Schloßkaſerne einge—
rückt, guf den ſie heimlich ihre Hoffnung geſetzt hatte, aber
wenn ſie ſah und hörte, wie auch beß dieſen Ausexrwählten
die leichtſinnige Denkungsweiſe, in Bezug auf alles ewig
Weibliche, je länger ſie die Uniform trugen, um ſo mehr
wucherte, ſo erſtickte das die aufblühende Liebe bei ihr
jedesmal im Keime.

Da kam Lungelmann. der reine Thor“, und ihre
Stunde hatte nun wirklich geſchlagen. Ganz abgeſehen
davon, daß ihr ſeine ſtattliche Erſcheinung und ſein ſchön
roth und weißes Neuruppinex Scheibengeſicht ſehr gut ge—
fielen, ſo hatte Lungelmann, was ſie ganz gefangen nahin,
bei dem ewigen Kampfe, den er gegen diẽ Malpropretät
zu führen gezwungen war, in Dden jeßt fajt vollendeten
zwei Dienſtjahren abſolut keine Zeit gefunden, ſich galant
gegen das weipliche Geſchlecht zu zeigen und Anna jegnete
dieſen Umſtand, der ihm Herz und Gemüth unverſehrt er—

hielt, ſie wollte ihn ſeiner Zeit fchon ſo pflegen, daß er
immer wie aus dem Ei geſchält fein ſollte. Freilich ge—

dachte ſie auch ſeufzend ihrer zweiunddreißig Lenze, aber
die brauchte man ihm ja nicht gerade, auf die Naſe zu
binden und ſie war ja immex noch eine ſehr ſaubere
Perſon die mit Stolz auf ihren bisherigen Lebenswandel
zurückblicken durfte.

Geſprochen hatte ſie Lungelmann bisher eigentlich nur
einmal, es war bei Gelegenheit eines grüßeren Holzem—
pfanges wobei Lungelmann ins Bezirksaͤmt zum AWbladen
kommandirt war Er haͤtte das ihm von „Fräulein“ Anna
an Speiſe und Trank Gebotene dankend angenommen und
mit unberkennenswerthem Appetit verzehrt, zu einer ani⸗
mirter Konverſativn wollte es aber nicht kommen, denn
erſtens hakte Lungelmann natürlich keine Ahnung von der
Neigung Anpas zu ihm und zweitens hatten ihm ſeine
Stubengenoſſen Tags vorher Waſſer in die Säbelſcheide





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hriſtlichen Jeſte in der ſozialdemökratiſchen Preſſe;
aber auch das ganze Jahr hindurch liefert die Soͤ—
zialdemokratie den Beweis indem ſie jeden Anlaß
benützt, um gegen die Religion und ihre! Diened
zu hetzen und namentlich alles Chriſtliche als der
Soʒialdemokratie zuwider hinzuſtellen wie es ja auch
thatfächlich Der Fall ift. Aın 1. Juni d Jſprach
der „Wormwärtts“ vollfommen. offen‘: . „Daß mir hier»
von, weil wir Sozialdemökraten die Kirche und die
Pfaffen bekaͤmpfen fo großes Auffehen maͤchen foͤllten
ſehen wir nicht ein, denn wir würden RirgHe
und Bfaffen aug bekämpfen;, wenn Die
Pfaojften unb‘ die Rüjferand DE ge:
wijjenhaftefenund pflidtgett 0R e.
ſte un Menſchen wären“ Damit f der vrıa
zipielle Kampf gegen die Kirche Hipp‘ und Har
ausgeſprochen, wie auch der Ltipziger Wächter? un
Auguſt v. J. ſchrieb: Der wiſſenſchafttiche —
mu38 fteht der Religion nidt glei dgilkig jon-
dern feindlich gegenüber! Er prophezeit —
gänzliden Untergang in ſfozialiftiſchen
Gemeinweſen. Der „Borwärtg“ war es auͤch ja,
der am 5 Jun d 3 bedauerte, daß man „unſere
chriſtliche Ziviliſation nicht an die Mauer ſteilen
und mit ihrem „humanen Geſchoß' ohne Welteres
niederknallex könne“ und aus Aulaß der Berliner
Kuchenwahlen ſchrie? dasſelbe Blatt am 29. Oktober
1891: „Wir . Ionftatiren mit Freuden, daß die
Gleichgültigkeit in kirchlichen Dingen ſich nicht nur

auf die Kreiſe unſerex Arbeiter erſtreckt! Daß der
Arbeiter der Kirche laugſt den Ruͤcken gekehrt hat,
iſt erflärlich, er verlengt nach Brod, nicht nach

