Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

DOI chapter:
Nr. 271 - Nr. 280 (27. November - 8. Dezember)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44150#1109

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
.

ä\!%?'
berg,
alı. 79

2

uſtraß
biermit

82
e au

[PI,

e Aus

Plüſch⸗

zpiege!

AA





2












Enſchein eaglich nn gausnehme ber Somns und Feiertage
Semfrags: mit. Unierhaltungsbeilage.“ ‚Breiß wiertel;ährlich
M, 1.20, vOne Zrägerlohn u. Voſtaufichlag Beftelungen
bei den Boftanfialten m. Kei ber Expedition Zwingerfraße 7,

——

Berantwortlicher Redatteur:

D A an 4
Beſtelluugen
cr% ben „Wiälzer Bogen*“ werden fortwäͤhrend bei
twtlichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen,
rwie in aͤnſerer Erpedition Heidelberg, Zwinger⸗
— 7 entgegen enommen

in Zriumpb des Yntilemitismus.

Eine, einer größeren Anzahl von Zentrumsblättern
zugehende Korreſpondenz ſchreibt über die Wahl in
Friedeberg· Arnzwalde:

Die Wahl in Friedeberg Arnswalde wird zunächſt.
dahin erörtert, ob die koͤnſckvative Partei oder die
freiſinnige Partei die gr ößere Niederlage erlitten
habe. Man ſollte aber vor Allem nicht außer Acht
laſſen, daß die Regierung eine ſchwere Niederlage
erlitten hat Der erſte Wahlkreis des Regierungs—
bezirks Frankfurt a d. O. gehört trotz des vorüber⸗
gehenden Erfolges v. Forckenbecks zu der großen
Maſſe der gouvermentalen Wahlbezirke des Oſtens.
Der konſervative Kandidat war der Regierungskan—
didat Wenn die neumärkiſchen Landleute dieſen
Vertrauensmann der Regierung und des grundbeſitzen⸗
den Adels links liegen laſſen und in helleu Haufen
einem Berliner Hetzer zulaufen, der mit den Mili—
tärbehörden in ſcharfer Fehde liegt, ſo iſt das ein
ſehr bedenkliches Zeichen für das Anſehen und das
Vertrauen, das die Regierung dort genießt.

Der Erfolg Ahlwardts bekundet eine tiefgehende
und weitgreifende Unzufriedenheit in Kreiſen,
die man bisher für ſehr genügſam gehalten hat, und
iſt ein neumärkiſches Seitenſtück zu dem oberbayeriſchen
Erfolge des Dr. Sigl, der in mehr als einem Punkte
privaier und öffentlicher Art dem Rektor aller
Deutſchen? ähnlich iſt. Aus dem Kelheimer Falle
haben wir mit Recht nicht bloß Lehren für die be—
theiligte Partei, ſondern auch für die Regierung ab—
geleitet. Wenn man ins Einzelne geht, ſo
eine ganze Reihe von wahrſcheinlichen Verſtimmungs⸗
gründen zum Vorſchein: das Klebegeſetz, die Herab⸗
ſetzung der Getreidezölle, die ſtete Erhoͤhung der
Sieuern und der Militärlaſten ec. Dieſe Einzelheiten
genügen aber nicht zur Erklärung ſo ganz ungewöhn—
licher Wahlereigniſſe, wo plötzlich eine anrüchige
Perſönlichkeit, die außerhalb des normalen Partei⸗
lebeus ſteht, auf den Schild gehoben wird. Es
müſſen da ſo viele Enttäuſchungen und Aeegerniſſe
zuſammengekommen ſein, daß die Leute gleichſam in
einen Zuſtand politiſcher Verzweiflung gerathen und
aus peſſimiſtiſcher Wuth dem ärgſten Maulhelden ihre







füc Stadt

8

Stimme geben, damit er „es ihnen mal ordentlich
gibt“, d. h. der Regikrung ſowoyl wie dem Reichs⸗
tage.

In Sachen der Kelheimer Wahl konnte mau
das „partikulariſtiſche?, preußenfeindliche? Moment in
Betracht ziehen! In Arns walde leben nur ein—
gefleiſchte Preußen; die Berliner Regierung muß
dort einen großen Fonds alter Sympathien verſcherzt
haben, ehe die Hälfte der Wähler auf den Gedanken
kommen konnte, ihr den „Iudenflinten?- Mann auf
den Hals zu ſchicken.

