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Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

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Nr. 241 - Nr. 250 (22. Oktober - 3. November)
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Anzerge-Diatt für die Wintsbezirie Heidelberz,
Ladenburg, Weinheim, Schhwebingen, PhıLippSbucg,
Wieslocdh, Bruckfal, Bretten, N- . rgemünd, Moshach




— räglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage 4* 46

auriags mit Unterhaltungsbeilage, Preis dierteljahrlich
1.20 ohne Trägerlohn n. Poflauffhlag. Beſtellungen

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— — — — Zwingerfiraße 7.
8 5 Verantwortlicher Nedatteur:
® » Julius Jecker in Heidelberg.
— — — — — ——

——

für die zwei Monate

November n. —

* den Pfälzer Boten“ werden von allen Poſt—
Arralten und Landbriefträgern, von den Trägerinnen
Zdie von der Expeditibn angenommen.

“ Werden unjere angehenden Iueiften in
yolitijder Bezichung: beauflichtigt ?

. Die „Bad. Landesztg“ ſchäumt vor Wuth, weil
de kaihot Blätter nichi glaͤuden wollen, däß das
Minifteriele Dementi über die Beaufſichtigung der
bolitiſchen Geſinnung der angehenden Juriſten ernſt
Da dieſes Thema nun denn doch einmal ange—
* iſt, verlohnt es ſich, umzuſehen, wie es denn 'in
ilichte damit im Leben ſteht.

Und da ſagen wir zum Voraus — kein angehen—
T babijcher Juriſt, heiße er Rechtsprakukant oder
Referendär, zweifelt daran, daß er fich in politijcher
Dinficht jehr vorfichtig benehmen muß. Sch möchte
mal einem Referendär rathen, in einer Centrums⸗
Hammilung zu ſprechen! Seine Carriere hätte er ſich
C immer verdorben; daher konmt es, daß obwoͤhi
Fviele gut katholiſch geſinnte Referendäre gibt, dieſe
19 von jeder politiſchen Agitation fernhalten müſſen!
vae jedem liberalen Unterlehrer geſtatiet iſt — die
— Betheiligung an der politiſchen Bewegung —
em tatholiſchen Referendär iſt es verſagt.



don Leulen, die auf alles genau Acht geben, was voͤn
erer Seiie getrieben wird, Zunaͤchſt der Amtmann,
natürlich inmer liberal iſil Glaubt Jemand ini
*4 daß er den unter ihm ſtehenden Rechtsprakti⸗
ANten oder Referendären e& hHingehen laffen würde,
* das Centrum thätig zu ſein? Da iſt eben denn
ots Andetcs zu machen, als daß man ſeine politi—
* Ueberzeuguͤnd fuͤr einige Monate todtfchlagen muß.
* in irgend einem kleinen Amtsſtädtchen eine
ale Verſaͤmmlung ſtatt, in der natürlich der Herr
tmann vorne draͤn iſt, was will der Refereuͤdär
gers machen, die Honoratioren ſind alle liberal, ob
5 Il oder nicht, ek muß zur liberalen Verſammlung,
ſonſt kommt er gleich in den Ruf eines ultraͤ
A tanen Finſterlings und das gute Verhäliniß zu
Ho Vorgefeßten ift vorbei. Mancher badijche
— weiß davon ein Lied zu ſingen

