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Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

DOI Kapitel:
Nr. 141 - Nr. 150 (24. Juni - 6. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44150#0567

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Heidelber9:

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Erſcheint taglich wit Ausnahme der Sorn⸗ und Feiertage
Samftags mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
M, 1.20 ohne Trägerlohn u. Poftanffchlag. Beftelungen
bei den Poſtanſtalter u. bei der Expediüon Zwingerfiraße 7.



für Stadt



Berantwortlicher Redalteur:
. ; Julius Jecker in Heidelberg.




nzeige-Blatt fur die Amtsbezirle Heidelberg
Ladenburg, Weindeim, Schwetzingen, Ph ippsburg,
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbach
Eherbadh , Buchen,Wahdkrn,T.-Bıfhof8h., Werheim :C.



Druck, Berlag u. Expedition von Geur. guber
in Heidelberg, Zwingeriraße 7.







Zum Abonnement auf das
lll. Ouartal

Uden wir ergebenſt ein. Der Pfälzer Vote feſt auf

em Boden des Centrums ſtehend, iſt mit Erfolg be—
{trebt, die poſiliſchen Fragen mit Ruhe und Klaͤrheit
E friſcher voltsihümlicher Ferm zu behandeln den
Intereſfen aller Stände gerecht zu werden, namentlich
aber die berechtigten Foroͤerungen des Bauern-, Hand—
werker⸗ und Arbeiterflandes hervorzuheben und zu
vertheidigen

Gruuͤdfatz der redaktionellen Leitung des Pfälzer
Boten ijft futze, tnappe, aber aſles Weſentliche
ringende Berichterſtattung auf allen Gebieten, wo⸗
durch eine Reichhaltigteit des Inhaltes erzielt wird.
wie ſie in keinem aͤnderen Blatte gleichen Umfangs
zu finden iſt.

Für Unterhaltung und Belehrung ſorgen zahlreiche
Feuilleton8 und das ſonntägliche Unierhaltungsblatt.
Nit aller Sorgfalt wird aus dem Pfaͤlzer Boten
Jedwedes ferngehalten, was das jugendliche Gemüth
rerletzen könnie“ Deshalb eignet ſich der Pfälzer

ote ganz beſonders zur täglichen Familienlectüre.
In ſerate finden in Folge des großen Vejer-
freijes de8 „Pfälzer Boten“ größtmöglichjte Ver-
Teitung.
Redaction u. Verlag d. „Pfälzer Boten.“

die Ordensfrage in det zytiten Kammer,

Rede des Abg. Wacker
in der Kammerverhandlung über vorſtehenden
Gegenſtand.

Meine Herren! Die Debatte von geſtern hat eine
Reihe von Harakteriſtiſchen Momenten zu Taze ge⸗
fördert. Im Mıttelpunkt aler dieſer Womente ſteht
nach meinem Gefühl ein Abſchnitt der Rede, welche
er Herr Kollege Rüdt gehalten hat, nämlich die
Protlanurung der Goulofigkeit. Nicht bloß als ſeinen
eigenen Standpunkt hat er dies betont, ſondern er
haͤl faſt noch mehr betont, daß er Propaganda dafür
macht, um Auhänger zu gewinnen. Er hat das Recht
gzu für ſich in Anſpruch genommen uyd iſt 3zur
Schlußfolgerung gekoinmen, zu ſagen; dieſelbe Freiheit,
ie ich für mich berlange, den Atheismus zu predigen
und Anhaͤnger für den Atheismus zu werben, dieſelbe
Freiheit wiů ich auch denen gewährt wiſſen, welche auf
dem entgegengejeßten Standtpunkt ſtehen. Er hatdas
Chrijtenthum al3 einen „Auzwuchs“ bezeichnet. Das
iſt eiue Rede, die wohl niemals in dieſem Parlamente

Das große Soos.

Original⸗Novelle von Leo Werner.
Nachdruck verb.)