Der Antiſemitismus hat ſeine Wurzel in
wirthſchaftlich ſozialen und ſſittlich—
religiöſen Nißſtänden, ben denen man Leuͤte
jüdiſchen Stammes in hervorragender und auffallen—
der Weiſe betheiligt ſieht. Die Zuſpitzung der Agi—
tation einzelner Perſonen iſt weder dernüuftig noͤch
chriſtlich; der Drang nach Beſſerung der fraßlichen
Zuſtäude aber iſt ſittlich und politiſch voll—
auf berechtigt. Das Heilmittel gegen die Aus—
ſchreitungen des Antiſemitismns iſt
und kluge chriſt lich ſoziale Reformpolitik
Dazu ſind Anläufe in ſchönen Worten und vereinzelten
Thaten gemacht worden, aͤber das Volk hat neuer—
dings, nicht ohne Grund den Eindruck des Rück—
Im Großen
wie im Kleinen. Zu den gefährlichen Kleinigkeiten
Ahlwardtſchen Verleumdungen, die Unregelmäßigteiten
in der Rantener Angelegenheit. Zu den großen Fehlern
die Kapitulation vor dem mitttelparieilich juͤdiſchen
Rütlibunde, die Schwenkung in der Sozialpolitik,
die bei der Berathung des Berggeſetzes ſo deutlich
hervortrat, der Mangel an Entſchlofſenheit gegenüber
den großen Bank⸗ und Boͤrſenſkandalen, wo das Volk
mehr verlangie, als eine langweilige Enquete. (Unter-
ſuchung.)

Der Antiſemitismus
für die übrigen Parteien

wird

und für die Regierung.



ote

C Anzeige:B{uit für die Amtsbezirke Heidelberg,
{L Endenburg, Weinheim, Schwebingen, Philippaburg
Wiesloh, Bruchfal, Bretten, e trgemüänd, Mosdag
— — — 8h., Wertheimac,

—⏑ u. Expedition von Gebr. guber j
| in Geidelberg, Fwingerfrake 7, i 2 ° n’bm

iſt, dann gehen ſie zum großen Theil einen Schritt

weiter und ſagen mit der Sozialdemoktatie: Alles
muß verruinirt werden!
Der konſervativen Partei gibt man nun


vielfach den Rath, recht ſcharf antiſemitiſch zu Wet-
den um den Ahlwardt und Genoſſen den Rang ab—
laufen zu können Aber das Mithetzen wäre mnicht
der richtige Weg; ſie muß das poſitive Hett—
mittel, die chriſt lich ſoziale Reform, kraͤftig
und vor Allem in volksthümlicher Weiſe her—

vorkehren, eine impoſaute Volks partei werden
und bleiben. Die Regierung jedoch muß zur



{

Beſchwörung der Gefaht in dem bisher ſo fügfamen
Oſten die Hauptſache thun. Sie muß die mittel—
parteilichen Schwachheiten und Unktarheiten abſtreifen,
ſie muß nicht bloß den rechten Weg einſchlagen, fen—
dern auch wieder zeigen, daß ſie den Willen urd
die Kraft hat, bis an das Ende gerade aus
zu gehen, ohne ſich durch Rütligeſchrei oder Drob—
ungen von Großunternehmern irre machen zu laſſen.

Aber was können ſolche Erwägungen helfen in
dem Augenblick, wo die rieſigen Militärforderungen
die ganze Zukunſt „kritiſch' erſcheinen Taffen, uu
dieſe Unſicherheit den Eindruck der neuen Laſten
verſchärft!? —



Deutſches Reich.

* Berlin, 30. Nov. Das Centrum hat be—
ſchloſſen, eine Kommiſſion zu bilden, die überlegen

ſoll, wie am beſten die Fragen der Handwerkerkam⸗
mern, des Lehrlingsweſens, des Befähigungsnachwei—
ſes und des Hauſirhandels wieder im Reichstage zur
Verhandlung gebracht werden könnten Die Fruge
des Hauſirhandels wird wahrſcheinlich durch Einbrin⸗
gung eines beſonderen Geſetzentwurfs erfolgen. Wegen




Sie iſt freilich nicht
freundlich; aber
Profit zu bolen.

antiſemitiſch, vielmehr juden:

Die Ausſchreitungen, an denen die

keit der „kapitaliſtiſchen Geſellſchaftsordnung“ und
die leidenſchaftliche Hetze der Antiſemiten beſorgt die
Vorfurcht für die Sozialdemokratie. Denn wenn die
unzufrieden gemachten Elemente erſt ſehen, daß mit
dem planloſen Feldzug gegen die Juden, wie ihn die
Antiſemiten betreiben, auch nichts Rechtes zu gewinnen


Ebenſe wird
in den Kreiſen des Centrums die Frage erwogen, wie
den Schwindelausverkäufen und ſonſtigen Mißbräuchen
im gewerblichen Leben wirkſam entgegengetreten wer—
den kann. Wahrſcheinlich wird zunächſt verſucht
werden, eine Beſchraͤnkung des Gewerbebetriebes durch


Konkurſes beſtraft worden ſind, beſonders ſchlimme
Konkurſe oder mehrmals Konkurs gemacht haben.
»Berliu, 30 Nov. Im Reichstage iſt der frü⸗
here Antrag auf Einführung der Berufungsinſtanz in
Strafſachen erneut eingebracht; er wird von juriſti—
ſchen Autoritäten lebhaft unterſtützt. Nun bat, ſo
wird offiziös geſchrieben, die preußiſche Regierung





— — Gaſthaus

49) von A. K. Green.
Ein Ereigniß, Honora? fragte Madame.
Ja, Mama. Erinnerſt Du Bich des Tages, als Du

mich in Cecilies Begleitung zum erſtenmal zu Madame
Douay ſchickteſt, die mir Unterricht im Tambourinſticken
geben Jollte?“
Ob ich mich des Tages exinnexe? Des ſchrecklichen
Tages, der Dir fajt den Tod gebracht hHätte, da das Haus
auiammenitürfite, in dem Du Dich befandeſt und “
„Ja, ia Mama, und als ich heimkam war ich ſo bleich
— Du glaubteft ich ſei xerletzt und verloxſt die Beſinnung
vor Schrecken, bis ich Dich mit meinen Küſſen wieder juoͤ
Leben rief. Wohl war ich verletzt, aber nicht wie du
Mmeintel, Mama: mein Herz war gefroffen, eS Hatte eine
MWunde erhalten, Ddie niemal8 hHeilen wird — Ddie GOrdße,
GSuüte und edelmüthige Selb{tverleugnung des Marguis
hatte fie mir gefhlagen.” — —
„Und davon haſt Du nie etwas erwaͤhnt, Henorg?“
S derzeih verzeih Mama, ich konnte es nicht. Gewiß
ich hatte fein Unrecht im Sinn., Denke an Deine eigenen
Sefühle, alz Du Bapa zum erftenmal jahit und Du wirſt
mich verſtehen.“
Die Mutter machte eine haſtige Beweaung. „Weiter,
weiter rief ſie, erzaͤhle mir, was geſchehen iſt, laß mich
alles wiflen.” —— ;
„Wie Du zitterft,. Mamna, hier i{t ein Tuch, ich will
Dich hHineinhHüllen, damit Du Dich erwärmift.” ;
„Nein, -nein, mir ift nicht kalt, ich hin nux ungeduldis
Sprich weiter, Find wie fam e3, daß Du den Marquis
an jenem Orte trafſt?“ *
„Durch. eine wunderbare FJügung, Mama. —
und ich waren aus Irrthum ftatt in den vierten Stock.
Wo. der Unterricht ertheilt wird, in den fünſten gegaugen
wo Madanıe Douay3. Privatwohnung iſt Das Mädchen
Hafte - ung8 eingelafien. und. wir . jaßen am Fenſter und
Warteten, aber niemand fam. Während wir un$ noch
darüber... verwunderten, . vernahmen wir plötzlich verſchie⸗
dene Stimmen, deren Laut aus dem Zimmer über uns


dort oben ein ſchauerliches Drama abzuſpielen, daß wir
444 auf die Worte lauſchten und aͤlles andere darüber
vergaßen.

Zwei Männer waren in eifrigem Geſpräch. Beide
jung, wie mir ſchien; die Stimme des einen klar und
wohllautend die des andexn ſcharf und ſpöttiſch. So ver⸗
ſchieden mußten auch ihre Charaktere ſein, wie ich bald er—
kannte; war erſterer ein Ehrenmann, ſo enthüllte ſich letz⸗
terer als ein Böſewicht.

