Heidclberger Wochcnblättcr.
n«. 255. Samstag, den 28. Dezember 1839.
Treignisse«
Berlin, den ib. Dez. In dem Augcnblick,
wo die freie Stadt Hamburg ihrer Bürgerschaft
amtlich die Nachricht von der mit Preußen und den
übrigen zum deutschen Zollverein gehörenden Staa-
tcn geiroffenen Abkunfc giebt, hat hier eine aus
guter O.uelle kommende Kunde um so mehr Theil-
nahmc erregt und Anklang gefunden. Nach dcr-
selbcn wird nun wirklich zu der Vorbereitung einer
Eiscnbahn zwischcn Hamburg und Berlin geschrit--
rcn, und es hat unscr Finanz- und Handclsmi-
nisterium schon das Gesuch, die Dermeffung und
Nivellirung der Linie, so weit sie das preußische
Gcbiet betrifft, unternehnien zu könncn, entgcgen
genommcn. Wenige Landschaften dürftcn diesem
Unternehmen so geringe Schwierigkeiten entgegen-
sctzen, wie diese nur von sehr unbedeutenden Hö-
henzügen durchzogene weite Ebcne der Priegnitz
und des HavellandcS. Die Vortheile, welche der
Haupt^wcck, der Waarentransport, auf dieser
Haupthandelsstraßc nicht allein Ha»nburg und Ber-
lin, sondern auch Mecklenburg, den liferstaaten
der Elbe, ja ganz Deutschland bringen muß, sind
unberrchenbar.
Englische Blätter bringcn wcitläufigc Be-
richte über die Kollision zwischen dem Gouverneur
von Mauritius oder Isle de France, Sir W. Ni-
colay, und den Befehlshabern zweier französischen
Schiffe, der Gabarresdewaffnctcm Transportschiff)
Isöre und der Sechszehn-Kanonen-Brigg Lancier,
wclche im Port Louis lagen, um Beschädigungen
auszubessern. Am 7. Septembcr, währcnd die
kommandirendcn Ofstziere beider Schiffe abwesend
waren, zog die Gabarre ihre Flaggen auf, wobei
die britische Flagge zu unterst angebracht war und
das Dcck streiftc. Kapitän Drivcr, ein alter See-
mann, Bcfehlshabcr des britischen Schiffes Green-
law, betrachtete dies als eincn absichtlichen Schimpf
(der Temps sucht mit technischen Gründen darzu-
lhun, daß dieß gar nicht möglich gewcsen sey) und
stcckte die französische dreifarbige Flagge in einer
noch schimpflicheren Stcllung, unter dcn Bugcn
seines Schiffes, auf. Franzdsische Offiziere for-
dertcn ihn, sie warcn aber von geringerm Rang,
als der scinige, und er erklärte, daß er nur mit
den Bcfehlshadern der beiden französischen Schiffe
sich schlagen werde. Indeffen blieb die französische
Flagge in jener Stellung, bis der Gouverneur,
auf die Vorstellung der französischen Kapitäne, den
Hafenmeister an Bord schicktc und sie wegncluncn
ließ. Sofort erthcilke dcr Gouverneur dem Kapi-
tän Driver einen derben Verweis für sein eigen-
mächriges Benehmen und veranlaßte ihn zu einer
schriftlichen Ehrencrklarung an die französischen
Kapitäne, auch wurde an Bord des Greenlaw
durch den Hafenmeifter die dreifarbige Flagge
an den Bcsanmast aufgehißt. Da nun abcr noch
immer dcr Verdachr vorlag, daß die fran-
zösische Gabarre cine absichtliche Beleidigung der
englischen Flagge bezweckt habe, so verlangte
der Gouverneur nun von ihrcm Kapitän eine Er-
klärung und die Aufziehung der cnglischcn Flagge
an seincm Hauptmaste, unter Salutirschüffen,
welche von cnglischer Seire erwiedert werden sollren»
Die Erklarung crfolgte, die Aufziehung der Flagge
aber wurde verweigcrt (weil, wie der Temps ver-
sicherr, der französischc Kapitän damit die Thatsache
der Beleidigung, die doch nicht stattgefunden, zu-
zugeben geglaubt hätte, wogegen er sich erbot, dei
der Abfahrt aus dem Hafen die englische Flagge
auszuhiffcn und mit 21 Schüffen zu salutiren).
Es hicß nun am Land, der französische Offizicr
wolle nur mit cinem Schusse salutiren, was nach
dcr nautischcn Etikette eine grobe Beleidigung ge-
wesen wäre. Es kam so weit, daß cin englisches
Dan.-psschiff, der Madagascar, seine Enterbrücken
bereit hielt, auch Kanonen am Hasen aufgefahrcn
wurden, um die Franzosen zu nöthigen. Der
Gouverneur besann sich jedoch anders. (Es wäre
auch, sagt der Sun, eine lächerliche Handlung ge-
wesen, mit Ausgebot bedcutender Streitkräsre einer
ScchSzehn-Kanonen-Brigg und eincs Transport-
schiffes mit sechs Kanonen sich zu bemächrigen, von
dencn der erste das Bugspriet, das zweite sein
Steuerrudcr verloren hatle.) Es wurde nun den
Franzosen jede Vcrbindung mit der Küste, auffer
mic der Werfte zur Fördcrung der Ausbeffcrungs-
arbciten und dem gewöhnlichen Landungsplatze zur
Cinnahlne von Lebensmirteln, untersagr. Den-
noch gingen knel)rere Offiziere, namentlich auch
Hr. v. Tinau, dcr Kapitän der Gabarre, an das
Land. Als dieser auf dem Rückwcg bcgriffen war,
wurde er von dcr Schildwache fcstgenommen und
in das WachlhauS gebracht. (Nach dem französi-
schen Berichte hätte ihn der Gouverncur unarlig
behandelt, namentlich verweigert, ihn zu iprcchen.)
