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Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

DOI Kapitel:
Nr. 261 - Nr. 270 (16. November - 26. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44150#1073

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Erſcheint tagtich mit Augnabme ber Sonn- 8 —
SanmıftagsS mit Uuterhaltungebeilage Yrcis vierteljährlich
M -1.20 - odne Trägerloku u. Pofonffehlag. — —
bei den Poſtanſtalten u. bei der Expedition Zwingerſtraße?

*

Beſtellungen
den falzer Boten werden fortwährend bei
Annitlichen Boſranſtalten, bei unſeren Traͤgerinnen.
Zwie in anſerer Expedition geidelberg, Zwinger-
traße 7 entgegen ſenommen.

Der arıme Liebfnecht mit 7200 Wark. Gehalt!

Herr Liebknecht iſt der oberſte Chefredakteur oder
auf Norddeutſch geſagt: „Schrifileiter des ſozialdemo⸗
kratiſchen Hauptoͤrgans Vorwärts“ und läßt lich
jährlich mit 7200 Mark bezahlen. (In einigen Be-
richten wird das Gehalt auf 7000 M. abgerundet;
auf lunipige 200 Mark mehr oder weniger —
ja bei ſolchen Summen nicht an) Auf dem ſozial—
demokratiſchen Parteitag haben nun mißvergnügte
Rechnungstaͤthe ihre nörgelnde Stimme erhoben gegen
das üdermäßige Einkommen des „Genoſſen“ 2
Sie meinen joͤlange der Arbeiter aus feinem Schweiß
nur 1000 oder beſtfalls nur 2000 M. herausſchlage,
könneGenoſſe? Lebknecht ſeine „bequeme? Redaktion⸗
ardeit auch wohl etwas billiger machen. Liebknecht aber



uchte ſich mit der Darlegung ſeine 7200 Mark zu
retten: er könne damit „nicht einmal auskommen“,
geſchweige denn mit weniger! Es würde „ein Ver-

brechen“ ) an ſeinen zahlreichen Kindern ſein, wenn
er ſeine Arbeitstraft billiger verkaufe. Außerhaͤlb der
Vartei würde er das Dreijache verdienen können.
Die geiſtige Arbeit könne maͤn nicht ebenſo wie die
materielle ſchätzen. Diejenigen, die ihm die 7000 M.
Iicht gönnten, ſeien ja felbſt wahre „Kröſuſſe“ im
Vergieich mit den ſchleſiſchen Webern.

Ar mer Liebknecht, Du haſt ja ſo recht, D
vom /Bourgeois Standpunkt aus Aber die Ge—
haltsbeſchneider haben Recht vom ſozialdemo—
kratiſchen Ständpunkt aus. 7000 M. kannn


ohne dabei ſehr weite Sprünge zu machen Aber
immerhin fallen dabei doch eine Menge nützlicher und
angenehmer Dinge ab, die auch der Elitearbeiter ent—
dehren muß Herr Liebknecht wohnt vermuthlich weder
bi Keller, noch Hof rechts 2. Aufgang 5 Treppen
links unter dem Dache, er wird auch wöhl nicht auf
eine Küche und ein Wohnzimmer beſchränkt ſein und
ſich ſchwerlich zur Erleichterung der Miethslaft Schlaf-
burſchen halten So lange es Genoſſen“ ‚gibt, die
trotz fleißiger Arbeit ihre ſtarle Fanülie in kleinen,
unbequemen und ungeſunden Wohnungen unterbringen
müſſen, wird man das Daſein des Perrn Liebknoͤcht



für. Sigdt

nicht ganz im Einklang mit der „Gleichheit und
Brüdexlichkeit! der Sozioͤldemolraͤten findeſ!!

