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Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

DOI Kapitel:
Nr. 121 - Nr. 130 (29. Mai - 10. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44150#0507

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Erſchein tägtich mit Außnahme der Somn- und Feiertage
Samfiags mit Unterbaltungsbeilage. Preis vierteljahrlich
ME 1.20 ohne Trägerlohn u. Voſtauffchlag Beſtellungen
dei den Poſtanſtalten n. bei der Expedition Zwingerſtraße 7.





für



Verantwortlicher Redalteur:
Julius Jecker in Heidelberg.



CD &

Be ſeelluugen
an en „Afälzer otem““ werden fortwaͤhrend bei
jämmtlichen Boftanftalten, bei unjeren Tragermnen.
(nidie in anſeret Erpedition Heivelberg, Zwtuger⸗
xraßtze 1 entgegen jenommen.

Berlag Des „Pfälzer Bote.“
— ———

Itotto: „Teufelageſchichten ſind





An zeige⸗Blatt für die Amtebezixle Heidelberg
— Weinbeim, Shwegingen, Phiippeturg,
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Nedargemäünd, MoSbach

herbach Buchen Walldürn T-Biſchofsh, Werheim ze.

Druc, Lerlag u. Expedition von Gebr. guber 7 C 7
in Heidelberg, Z3wingerſtraße 7. 4 ſhtg.



jene Frage zu rechtfertigen. Denn eixe Weltanſchauung,





aus Pietät, aus



und gründlich aufzuräumen.“
ROln 831

g Wo die erhabenſten Glaubenslehren abfihtlich
Verfannt und verworfen werden, wo die ſittliche Selbſt—
beherzichung als kuechiliche (jervile) Berdummuag gilt,
wo die Zahl der Namenchriſten überhand nimmt,
welche die Wahrheit iäugnen, den Weg verabſcheuen,
das Leben micht wollen, da können nur Lüge, Irrjal
und Todesmächte vorwalten; da gewinnt der Mörder
von Anfang her wieder Boden, da findet er die
Waffen, die iın entriffen worden, wieder vLr, ' Uum
al8 der Starke und Bewaffnete den wenig bewachten
und ſchlecht vertheidigten Vorhof wieder in Beſitz zu
nehmen.

Sder hat er vielleicht als ein ſchlauer Feldherr
ſeinen Vortheil bereits erſehen? Iſt er etwe in das
(mit dem Bejen der negativen Kritik) ſorgfältig axs⸗
gekehrte, van Vorurtheilen gereinigte, mit alen Zierden
Roͤberner Cultur geſchmücktẽ Haus wieder eingezogen,
und hat noch ſieben aͤndere boͤſe Geiſter mitgenommen,
die ſchlimmer ſind als er? Wenigſtens ſcheint die
Thatſache dafür zu ſprechen, daß der Aberglaube des
alien religibſen Heidenthums den Gipfel der Verkehrt⸗
beit nicht erteichk hat wie der Uuglaube des neuen
Heidenihums, das jede Spur von Religign als Schlacke
aͤusgeſchieden. Wenn übrigens eine Frage der Art
nur Entrüftung oder im beſten Felle das Lacheln des
Mitleids hervorruft, wenn die gebildete Welt es un
begreiflich findet, wie man in der ſchattenloſen Halle
der auͤfgeklärteſten aller Zeiten noch von der Perſön⸗
lichkeit kines böſen Geiſtes zu reden, wage, ſo liegt
gerade in ſolchen Aeußerungen ein Grund mehr, um



Das ge c$05.

4) Original-Novelle von Leo Wer n er.
Nachdruck verb.)

Freilich ſolch ein Mittel, wie er eS eigentlich gewünſcht
hätte verniochte der ſonſt ſo findige Commerzienrath heute
nicht zu finden, denn das Verſprechen, welches er dem
iOlauen Buchhold hHeute gegeben, Iaitete nun doch wieder
wie ein Al auf jeiner Bruit und machte ihn dem Sohne
gegeniiber 4 und zaghaft. AWber die eijferne Nothwen-
digkeit zwang Malten, doch wenisſtens einen Verſuch zu
machen, um den ZSoͤhn in Buchhold3 Sinne, Dder ja auch
eine ficf)ere Rettung von einer der Malten ſchen Fahrik dro⸗
44 — bot, zu beeinflufjen, und er faßte jeinen

ntſchluß.

