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Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

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Nr. 201 - Nr. 210 (4. Septmber - 16. September)
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Il.
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Narkt,









— — — Feiertage
Samftayg8 mit Unterhaltungsbeilage; , P.reis Dvierteljährlich
M, 1,20 ohne Traͤgerlohn n. Poſtaufſchlag. Beſtellungen
bei den Poſianſtalten u. bei der Expebiiion Zwingerſtraße?.
2609 — —⏑

{ | _ Qnling Jeger in Heidelberg.




für Stadt



— — —




Kuzeige=VBlatt,für die Amtsbezirke Heidelberg,
Ladenbuxg. Weinheim, Schwetzingen Philippsburg,
Wiesloch/ Bruchſal, Bretten, Neckargemund, Nosboch
Eberbach/ Buchen Walldũrn, T.Biſchofsh., Wertheime
Drucł, Berlag u. Expedition von — Huber YY 09 x ;
in Heidelberg, Zwingerirake 7. — .







Beſtellungen
f Dden „„Wiälzer Boten‘“ werden [ortwährend bei
'üammtlichen Boftanftalten, bei unſeren Traͤgerinnen.
Unie in anfjerer Expedition Heidelberg, Zwinger⸗
— — —

Aildung un Veſih!

ſo ſchreibt die 4 V. Zig find die Schlagwörter,
don welchen der landläuͤfige deutſche Liberalismus mit
Vorliebe Gebrauch macht. Sobald ihm etwas im
ffentlichen Leben nicht paßt, ſobald insbeſondere eine
ne Vorlage eingebracht wixd, welche ſeinenGrund⸗—
lätzen“ nicht entſpricht, erhebt er lärmenden Einſpruch
im Namen von Bildung und Beſitz', als deren
kigentlichen Vertreter er ſich aufſpielt! Und es gibt
mmer noch Leute, auf welche die Kraftſprüche derer
don „Bildung und Beſitz' Eindruck machen!




88 Beſitzes gering. Es iſt eine ſchoͤne Sache um die
ildung wenn ſie mehr iſt als ein gewiſſer äußerlicher


Selbſtgefühl das allerdiugs nicht in Düntet aͤus—
arten darf. Auch der Beſitz, wenn er redlich erworben
iſt und gut angewendet wird, iſt ein Faetor von wohl⸗


Broßenthium entgegentreten:
Troßzdem erſcheint die Art und Weije, wie unſer
Liberalimus die Bildung und den Befitz geltend
macht, als eine große Anmaßung.

Bunächſt iſt es ein ganz und gar unhaltbarer An⸗
Eruch, daß fuͤr das Staatsleben die Anſprüche der
Vertreter don Blidung und Befitz allein vder auch
Mur an erſter Stelle maßgebend ſein ſollen. Das
gebildete und beſitzende Bürgetthum? im Sinne
Unjerer liberalen Preſſe bildet doch nur einen Bruch—
heit des Volkes, und zwar einen verhälknißmäßig
Einen Bruchtheil desſelben. Der Staat, welchem die
Sorge für da3 moralijhe und materielle Wohl aller
Vollokloͤffen obliegt, würde ſeine Pflicht gröblich ver—
kennen und alsbald in unüberwindliche Schwierigkeiten
Kathen, wenn er bei ſeinen Maßnahmen lediglich
Dder. auch nur zunaͤchſt den Blick aͤuf die gebildeten
Und beſitzenden Klaſſen gerichtet halten, den Maßſtab
er Anſchauungen und Wünſche dieſer Klaſſen an ſeine
Lſetzgeberiſche Thätigkeit anlegen, die Intereſſen dieſer

laſſen ausſchlaggebend ſein laſſen wollte



der Bevölkerung ganz vorzugsweiſe die Aufmerkſamkeit
der Staatsleitung erheiſcht; namentlich bei allen —
politiſchen und ſoctal politiſchen Entſchließungen hat
man ſich vor allem zu fragen, wie dieſelben auf den
Egenannten vierten Stand einwirken, der am Ende
dieſes Jahrhunderts für unſer öffentliches Leben etwa