Der eine Plan Ludwigs, das Waſſex der benachbarten
Ungefähr hHundert Meter Höüher als das Bergwerk gelegenen
ehberge zu einem Bache zu jammeln und diefen nach der
u Teiten, erfreute ſich im hohen Maße des
eifalles 2 unter der Vorausſetzung, daß die
eitungsarbeiten nicht zu theuer kämen. :
_ Qudwig Malten glaubte garantiren zu können, daß
dieſe Toeilen nicht viel theuerer als vielleicht 15 000 Mark
ommen würden,

„Unglaublich, mein Lieher, erwiderte der alte Herr.
„Dieje Arbeiten — das Doppelte und Dreifache koͤſten,
Zumal wir um Die Leitung ausführen zu können Srund
Und Boden kaufen müffen, und dann gewöhnlich ſehr
— — gefordert werden, wenn die Beſitzex wiſſen,
daß man den Grund und Boden unbedingt braucht.“

. „UAWoer dazZ Land hat dort ſebr wenig Werth, es iſt
dürffige Weide und Ichlechter Waldboden,“ bemerkte Yudwig,
„Und da fonnen die Beſiher, meiſtens kleine Gebirgsbauern,
doch gar nicht ſoviel dafuͤr beanſpruchen. Außerdem habe
I9 den Gebirgsbewohnern ein jehr gutes Angebot vorzu-
IOlagen, welde? fie vielleicht veranlaßt, uns den Grund
Und Boden ohne jede Geldentjchädigung zu geben.“

„Da bin 4 aber ſehr neugierig dieſes Angebot zu
exfahren rief der alte Herx Hülſemanp ſehr erſtaunt,
„Denn etwaz Verlodendes mug e ſein. denn ſonſt macht
es bei diejen Leuten keinen Eindruck.“

„Nun die Sache ift jehr einfach,“ meinte Ludwig lä-
Helnd. „Den Ddrei in %ra%e lominenden Gehirgsdorfern
feblt e8 ”an einer Mübhle, da das @ebt_tgé‚ma{igr nur {0
ä‘?‘lb wegläuft und uur da und dort einen Meinen Teich

Übdet. %urfl% un!jlgre Anlage bekommen die drei
* 8 afjerfraft zu einer Mühle, und des Ddürfte
D jehr verlocend flr fie ſein, denn ſie fönnen dann dort
gßen‚ bequem — 78 und ihr Holz jJägen. : Und
agtrf&nnen ſie ung auch den Boden zu dent Bache unentgeltlich





19)






gehalten worden iſt, ſeitdem es beſteht. Und weine
derren! charakteriſtiſcher als dies
uͤmſtand, daß Sie auf jener Seite des Hauſes nicht

einmal dieſe Sprache verftehen wollen! ebenſs charak—


Sprachẽ noch nicht verſtehen. Nicht einmal, wenn man
die Freiheit der Orden unter dieſem Titel verlangt,
unter dem der Abg Rüdt von denſelben geſprochen



Die Mehrheit dieſes Hauſes hat geſtern ihre her—


j


geftellt : ich darf ſie als die Heroen der nationallibe—
ralen Partei bezeichnen. Der eine iſt der langjaͤhrige
Vorſtand der parlamentariſchen Vertretung dieſer Partei,
der andere genießt ſeit Jahrzehnten das Anſehen eines
ehrwürdigen Partriarchen. Wir haben ihre Reden
gehört uͤnd ein zahlreiches Auditorium auf den
Gaͤllerien ebenfalls. Ich glaube nicht zu weit zu gehen,
meine Herren! wenn ich fage: wenn man dieſe beiden
Männet auf Grund ihrer geſtrigen Rede als Politiker


zwei politiſche Ruinen ſich haben vernehmen laſſen.
(Unruhen.) Beide ſind gegen die Rede des Herrn
T aufgetreten. Und das iſt ein weiteres charak—
teriſtiſches Moment. Der Abg. Kiefer hat ſie als
„kohlſchwarz“ bezeichnet und auch der Herr Abgeord—
nete Lameyn hat dagegen polemiſirt. Das iſt ein
charakteriſtiſches Zeichen, das für uns vom Centrum
die denkbar größte Genugthuung iſt. Der Abgeordnete
Muſer gehört zu jenen Politikern, die unmoͤglich in
den Verdacht kommen koͤnnen, das zu ſein, was Sie
als „ſchwarz zu bezeichnen gewoͤhnt ſind. Wenn
nun eine rein juͤriſtiſche Rede, aufgebaut auf den
Principien der Gerechtigkeit und Freiheit, in ihren
Augen eine „kohlſchwarze! iſt, dann iſt der Beweis
geliefert, daß der echte Liberalismus ſich hier auf [der
Centrumsſeite vertreten findet. Und wenn ſie Leine
ſolche Rede nicht verſtehen wollen, ei dann ſtellen ſie

