Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (27) — 1892

DOI Kapitel:
Nr. 251 - Nr. 260 (4. November - 15. November)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44150#1028

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


ho fft und ein Nichtzweifeln an dem, was man ſieht.“
— — Und wenn aͤuch Columbus 25 Jahre vor der
Reformation noch in katholiſchen Formen fromm war
wir Evangeliſche fühlen ihn doch in ſeinem Glauhen
uns geiſtesverwandt.“ — Vor allen Dingen möge
man in dem letzten Sabe „wir Evangeliſche uſw.“
die geradezu rabbiniſtiſche Spitzfindigkeit dieſes
Schrifigelehtten beachten. Die Evangeliſchen (dex
Herr weint jedeufalls die Bundesbrüder) fühlen ſich
nicht ihm in dieſem Glauben geiſtesverwandt, nein
ſie fühlen ihn ſich geiſtesverwandt. Sie wollen
nicht Kolumbus, Kolumbus ſoll ihnen gleichen.
Und darum ſtecken ſie ihn friſch fromm, fröhlich,
frei in die Bundesbruderzwangsjacke. Die Welt
iſt ein großes Narrenhaus, ſagte mal Jemand, bald
glaub' ich's auch. Mit einer Irt wehmüthgex Reſig⸗
nation bemerkt der Bundesbruder weiter, daß die ka—
tholiſche Kirche den großen Entdecker für ſich in An⸗
pruch zu nehmen beabſichtigt. dadurch daß ſie ihn heilig
fhrechen will. Das gefälſt unſerm Bruderherz, nicht.
Zedenfalls hat dann Columbus für die Bundeskreiſe kein
Intereſſe mehr, oder es làuftwider die Bundesprinzipien,
Intereſſe zu zeigen. Daß aber Columbus ſo unvexr—
fiaͤndig war, 28 Jahre vor der Reformation Aızerika
zu enidecken! Hätte er nicht warten können, bis
ihm der friſche belebende ** der „befreienden
That“ den Wind fuür ſeine Segelſchiffe ge⸗
nefert hätte? Denn Columbus wärr ngtürlicher⸗

veife ſofort Proteftant geworden. Darüber ſind

fammtliche Bundesbrüder einig und das muß genügen.

Na, desiegen nur die Hoffnung nicht verloren! Viel⸗

leicht entdeckt auch einmal ein Bundesbruder was.
Doch darüber dürfen die Herren nicht böſe ſein, wenn
Ne latholiſche Kirche Columbus vor dem Schickſale
bewahren will, am Ende gar neben Guſtav Adolf als
Buudesheiliger figuriren zů müſſen. Denn ein ſoches
Schickſal hat Columbus denn doch nicht verdient!

Auſchliehend an obige Columbusbiggraphie“ de⸗
weist der Geſchichtsforſcher in dem Aufſatze „Die
neue Welt“, daß die Katholiken erſt dann etwas lei⸗
ſien koͤnnen, wenn ſie die proteſt. Vorbilder vor
Augen haben. Die Proteſtanten ſind gewifſermaßen
daͤs Salz der Bevölkerung“ uſw. Das iſt ja eine
Uaue Beſchichte ! Dumm und katholiſch iſt daſſelbe
in den Augen eines Bundesbruders. Wir können
nun aber uͤicht mehr im Zweifel darüber ſein, wer
die „Edelſten der Nation ſind. Wenn nur das
Eigenlob nicht in ſo ſchlechtem Geruche ſtände!

Der Peterspfennig iſt nach einem andern Artikel
Schuld aͤn der „Armuth der kath. Bevölkerung“!
Der Verfaſſer meint, daß auch gerade dadurch die
Froͤteftanten,wohlhäbiger“ ſind, wie die Katholiken.
Wohlhäbig“ das war gewiß ein recht feiſter Bundes- ;
bruder, der ſich das Wort leiſten konnte.



Im Damen ⸗ Cofé in Berlin.

Das Monopol der Männer, Erfriſchungslokale
zu beſuchen, beſteht längſt nicht mehr. Wie ihre
Bildungsinſtitute und ihre Verſammlungen, haben die
Damen auch ihre Reſtaurants und Cafes. Erſtere,


bei den

den Männern vnzugänglich; bei letzteren,
und

Daͤmen · Cafos, nimmt man es nicht ſo genau,



legenheit, die Damen unter ſich zu belauſchen.
haͤden es ja nicht immer gern, gleichwohl beſteht kein
$trictes Verbot, und wer es über ſich gewinnt, den
prüfenden oder auch ſtrafenden Blicken von drei
Dutzend Damen alterer Jahrgänge und Lebensſtufen
waͤcker Stand zu halten, der kann 3. B. in dem all-
hefannten Damen-Caf& in der Nähe der Linden
allerhand intereſſante Studien machen. Solches
Uuternahm auch ein Mitarbeiter des „Berl. Tagebl.“,
der demielben feine Beobachtungen wie folgt mittheilt:

Iſt der ſtille Beobachter geſchäftlich veranlagt, ſo
wird ihn ſchon nach einem Aufenthalt von etwa 20
Minuten der heiße Wuniſch beſchleichen, Inhaber einer
derartigen Damen · Erfriſchungsſtatte zu ſein. Iſt das
ein Bombengefhäft! Keine Spur von männlicher
Lneipſeßhaftigkeit oder von weiblicher Ausdauer im
Kaffeeklatſch. Durchſchnittlich alle fünf Minuten
wechfelt — in den Nachmittagsſtunden wenigſtens —
das Bublikum. Ganze Familienzüge — Mutter und
Töchterſchaar
die Tante aus Perleberg mit drei Nichten, die
Couſine aus Cottbus und die Stiefnichte aus Pots⸗
dam — ſtrömen durch die ſchmale Pforte in das


ausgeſtattete Cafẽ.
alle befegt; thut nichts; ein Apfelkuchen mit Schlag—
fahne, ein Mohrenkopf oder ein Sahnenbaiſer laͤßt
ſich zur Notb duch ii Stehen verzehren, und in ein,
zwei Minuten wird ein Tiſchchen leer. Naffee, Cho—
colade, Backwaare, Alles vortrefflich und um ein
Kleiues billiger, als in anderen Cafees und Condi⸗
wreien Das iſt das Ausſchlaggebende für die Damen.
Die Taſſe Chocolade mit Bigcuit nur 30 Pfg. das
ſft außzerordeutlich, und zur Belohnung für die Fin⸗



In grellen Farben wird in einem Auffaß die
Trunkenheit gejchildert, denn die iſt noch ſchlimmer
wie „alle Geiſtesknechtſchaft von Rom So was
zieht bei den Guſtav Adolf Kndern; der Trinkteufel
ſchlimmer noch wie Rom! Was würden die Herten
ſchimpfen, wenn wir einen Trunkenbold mit den Wor—
ten bekehren wollten:
wirſt du noch ſchlimmer wie der Evangeliſche Bund?
Wir wollen aber hoffen, daß die Bundesbrüder ſich nun
mit Abſcheu von der Trunkenboldenhaftigkeit abwenden


ſchwinden laſſen.

Es hieße Aaitsverkündiger in
importiren, wollten
bringen, daß die friedensliebenden, toleranzgeſalbten
„Behſchlagskuappen“ leidenſchaftlich gexn vor unſerer

unſer Muſterländl


zu halten Man nehme irgend ein Bundesblättchen


haltes von Rom handelt. Und wenn's nicht anders



j
!

{
{
{
1


Mittelalter3“ hervorholen. Sie lärmen wie die Rohr—
ſpatzen, daß ſich die Katholiken erlauben, in Berlin


Rom eine proteſtantiſche gebaut wird.
den Jeſuiten Seelenfängerei vor und ſenden ihre Miſ—
ſionäre vulgo Kolporteure nach Spanien, Oeſterreich,
ZItalien u. J. w. Der Veterspfennig liegt ihnen im
Magen und der Guſtap⸗Adolphpfenniß ſteckt ihnen im
Kopf. Sie wollen driginell ſein, und ihre Originalität
beſieht in der Nachäffung kath. Schöpfungen. Sie
nennen ſich liberal und ihr Liberalismus iſt einzig
Fanatisius. Sie fiſchen im Trüben, um die Welt
Sie rühmen ihre Intelligenz, weil
ſich ſonſt Niemand dazu hergibt. Sie lügen uns die
Baͤterlandsliebe hinweß und beweiſen dadurch, daß ſie
das Vaterland ⸗ ſein wollen. Sie kämpfen muthig
gegen die Jeſuiten, weil momentan keinex in Deutſch⸗
fand ift. Großmäulig ſtecken ſie unſere Ordensbrüder
in die Taſche und wiſſen nicht, daß ſie dann mehr
Verſtand in ihren Taſchen, als in ihren Köpfen
haben. Sie mäſten ſich vom Haß gegen Rom und
werden „wohlhäbig“ dabei. Sie möchten wiſſen, wies


Herrgott im Himmel die Wenſchen nach dem Herzen
richtet. Sie ſprechen: Herr, ich danke dir, daß ich


{
|




es ſtehe außer Frage, daß ein neues Wahlgeſes
dem preußijhen Ländtag vorgelegt werde. Die
Borlage erfolge. jedoch erft nach.dem völligen Abjhluß
der Steuergejebe. Die Regierung werde indeſſen ſchon
in allernächfter Zeit über die Grundzüge des Geſetzes
Aufſchluß geben