haupt berechtigt, gewiſſermaßen als alleiniger Vertreter
don Bildung und Beſitz das große Wort zu führen?
Nicht im mindeſten. Für die katholiſchen Landestheile
pringt das ohne weiteres in die Augen. Politiſch
hat, der Liberalismus dort recht wenig zu ſagen, und
verliert noch immer mehr und mehr an Boden. Das
tritt nicht nur bei den Reichstagswahlen, ſondern
chenſo bei den Landtagswahlen hervor, die auf einem
Wabllyſtem beruhen, bei welchem der Beſitz ausſchlag—
gebend iſt Auch bei dem Dreiklaſſenwahl⸗Syſtem
ſett die Centrumspartei ohne Mühe ihre Candidaten
in Rheinland, Weſtfalen und Schleſien durch. Dieſes
Dreiklaſſenwahl. Syſtem läßt allerdings die Bildung
nicht entſprechend zur Geltung gelangen; eine Statiſtit
Eelbſt in den gröhern Stäͤdten würde aͤber zweifellos
darthun, daß nicht ein Mal die Mehrzahl der aka—
demiſch Gebildeten auf der liberalen Seiie zu finden


wird die Sache wohl ähntich liegen; wenigſtens weiſen
dort die Liberalen oft nur gaͤnz klaͤgliche Minder—
heiten auf.

Laſſe man daher durch das Uiberale Phraſenge—
Engel ſich nicht irre maͤchen und nehme man die
Dinge, wie ſie ſind! Der Nationat- Liberalisinus

welcher ſich aufbläht. Im Reichstag komimt er kauin
noch in Betracht, und im Abgeordnetenhauſe, wo doch
das Wahlſyſtem für ihn das denkbar günſtigſte iſt,
geht e8 feit, Ende der fiebenziger Jahre fortwährend
pergab mit ihm Durch viel Lärm ſucht er zu erſetzen,
was ihm an wirklicher Bedentung abgeht; er ſpaͤnni
Eine Anſprüche um ſo höher, je wenlger er in der
Lage iſt, dieſelben aus eigener Kraft zů verwirklichen.


meinen, in dex Politik dränge das Mißverhältuiß von
Wollen und Können noch mehr ſich auf. So weit
Auf unſer engeres Vaͤterland
Baden paſſen dieſe Ausführungen ebenfalls.



Deutſches Reich.

*Berlin, 13. Sept. Die Kaiſerin iſt in der
vergangenen Nacht um halb L Uhr von einer Prin—
zeſſin entbunden worden! Es iſt dies die erſte Toch—
tex im Kaiſerlichen Hauſe, deſſen Eheglück bisher aus⸗
ſchließlich mit Kindern männlichen Geſchlechts ge-


Berlin, 13. Sept. Als ſpräche der „Reichsanz“
ſelbſt, erklärt heute die „Nat. Ztg.“ : „Wir haben


halten, daß die Mehrkoſten (der neuen Miti—
tärvporlagey ſich auf etwa 80 Milionen M. be-
laufen würden, falls alle in der Vorlage in Ausſicht
genommenen Neuorganiſationen vom Reichstage ge⸗
nehmigt würden. Aufrichtig geſprochen: wir wünſchen,
die /Nat.-Ztg.“ behielte nicht Recht, ſondern diejenigen
die 100, oder noch lieber die 150 Millionen Mehr—
forderungen ankündigen. Je mehr geſordert wird,
deſto ſicherer wird nichts daraus.

Aus Weſtpreußen. Man ſchreibt dem Wſtp.
Volksblatt. aus Karthaus: „Am vergangenen Mittwoch
fand ein gemeinſchaftlicher Spaziergang der Schüter⸗
innen der hieſigen ſimultanen Töchterſchule
und auch einiger Schülerinnen der ſimultanen Elemen—
tarſchule (Reckorſchule) nach dem ſchönen Garten zur
Thalmühle mit den betreffenden Lehrerinnen und



Plath ſtatt, woſelbſt gemeinſchaftliche Spiele, Geſang
und Tanz wechſelten und Herr Pfr. Plath eine An—
ſprache an die Schülerinnen über Zufall und Gottes—
An dieſem Spaziergang durften aber

keine katholiſche, obwohl ſolche dieſelbe Schule beſuchen.


iſt, warum iſt man dann gegen kon feſſionelle
Schulen? Würde unſer katholiſche Herr Pfr. Branden⸗
burg mit den katholiſchen Herren Lehrern und den
kaͤtholiſchen Kindern einen ſolchen konfeſfionellen Spazier⸗
gang veranſtalten, dann wäre ſicher Karthaus aus Rand
und Band Schließlich ſei noch bemerkt, daß ſich unter
im Garten zur Thal⸗

Schülerin der

eine katholiſche


ſind und der man einen evangeliſchen Vormund
gegeben hat und die man bei demſelben zur weiteren
Erziehung untergebracht hat! Ob nun diefes Mädchen
durch Zufalloder Gottes Fügung“ an dieſem
Spaziergange theilgenommen hat?