564 heute Nachmittag wollte ſich Malten übrigens
nach dem Hülſemannſchen Bergwerke begeben, um die
Groͤße des durch den Schachteinſturz herbeiheführten Scha—
denz zu prüfen, denn vielleicht hatte der verfhlagene Buchhold
aus nahe SGründen das Unglüt Hüljemanns
übertrieben, und dann war ja leicht ein ganz anderer Aus-
weg zu finden. —

Der Contordiener trat jetzt ein und meldete, daß ein
alter Arbeiter, der Majchinenjchloffer Engelhard, um eine
Unterredung mit dem Herrn Commerzienrath bitte. E3 fei
eine eigenthümliche ?lngeiegenfgett‚ in welcher nur der Herr
Commerzienrath jelbft hHelfen Könne. . \

Malten befahl dem Diener, Dden Arbeiter eintreten zU
Casfen, und bald jtand ein älterer, reipectabel ausiehender

anı in. blauer Arbeiterbloufe, vor den %ablrtfherm.
‚WaZ wünfdhen Sie von mir En elhard?” frug Malten
Wenn ich wrathen odex helfen
aͤber faſſen Sie ſich kurz, denn lich

n

n herablaſſendem Tone.
Tanın, jo ſoll es geſchehen,
habe heute wenig Zeit“

„‚Herr Commerzienrath, ich wollte Ihnen nur melden,
daß jich in dem @e?angnereine Concordia, welchen, wir Ar-
beiter unter- gütiger Beihilfe unjerer: Herren Principale _ ge-
Haben, ein ganz grober Mißbrauch mit den Ueber⸗
chuͤffen der — erbeiträge eingeichlichen hat.“

„Was muß ih hören?” frug Malten erſtaunt. „Hat





und gerade dieſe


erwartet.

Wir wollen, um uns dieß an einem Beiſpiele zu
erläutern, auf den Normannenkönig Hadding zurück—
blicken,

zum ferneren Widerſtande, je mehr es den Anſchein


ſei.
Pfeile ſchwirrien nimmer in ſolcher Zahl über die
Waͤlle herein, die Sturmböcke ruhten, an den feind—
lichen Wachen war auffallend genug ein Ausdruck von
Niedergeſchlagenheit zu bemerken. Bald hörten die
Kämpfe gänzlich auf, und ein Gerücht,. das immer
an Sicherheit gewann, erzählte, daß Hadding bedenk—-
lich erkrantt ünd für ſein Aufkommen ſehr geringe
Hoffuung übrig ſei. Die Noxmannen jchienen in
Fraͤuer verſenkt/ die Lunianer jubelten. Endlich ritt
ein Herold heran. der die Kunde brachte, daß der
König geftorben jei, nachdem er letztwillig den Wunſch
erkiärt, in der Kathedrale der Stadt feierlich beigeſetzt
zu werden, zu welchem Ende er, falls ſeinen Waͤnſche
willfahrt wuͤrde, ſowohl für die Kirche als die Armen—
und Siechenhäuſer ſehr bedeutende Legate angeordnet
habe. In Kurzem haite man ſich beiderſeits über den


bereitungen vereinigt; eine Seitenpforte wurde auf⸗
gethan: im Geleite der vornehmſten normänniſchen
Ritter, umgeben von einer großen Schaar von Bür—
gern init brennenden Fackeln war die fürſtliche Bahre


altars niedergeſetzt, als der Deckel vom Sarg herab-
flog; in voller Rüſtung ſprang Hadding mit blankem
Schwerte aus demſelben in den Kreis ſeiner Ritter,
die ebenfalls von ihren verborgenen Waffen Gebrauch
maͤchten; andere Schaaxen drängten zur Pforte herem;
nach kurzem Widerſtande war der Platz erobert, und
Haddings Leichenfeier für die Bürger von Luni das
Leichendegängniß ihrer Freiheit lgeworden.