= Berlin, 8. Nov. Die Meldung der „National-
liberalen Korreſp.“, daß in katholiſchen Kreiſen Wider⸗
ſpruch gegen die Aufſtellung der Büſte Luthers
im Reichstagspalaſt erhoben worden, wird von der
„Germania“ wie folgt beſprochen: „Wir halten das

des Hetzens. Im Uebrigen iſt der Reichstag . part?
tätiſch zu behandeln und es können daher dort ent—
verehrte deutſche Größen
dargeſtellt werden, oder wenn ſpezifiſch proteſtantiſche,
auch ſpezifiſch kat holiſche. Iſt die Nationalliberale
Korr.“ dazu bereit?“

»Kiel S. Nov. Der Kaiſer wohnte heute Vor—
im Ererzierhaͤuſe der erſten Matroſendiviſion bei.
Der Kaiſer und der Vizeadmiral Knorr richteten an
die Mannſchaften Anſprachen. Nach der Feier nahm
der Kaiſer das Frübſtück in dem Marine- Offiziers-
kaſino ein.



Ausland

Paris, 8 Nov. Im Polizeicommiſfariat der
des bons enfants fand eine Exploſion ſtatt.
Ueber dieſe Exploſion wird berichtet, daß 2 Agenten
gegen 11'/« Uhr in der ayenue de Teyera vor
dem Sitz der ſozialiſtiſchen Geſellſchaft der Minen von
Catmarx eine Art Bombe fanden, welche die Form
eines Koͤpfes hatte Die Agenten hoben die Bombe
auf und transportirten dieſelbe nach dem Commiſſariat,
wo ihre Verſuche, ſolche zu prüfen, eine Exploſten
hervotrief. Die zwei Agenten ſind getbdtern ein
anderer verwundei. Die Zerftbrungen an Material
ſind beträchtlich.

Aus Stadt und Land

Gachrichten fuͤr dieſe Rubrit ſind uns jederzeit witommen. — Etwaige
noſten werden ſtets ſofort erſetzt)

— OSeidetvera 9. Nov. Muthmaßliches Wetter für
Donnerftag, den 10. Novbr.) Veränderlich.

* Heidelberg, 9. Nov. Heute trafen die neuen Re-
truten dex hieſigen Garniſon ein Dieſelben werden in den




ſpiel des ſelbgerechten Phariſäers.
Naſen gewöhnlich in die Angelegenheiten, die ſie nichts


dann winſeln ſie über ultramontane Unverſchämtheit.

Deutſches Reich.
* Berlin, 8. Nov. Die Voſſ. Ztg. will wiſſen,

digkeit, mit der man dieſe Quelle entdeckt, wird raſch
noͤch ein Stückchen Torte genehmigt. Es geht eben
nichts über rationelle Spaiſamkeit.

Zur Beobachtung ſtan desunterſchiedlicher Etiguette
iſt hier weder Ort noch Zeit. Die Commercienräthin,


die Laͤdeumauuſell — Alles an einem Tiſchchen, wie
der Zufall es eben fügt. In wenig Minuten iſt die


Hier iſt man geduldig und verträglich. Die be—
die ſemmel⸗

die trotz
des Zahnſchmerztuches auf der geſunden Seite mächtig
laut ieine fuͤhlt fich durch die andere genirt. Das augen⸗
blickliche Reſtaurationsbedürfniß ſcheint zumeiſt ein
ſtarkes zu ſein und alle Nachbaͤrſchaftsbedenken zu üher—
winden. Mit raſchem Blick und ſicherer Hand walten
die Bedienungsmädchen ihres Amtes. Im Nu iſt
jeder Ankömmiling bedient; Alles ſteht parat; die
Vorräthe erſcheinen, trotz der Kleinheit des Buffets,
unerfchöpflih. Seitwärtz oder aus der Tiefe des
Soutetraͤins müſſen Heinzelmännchen immer neue
Berge von Süßigkeiten, friſche Rieſenkannen der
damipfenden Labettänke heranſchleppen. Jedenfalls
functionirt der Apparat ausgezeichnet und mit erfreu⸗
ücher Geräuſchloſigkeit. Für das Dargereichte wird
ſofortige Bezahlung erbeten, jedes Trinkgeld zurück⸗
gewieſen
Auch das iſt der weiblichen Eigenart trefflich an—
gepaßt; ich lenne Damen, weldhe den Mann angſtlich
beoͤbaͤchten, wenn er im Reſtaurant die Trinkgeldſpende
auf den Tiſch legt, und erleichtert aufathmen, wenn
e& nur ein Nidel ift. Für's Noble ſind die Damen
Die mehr oder minder umſtaͤndliche
Bezahlungsart unterſcheidet auch die Großſtädterin
von der Provinzialin. Die erſtere hat ihren Obolus
meiſt raſch zur Hand. die letztere kramt das Porte⸗
nduͤnaie au üefften Tiefen hervor und aus dem Porte.
monnaie ſelbſt wieder mit beängſtigender Umſtaͤndlichkeit
die paar Nickel heraus. Den Großſtädtern ſitzen die
Groſchen loſer.
Döne Uuterbrechung ſtrömt der Zuʒig und ver⸗
ſchwinden die raſch Erquickten wieder. Jetzt erſcheint