non
*

Das verlaſſene Gaſthaus.
2 von A. K. Green.
abw Fei außer Sorge,“ rief Edwin, „man wird uns nicht
Wa eifen. Laß uns nur hineingehen und unſere Auf—
Ytung machen.“
„Aber —“ ftammelte ich —4—
r — nur,“ fuhr er fort. Das ſchöne Fraulein iſt
4* rig und, hat das Recht hren künftigen Hatten 3
Über 2 3O feße mich in ein warmes Meft, nicht wahr ?
8 ich habe lange genug wie ein Vogel auf dem Aſt ge⸗
S_ Üt mir elend genug ergangen vioͤher ein ſo huͤbſcher
Wie ich verdient ein beſſeres Loos.“
Aber ' Erſtand die Bedeutung ſeiner Worte nur zu gut,
der e efelten mich an. Wenn ich auch kein befonderes
19 — an MMiß DudleighH nahın, da ich ſie kaum kannte,
— doch ein Weib wie ſie immer Achtung ein, und der
Mmir e 719—_mit dieſem Manne verbunden zu ſehen, erſchien
— — — A 2*
aus |5 ün Du mir jagteft, Du wollteit eine Prinzeffin
ig m iem Blute hHeirathen,“ rief ich, „jo würde eS
überrafjchen, als daß Du diefe weiße Taube
Gick i4 Hoffentlich verftehſt Du Dein großes
'l Würdigen ?”
vor 4 WwieS auf da3 hHohe Gebäude, das ftolz und fattlich
fon 46. „®Ilaubit Du, ich weiß den Vortheil nicht
„ SEr Herr einer ſolchen Veſißuns zu ſein? Bin
b ſo kluger Kopf wie Du, ſo brauchſt Du mich
m mi t für ganz blind und thöricht zu Halten. Ich bin
8 YU weißt und liebe mein Behagen mehr al3 Du.“
„ 79 E Miß Dudleioh.” ; 2
— ſie iſt zwaͤr eüas kränklich und langweilig aber
*4* eicht zu anſpruchsvell?
n \ b“. f)ü_tte i ihm ’ den Verdruß zu fühlen gegeben,
SÜt i o Jeiten Worten empfand, aber unndthig Streit
— 8 angen waͤre Thorheit gewejen und meine ge-
Ötvieg zE Cltng Hätte er doch nicht begriffen. Daher
„la ie fehr mir auch der Zoͤrn im Herzen brannte
v T in das: Hau&: traten, war nieine Hitze noch
erflogen

18)





Und dann fragen wir weiter? — Gibt es denn
keine Conduitenliſten? Jawohl gibt es ſolde. Wer
weiß, was ſchon alles in die bekannten Perſonalakten
hineingeſchrieben wurde! Daß dieſelben nichi blos für
die Kontrolirung der dienſtlichen Pflichterfüllung da
ſind, weiß jeder angehende Juriſt: alles Mögliche

wird hier feſtgenagelt — natürlich gibt es große
Unterſchiede, mancher Landgerichtspräſident denkt
nohlex als ein anderer — kaͤm es doch ichon vor,

daß hineingeſchrieben wurde: „Herr X. ift ungefell-
ſchaftlich', wenn es ihm zuwider war, bei allen mög⸗
lichen Damengeſellſchaften zu erſcheinen, in denen fuͤr
Landgerichtsraths und andere Töchter Männer ge—
angelt werden ſollten!

Es dürfte mit vollem Recht verlangt werden, daß
der Inhalt dieſer Kontrolpapiere voll und ganz den
Rechtspraktikanten mitgetheilt wird. Dicfe Liſten
wandern in das Burean des Landeskommiſſariats und
von dort aus an das Miniſterium in Karlsruhe.
Macht ſich ein Rechtspraktikant unbeliebt — er irı
bis nach Karlsruhe angeſchwärzt.

Aber auch in religiöſer Beziehung iſt der kothol.
junge Beamte nicht ſo üngenirt, wie man es verlangen
ſollie; man verwehrt es ihm nicht, in die Kirche zu
gehen, aber es gibt das Jahr hindurch eine Menge
anderer kirchlicher Gelegenheiten, wo er ſeine religiöfe
Ueherzeugung zeigen könnie, wo er aber wegbleiben
muß, weil es ihm ſonſt in ſeiner geſellſchaͤftlichen
Stellung ſchaden könnte, weil man ihm aufpaßt.

Vor einigen Jahren war ein badiſcher Referendär
in einer erzliberalen kleinen Stadt ſo kühn, ſich an
der Fronleichnamgprozeſſion zu betheiligen. Der ka—
tholiſche Amtsrichter und Amimann hielten es natür—
lich unter ihrer Würde, es ebenſe zu machen; wie
wurde der Herx aufgezogen! Seine Standesvẽthält⸗
niſſe haben es ihm indeſſen erlaubt, den Dienſt zu
quittiren, er wirkt jetzt für das Centrum.

