Heidklberger Wochenbiätter.
Ko. 90. Mittwoch, den 8. Mai 1839.
E r e i g u i s s e.
Frankfurt a. M., 3. Mar. Gestern hielt dee
BundeStag abermalS eine Sitzung. Nach dem, maS
im Publikum über das Ergedniß der Freiragösitzung
voriger Wochr vrrlautet hat, wäre deschlossrn wor-
den, die verschiedenen kürzlick bet der bohen Ver-
sammlung eingereichten Beschwerdeschrifren in Be-
treff der hannöverschen Angelcgenbeit der Rekla-
mationSkommission zum Brhufe der Prüfung und
Berichterstattung zu überweiseir. — Roch heißt es
ferner in hiestgen Kreisen, eS werde die Berichter-
staltung tn Bälde erfolgen. Man erzählt sich, cS
sey von Hannover auö darauf angetragen worden,
den Verkauf der von Prof. Dahlmann heraugegebe-
nen Gurachten der drei Juristenfakulrälen (in der
bannüoerschen Steueeangelegenheit) zu untersagen.
Zndeß hätte dieser Antrag keine weitere Folge gehabt.
Darmstadt. Nach der großherz. hesflschen
Zeitung hat die zwcire Kammer drr hessen-darm
städtischen Stände über einen Antrag deg Frhrn,
v. Gagern berathen. ES ging derselde dahin: »;u
wirken, daß die im Jahr 183-4 vom BundeStage
beliebte und vorgeschrrebene Formel deS RevrrseS
der Studtrenden auf deutschen Universitären deutli-
cher und präciser in Absicht des ZweckeS und der
Strafbarkeit gefaßk werde. ^ Die von Srhrn. v.
Gagern beanstandete Stelle, deren deutlichere uud
-räciscre Faffung er in seiner Motion wünscht,
lautel r « Jch verspreche auf Ehre und Gcwiffen:
-3) daß ich weder zu dem Zwecke gemein-
schaftlicher Berathungen über die brstehenden Gesetzr
und Sinrichtungen deS LandeS, noch zu jenem der
wirkltchen Auflehnung gegen odrigkeitliche Maßre-
geln mir andern mich vereinigen werde. « — Dem
Herrn AMragsteller scheint diese Formel zu allge-
mein, zu unbcstimml abgefaßt. Sie mtßkenne
gleichsam, daß unsere gebildete und zu bilbende
Jugend dorl sey, um dte Grsetze und Einrichlun»
gen, ja die Mängel deS VaterlandrS kennen zu
lernen. Ob man dem Medtztuer verbiete, über die
Anatomie, dem Theologen, über die Bibel, diese
such tm Vergleiche mtt dem Herdenthum, zu spre-
chen, zu berathen, zu diSputiren? Unter den Ge.
fehen deS LandeS sey auch daS ganze Oorpus juris,
Ler Ooüe iVspoleon begriffen. Könnten nicht junge
Leute auS ihrem KriminalkonkurS kommend, z. B.
über die Zulassurrg der TsdeSstrafe beratbschlaqen,
deliberiren, diöputtren? Und so über MajestätS-
verbrechen, Preßgesetze rc. re. Dem Hrn. Antrag-
ßeller schetnrn nasrwetse Ankömmlinge, oder verwe-
gene Csnspiratoren zu gleichbaldigen Exzeffen, all»
zusehr verwechselt vder in cinem Derdacht und Ver-
dammniß begriffen mlt den zahlrrichen bestandenen
junaen Männern, welche vielleicht im Begriffe stnd,
nach etlrLen Msnaken ein Gtaatöamt anzutreten,
ja rtn Lehramt üder selbige veebotene Materien.
Nnd ba jene Zeiten auffallender Aafregung vorüber
gegangen zu seyn scheinen, so wünkcht der Herr
Antragßeller Ermäßigung und schärfere Sonderung
und Bestimmung. Nach dem Vorgang dee ersten
Kammer hat auch dre zweite diesen Antrag abgelehnt.