Darauf war iich nicht vorbereitet,“ hörte ich zuerſt
die wohlklingende Stimme ſagen. „Das glaube ich gern,“
hohylachte der andere. „Sie wären mir ſonſt ſchwerlich
Yierher gefolgt, Wer würde wohl dem Tode in den
offenen Rachen laufen? Und Sie ſind ein Kind des
Todes, denn ich habe geſchworen, Sie ins FJenfeis zu be-
fordern, ehe die Uhr drei ſchlägt Es fehlen nur noch zehn
Minuten bis dahin und Sie haben keine Waffe zu Ihrer
Vertheidigung.“

Entſetzt jahen Cecilie und ich einander an: die Maſt
raubte uns faſt die Beſinnung, während wir auf die Ant—
wort horchten.


That, zu der ich Ihnen nicht die geringſte Veranlaſſung
gegebeu habe, weder vor Ihrer Ehre noch vor Ihrem Ge⸗
wiffen deraniworten?

Verſchwenden Sie Ihre Worte nicht, war die rauhe
Erwiderung. Sie müſfen ſterben, um den Schimpf zu
fühnen, den Sie Mademoiſelle de Fantaine angethan haben,
ais Sie die Verlobung mit ihr auflöften. Mir Blut kann
den Makel tilgen, mit dem Sie ihren edlen Namen befleckt
haben; ich fordere ihr Leben dafür.“

Sie ſind im Irrthun verſetzte der alſo Beſchuldigte.
„Des Fräuleins eigener Wunſch und Wille wax es, dieſe
un au Faniilienriſckſichten aufgezwungene Verbindung zu
{öfen, welche ihHrer NMeigung nicht ent{prach,“ .

Das Fränlein iſt minderiährig; nicht ſie ſondern ihr
KBornuund hat über ihre Hand zu verfügen Auch ich werde
nicht dulden —“

— — — —





„Sie? —“
Ja, ich. Erfabren Sie,
Roche Guyon bin.“

„O Honora,“ unterbrach hier die Mutter die Erzähl
una der Tochter, „haſt Du denn nicht geſagt, daß der
Marguis edel und gut ſei?“
Es war die rauhe,

daß ich der Marquis de la

ſpöttiſche Stimme, welche die
Worte ſprach, Mama. Mir aber war der Name daͤmals
voͤllig unbekannt und ich erſchrack nicht wenig, daß er
einen ſo furchtbaren Eindruck auf den andern machte, den
ich nach ſeiner Rede für einen Ehrenmann hielt. Nichts⸗
würdiger! donnerte er in edlem Zorn; ſofort aber ſchien
er ſeine Aufwallung zu bereuen, denn er ſetzte ruhiger
hinzu; Den Namen Marauis de Ia Roche Guyon koͤnnte
außer mir nur noch ein Mann auf Erden führen und dieſer
Mann lebt nicht mehr.“ ;

„Der Mann din ichH, Dein Vetter, der Sohn des ver
ſtorbenen Marquis, von den Gerichten fälſchlich für todt
erklärt. Sieh mich nur an, Louis, wohl bin ich ver—
ändert, aber doch nicht völlig unkenntlich. Hier die Narbe
auf meiner Stirn verdanke ich Dir, ſie rührt aus unſerer
Knabenzeit — “

„Sfibor!“

„Damals begriff idh Ddas alles nicht, Miania,
ſeitdem habe ich erfahren, daß Louis, unſer Marauis,
eben erſt nach feines Onkels Tode, Titel und Erbſchaft
angetreten hatte, da ſein Vetter Iſidor ſeit Jahren ver-
ſchoͤllen war Die Verlobung mit Mademoiſelle de Fon—
taine, ſeiner Kouſine, hatte er ſofort aufgelöſt, damit dieſe
eine Ehe nach ihrer Herzensneigung eingehen konne. Wie
voͤllig ihn auch die unerwartete Zuͤrückkunft des todge
glaubten Erben überraſchte, doch verrieth der Ton ſeiner
Stimme nichts davon, als er mit der Höflichkeit eines
echten Zranzoſen erwiderte:

„Du biſt mir willkommen, Iſidor, ich hege keine Feind⸗
ſchaft gegen Dich.“

aber

Gortſetzung folgt)


 
Annotationen