Daß der Herr Juſtizminiſter und der Herr Mi—
niſter des Innern genau die politiſchen Anſchauungen
der jungen Beamten kennen, iſt ja bekannt — woher
weiß man denn das in Karlsruhe? Es iſt merk—
würdig: Von Amtsrichtern und Landgerichtsräthen,
die zum Zentrum halten, haben wir “ſchon gehört,
von Staatsanwälten aber nicht, von Amtmännern
ebenfalls nicht; woher kommt das? Von dieſen
letzteren Stellen will man „Schwarze“ fernhalten,
man kennt ſeine Leute ganz genau in Karlsruhe, denn
ſonſt könnte die Wahl fuͤr die Liberalen nicht ſo
glücklich ausfallen. Daß das Miniſterium deshalb
teine Extra⸗Spionageliſte zu führen braucht, wie die


ſchlanken Geſtaͤlt in ihrer lieblichen Einfachheit emnpfand
ich das heftigſte Verlangen, den herzlofen Menſchen neben
mir zu pucken und über die Schwelle zurückzuſchleudern
die ſein unwürdiger Fuß niemals hätte entweihen ſollen.
Er beſaß ja keinen Blick für folche Schönheil, fein Ver-
ſtänduiß für reine Liehe.

Al3 fie unS eintreten ſah, verklärte ein frohes Lächeln
ihre Züge, dabei blickte ſie aber nur auf ihn und ſchien
meine Gegenwart kaum zu bemerken Eiue ältere Ber⸗
wandte war mit im Zimmer und ich erfuͤhr ſpaͤter, daß
dieſe Tante es ſich hatte ſehr angelegen fein laſſen, die
zwei ſich widerſprechenden Naturen zufämmien zu bringen ;
was ſie dazu bewog, habe ich nie ergründen koͤnnen Sie
glaubte es gebe für ihre Nichte keinen beſferen Gatten,
As Edwin Urauhart und Iud ihn daher nicht nur ein das
Haus zu beſuchen, ſondern unterſtützte auch ſeine Be⸗
werbung von Anfang an mit Ddem grüößten Eifer. So
geſchah es day Miß Dudleigh von ihrer Begeiſterung mit
fortgeriſſen, allmählich in den Wahn gerieth, der ſeichte,
niedrig geſinnte Menſch, den ich meinen Freund nanute,
ſei das Sdeal ihrer Träume.

„Schon an jenem Abend bekam ich eine Ahnung
hiervon, als ſich das Fräulein voll ſüßer Verwirxung, die
ſie unendlich lieblich kleidete, vom Spinett erhob. Die
Würde der reichen Erbin und die zärtliche Schüchternheit
des Mädchen? in Gegenwart des Geliebten verbanden ſich
in ihrem Wejen zu dem holdeſten Reiz Als ſie ſich an⸗
muthsvoll vor unS verneigte, empfand ich nicht ohne Un-
hehagen, wie hoch ſie an feiner Sitte üher den Kreiſen der
Geſellſchaft ſtand in welchen ich mich bisher bewegt hatte.

Urgquhart aber ließ keine Verlegenheit blicken Seine
jchöne Heſtalt denn die beſaß er — zeigte ſich bei der
echt höfiſchen Verbeugung, die er machte, in vortheil⸗
hafteſten Licht Nachdem er dann meine beſcheidene Perſon
porgeſteht hatte, ließ er ſich mit den Aräulein in eine
Unferhaltung ein, welche zwar oberflächlich .aber doch an-


Hihkfe-micdh menig geftimmt, an deim Gejpräch theilzunehmen,



Eberbach, Buchen Waldkrn, E,5 —— ——

DOruck Sexlag u. Exxedition von Gebr. Huber 4 34
in Heidelberg, Zwingerſtraße 7. 14



„Frankf. Ztg gemeint hat, iſt demnach klar. Aber
der Herr Miniſter ertläre einmal: „Es iſt mir gleich—
giltig. was die angehenden Juriſten in poluͤiſcher
Hinſicht denken und thun, ob konſecvauw oder frei—
ſinnig oder ultramontan ſind, das iſt mir ganz gleich—
giltig“

Wenn ſo das Dementi lauten würde, dann wäre
es glaubhafter!

Ein alter Satz
über den Meiſter.“
willkürlich gedacht,

heißt: Der Schüler
An
als

; iſt nicht
dieſen Satz haben wir un—
wir neulich in dem Staats⸗

wörterbuch Bluntichli’? Bd. 10 S. 642 laſen, wie
folgt:
„Man darf auch die Ultramontanen als ſolche

nicht grundſätzlich ausſchließen von den Stellen und
Aemtern in Staat und Gemeinde... Aber Vorſicht
iſt allerdings geboten, wenn ultramontau geſinnte
Perſonen mit politiſchen Aemtern betraut werden.
Der moderne Staat macht den Bock zum Gärtner,
wenn er die politiſche Leitung den Ultramontanen
überläßt? u. ſ. w.