Die Ausxede lautet nun: „Wir leben jetzt noch
nicht im Zukunftgſtaat der Freiheit Gleichheit und
Briderlichkeit, ſondern noch in der jammervollen kapi—
taliſtiſchen Geſellſchaftsordnung, und da muß ſich
naturnothwendig auch das Leben der „Genoſſen“ nach
den Formen und Geſetzen di efer Ordnung entwickeln.“
Dieſe Entſchuldigung hat ſomit Löcher! Werden
denn im fozialdemotratijchen „ Z u Funft8{taat“
alle Leute ein ſo behagliches Leben führen können,
wie.. 28 jeßt eine Familie-mitmehr. al8 7000 Mart
Einkommen führen lann? Das Zahreseinkonimen der
Leute, die mit mehr . al8. 900 Mark Einkommen zur
preußiſchen Einkommenſteuer veranlagt ſind, beträgt
zuſammen 5 Milliarden M. Nehnien wit an, daß
die 4 bis 5 Millionen von nichteinkommenſteuerpflich⸗
tigen Familien noch etwa 4 Milliarden Einkommen
haben, ſo würden im Ganzen noch nicht gan z 10
Milliarden herauskomimen - Getheilt auch nur
Unter nux 30 Millionen Einwohner, ergibt das auf
den Kopf 333 Mark. Das wärle daͤs Höchſte,
was man ſich als „Beglückung“ des Zukunftsſtaates
denken kann; dern es ſieht außer Zweifel, daß das
Geſammtverdienſt der Staateangehörigen dann ficher!
lich nichtegrößer ſein wird als jetzt; aller Wahr—
ſcheinlichkeit wird es wegen geringerex Leiſtungen,
gößerer Verwaliungskoſten und wegen Fortfalls von
Einnahmen aus dem AuSlande vieltkeiner
werden. Alſo wenn Herr Liebknecht im Geiſte des


für ſich und jedes Familieuglied je 333 IM. jährlich


zulage bewilligen will — etwa

[ ich.

je eine Mark täg-



opfern.
Herr Singer, der Millionär, verzehrt freilich


rate, und Herr Bebel, der Inhabeteints


dasjelbe. Aber dieſe „Bourgeois“ unter
noſſen! koͤnnen ſich inimerhin damit ausreden,
ſie das Geld den Gegnern, den böſen Bourgeois“
der kapitaliſtiſchen Gefellſchaftsordnung abjagten! Herr
Liebknecht bezieht aber ſeine 7000 Nart von den
Parteigenaſſeu, aus den Taſchen derjenigen
die mit einem Bruchtheil ſeines Einkommens ſich
mühſelig durchſchlagenmüſſen! . Herr
Liebknecht ſagt: er müſſe für ſeine Kinder viel auf⸗

den „Ge—


ote

Anzeige=-Blatt für die Amtsbezirfe Heidelbeta
Labenburg, Weinbeim, Schhwebingen, Rhilippabu:

&ieslod), Sruchlal, Bretten/ Ne — —
Eberbach/ Bucher a —— — —




— — —

8
* — —
wenden, damit ſie „für den Kampf ums Daſein gut
ausgerüftet“ Jeien. Aber Haben.die ärmeren „Ge—
nDo)fen“ nicht aug Kinder und Eltern⸗
liebe? Mochten ſie nicht ailt ihren Kindern eine
Erziehung geben, die ihuen ermöglicht, etwas Beſſeres
zu werden als ein gewoͤhnlichet Handarbeiter? Mit
welchem Rechte verlangt Herx Liebknecht eine be⸗
vorzugte CErziehung für.fe.ine Kindeir? 8
ſozialdemoͤkratiſchen Staat ſollen jaralbe Kinder
gleichnäßig erzogen werden; nur die
perſönlichen Eigenſchaſten des angehenden Staats⸗

fklaven, nicht die Stellung oder die vuiiel der Eltern
ſollen in Betracht komuen Im „Zukunftsſtaat“

wird das Kınd des Vräfidenten mit dem Rinde ſeines
Zhürfteher. in derfjelben :Anftalt--al8 ganz
gleichberechtigtzu erziehen ſein! Jetzt aber
vill Herr Liehknecht das Geld, das ihn die- är mere n
Barteigenoffenikeferon, dazu benutzen,
um ſeinen Kindern eine Erziehung zu geben;. Ddie
ſie befähigt, die Kinder der „Genoſſen? im Kampfe
ums Daſein unterzukriegen! Herr Liebkuecht d e utt
und handeltalſo ghne Zweifel gar michteſoe
zialdemokratiſch.

