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Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

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Nr. 171 - Nr. 180 (30. Juli - 10. August)
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terſcheint ta glich mit Auguahme der Somns und Feiertage
Samftags mit Unterbaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
ME 1.20 ohue Traͤgerlohn u. Poftanffchlag. Beftelungen
bei den Moftanfialten m. bhei der Erpedition Zwingerfiraße 7.

Berantwortlicher Revolteur:
Julius Yeder in Heidelberg.

FE T N W
— — — Fn F

Beſtellungen
auf denBfälzer Boten/ werden fortwährend bei
ſammilichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen.
ſowie in anſerer Expedition Heidelberg, Zwinger⸗
traße 7 entgegen zenommen

— — — — T a — — * 7 *
— — — —



— — — — — s — —
Der heutigen Nummier liegt ur 31 der Anterhaltungs
deilage bei.

222 6 ”
Solitijde Wodenüberficht.
©& GHeidelberg, 30. Iut

Herr Bismark von Schönhanjen, Herc Ddes
Sachſenwaldes und im Nebenamt Privatmann und
Reichsnörgler! In Kiſfingen kamen ſie ihn zu
Huldigen : 656 aus Alt Heidelberg und der weiteren
Umgebung; ferner aus dem übrigen Badruerland,
aus Heſſen, Thüringen und der Pfalz alles Voll⸗
blut⸗Ralionalliberale! Andere Leute können es nicht
geweſen ſein, weil es nach den Berichten die „Elite
der Bürgerſchaft! war. Darunter aber die braven
Mannes feelen nicht verſtehen zu wollen, wäre eine
Beleidigung für das : „gebildete Bürgerthum“ der
deutſchen Ration — des Nationalliberalismus Was
der groͤße Schw reiger wieder für Redeſtoff ver⸗
ſchwendet haͤt, iſt nur durch die woͤhlthuende Kiſſinger
Kur erklärlich. Alles, was er ſprach, iſt in der




ich dulde nienanden neben mir, der mich nicht
über ſich duldet.“ Es war zunächſt eine Lobrede
auf ſich ſelbſt und dann zum Schluß eine kartell⸗
patteiliche Wahlrede. Einzelne Punkte wollen wir
herausgreifen. „Die extremen Parteien ſind nicht
regierungsfähig, wir können weder eine katholiſche
noch einẽ proieſtantiſche Prieſterherrſchaft brauchen.
Lonfefſionelte Streite ſind zu bedauern!(o
ſchöne“ Zeit Bismarck'ſchen Kulturkampfes h zu einer
ruͤhigen, dauernden Regierung führt nur eine Regier—
ung im Sinne der Durchſchnittsanſchauungen der ge—
bildeten Deutſchen. Der Fürſt braucht nicht erſt zu
betonen, daß er abſichtlich der gebildeten Deutſchen“
geſagt habe: man merlt auch ohnedem die Abſicht
22 fühlt ſich — erheitert. Die „Durchſchnittsan—



für Staſſt



Anzeige-Blatt für die Amtsbezirke Heidelbert
Ladenburg, Weinheim, Schwetzingen Philippetris
Wiesloch, Bruchſal, Bretten, Nedargemuͤnd, Mosdach
— — — — —⏑






ſchauungen der gebildeten Deutſchen“ führen nur zu
einer ruhigen Regierung; wir müßten alſo eine neue
Regierungspartei ſchaffen, wenn wir die Weale des
Abg. Bismarck, der ſeine Rede ſtatt im Reichstage
im Kurort hält, verwirklichen wollten. Indeſſen


National⸗ und andere Liberalen einfach unter dem
Banner einer „Durchſchnitts-Partei' ſam—

melten. „Gebildet“ ſind die Leute ja, denn ſie ſagen
es alle Tage jedem, der es hören will,
und „Durchſchnittsmenſchen“ ſind ſie auch; alſo
„vorwärts mit friſchem Muth! es lebe die neue

