Heidclbcrgcr Wochcnblättcr.
No. 225» FreiLag, den 15. November 1839.
Ereignisse.
AusFranken, vom8. Nov. Unsere Wahlen
für die nade Ständeversammlung wcrden dießma!
viel besprochen und mir großer Ausmerksamkeit
verfolgt. An sich selbst habcn dieselben nicht die
Bcdeutung, welche man ihnen beizulegen beliebt.
Seit der politischen Aufregung von 1851 stagnirt
bei uns das öffentliche Lcben. Das gcwaltige
Ucberfluthen der ultramontanen Gewäffcr auf dec
cincn, des rnystischen Srromes auf der andern Seite
über welches man sich vor noch einem Iahre be--
schweren durfre, war tbcils künstlich hcrvorgerufen
nnd von der Regierung durch Ccnsurmaßregeln
leicht einzudämmen, tbeils ift es krankhafte Er-
scheinung unsererZeir und wird nur fchwer gehemmt
werden können. Noch ist nicht eine katholische Wahl
in Baiern bekannt geworden, welche auf eincn
Einsluß des römischen Trcibcns , wie man im Bor-
aus hatte sehen wollen , schließen ließe. Auf Wie-
derwahl dcs Baron v. Schätzler in Augsburg, wcl-
cher Protestantist, hattc man bereils verzichret, und
dicselbe hat dcnnoch die allseitigste Bevorzugnng von
fcinen Wahlcrn gefunden. Zn München sah man
auf Görres, Varer und Sohn-, hin, rnan dachte,
es als gewiß annehmen zu dürfen, daß der alte
Dorkämpser wut die mcistcn Slimmen haben
werde, die ihm gleichsam alS ein Tribut zu gebüh-
ren schicuen; und gleichwohl hat eö fich gezcigt,
daß die Universitat andcrs gcwahit hat. Hofrath
Bayer, der Ersatzmann, ist Protestant. Die er-
langer Universirätswahl hat großcs Aufsehen gc-
macht und wird noch immer bcsprochen. Man
kann jedoch versichern, daß vielleichr Niernand übcr
das vorlicgende Wahlcrgebniß mehr erstaunt gewe-
sen ift, als die Mchrzah! der Wähler selbst.
Kon fta n ti n opel, 23. Okt. Eine ungcwöhn-
liche Bewegung I)errscht bei der Psorte und im
Hotel der russischcn Botschast, zwischen wclchcn
räglich häustge Kommunikauoncn stattfinden. Vor-
gestern ward ein aufferordcnilichcr Divan gehalten.
dcr mehrere Smnden daucrrc. Nach Aufhebung
der Sitzuug hatte Neschid Pascha eine lange Kon-
fercnz mit Hrn. v. Burcnieff, nnmittelbar darauf
steucrte das hicr zur Versüqung Butcnieffs statio-
nirende russische Kriegsschiff nach dem schwarzen
Meere und kehrte nach mchreren Slunden wieder
zurück. Man will nun wiffen, daß der Schiffs-
kommandant mit dem Kapitän eines anderu russi-
schen Knegsfahrzeuges, das seit mchrcrcn Tagen
im schwarzen Mecre unweir dcs Eingangs in den
Bospor lavirte, eine kurze Untcrredung gehabt
habe. Auch zu Lande wurde von der russischen
Botschaft cin Kurier nach St. Perersburg expedirt.
ttebcr die Veranlaffung aller diescr Bewegungen
verlautct nickts mit Gewißheit. Ich rheile Ihnen
daher die cmstandencn Vcrmuchungen mit, ohne
sie irgend vcrbürgen zu wollen. Ibrahim Pascha
soll, weit cntsernt scine Truppen in die Stellungcn
zurückzusühren, die sie vor der Schlacht von Nisib
cingenommen hatten, seineArmeein zwei Kolonnen
auf den Straßen von Koniah und Kaisorieh vor-
rückcn laffen. Dieß svll die Abhaltung des er-
wähnten Naths veranlaßt haben, in dem, wie cs
heißr, beschloffen worden ist, die russischc Hülfe
anzusprechen, d. h. die bewaffnete Einschrcitung
Nußlands mit ausdrücklichcr Berufung auf die Be-
stimmungen dcs Vertrags von Hunkiar-Skclessi
zu verlangen. Man behauptet, daß in Odcffa und
Scbostopol nur auf ousdrücklichcn Befehl von St.