Edenſowenig iſt es ſo zialdemotrati ſch,
wenn er für die geiſtige Arbeit höhren Lohnſatz ver⸗
langt. Im „Zukunftsſtaate“ iſt ein Privilegium der
Lopfarbeiter garnicht dentb ar Ehet toanie
man dort den ſchweißtriefenden Handarbeitet debot⸗
zugen, indem man ifm 1'/2 oder 2 Bortionen in der
Staatsküche verabreichen laßt, weil der Grobichniied
und dec Steinklopfer mehr Nahrungoͤſtoffe verbrauchen
als der geiſtige Arbeiter, der ſich leider ja auch weni—
ger Bewegung machen kani als Zuͤer! Schließlich
müſſen wir noch ein Fragezeichen machen zu der Be⸗
lauptang Liebknechts, daß er außerhalb Dder
Partei das Dreifache verdienen könnte Kein
Verleger eines „Bourgeois“: Blattes würde Herrn
Siebtnecht 7000 Mart FaHresgehalt zahlen. Alle
Achtung vor ſeinem Wiſſen;' aber wie die meiſt recht
ſchwachen Leiſtungen des Vorwaͤrts“ zeigen, iſt
Liebknecht kein Redakteur erſien oder auch mur zweiten
„Außerhalb der fozialdemokratiichen Bartei“
iſt der Kampf ums Daſein in mancher Hinſicht


Möge er ſeine 7200 Mark weiter genießen; wir
zönnen es ihm, obwohl wir ſchlimiuͤe Bourgeois⸗
ſind und bei weitem ſoviel Gehaͤlt nicht beziehen wie
er. Aber wir würden uns ſch ämen „weun wir
als „Bourgeois“ oder als Sozialdemokralen! eiren
ſo ſchreteuden Kontraſt Jebten zwiſchen



Das verlaſſene Gaſthaus.
40) von A. K. Green.
Damit zog ich mich zurück und ging meinen Geſchäften
iach.

Als ich mich eine Stunde ſpäter durch die obere Halle
na meinem Zimmer begab und an Madames Thür vor-
beifanı, ging Ddieje plößlih auf und ihre weidhe Hand be-
rührte meinen Urm.. * ;
> „ „Entichuldigen Sie, Frau Truar,” ſaate ſie, meine
Tochier iſt fehr aufgeregt üher die, Geſchichtẽ, die Sie uns
Unten erzählten. Sie findet fie ichauerlicher als eine Ge-
werſtergeſchichte und meint die juͤnge Frau immer vor fich


fürchte, e& wird ihrer Gejundheit jhaden, wenn fie ihre


fann. Bitte, jagen Sie mir, ijt die Gejchichte wahr, oder
häbenb * 2— nur zur Unterhaltung der Gefellſchaͤft
erfunden?“ —
4 Ich lächelte gleich ihr und ſah Madame feſt in die
Augen

dbhxe Tochter braucht ſich nicht zu beunruhigen,
Jagte ibcb‚ * ijt‘ nur eine auSsgedachte Gejdhichte. Ich
1a9, Ddie Herrichaften wollten ettwas Schredlihes hören
und da thHat ich ihHnen den Gejallen. Nie Wwürde ich
ä’„ml“flä von meinem Hauſe erzählen, wenn e€e3 wahr
ärel“
rd liegt der Geſchichte nichts zu Grunde iſt ſie einzig
— 8 ihrer Zantaͤſie geſchöbft?
‚. Mit dem leichten Ton in dem fie ſprach dachte ſie
(L 3zu täujchen, aber ich Hörte deutlich ihre Angit heraus.
€ {ag jedoch nicht in meiner Abjicht. fie daz merken zu

2 ich s habe ich nie einen
aate ich ſo unbefangen, als habe ich
⏑ gehabt, „eS mwird mir nicht |hwer,
Seidicdhten zu erfinden. Natürlich iſt nichts Wabres daran
würde mich ja in meinem eigenen Hauje fürchten, wenn
2





etivas darin zugefragen hätte. Zür mich müſſen die
Nge Mar ieit? wte * Tag; alles Geheimnifvolle ift f
Ur ein —

Sie lachte, aber es klang — „Ich dachte
mir gleich, daß es keine wahre Sejchichte jei, aber ſie
hätte ſich doch auf traͤend eine Sage odex Fabel gründen
fönnen, auf ein altes Weibermärchen oder eine geheime
neberlieferung, die Sie mit dem Hauſe zugleich über—
kommen . haben,“ ? }

Ich. ſchüttelte den Kopf und ſaate gelaſſen:

„ 30 fraue mir genug Erfindungsgabe zu, um etwas
Beſſeres auszudenken als alte Beibergeſchichten, wenn ich
meine Gaäͤſte damit unterhalten kann Seien Sie verfichert
daß nichts Wahres ah der Sache iſt.“