nun einmal nicht.


* geidelberg, 9, Rov Ein glückliches Zeitalter ſcheint

für unfjere ABEC-Schüßen anbrechen zu wollen, Wieviel




verurfacht, beſonders wenn er mit allerhand goldenen
Streifhen verzirt, vielleiht vom EChriftfindlein auf den
Weihnachtstijh gelegt worden war und auf dem Schulweg
oder gar in Der _@äu[z_‘ ſeibſt den Weg alles Frdijchen
ging! Dasz fjoll für die Zukunft ganz anders werden.
Man hat nämlidh neuerdings einen Aluminium-Oriffel

eine bekannte Vorleſerin mit blondem Rieſenzopf —
ob er echt iſt? —; jetzt eine nicht minder bekannte
Volksküchen⸗Patronats⸗Dawe, die ihr Nußtörtchen
mit kritiſchen Blicken muſtert; jetzt ein dicker Kunſt—
händler aͤus der Nachbarſchaft, dex nur im Fluge
eine Schale Heißen genehmigt, und jetzt gar vier
ſchueidige Teruͤaner, die ihe Jeſammte Bearſchaft in
je zwei Winddbeuteln mit Schlagjahne anlegen. Ein
Liedespärchen ſteckt nur den Kopf durch die Thür
und verſchwindet angeſichts dieſer wogenden Volks⸗
verſammlung ſchleunigft wieder; hier iſt keine Heim—
ſtätte für koſende Romantik.

Nicht einmal die Unterhaltung will ordentlich in
Fluß kommen; die Andacht der ſüßen Vegetarianerinnen
kingoͤum iſt zu groß. Man ſchlürft die unterſchied⸗
lichen Götterträuke, man kaut mit Inbrunſt. Kaum
daß man kurze Sätze erlauſcht. „Bei Anna Ruppert
geweſen?“ — „Allerdings, aber nur der Wiſſenſchaft.
wegen, ich hab' es gottlob nicht noͤthig.“ Ich
möchte mir die Fingernägel verſchönern laſſen; ob
man die drei Mark daran wagt?“ „Jedenfalls
noch eher, als die 13 M. Für ein Corſet zur Er—
lanqung einer amerikaniſchen Taille.

Macht Ihr Mann auch in ethiſcher Cultur?“

Im Gegentheil, der geht jeden Abend zu Renz.
Es iſ ſchrecklich. Fraulein noch einen Mohrenkopf!“

„Wiſſen Sie vielleicht die Adreſſe eines guten
Kunſtſtopfers? Mein Aelteſter hat mir ein Loch in
die Salongardinen gebrannt.“

Leider nein; aber das werden wir gleich haben;
Fräuͤlein noch einen Pflaumenkuchen und den zweiten
Theil des Adreßbuchs!

Mein Mann hat ſich den theuern echten Cognac
angeſchafft — natürlich der Choleragefahr wegen — ;
gun trint ich au echten Benedictiner. Wir wiſſen
auch, was gut; nicht wahr, Frau Regierungs⸗
baume ſter?“

Gewiß, Frau Räthin! Und morgen gehen wir
in's Idolf Eruͤſi · Theater; wiſſen Sie, die Virag uyd
die Tielſchet, zum Schreien! Sind mir hieber als
das ganze Schauſpielhaus.

Ja, ja, die ethiſche Cultur!“



8 Ltellt

——
S ama
mg}z Quf Di
Tonügen
24 Ma
ein
* los
* geht
7 mehre
agen n
——
8 —
enan
———

den ü
il —
8 Sr w
L“?(}gen

*

i Bei
* dem M
4* und
D bargebi
——
Ün gexmeiſ⸗
der Lerzſe
8 uber
B S
el qu

4
*
tern. da
& ı. Bom
8 —

ve Y ein

l —

1 u
R
d% —
*8

4 geſe
M
tan / Den
hiuei

Mgr He g
-

erne Q
Ö0r eı
am
 
Annotationen