Petersburg cine Truppensendung nach den otto-
manischen Ländern stansinden dürfe, was natürlich
bcsorgen läßt, daß die rnssische Hülfc zicmlrch spät
eintreffen müßte. — Bon andcrn Seiten noch
wird die Pforre von neuen Gefahren bedrobt. Die
gewaltsam und mit nngeheuren Anstrcngungen neu-
lich in Persien ausgel?obencn Truppen sollcn alle an
den Gegenden von Kermanscha und in der Provinz
Larcston koncemrirt worden scyn, so daß die Pforte
anch von diescr Seite cinen Angriff auf Bagdad
zu bcsorgen scheint. Einem ägyptischen Agenten
soll am Hofe zu Tehcran der sreundschaftlichste
Empfang zu Theil geworden scyn, und man ist
hier gencigt, die Truppenbewegtingen der Pcrscr
an der osmanijchen Granze den ttmtriebcn Mehe-
met Alis zuzuschreiben. Diesen cnrgegen zu wirken,
scheint dic Scndung Sarim Cffendis bcstimmc zu
scyn« — Am 22. d. M. I.at die hohe Psortc in
Folge neuer Bcrathungen, die in lctzter Woche hier
stattgcsundcn, eine neue, bereits die dritte, Note,
an dfe fünf Ncpräsenkantcn der europäischcn Mächte'
crlaffen, worin die Zugeständniffe, welche schon
Sul.an Mahmud dem Vizekönig von Aegypten zu
machen bejchloffcn hatte, kurz dargcstellt werdcn,
worans die Psorte die Bcmerkung macht, daß auf
dicse Grundlage hin allem Anscheine nach der Friede
in Asien längst schon hcrgestellt worden wäre, wenn
nicht die ho!)en Mächte den Unterhandlungcn, die
damals zwischen der hohcn Psorte mw zwischen
Mchemed Ali im Gange waren, durch ihrc wobl-
meinende Einschreitung cin Ende ge»nachr hütten.
Nun seyen aber seit jenem Zeitpunkte fast vier Mo-
nate versloffen, ohne daß die hohen Mächte ctwas
für d:e Pforte Ersprießlicheö unternommcn habem
No. 225» FreiLag, den 15. November 1839.
Ereignisse.
AusFranken, vom8. Nov. Unsere Wahlen
für die nade Ständeversammlung wcrden dießma!
viel besprochen und mir großer Ausmerksamkeit
verfolgt. An sich selbst habcn dieselben nicht die
Bcdeutung, welche man ihnen beizulegen beliebt.
Seit der politischen Aufregung von 1851 stagnirt
bei uns das öffentliche Lcben. Das gcwaltige
Ucberfluthen der ultramontanen Gewäffcr auf dec
cincn, des rnystischen Srromes auf der andern Seite
über welches man sich vor noch einem Iahre be--
schweren durfre, war tbcils künstlich hcrvorgerufen
nnd von der Regierung durch Ccnsurmaßregeln
leicht einzudämmen, tbeils ift es krankhafte Er-
scheinung unsererZeir und wird nur fchwer gehemmt
werden können. Noch ist nicht eine katholische Wahl
in Baiern bekannt geworden, welche auf eincn
Einsluß des römischen Trcibcns , wie man im Bor-
aus hatte sehen wollen , schließen ließe. Auf Wie-
derwahl dcs Baron v. Schätzler in Augsburg, wcl-
cher Protestantist, hattc man bereils verzichret, und
dicselbe hat dcnnoch die allseitigste Bevorzugnng von
fcinen Wahlcrn gefunden. Zn München sah man
auf Görres, Varer und Sohn-, hin, rnan dachte,
es als gewiß annehmen zu dürfen, daß der alte
Dorkämpser wut die mcistcn Slimmen haben
werde, die ihm gleichsam alS ein Tribut zu gebüh-
ren schicuen; und gleichwohl hat eö fich gezcigt,
daß die Universitat andcrs gcwahit hat. Hofrath
Bayer, der Ersatzmann, ist Protestant. Die er-
langer Universirätswahl hat großcs Aufsehen gc-
macht und wird noch immer bcsprochen. Man
kann jedoch versichern, daß vielleichr Niernand übcr
das vorlicgende Wahlcrgebniß mehr erstaunt gewe-
sen ift, als die Mchrzah! der Wähler selbst.