Dasselbe Sckiksal batte ein zweitcr Antrag des Frhrn-
v. Gagern auf klacere und bestimmtere Fassung deS
Art. 87 der akademischen Diszrplinarstatuten zu
Gießcn, welcher daS sogenannte Commerciren un-
tcrsagt- Der Anrragsteller äusserte: „ Lassen Sie
unS auf unseren hohen Schulen nach alter Weiss
redliche, vffene, muntere deutsche Männer heran-
ziehen, mit dem gebührendcn Grade der Freiheit;
— nicht Heimtücker, kurz Heuchler mancherlei
Art, die Msliore im Tartuffe so gezeichnet und
von -er Erde zu verbannen gesucht hat!^ Neben
dem vorstrhenden hat die zweite Kammer fcrner be-
fchlossen, die in der Berathung vorgckommenen
Anstchten und Bemerkungen bcr Staats'regieruns
zur Prüfung und Berücksichtigung empfrhlen.
Ber!itt, 27. April. Der wesentliche Jnhalt
des dem Erzbrschcf von Pasen eröffneten UrtheilS
lautet wie folgt: Der Erzbischof von Gnesen und
Pssen, v. Dunin, ist von der Anklage hochver-
ratherischcr Handlungen und der Anfwiegrlung deS
VolkeS gegen die Rcgierung freizusprechen; aber
wegen seincö UngehorsamS und der eigenmächtigen,
in seiner Diöcese gctroffencn und nicht widerrufsnen
Maßregrln zum Verluste seiner Würden, zu sechK
Monar Festungsstrafe und zur Bezahlung sämmtli»
cher Gerichtskosten verurtheilt. Zugleich wird der-
selbe für unsähig erklärt, jemalS im preußischen
Staate wteder ein Amt zu bekleiden. Unbenommen
bleibr ihm der Weg der Appellation. Der Erzbi-
schof bat jedoch erklä'rt, daß er von jenem letzten
Miltel ketnen Gebrauch zu machen gedenke, son-
dcrn selbst bei ber von ihm schon auSgrsprochenen
Ueberzeugung, daß er die Kompetenz des GerichreS,
vor dem sein Prozrß verhandrlt wvrden sey, nicht
anzuerkennen vermöge, gern und wiüig die über ihn
verhängten Slrafen erdulden würde. Man ersährt
ferner ans stcherer Quellr, daß vor der Hand Hr.
v. Duntn in Berlin verbleibt, mit völliger Feeihett
seiner Person, nur mit der Bedingung, dir Haupt«
ßadt nicht ohne die Erlaubntß deS StaatSministers
Ko. 90. Mittwoch, den 8. Mai 1839.
E r e i g u i s s e.
Frankfurt a. M., 3. Mar. Gestern hielt dee
BundeStag abermalS eine Sitzung. Nach dem, maS
im Publikum über das Ergedniß der Freiragösitzung
voriger Wochr vrrlautet hat, wäre deschlossrn wor-
den, die verschiedenen kürzlick bet der bohen Ver-
sammlung eingereichten Beschwerdeschrifren in Be-
treff der hannöverschen Angelcgenbeit der Rekla-
mationSkommission zum Brhufe der Prüfung und
Berichterstattung zu überweiseir. — Roch heißt es
ferner in hiestgen Kreisen, eS werde die Berichter-
staltung tn Bälde erfolgen. Man erzählt sich, cS
sey von Hannover auö darauf angetragen worden,
den Verkauf der von Prof. Dahlmann heraugegebe-
nen Gurachten der drei Juristenfakulrälen (in der
bannüoerschen Steueeangelegenheit) zu untersagen.
Zndeß hätte dieser Antrag keine weitere Folge gehabt.
Darmstadt. Nach der großherz. hesflschen
Zeitung hat die zwcire Kammer drr hessen-darm
städtischen Stände über einen Antrag deg Frhrn,
v. Gagern berathen. ES ging derselde dahin: »;u
wirken, daß die im Jahr 183-4 vom BundeStage
beliebte und vorgeschrrebene Formel deS RevrrseS
der Studtrenden auf deutschen Universitären deutli-
cher und präciser in Absicht des ZweckeS und der
Strafbarkeit gefaßk werde. ^ Die von Srhrn. v.