Durchſchnittspartei? und ihr „zahmer? Führer, der
Abgeordnele Otto. — Das Hoch auf Kaifer und
Reſch, welches der Fürſt am Schluſſe der Feier aus—
brachte, kaͤng recht brauſend, ſo brauſend wie die
Bemerkung des Ex Kaͤnzlers, der „höchſte Bürger“



tage verſchmelzen. — Vielleicht ſa wie Fürſt Bismarck
dies immer gethan hat? — Vielleicht ſagt er uns
das, wenn er am Schluffe ſeiner Kur ſich einen Tag
in — Berlin huldigen läßt. Jawohl in Berlia!
Man ſieht alſo, das Stück hat noch viele Szenen
und noch ſind wir immer beim „Schürzen des Knotens.“
Wie

will, das iſt noch dunkel; oder kürzer geſagt, wo es



heit ſagen.
(denn Jut badiſch ſein, heißt dies Papier halten haben
den Bismarckspegaſus beſtiegen und ſingen Lieder zu
ſeinem Ruhme, daͤß es eine wahre Luſt iſt, ſie zu
ſeſen. Da iſt die Bismarckshhmne rein nichts gegen.
Wie ſiunig heißt es da:

Das greiſe Haupt ruͤht unverletzt.

Zwar — Aufmann 8 gieb'’S noch hHeute,

Doch ſchießen mit Druckerſchwärze jetzt

Die vaterlandsliofen Leute!

Das Vaͤterlaͤnd Bismarck! wird ſich durch die

edlen Ergüſſe hoch gehoben fühlen; vielleicht hat der




im Auge zerdrückt. —
Es nimmt mit den fenſationellen Ereianiſſen kein
Ende. Noch ſind die Sammlungen für Buſchoff nicht
beendet, noch iſt erſt die ſchüchterne Nachricht in die
Oeffentlichkeit gedrungen, daß die Staatsanwaltſchaft
Anklagen auf Meineid aus den Zeugenausſagen im
Knabenmord Prozeß vorbereite, noch erſt iſt ein Hand—
lungsreiſender mit fünf Mark beſtraft worden, weil
er ſich vom Buſchhoff'ſchen Hauſe




Buſchhoff lebt noch in aͤller Munde, und ſchon

ſtehen wir mitten in den Verhandlungen einer
andern Sache, desBochumer Stempelfälſchungs⸗
prozeſſes. Die Zeugenvernehmungen foͤrdern ganz in⸗
tereſſante Thatſachen an's Licht und allem Anſcheine
nach werden nach dem Urtheilsſpruche wohl kaum
— „Sammlungen“ veranftaltet werden. Sech—
zehn Perfonen ftehen unter Unklage; e8 find Fabrıkl-
arbeiter und Schloſſer. Nachträglich iſt die Auklage
auch auf die Ingenieure Behring und Gremme aus
gedehnt worden während Herr Baare als Zeuge
fungiren ſoll. Jetzt iſt der Herrt Geheime Staatsrath
in’3 Bad gereiſt, und wir ſind geſpannt auf das Er—
Die Anklagen lauten recht
ſanheimelnd? Stempelfaͤlſchungen, Vorſpiegelung
falſcher Thatſachen, alles in rechtswidriger Abſicht, um

ſich oder audern einen Vermögensvortheil zu ver⸗
ſchaffen. Was damals Fürſt Bismarck behauptete,

Fußaͤngel habe die Enthuͤllungen gegen ausländiſche
Bezahlung gemacht, um die vaterländiſche Induſtrie
zu ſchädigen erhält durch die Anklage eine etwas
eigenihüniliche Beleuchtung. Herr Bismarck hatte
freilich damals noch nicht in Kiſſingen das große
Wort geſprochen: Ich halte den Mund nicht; ich laſſe
mir mein Recht, meine Meinung zu ſagen, nicht nehmen
u. ſ. w. Freilich, die Induſtrie hat der Fürſt durch
ſein Treiben nicht geſchädigt, daß er aber das vater—
ländiſche Intereſſe durch ſeine Angriffe auf die Re—
gierung ſonderlich gefördert haͤute, das behaupten
nür er ſelbſt und ſeine Getreuen. —

Nehmen wir Abſchied von der inneren Politik;
viel Erfreuliches bietet ſie uns nicht. Unſer Kaiſer
hält ſich, nachdem er am 27. in Wilhelmshafen ein—
getroffen und von dort nach Berlin reiſte, nur wenige
Tage im Vaterlande auf; er wird am 30. wieder
auf dem Kaiſeradler in See gehen und zwar nach
Der Beſuch Englands iſt kein offizieller und
keinerlei Empfang wird ſtattfinden; ebenſo wird Se.
Majeſtät die engliſche Königin nicht beſuchen. Poli⸗
tiſche Bedeutung hat dieſer Umſtand nur in ſofern,
ein Geheimniß
dahinter ſuchen; — das kann man ihnen ſchon gönnen.
Da draußen in der weiten Welt machen ſich langſam
die Sommerferien bemerkbar. Heftige Exploſionen
finden nur vereinzelt ſtatt.