Eine blaue Schleife.
Hiſtoriſche Novelle von Antonie Heidſieck.
(Nachdruck verb.

Y

I

{n Bier Gemahlinnn König Heinrichs ' VIM. : von Eng-
And, ‚Katyarina:von Aragonien;! AUnna: Boleyn,., Fane
Fmounr und Katharine Howard, ſchlummerten bereits in
een Gräbern den Könissthron Heinrichs VIIT. theilte
* wenigen Wochen einẽ ſchöne junge Frau, Katharina
ürr, ‚die Wittwe Lord Latimers
X &3 war eine ſpaͤte Nachmittagsſtunde, Ende Axril.
B Sonne fandte ihre Legten Strahlen in eines der hHohen
quQenfenit_ep des St. Jamespalaſtes, in deſſen Niſche die
L Bnigin/ a Bor ihr ftand ein Tijchehen mit weib-
Handaxrbeiten; ihre ſchönen Hände, die auf den
ooß hinabgeglitten. waren, Hielten eine Stickerei ohne
eu zı arbeiten, indeß ſie in den klaren Abendhinunel
isſop. Neben ihr aut einem Tahouret, ſaß ihre Hof⸗
Ame, Lady AWlbemarle, der Konig: Heinrich Ddieje Stelle
5 jeiner Geahlin gegeben Hatte. Die Lady arbeitete
* Dderjelben Stickerei, die mußig. in den Händen der Kö⸗
cın ruhte, ‘ und fhaute oft auf die finnende Gebiete-
üä‘rrenobne es zu wagen, dieſelbe in ihrem Nachdenken zu

4 Katharina Latimer war keine ſtolze blendende Schön⸗
1 wie Anna Bolehn und Katharina Howard geweſen,
— eine liebliche zarte Erſcheinuns/ aus deren zauber⸗
ynl falt‘ Kindlihen Augen ' ein unbeſchreiblicher Reiz
Noch hatte ſie ſich indeß in ihrex neuen Stellung

66 Herzen gewonnen denn man konnte das Vorurtheil
ppa Veltegen, gegen eine. Frau, Ddie Die fehite @Gemahlin
nureg Heinrich VIM. geworden war, ein Schritt, den man
tüpy on Eitelkeit gethan ' wähnte. In London war ſie
fa Aufgenommen /und: am Hofe Hatte man ihr nichts
bn&eflengebracbt„ al ‚frojtige Stifette,: Die. zitterte, unter
Seni Yrannenblicf des Königs, der eine Verletzuns ſeiner
Yühr ahiin ſchwer geahndet hätte Das haͤtte die zart⸗
— Katharina ſchmerzlich empfunden, und ſie gab
T auch nur Etifette, wo man ihr joldhe entgegenbrachte.



dem erſten Gatten für immer
fonnte ihr die,Leere ihrer Bruft neben Heinrich VL nicht
ausfüllen, das that nur Ein Gefihl: das Bewußtfein
Mittlerin zu fein zwijhen, einem Tyrannen und feinemt
untexdrückten VBolfe. Sinjam und freudlos wandelte fie
am Hof von St. James, denn daͤß ſie ihre Macht über
den König zum Wohle Anderer antwandte, das thHat Hie
nur im Stillen, und jo ahnte Niemand, . daß {ie das Dia-
dem _ von England wie eine Dornenkrone trug, nicht alz
ein Sinnbild des Triumphes. weiblicher Eitelkeit.