Kon fta n ti n opel, 23. Okt. Eine ungcwöhn-
liche Bewegung I)errscht bei der Psorte und im
Hotel der russischcn Botschast, zwischen wclchcn
räglich häustge Kommunikauoncn stattfinden. Vor-
gestern ward ein aufferordcnilichcr Divan gehalten.
dcr mehrere Smnden daucrrc. Nach Aufhebung
der Sitzuug hatte Neschid Pascha eine lange Kon-
fercnz mit Hrn. v. Burcnieff, nnmittelbar darauf
steucrte das hicr zur Versüqung Butcnieffs statio-
nirende russische Kriegsschiff nach dem schwarzen
Meere und kehrte nach mchreren Slunden wieder
zurück. Man will nun wiffen, daß der Schiffs-
kommandant mit dem Kapitän eines anderu russi-
schen Knegsfahrzeuges, das seit mchrcrcn Tagen
im schwarzen Mecre unweir dcs Eingangs in den
Bospor lavirte, eine kurze Untcrredung gehabt
habe. Auch zu Lande wurde von der russischen
Botschaft cin Kurier nach St. Perersburg expedirt.
ttebcr die Veranlaffung aller diescr Bewegungen
verlautct nickts mit Gewißheit. Ich rheile Ihnen
daher die cmstandencn Vcrmuchungen mit, ohne
sie irgend vcrbürgen zu wollen. Ibrahim Pascha
soll, weit cntsernt scine Truppen in die Stellungcn
zurückzusühren, die sie vor der Schlacht von Nisib
cingenommen hatten, seineArmeein zwei Kolonnen
auf den Straßen von Koniah und Kaisorieh vor-
rückcn laffen. Dieß svll die Abhaltung des er-
wähnten Naths veranlaßt haben, in dem, wie cs
heißr, beschloffen worden ist, die russischc Hülfe
anzusprechen, d. h. die bewaffnete Einschrcitung
Nußlands mit ausdrücklichcr Berufung auf die Be-
stimmungen dcs Vertrags von Hunkiar-Skclessi
zu verlangen. Man behauptet, daß in Odcffa und
Scbostopol nur auf ousdrücklichcn Befehl von St.
Petersburg cine Truppensendung nach den otto-
manischen Ländern stansinden dürfe, was natürlich
bcsorgen läßt, daß die rnssische Hülfc zicmlrch spät
eintreffen müßte. — Bon andcrn Seiten noch
wird die Pforre von neuen Gefahren bedrobt. Die
gewaltsam und mit nngeheuren Anstrcngungen neu-
lich in Persien ausgel?obencn Truppen sollcn alle an
den Gegenden von Kermanscha und in der Provinz
Larcston koncemrirt worden scyn, so daß die Pforte
anch von diescr Seite cinen Angriff auf Bagdad
zu bcsorgen scheint. Einem ägyptischen Agenten
soll am Hofe zu Tehcran der sreundschaftlichste
Empfang zu Theil geworden scyn, und man ist
hier gencigt, die Truppenbewegtingen der Pcrscr
an der osmanijchen Granze den ttmtriebcn Mehe-
met Alis zuzuschreiben. Diesen cnrgegen zu wirken,
scheint dic Scndung Sarim Cffendis bcstimmc zu
scyn« — Am 22. d. M. I.at die hohe Psortc in
Folge neuer Bcrathungen, die in lctzter Woche hier
stattgcsundcn, eine neue, bereits die dritte, Note,
an dfe fünf Ncpräsenkantcn der europäischcn Mächte'
crlaffen, worin die Zugeständniffe, welche schon
Sul.an Mahmud dem Vizekönig von Aegypten zu
machen bejchloffcn hatte, kurz dargcstellt werdcn,
worans die Psorte die Bcmerkung macht, daß auf
dicse Grundlage hin allem Anscheine nach der Friede
in Asien längst schon hcrgestellt worden wäre, wenn
nicht die ho!)en Mächte den Unterhandlungcn, die
damals zwischen der hohcn Psorte mw zwischen
Mchemed Ali im Gange waren, durch ihrc wobl-
meinende Einschreitung cin Ende ge»nachr hütten.
Nun seyen aber seit jenem Zeitpunkte fast vier Mo-
nate versloffen, ohne daß die hohen Mächte ctwas
für d:e Pforte Ersprießlicheö unternommcn habem