Gagern beanstandete Stelle, deren deutlichere uud
-räciscre Faffung er in seiner Motion wünscht,
lautel r « Jch verspreche auf Ehre und Gcwiffen:
-3) daß ich weder zu dem Zwecke gemein-
schaftlicher Berathungen über die brstehenden Gesetzr
und Sinrichtungen deS LandeS, noch zu jenem der
wirkltchen Auflehnung gegen odrigkeitliche Maßre-
geln mir andern mich vereinigen werde. « — Dem
Herrn AMragsteller scheint diese Formel zu allge-
mein, zu unbcstimml abgefaßt. Sie mtßkenne
gleichsam, daß unsere gebildete und zu bilbende
Jugend dorl sey, um dte Grsetze und Einrichlun»
gen, ja die Mängel deS VaterlandrS kennen zu
lernen. Ob man dem Medtztuer verbiete, über die
Anatomie, dem Theologen, über die Bibel, diese
such tm Vergleiche mtt dem Herdenthum, zu spre-
chen, zu berathen, zu diSputiren? Unter den Ge.
fehen deS LandeS sey auch daS ganze Oorpus juris,
Ler Ooüe iVspoleon begriffen. Könnten nicht junge
Leute auS ihrem KriminalkonkurS kommend, z. B.
über die Zulassurrg der TsdeSstrafe beratbschlaqen,
deliberiren, diöputtren? Und so über MajestätS-
verbrechen, Preßgesetze rc. re. Dem Hrn. Antrag-
ßeller schetnrn nasrwetse Ankömmlinge, oder verwe-
gene Csnspiratoren zu gleichbaldigen Exzeffen, all»
zusehr verwechselt vder in cinem Derdacht und Ver-
dammniß begriffen mlt den zahlrrichen bestandenen
junaen Männern, welche vielleicht im Begriffe stnd,
nach etlrLen Msnaken ein Gtaatöamt anzutreten,
ja rtn Lehramt üder selbige veebotene Materien.
Nnd ba jene Zeiten auffallender Aafregung vorüber
gegangen zu seyn scheinen, so wünkcht der Herr
Antragßeller Ermäßigung und schärfere Sonderung
und Bestimmung. Nach dem Vorgang dee ersten
Kammer hat auch dre zweite diesen Antrag abgelehnt.
Dasselbe Sckiksal batte ein zweitcr Antrag des Frhrn-
v. Gagern auf klacere und bestimmtere Fassung deS
Art. 87 der akademischen Diszrplinarstatuten zu
Gießcn, welcher daS sogenannte Commerciren un-
tcrsagt- Der Anrragsteller äusserte: „ Lassen Sie
unS auf unseren hohen Schulen nach alter Weiss
redliche, vffene, muntere deutsche Männer heran-
ziehen, mit dem gebührendcn Grade der Freiheit;
— nicht Heimtücker, kurz Heuchler mancherlei
Art, die Msliore im Tartuffe so gezeichnet und
von -er Erde zu verbannen gesucht hat!^ Neben
dem vorstrhenden hat die zweite Kammer fcrner be-
fchlossen, die in der Berathung vorgckommenen
Anstchten und Bemerkungen bcr Staats'regieruns
zur Prüfung und Berücksichtigung empfrhlen.
Ber!itt, 27. April. Der wesentliche Jnhalt
des dem Erzbrschcf von Pasen eröffneten UrtheilS
lautet wie folgt: Der Erzbischof von Gnesen und
Pssen, v. Dunin, ist von der Anklage hochver-
ratherischcr Handlungen und der Anfwiegrlung deS
VolkeS gegen die Rcgierung freizusprechen; aber
wegen seincö UngehorsamS und der eigenmächtigen,
in seiner Diöcese gctroffencn und nicht widerrufsnen
Maßregrln zum Verluste seiner Würden, zu sechK
Monar Festungsstrafe und zur Bezahlung sämmtli»
cher Gerichtskosten verurtheilt. Zugleich wird der-
selbe für unsähig erklärt, jemalS im preußischen
Staate wteder ein Amt zu bekleiden. Unbenommen
bleibr ihm der Weg der Appellation. Der Erzbi-
schof bat jedoch erklä'rt, daß er von jenem letzten
Miltel ketnen Gebrauch zu machen gedenke, son-
dcrn selbst bei ber von ihm schon auSgrsprochenen
Ueberzeugung, daß er die Kompetenz des GerichreS,
vor dem sein Prozrß verhandrlt wvrden sey, nicht
anzuerkennen vermöge, gern und wiüig die über ihn
verhängten Slrafen erdulden würde. Man ersährt
ferner ans stcherer Quellr, daß vor der Hand Hr.
v. Duntn in Berlin verbleibt, mit völliger Feeihett
seiner Person, nur mit der Bedingung, dir Haupt«
ßadt nicht ohne die Erlaubntß deS StaatSministers