Steinen.“ Solcher Gefinnung ent{pricht e& denn aug
vollkommen, wenn im Seßtember d. J. der ſchon
genannte „Offenburger Volksfreund“ ſeinen ſozialdeino⸗
kratiſchen Leſern den Rath gab

Ein jebes Thier hat ſeine Finten

DZer Ochs von vorn, das ferd von hinten,

20 ſiehſt du einen Pfaff von Weitemn,

So weich ihm aus von allen Seiten “

„Jeder Sozialdemokrat iſt in freier Denker“,
das heißt ein Unglaäubiger, erklärte der
„Vorwärts, aber eſne gewiſfe „Religion? findet
auch die Soztaldemokratie noch am Platze, nur ingcht
ſie es damit ähnlich, wie gewiſſe ſich evangelijch“
nennende, Theologen“ mit den Dogmen des Chriſteu⸗
thum8: e8 wird „umgedentet“. Bie Sozialdemoͤkra⸗
ten, wo fie in größerer Zahk-find, feiern ihre „Oftern“,
„Bfingften,“ „Weihnacdhten“, aber in der Weiſe, daß
Wmaͤchſt auf den bdei dieſem Anlaſſe veranftalteten
Verſammlungen das chriſtliche Feſt und die ihm zu

gegoſſen/ ſe daß er die Klinke noch, nicht hatte fauber be-
fommen fönnen ; er Olieb trog manches anzüglichen Seufzer8
zerſtreut und einſilbig; als dauerndes Refultat diejes Yeoi-
ſammenſeins blieb uur der gegenſeitige Gruß bei allen-
fallſiger Begegnung. Nun aber war eine Gelegenheit e⸗
fommen, weldhe, günftig benüßt, Anna’s Herzenswunich
um einen NRiejenjchritt fördern fonnte und fie beichlog dem-
gemäß zu handeln.

„Herr Lungelmann, Herr Lungelmann“ , . ., ertöünte
es nochmals piano von ihren Lippen, „erheben Sie ihre
rechte Hand und ſchwören Sie mır, daß Sie fich mir
gegenüber als Kapalier benebmen werden, wenn ich es
wage, ſchuslos zu Ihnen hinabzukommen, um Ihnen aus
der Verlegenheit zu helfen!?“

Lungelmann machte auf dieſe Rede hin ein furchtbar
einfältiges Geſicht und Fräulein Anna, welche die Zeit zu
weiteren Erklärungen ſcheute, verzichtete daher auf den
Schwur und verſchwand vom Fenijter, Raſch ergriff ſie
eine ihrer großen Leinwandſchürzen legte ſie zuſammen
und roͤllte eine kalte, Kalbskotelette hinein, überdachte noch
was ſie ſagen wollte, wenn ihr eine der Unteroffiziers
frauen begeanen würde — vor dex eigenen Herrſchaft war
ſe ſicher, die Gnädige war verreiſt und der Herr auf dem
Amte — und dann eilte ſie hurtig die Treppe binab.
Wie im Fluge mwar fie über den Schloßhof und an Lun-
gelmann vorlüber: in die Sskadronsfüche gehufcht, wohin
ihr derſelbe eilig folgte. „Iit auch wirklich Niemand
gußer Ihnen in der Kajerne, Herr Lungelmann ?“ fragte
ſie von der Anſtrengung des Laufens tier athmend, und
al8 diejer entgegnet Hatte „gewiß net!“ begann ſie ſich in
der Küche etwas umzuſehen, wobet ſie ein mitleidiges
Lächeln über die Einfachheit der Einrichtung nicht zu
unterdrücken permochte und ſagte; Dann will ich Zhuen
raſch die Leberknödeln machen! Lungelman fiel eine
Zentnerlaſt vom Herzen — da war die Rettung wie von
Himmel gefallen.

Schluß folgt.


 
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