„Paßt auf, Ihr, die Ihr an der Spitze ſteht,
was Eure untergebenen Leute für eine politiſche Ge—
ſinnung haben. Sind ſie ſchwarz, ſo mag man ſie
in unbedeutendere Stellungen befördern, aͤber nicht
in ſolche, wo ſie irgend einen Einfluß haͤben könnten
auf die politiſche Leitung des Vaterlandes, hier ſind
ſie mundtodt zu machen hier muß Platz gemacht
werden für die Rothen, denn nur dieſen gehört die
Leitung des Vaterlandes.“

Wenn ſo der Lehrer Bluntſchli ſprechen durfte,
dann werden ſeine politiſchen Schüler dieſer Praxis
wohl getreu nachfolgen! (Off. Ztg.)



Deutſches Reich.

Berlin, 25. Ott. Ueber die Verhältniſſe
der Kinderwelt in der Berliner Arbeiier—
bevölkerung macht der Jahresbericht des „Evangeli—
ſchen Erziehungsvereins?“ wirklich recht betrübende
Mittheilungen. Darnach nimmt die Verwahrloſung
in ſchreckenerregender Weiſe zu, ſowohl in der Kuaben!
wie auch in der Mädchenwelt. In der Emmaus—
gemeinde, im Südoſten der Stadt, ſind in einem
Jahre (1891) laut den Alten 84 Kinder im Alter
von 12*15 Jahren gerichtlich beſtraft worden mit
einem Strafmaß bis zu einem Jahre Gefängniß. Jede
der großen Vorſtadtgemeinden zeigt eine gleiche Ver—
dorbenheit weiter Kreiſe der Juͤgend. Meiſtens find
Knaben die Beſtraften; die Vergehungen de⸗ Madchen

und ward dadurch noch mehr in meiner Ueberzeugung
beſtärkt, daß nur feine grenzenloje Anmaßung Dden ver-
meſſenen Gedanken in ihm hatte erwecken können dies lieb⸗
reizende Geſchöpf ſein eigen zu nennen

„Wollte Gott, ſie wäre ſo arm wie Janet Fairfax,“
dachte ich bei mir, „dann hätte ſie keine Anziehung fr
ihn beſeſſen und wäre vielleicht glücklich geworden an

der Seite eines Mannes, der ſie zu würdigen wüßte.
Jetzt iſt ihr Schickſal befiegelt. Sie haͤt weder Bater

noch Mutter mehr und wird ſich blind und ungewarnt in
ihr Verhängniß ſtürzen, aus deni kein Meuſch fie zu retten
vermag.“

„Von dieſem Tage an
mehr noch Urquharts Wunſch
laften Zauberkreis! Mein Eindruc blieb zwar {tetz
Derfelbe, wie bei dem erſten Befuch, aber wWweiter ver-
itiegen jich meine ®edanfen nicht. Troß all ihrer zarten
Anmuth und Schönheit, die wohl eines Mannez Auge
entzücken und ſein Herz erwärmen fonute, Wwar fie eS
doch nicht, die meine Natur im innerften bewegen und die
ganze in mir ſchlummernde Leidenſchaͤft erwecken foͤllte
Urauhart beging daher keine Thorheit wenn er mich fo
häufig dahin mitnahm — aber hätte ich ahnen koͤnnen,
wozu dieſe Beſuche führen würden ich hätte mich lieber
vom Dach des Hauſes auf das Steinpflaſter herabgeſtuͤrzi

führte mich der Zufall und
und Wille häufig in ihren

As noch einmal den Fuß über jene verhängnißvolle
Schwelle zu ſetzen.

„Und doch — wer weiß? — Iſt uns nicht oft die
Dumpfheit des Lebens unerträglicher al3. feine

Schmerzen? Wir jehnen un$ danacdh un auszuleben, wir
ſiehen ein einförmiges Dajeim Sine leidenſchaͤftliche
Natur wie die meine muß lieben ſelbſt wenn ihr
ſtatt Gegenliebe nichts geboten wird als Feuerflammen
und ein geheimnißvoller Tod — fie: nuß doch in Liebe
entbrennen und ſelig ſein oder untergehen! wie eS Ddag
Schickſal beſchließt.
Fortſetzung folgt.)


 
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