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Heidelberger Wochenblätter (33) — 1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.29903#0881

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Hcidclbcrger Wochcnblättcr.

x». 217. Montag, den 4. November 1839.

E r c i g n i s s c.

Berlin, 16. Okt. Nachrichten von der russi-
schcn Gränze zufolge soU es unserem großen Nach-
barstaate vöUiger Ernst seyn mit der Abschneidung
dcr preußischen Häfen und Strommündungen von
den polnischen und russischen Flußgebieten, welche
den ersteren biöycr nicht bloß ihre Gewäff.r, son-
dcrn auch einen Tdeil ihrcr Erzeugniffe zur Der-
schiffung in das Ausland zugefül rt yabcn. Der
Niemen (die Memel) bildcr von Grodno bis nach
Georgenburg die Gränze zwischen Rußland und
dem Königreich Polen; er trägl also auch oie Er-
zeugnlffe beidcr Länder bis zu dcm Punkre, wo er
iu das Königreich einftrömt, und von wo er, in
drei Arme sich theilend, die das kurische Haff auf-
suchen, scine Schiffsladungen nach der Ostsee und
in den Welthandcl bringt, an jenem Punkte nun,
wo der Fluß das preußischc Gebicr bcrüyrt, soll
der Niernen förmlich geköpft wcrden; von russisch-
Georgenburg nämlich wird die Eisenbahn beginnen,
nlit deren Nivellement bereiks eine Anzahl von Zn-
genieuren beschäfcigt ist, und die nun den kurlän-
dischen Häfen Windau und Liebau AUcs zufül^rcn
soll, was bisher nach Tilsit und Memcl, oder
wus über Stallupöstnen und Insterburg auf dem
Pregel nach Königsberg befördert worden ift. Nicht
minder würdc durch die nach Warschau zu ver-
längernde. Eisenbahnl>nie auch das Gebiet der
Weichseirnündung neutralisirt, und so der ganze
Speditionshandel, dcn die preußischen Ostseehäfen
bisl)er mit polnischen und russischen Erzeugniffcn
geirieben, nach rusfischcn Ostscehäfen geleitet wer-
dcn. W.r geben diese Mitkheilung so, wie sie in
cinem uns vorliegerlden Schrciben von der russischen
Glänze enthalkcn isr, ohne jcdcch davon ctwas mehr
vcrbürgcn zu wollen, als die Thatsache, daß wirk-
lich Lermeffungcn auf der angegcbenen Linie durch
russische Ingenieure staltgefundm haben. An die
Äussül'rung glaubcn wir jedoch daruni nicht, weil
es sich überatt, in Amcrika wie in Europa, als
cin unausführbares llnternebmen erwicsen t)at,
eine direkle und wohlfeile Wafferstraße durch eine
indirekte und kostspiclige Eisenbahnvcrbindung zu
ersetzen oder zu lähmen. So wcnig die Ciscn-
bahn auf der reichen Linie von. Köln'nach Lütlich
und Antwcrpcn die große Wafferstraße des Rheins
durch tie Nicdcrlande verödcn wird, cben so wenig
und noch viel unwahrfchcinlichcr kann eine Eisen-
bahn von Georgenburg dureh die öden und armen
Steppen Samogitieus nach Kurland dcn Strö-
mungen sich widersetzen, die ihren nächsten und

natürlichen Lauf nach dcn alten Hafenstädten dcr
preußischen Ostjee nehmen.

Konstantinopcl, y. Okt. Die Abbcrufung
des französischcn Botschaflers Baron Roussin, wel-
cher sich auf der Frcgatte Amazone noch Frankreich
einschifft, macht im ganzcn Orienr einen riefen
Emdruck. Die neucstcn Blätter von Smyrna
widmen diesem Ercigniß lange Artikel, worin die
nachtheilige Seite dicstr verändcrtcn Politik Frank-
reichs beleuchrct und über der französischcn Jour-
nalistik in Bezug anf ihre große Unwiffenheir übcr
den Pascha von Aegyptcn der Stab gcbrcchen
wird. Unter dcn Franken und Rayas war dicser
Abgang schon längst vorhergesehen und cr beurkun-
det nur zu deutlich, daß Mel>cmed Ali unbcdentlich
auf die Unmöglichkeit einer Eintrachl dcr fünf Groß-
mächte lossündiqen kann. Vergangcnc Woche kam
die längst erwartete Antwort des Biz<königs auf
die ncuen Anrräge dieser Mächte hicr an, und zcigr
deutlich, daß er auf seincn Forderungen besieht.
Der Divan hat in Fo'ge des veranderren Srandcs
dcr Dinge und nachdem er den Botschaftern erklärt
hartc, daß cr auf Ler curopäischcn Inrcrvention
beftehe, bcschloffen, die Unterhandlungcn fortzu-
setzen, wezu il)n dcr Umstand veranlaßte, daß
Mehemcd Ali bei feincr Antworr nichrs mehr von
der Entfermmg Chosrew Paschas erwähnte. Uebri-
gens leucktet ein groß-'r Hoffnungsstern für die
Pforte darin, daß Mehemed Ali in größter Geld-
verlegenheit ist. Seine Kaffe ist in Folge der un-
gehcucrn finanziellcn Anstrcngungen gänzlich er-
schöpft, und er kann weder seinen cigenen, ge-
schweige den ottomani chen Truppcn auf dcr Flvtte
dcs Kapudan Pascha den Svld ausbezahlen. Ibra-
him Pascka bestürmt ilui um Geld, und er hat
I)öchstens nock für cincn Monat Zahlungömittel
im Sckatz. Ismael Bey, ältestcr Sohn des letz-
tern, ging mit dieser öhiobspoft und zugleich dem
Befeltt nach Syrien ab, sich in keine wcileren
Fcindseligieitcn cinzuiaffen. — Hafis Pascha ist
vom Kriegögericht freigcsprvchen und wieder in seine
Würde cingesetzr worden.

Don der türkrschen Gränze, 16. Okt.
So ebcn eingehenden Nachrichten auo der Herzoge-
wina zu Folge haben die türk'schen Bcwolmcr iri
mehreren Distrikren die Falme der Empörung er-
hoben und gegen 6oo chrifiliche Familien find an
der Gränze flücktig eingclroffen. In Bosnien,
dem Bollwerk der Iänitscharen, siel)t es schk un-
ruhig aus. Mehrere Kapitäns venveigern bereits
dcr Regicrung in Konstautinopcl den Gehorsam,
 
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