Erſt jüngſt war die Schranke, die Königinnen und
Unterthanen trennt, zwijchen Myladıy Katharina und Lucy
Albemarle njedexgeriſſen von der Hand des Vertrauens,
als Leßtere . Katharina zur Vextrauten ihrer Herzensan⸗
geltgenheiten gemacht, aber eine Freundin int waͤhren
Sinue des Wöoͤrtes haͤtte die junge Konigin doch nicht ge⸗
funden; mit ganzem vollen Vertrauen Lonnte die Gattin
Heinrihs. VIM,, Die Nachfolgerin Anna. Boleyns . und Ka-
tharina Howards, Niemand entgegenkommen.

‘ Sch. bin eine ſchlechte Geſellſchafterin, Ladn Albemarle
wo For innges Herz jetzt in Luſt und Freude diberfprudelt,
des Bräutigams harrend, der Sie zum Traualtar führen
jo(l. ‘ Aber vergeben Sie einer Frau, an die der Eruft des
Ebens früh herangetreten iſt, und geſtatten Sie mir, Ihre
Offenbeit von neulich zu erwidern, indem ich Ihnen von
meiner Vergangenheit erzähle.“

„Das wollen Sie, Mylady?“ rief Luey bealückt.

Sie ſind die Einzige/ zu der ich an dieſemn Hoͤfe, wo
man mich ſo kalt aufgenommen, Vextrauen faſfen laun
Ich bin in Harromgate geboren, in ſo einfachen beſcheidenen
HBerhältniffen, daßı mir nie eine Uhnung: fam, : welche
Größe und welcher Glanz mir hienieden noch aufbewahrt
Lien Meine Eltern mußten ſich fehr einſchränteu trotz⸗
dem nahmen dieſelben noch einen entfernten Veribandlen
zu ſich, Henry Suffolt! deſfen Eliern neſtorben waren and
der mittellos in der Welt daftand.
ſammen erzogen, wir wuchſen auf wie Bruder und Schwefier
und betrachtetrn uns als ſolche. Bald gefellte fich zu un8



noch eine dritte Gefährtin, Anna Dorſet, deren Eltern nach
Harrowgate gezogen, und wir führten ein frohes glück—
liches Kinderleben, ſelbſt da noch, als Henry ſchon zwaͤnzig,
ich achtzehn, Annd fünfzehn Jahre zählte. Dies Leben
erhiell ſeinen Abſchluß mit meiner Verheirathung mit
Lord Latimer, denn das einfache, ſchlichte Naturkind hatte
das Herz des hohen Herrn gewonnen, deſſen Beſitzthum
nicht fern von Harxowgate lag. Ich zog im Lattmerhaͤuſe
ein als meines Willianis Gatlin und er machte mich reif
für die hohe Beſtimmung der ich auf Englands Königs⸗
thron entgegenging, nachdem das Glück des Lebens mir
zulammengebrochen war in Todesſchauern. An meines
Willian Seite fand ich das Glück, das die Welt nicht
rauben kann und das man in der Ehe aufzubauen vermag,
mitten unter den Stürmen des Lebens. Ach, ich verdanke
ihm ſo unendlich viel, und nur in Achtuͤng und Liebe
werde ich ſeiner gedenken bis an mein Lebensende.“

Sie ſchwieg einen Moment und ſchüchtern wagte
Lucie die Frage: Sie waren alſo glücklich mit Lord
Latimer?“

„So glücklich, wie ich es mit einem ſolchen Manne
wohl werden mußte. Aber je größer mein Glück, deſto
ſchneller und unexwarteter ſollte es enden. — Mein Mann
ging eines Tages auf die Jagd, heiter und vergnügt
ſaglen wir uns Lebewohl und ich ahnte nicht, daß ich nuͤr
ſeine Leiche wiederſehen würde! Er ſtürzte mit dem
Vferde und ein ſpitzer Stein, auf den er mit dem Kopfe
ſiel, machte ſeinem Leben ein Ende. Die blutende, ent—
ſeelte Hülle war Alles, was ich am Abend jenes Tages
von ihm umarmte, den ich lebensfriſch und blühend am
Morgen hatte ſcheiden ſehen. Ich werde ihn nie vergeſſen,
die heilige Erinnexung an einen Todten thut der Treue
gegen den lebendigen Gatten keinen Eintrag.

Von jener Stunde an aber war mein Leben anders.
Mein Manit hatte in dex Jugendkraft kein Teſtament
gemacht, und ſomit war ſein Bruder Erbe ſeiner Güter,
nicht ſeine kinderloſe Wittwe⸗

Gortſetzung folgt)


 
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