ſich ſelbſt das allerrichtigſte Zeugniß aus, welches
iautet: „Sebr nationalliberal, aber ſehr wenig
liberal.“

Der Herr Abg. Lamey hat uns geſtern lange ge—
feſſelt, er hat verſchiedenerlei Ausführungen gebracht,
haͤt hiſtoriſche Exkurſionen gemacht, halb hiſtoriſche,
halb juriſtiſche und dann hat er uns auch noch in die
Klöſter gefuͤhrt und verſchiedene andere Ausführungen

gemacht.
Zuhörern durch dieſe Rede hervorgerufen worden ſind;
an letzter
— — — — — — —

„Das iſt wirklich eine prächtige Idee von Fhnen,
Qudwig,“ erwiderte der alte Herr mit leuchtenden Augen,
ich bewundere täglich mehr Ihren erfinderiſchen Koyf—
er immer nod) dorfk neue Auswege findet, wo gewöhnliche
Sterblidhe rathlos daſtehen. Setzen Sie ſich ſobald als
möglih mit den Genieindevorſtänden dex drei Dörfer in
— damit man fieht, ob der Vorſchlag Beifall

Ich habe es ſchon brieflich geſtern gethan ünd werde
*4 noch perſonlich mit den Orts Vorſtehern unter—

andeln“

„O, das iſt ſehr gut, daß Sie, die Angelegenheit be⸗
IOhleunigen, Ludwig, und ich werde Sie begleiten, um die
Quellen der Rehberge noch genau auf ihre Waſſermengen
zu ſchäben!

_ „O, da oben giebt e& Wafjer genug, Da3 Habe ich auf
meinen Qluéflügen nach den Rehbergen in Frühling, Sommer
und Herbit erforjht. Nux im Winter kann es zuweilen
BWaſfermangel geben, doch da können wir uns andexweitig
hHelfen, nämlich durch eine Meinere Dampfmajchine, die wir
neben der Waſſerkraft anlegen, um den Betrieb des Berg-
werks, ſo Gott will, künftig noch umfangreicher zu geſtalten
als früher.“

Das beabſichtigen Sie auch noch. Ludpia! .rief der
alte Herr entzückt. „Sie ſind wie ein guter Engel der mich
jo jehr gefh)lagenen Mann wieder aufgerichtet hat und mein
Hnterne&men zu mneuem und größerem Anjehen bringen
wird. ®ott fegne Sie dafür !” . ;

Die beiden Männer umarmten ſich und ſchritten dann
aus dem Privatzimmer des Herrn Hülſemann nach dem
Woͤhnzimmer, wo Käthchen ſaß.

„Du mußt entſchuldigen mein liebes Kathchen daß ich
jetzt ſo. weniß BZeit für Dich habe,“ begann Sudwig und





Stelle — das ſage ich einfoch der Wahrheit gemäß
— war bei mir, obwohl ich nicht zu den weichher—


Bedauerns. Ich habe mic geſagt nachdem ich dieſe
Rede gehört habe: da hat man jetzt einmal den
deutlichen Beweis dafür, was aus ſelbſt gut ange—
legten politiſchen Naturen durch den Nationalliberalis-
mus werden kann Geiterkeit).

Ihr Lachen genirt mich gar nicht, wenn Sie auch

im Lande wird man's auch verſtehen.

(Fortfahrend). Der Herr Abg. Lamey, ſagte ch,
hat hiſtoriſche Erlurſionen gemacht in allzemeinen
Umriſſen; er hat von der Geſchichte der Klöſter ge—
ſprochen; „er hat den Herrn Abgeordneten Marbe in
nicht ſehr höflicher Weiſe ein genaueres Studium au—
Ich für meinen Theil nehme einen ſolchen
Rath immer ſehr gerne an; ich geſtehe offen, daß
meine Studien noch der Vervollftändigung bedürfen;
was möglich war nach Zeit urd Umſtänden iſt ge—