Sie erheiterte fid fichtlih. E& war,
ein ſchwarzer Schleier von ihrem Antlitz

„Meine Tochter wird ſehr froͤh ; i
noch ſehr jung und zartfühlend, alles Trauxige ſchmexzt fie
tief. Beiten Dank, + rau Truax, ſchlafen Sie wohl.“

Auch ich wünſchte ihr aute Nacht und wir zogen uns
in unſere Zimmer zuruͤck Wüßte ich nux was für Ge⸗
danken ſie bewegten; die ihrigen waren mir ebenfo ver-
borgen als die meinigen ihr
Den 9. Ofktober 1791. _

Madame nennt ihre Tochter -
wir Fennen diejfen dahır nicht. Das 1
ſich darüber und die jungen Leute rathen Hın und her,
wie ſie wohl heißen mag. Mir koninit es auch ſehr
jonderbar vor, denn e& Mingt, ganz unnatlrlich, wenn
eine Mutter ihx Kind immer Mademwijelle nennt. Doch
möchte ich noch lieber den Ranei der Muiter wijjen.
Am Ende iſt fie gar nicht ihre Mutter. IhH hoffe das
manchmal, wenn ich an ihr Intereſje füx das getãfelte
Zimmer denfe, Weidhe Frau würde ihre Tochter mit der
Gefahr in Berührung bringen, Ddie dort für ein junges,
unjchuldiges, vertrauensvolles Wefen verborgen liegt?
Aber hat fie auch wirklih das Interefie an dem Zimmer.
velches ich ihr zutraue? In leßter Zeit ift mir nichts
aufgefallen. was meinen Argwoßn beftätigte und vielleicht
berüht alles auf eineni Frrthum.

As ſei plotzlich
gezogen worden.
daruͤber ſein; fie iſt

nie beim Vornamen;
ganze Haus wundert




}
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NeunzehHntes Kapitel.
Nach Mitternacht in der Halle.
Den 10 Oktober 1791

Nein, es war kein Irrthum. Madame hegt nicht
nur ein großes Inteceffe für das Eichenzimmer, jondern
ſogar die ernſtliche Abſicht dort einzudringen. Micht zu-
frieden damit, in den Sängen, die dahin führen, auf und
ab zu wandern, hHat He geftern früh verfucht, Ddie Thüre
zu oͤffnen. Als das Mädcheu jie dabei betras und höflich
fragte, ob jie jemand Juche, hat fie erwidert, ſie wolle in
Wohnzimmer, welches beiläufig geſagt, auf der entgegen⸗
gejeßten Seite des Hauſes liegt. Und das iſt nicht ales
Als ſich leßzte Nacht nach anſtrengender Taͤgesaͤrbeil endlich
zur Ruhe gefommen wat und eben einfolafen wollte, hörte
ich ein leiſes Klopfen an meiner Zimmertbür. Ich ſtand
auf öffnete und ſah zı meinem Critaunen Madenroiſelles
ſchlanke Geſtalt vor mir ftehen.

„Verzeiben Sie, daß ich Sie ſtöre,“ ſagte ſie in ihrem
reinen CnglijH — e {prechen beide die Sprache ſehx gut,
nur mit etwas fremden Mccent. „Ich made mir Sorge
em meine Mutter, fonit hätte i Sie nicht gewedt. Wir
jind geltern zujammen |chlafen gegangen, aber al i vor

einer Weile aufmwachte, ivar jie von meiner Seite —
ſchmunden Ich habe fange gewärtet, Ddoch Ii ſie nicht
wiedergekommen Ich fühle mich nicht wohl und Bbin 1o

ſchreckhaft — hu, wie kalt es ift.“ —

Ich zoa ſie zu mir herein hüllte ſie in ein Tuch und
geleitete ſie dann in ihx eigenes Zimmer zurüg.

„Ihre Mutter wird nicht lange fortbleiben,“ beruhigte
ich ſie Wahrſcheinlich hHat fie nidht jglafen fönnen und
geht unten in den Hallen etwas auf und ab.“

Das iſt möglich, denn ihr Morgenkleid und ibre
Bantoffeln .. jind nicht da. AWber ſie hat das noch nie ge-
hier in einem fremden Hayje.“
Ein leichtes Zittern übertam jie; ich beredete ſie, ſich wieder
zur Ruhe zu legen und figte noch einige beſanftigende
Worte hinzů Da jchien das ſchöne Mädchen allen Stolz

ſ jeufste . tief auf und fülang ihre Arıne um

zu vergeſſen, ſie j
meinen Hals
Gertſetzung felgt)


 
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