Wenn nun dieſer ſchlaue Normanne den Sieg da—
durch gewann, daß er ſich für todt ausgab und ſeine
Lüge vollen Glauben fand, ſo war dies eine Kriegs—
liſt von welcher, den Bürgern dieſer Welt gegenüber,


keine aͤndere Macht beſitzt,

Jemand Unterſchleife verübt. *

Rein, foͤlche Dinge fanden Gott ſei Danf nicht ſtatt,
fuhr der alte Mann fort, „aber einige der jüngeren Mit-
glieder find auf die tolle Idee gefommen, Ddie circa 200 W.
jährlichen Neberfchuß zum Anfoufe eines Lotterielooſes zu
benugen und die Mehrheit Dder Mitglieder hat dem VBor-
jchlage zugeftimmt. Heißt Das nicht in unjinniger Weife
unjere Kerengkaſſe ſchädigen? Sinen größeren Gewinn
werden mir Ddoch nicht machen und Jollte dennoch ein Ge-
winn gemacht werden, fo geht er in hundert und drei und
pierzig Theile und da wird auf den Einzelnen nicht viel
fommen. - Außerdem iſt zu befürchten, wenn ein größerer
Gewinn auf daz Vereinzloo3 fallen {ollte, jo werden wohl
viele Arbeiter Dda3Z gewonnene Geld zu allerlei Zollheiten
mißbrauchen, Jodaß hinterher der Schaden größer ſein wird
al3 der Nugen. Der wahricheinlichite Jall aber wird der-
jenige jein, DaB Das Vereinslos nicht gewinnt, denn eS find
doch erjchrecklich viele Nieten in der Lotterie, und Ddann ijt
doch eine Hübjhe Summe vergeundet.“

Betroffen und mit. wachſendem Intereſſe Hatte der
Commerzienrath auf dieſe Worte des ſchlichten Arbeiters
gehört und in jeltjamem Tone frug er:

Aber was ſoll ich dabei thun um die Leute von dem
— ein Lotterielvo3 zu Kaufen, abzuhalten ?“

‚Yan, Herr Commerzienrath, Ihre Meinung und Ihr
Rath gilt noch ettwas bei vielen Arbeitern, und wenn Sie
die Güte haben wollten, den Leuten das Ihörichte Ihrer
Abficht Har zu machen, jo Fäme der Entſchluß vielleicht ins
Schwanken. Außerdem hHätten Sie au ein Machtmittel,
am den thörichten Entjhluß rükgängig _ zu machen. Sie
jpendenm aroßmüthig Beleuchtung und Heizung für den
Saal.an Bereinsabenden der „Concordia” und Sie fönnten
Srohen, dieje Wohlthat dem Bereine Künftig entziehen zu
mwollen, wenn er foldhe thHöridhte Beſchlüſſe —

Der Commerzienratherwiderte darauj — „Ich
verftehe ja Fhre gute Abfjicht, lieber alter Engelhard gber
ich fihle mich doch nicht befugt, in Dder eines Vor⸗
mundes mich in die privaten Angelegenheiten meiner Ar-
beiter zu mijchen, ich wiürde da mur böfes
Wollen die Leute ihr Glüc in der Lotterie verfuchen, {0

als die,


Verblendung und Sünde der Menſchen in die Hand
gibt. Zu allen Zeiten ward die Kirche von ihm an—
zefeindet und belauert ſo daß viele ihrer Mitalieder
und Streiter in ſeine Fallſtricke geriethen; allein wenn
der früheren Geſchlechter





ſo gingen ſie doch
mehrentheils nur aus der Aufwallung heftiger Leiden—
ſchaͤften, nicht aber aus völlig verkehlten Grundſätzen
hervor. Man ſuchte das ſittlich Böſe nicht aus der
oder aus


/
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waren die Menſchen nicht bis zur Stafe der jetzigen
Geiſtesbildung herabgeſchritten, um in dem Schim—
panſe ihren nächſten, nur tiefer ſtehenden Naturver⸗
wandten zu ſehen. Der Glaube an den Erlöſer und
den ſie grundſätzlich nie verleugneten,
erhielt ſie für die Einwirkung der Gnade, für Reue
und Buße empfänglich, und bahnte ihre Wiederkehr
an für das Reich des Lebens.