Ju Belgien fanden die frevelhaften Dynamit⸗
Attentate vor dem Lütticher Geſchworenen⸗Gerichte
ihre Sühne. Der Hauptanſtifter, Anarchiſt Lieute-
nant Moineau, wurde zu 25 Jahren Zuchthaus ver⸗
urtheilt. Seine Genoſſen werden 20, 15, 10 bezw.
3 Jahre über ihre Verbrechen nachdenken müſſen. —



Irri — e öes Dorfooſitors.
29) Original-Erzählung von Mary Dobfon.
Nachdruck verb.)

Endlich hielt der Wagen vor dem ihm bezeichneten
Auje, Das freundlich vom üäppichſten Grün umaͤeben de
lag. Er ſtieg aus und dem Kutſcher das 4 reichend,
rug er ihm zugleich auf. das Gepäd . 3zu Der, auch eine
ache Rilte gehörte, in’3 Haus zu IMaffen und ging dieſem
Ddran- SIn FJolge jeiner Briefes erwartet, Ward er, DAS
Daus betretend, von Capitän Eichsfeld und AUnna Herzlich
Vegrüßt und dann dem hinzugefommenen Onfel Leonhart
P\Drgeüeflt‚ der ihn ebenfall® freundlich willfonmen hieß
bın fiel-dabei der ernite.Zug in den Gefichtern der beiden
%mü_uner auf, aud) glaubte er bemerft zu haben, daß Annas
Init {o {trahlende Augen erniter al3 früher geblidt, als fie
D unbefangen wie immer,. die Hand zum Gruß gexreicht
Önen ins Gartenzimmer . folgend, jah er fich vergeblich
i.ucb dem vierten Familienmitglied, Frau Irank, um, da er
auch nicht nennen hoͤrte, nahm er an. daß ſie noch hei
— Sohn {fjet. Sih ihm zuwendend ſagte Capitän
— zwar freundlich doch wiederum mit einem gewiſſen

n +

j „ä‘iubnim’), Du haſt Dich über meine Aufforderung

Eret zu un3 zu fommen, gewiß gewundert, Doch wirit

uä\g‚ B‚?IP einjeben, wie erforderlich Deine Anweſenheit für
1 t

In welcher Weiſe aber, lieber Onkel?“ fragte ſchnell
Nd entjchlofjen der, jüngere. Mann. Ü n
„Nach Ddem. Abendejjen wirſt Du alles erfahren,“ ev-

Widerte der Capitän und fügte eine Weitere Irage jeines


uggß * Kifte bemerkt, weiche der Zorm nach wohl Auna

8 2 —

8 Es iſt in der That ihr Bild darin antworte Rudolph
Ngelbert, welcher YXieber gleich die‘ Mittheilung entgegen


Dex Capitän ſchlug vor, die Kiſte zu Öffnen, - und als


hervorgenommen wurde und Onkel Leonhart überraſcht
ward auͤßerte dieſer in lebhaͤften Worten ſeine Anerkennung
und Bewuͤnderung darüber, und dankte Anna, als er es
eingehend betrachiet, in herzlichex Weiſe für die ihm berei—
tete Freude Sich mit freundlichen Worten an Rudolph
Engelbert wendend fügte er hinzu:

„Daß Sie ſchon ein ganzet Meiſtex ſind, Herr Engel
bert! daͤbe ich bereits aus eigener Anfchanung erfahren,
und - wir Alle haben eine große Freude über Ihrer ſchöne
Arbeit gehabt !”