ſchied iſt nur der, daß ſch über Dinge, in welchen
meine Studien Lücken aufweiſen und mein Wiffen,
mit angemeſſener Beſcheidenheit ſpreche. Die hiſtori—
ſche Exkarſion über die Klöſter, die der Herr Abge—
ordnete Lamen unternommen hat, iſt aber kein Zeichen
eines gründlichen Studiums der Geſchichte der Klöſter.
Nach ſeinen Bemerkungen könnte man meinen, die
Klöſter oder Orden wären Pflanzen, aufgegangen und
groß geworden im Orient. Ich nehme ſelber an, daß
der Herr Abgeordnete Lamey nachtraͤglich ſelbſt der
Meinung war, daß es eine ſehr wenig ſtichhaltige
Exkurſion war; aber ſie lautete einmal ſo; maͤn
konnte meinen, die Klöſter ſeien Inſtitute vergaͤngener
Jahrhunderte. Ja, die wahre Geſchichte der Srden
und Klöſter liefert den Beweis dafür daß es ſowohl
eine orientaliſche als occidentaliſche Pflenze iſt, daß
ſie emporgewachſen iſt aus dem fruchtbaren Erdreich
der Kirche in allen Ländern und zu allen Zeiten und
in allen Jahrhunderten. Nach der Verſchiedenheit der
Verhältniſſe in Ländern und Jahrhunderten hat dieſe
Pflanze nur verſchiedene Richtungen gezeigt. Der
Herx Abgeordnete Lamey hat auch von den Kloſter⸗
feinden geſprochen; er hat Fürſten und Voͤlker vor⸗
geführt, die die Klöſter aufgehoben haben. Das wiſſen
D Die Geſchichte lehrt uns ja, daß wie
andere menſchlichen Leidenſchaften ſo namentlich die
Tyrannei und die Habſucht nicht bloß bei Fürſten
eine ſehr große Rolle geſpielt hat —

— — - E RA
veranlaßt, unſere Hochzeit auf ein halbes Jahr za ver—
— — 3 —

Die Zeit des Wartens wird uns ja auch nicht lang,
und ſie iſt doch eine ſo ſchöne Zeit der frohen, 8— —
Hoffnungen,“ erwiderte Ludwig.

Es war aber auch eine Zeit der ernſten Prüfung, die
run wobl hinter uns liegt, flüſterte Käthchen leiſe und
küßte Ludwig inbrünſtig auf deſfen gebräunte Wange.

* *
*

Bereits ſeit drei Tagen hatte der Commerzienrat
Malten mit wachſender Aufregung die Ziehungsliſten 2
ſtattfindenden Hotterieziehung verfolgt, aber die Hiſten ſtets
enttäuſcht zur Seite geworfen, denn es waren bisher noch
faſt dax keine großen Gewinne gezogen worden. Gewöhn—
c arbeitete um dieſe Zeit der Coͤmmerzienxath uͤber den
Mittag hinausaus in ſeiem Privateontor, denn er machte
gauch zahireiche andere Verſuche, um ſeine Finanzen zu ver
heſſern, und ließ ſich dann gegen zwei 4 die Ziehungs⸗
liſten von ſeinem Diener in das Contor bringen. Auch
heute war dies der Fall, und zu ſeiner hitteren Enttäuſch
ung jah er, daß bei der hHeute Vormittan ftattgehabten“
LooSziehung wohl daz große LooS mit 500,000 M. gezogen
aber auf keines ſeiner drei Looſe gefallen war.

Aergerlich warf der alte Herr die Liſte hei Seite,
doch dann nahm er ſie wieder in die Hand, um die Loos⸗
nummer, auf welche das große Loos gefallen war, näher
in Augenſchein zu nehmen E Wwar die Nummer 77,785,
Höhniſch grinzten ihn die dürren Ziffern an die doch in



der Felixr-@Orube wieder alles in Drdnung fein, ehe ih Zeit
für DichH habe und ehe wir Hochzeit machen können. Habe
noch einige Monate Geduld mit mir !’ f
„IOh will, wie e8 fihH einer treuen Braut geziemt,
gebufb%unb hoffnungsdoll warten, denn ein edles opfer-
volles Werk zu unferem Segen hat Dich ja allein dazu

waren, und. dann ſchob der Commerzienrath die Liſte bei
Seite um endlich zu Tiſche zu gehen
Da drang urplöglich ein jeltjamer Lärm, ein Schreien,
Jubeln und Lachen wie aus Hunderten von Kehlen an
* Ohr, und erſtaunt ſah der Commerzienrath zum
enſter hinaus nach den weiten Fabrikhöfen.

Sortſetzung folat.


 
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