So war es durch eine lange Reihe von Jahr⸗
hunderten geblieben, bis der Geiſt der Lüge durch
mancherlei Helfershelfer, unter denen Giordand Bruno
ſo viel zähit als Bolingbroke, Diderot und der deutſche
Reimaruͤs, ein ähnliches Gerücht ausſtreuen ließ, wie
aus ſeinem Laͤger jener normanniſche Koͤnig. Zuerſt
wurde er als kin hinfälliges Wahngebilde geſchildert,
das ſchon im Erbleichen degriffen, als ein Schatten,
den das Licht der Vernunft zerſtreuen müſſe, und es
blieb dem billigen Ermeſſen freigeſtellt, ob er der
Böſe, oder nicht vielmehr (abſtrach) das Boͤſe zu
nennen ſei: zuletzt war kein Zweifel übrig, daß er


geſchieden, und mit ihm alle die alten Vorurtheile


denn billig ein großes Feſt gefeiert. Die ſtarken
Geiſter aus der alien Deiſtenſchule, die Rationaliſten,
die Pantheiſten und ſogar die Polytheiſten Mona—
diſten), die Vorkämpfer des abſoluten Begriffs,
die ſämmtlichen Radikalen und Lichtfreunde begleiteten
den Zug mit den Pechfackeln ihrer naturwüchſigen
Vernuͤnft; die Sänger aus den Dichterſchulen von
Heinrich Heine, Schefer und Sallet ſtimmten ihr Lihera
aͤn; unter dieſem Pomp wurde der Satan odex Po—
panz, den eine ſtupide Vorzeit gefürchtet, als ein
Ueberwundener und Todter von den freien Gemeinden
ins Heiligthum des neuen menſchheitlichen Gottes—



manitariern feierlich in die Nacht

des Aberglaubens
begraben.





mögen ſie es thun. Verliexen ſie das Geld,, ſo wird ſich
woͤhl nächſtes Jahr keine Mehrheit in dem Geſangvereine
für den Ankauf eines neuen Loaſes finden!

Der Lommerzienrath wandte den alten Engelhard
jetzt den Kücken Brummend pexließ verſelbe das Zimmer
und draußen ſchimpfte er weidlich üher die Thoxheit ſeiner

Gengſſen, welche für das erſparte Geld der Vereinskaſſe
ein Lotterieloos kaufen wollten.
* *
*

„Sonderbar, jonderbar,“ murmelte der Commerzien-
vath, al3 er eine hHalbe Stunde ſpäter wieder ſeiner Villa
zuſchritt „die Leute verfuchen genau wie ich ihr Glück im
Spiel, Mammern ſich an eine unter Umftänden fehr trüge-
rijche Hoffnung Dieſe Neigung muß tief in des enſchen
Bruft liegen, und zuweilen, fich mächtig regen. € iſt ja
gich erklaͤrlich, denn man fucht eben mit dem Glück das
Unglück zu betamien. aber welch ein Unterſchied Liegt doch
nicht in den Verhältniſſen der einzelnen Spieler! Hewänne
ich zum 27 das große Loos, ſo würde es mich wieder
um reichen Manne machen, und ih fönnte auch meinen
Mitmenſchen viel nützen, gewännen die Axheitex aber das
große Qo03, ſo würdẽ wahrſcheinlich noch kein einziger von
ihnen wohlhabend davon werden, denz der Gewinn müßte
an hundett und drei und vierzig Mitaliedex verxtheilt
werden. Ich hHabe allerdingS auch einen weit aroͤbezen
Einſatz rtiskirt. als die Hundert und drei und vierzig Ar⸗
beiter zujammen. E3 gleicht ic eben in der Welt Alles
aus, guch NRififo und Gewinnausfichten:“ ;

Naͤch jeiner Rückkehr in die Billa begab fihH Malten,
welcher jeit elf SJahren Wittwer war, na der VBerande
jeine® Gartens. Dort in einer ftillen, lauſchigen Ecke
juchte er feinen Geiſt zu Jammeln, um Den_ aufregenden
Scenen, die bald zwiſchen ihm und ſeinem Sohn Ludwig

flattfinden mußten/ gewachſen zu ſein.
ortſetzung folat.


 
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