„Meine Arbeit?“ fragte diefer überraſcht, indeß ſeine
anderweitigen Gedanken in den Hintergrund traten, während


gaßen Ich wüßte doch nicht — —

„Deine. Arbeit, die mir gehört!” rief Lebhaft Anna und
führte ihn. in das anliegende Bimmer, wo bei dem nur
noͤch ſchwaͤchen Schein des ünkenden Tageslichtes er zu
ſaner Ueberrafchung. ſein Maibild erkannte. Capitaͤn
Eichsfeld kam einer Frage ſeinerſeits zupor, und erklärte
ihm umftändlich, . wie ſie in den Beſiß des Gemäldes ge—
kommen.

Mit einem Gefühl tiefer Rührung durchſchaute Rudolph

Engelbert die menſchenfreundliche Abſicht der heiden Ehren
männer, zugleich aber empfand er eine große Zreude, {jein
Bild, daz er mit-jo großer Vorliebe gemalt, in Händen zu
wifſen/ durch die es auch ſeinem Anblick für immer erhalten

; blieb. Dies mit leicht erregter Stimme äußernd, f{ragte
Anuna ihn welche für der Augenblick alle anderen Sorgen

faſt vergeſſend: *

„Wber mun jage un3 auch,. Rudolph, wer die Maifee
ijt, denn wir jind übereingefommen, Daß lie na der Natur
gemalt!“

Das iſt allerdings wahr,“ entgegnete der junge Mann
und berichtete eingehend über das Original desſelben. Seine
Zuhörer lauſchten aufmerkjamn und Capitän Eichsfeld konnte
ſich nicht enhalten, zu bemerfen : .

„Diefe. Hılda muß ein liebliches Kind jein —*“

„Sie‘ . ijt in der That ein Liebliches Rind,“ . ermwiderte
* xuhig der zunge Maler, „dennoch aber, im jehHS3zehnten
Sahre ftehend, aucdh ein tüchtiges junges Mädchen, das



ſeiner Mutter in jeder Weiſe thätig zur Seite ſteht!“

Jetzt meldete Dorotheg daß ſie das Ahendeſſen aufge⸗
tragen und al8, immer rühiger ünd naͤchdenklicher werdend
der kieine Kreis es eingenommen, begaben ſich die Männer
wie es vorher mit Auna verabredet worden ins Garten—
zunmer, wo, nachdem ſie ſich niedergelaſſen, Capitän Eichs⸗
feld ſeinem Gaſt zuerſt Alles auf den Brief ſeiner Schweſter
Bezügliche mittheilte und dann deſſen Juhalt zu wieder⸗
holen begann. Rudolph Engelbert hörte ihm mit ſteigender
Aufmerkfanikeit zu und unterbrach in bald haſtig und, die
Farbe wechſelnd durch die Frage:

„Meine Schweiter? Anna ſoll meine Schweſter ſein?
— UnmögliH — unmöglih — —“

Es iſt dennoch der Fall, RKudolph,“ erwiderte mit
leichtein Naͤchdruck der Capitän Als meine Schweſter
hier erfahren, daß wir Dich in Dresden kennen gelernt
und Du Dich bald als Annaͤs Vetter ausgewieſen, moͤgen
Beweggründe aller Art fie veranlaßt hHaben, mir nach ſo
vielen. Sahren ihr Geheimniß aufzudeden, Ddaß ih auch,
ihrer Verſicherung nach, en muß.“

Rudolyh Engelbert ſaß ſchweigend da, Capitän Eichs⸗
feld aber erzählte ihım, wie die Verwechslung Dder Kinder
vor ſich gegangen.. ESraujt und ſinnend hörte er zu und
fragte als dieſer ſeinen Bericht beendet:

„Und was fagt Anıra zu diejen Enthüllungen, die ſie
zu nieluet Schwefier Hedwig machen, deren ich mich jedoch
nicht mehr entfinne !” — — x
„Sie war un erſten Augenblick außer ſich nicht mein
Kind zu fein,“ entgegnete Capitän CichS{eld, „und auch mir
jchienm Ddies unmöglich, da fie meiner verſtorbenen Fran zun
VBerwechjelıt gleicht, was fich durch die FamilienÄhHnlichkeit
erflären (äßt. Sie wird e3 indeß, dem Geleke nach, bleiben,
denıt ich- habe bereits die Erforderlichen Schritte zu ihrer
Adoptioͤn gethan nach welcher auch Onkel Leonhart ſie
rechtafräftig zu ſeiner Erbin einſetzen wird, als die ſie
bisher gegoͤlten“









2










Fortſetzung folgt)


 
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