Erst am folgenden Tage wurdc Hr. v. Tinau wie-
der entlaffen. Dieß war der letzte Akt in dem
Srreit. Nachträglich erklärte dcr französische Ka-
pitän, er habe die Absicht gehabt, die englische
Flagge, wie vcrlangt wordcn war, aufzuhiffen,
habe jedoch scine Absicht geändert auf die Nachricht,
daß der Kapitän Driver wegen seiner Beleidigung
n«. 255. Samstag, den 28. Dezember 1839.
Treignisse«
Berlin, den ib. Dez. In dem Augcnblick,
wo die freie Stadt Hamburg ihrer Bürgerschaft
amtlich die Nachricht von der mit Preußen und den
übrigen zum deutschen Zollverein gehörenden Staa-
tcn geiroffenen Abkunfc giebt, hat hier eine aus
guter O.uelle kommende Kunde um so mehr Theil-
nahmc erregt und Anklang gefunden. Nach dcr-
selbcn wird nun wirklich zu der Vorbereitung einer
Eiscnbahn zwischcn Hamburg und Berlin geschrit--
rcn, und es hat unscr Finanz- und Handclsmi-
nisterium schon das Gesuch, die Dermeffung und
Nivellirung der Linie, so weit sie das preußische
Gcbiet betrifft, unternehnien zu könncn, entgcgen
genommcn. Wenige Landschaften dürftcn diesem
Unternehmen so geringe Schwierigkeiten entgegen-
sctzen, wie diese nur von sehr unbedeutenden Hö-
henzügen durchzogene weite Ebcne der Priegnitz
und des HavellandcS. Die Vortheile, welche der
Haupt^wcck, der Waarentransport, auf dieser
Haupthandelsstraßc nicht allein Ha»nburg und Ber-
lin, sondern auch Mecklenburg, den liferstaaten
der Elbe, ja ganz Deutschland bringen muß, sind
unberrchenbar.
Englische Blätter bringcn wcitläufigc Be-
richte über die Kollision zwischen dem Gouverneur
von Mauritius oder Isle de France, Sir W. Ni-
colay, und den Befehlshabern zweier französischen
Schiffe, der Gabarresdewaffnctcm Transportschiff)
Isöre und der Sechszehn-Kanonen-Brigg Lancier,
wclche im Port Louis lagen, um Beschädigungen
auszubessern. Am 7. Septembcr, währcnd die
kommandirendcn Ofstziere beider Schiffe abwesend
waren, zog die Gabarre ihre Flaggen auf, wobei
die britische Flagge zu unterst angebracht war und
das Dcck streiftc. Kapitän Drivcr, ein alter See-
mann, Bcfehlshabcr des britischen Schiffes Green-
law, betrachtete dies als eincn absichtlichen Schimpf
(der Temps sucht mit technischen Gründen darzu-
lhun, daß dieß gar nicht möglich gewcsen sey) und
stcckte die französische dreifarbige Flagge in einer
noch schimpflicheren Stcllung, unter dcn Bugcn
seines Schiffes, auf. Franzdsische Offiziere for-
dertcn ihn, sie warcn aber von geringerm Rang,
als der scinige, und er erklärte, daß er nur mit
den Bcfehlshadern der beiden französischen Schiffe
sich schlagen werde. Indeffen blieb die französische
Flagge in jener Stellung, bis der Gouverneur,
auf die Vorstellung der französischen Kapitäne, den
Hafenmeister an Bord schicktc und sie wegncluncn
ließ. Sofort erthcilke dcr Gouverneur dem Kapi-
tän Driver einen derben Verweis für sein eigen-
mächriges Benehmen und veranlaßte ihn zu einer
schriftlichen Ehrencrklarung an die französischen
Kapitäne, auch wurde an Bord des Greenlaw
durch den Hafenmeifter die dreifarbige Flagge
an den Bcsanmast aufgehißt. Da nun abcr noch
immer dcr Verdachr vorlag, daß die fran-
zösische Gabarre cine absichtliche Beleidigung der
englischen Flagge bezweckt habe, so verlangte
der Gouverneur nun von ihrcm Kapitän eine Er-
klärung und die Aufziehung der cnglischcn Flagge
an seincm Hauptmaste, unter Salutirschüffen,
welche von cnglischer Seire erwiedert werden sollren»
Die Erklarung crfolgte, die Aufziehung der Flagge
aber wurde verweigcrt (weil, wie der Temps ver-
sicherr, der französischc Kapitän damit die Thatsache
der Beleidigung, die doch nicht stattgefunden, zu-
zugeben geglaubt hätte, wogegen er sich erbot, dei
der Abfahrt aus dem Hafen die englische Flagge
auszuhiffcn und mit 21 Schüffen zu salutiren).
Es hicß nun am Land, der französische Offizicr
wolle nur mit cinem Schusse salutiren, was nach
dcr nautischcn Etikette eine grobe Beleidigung ge-
wesen wäre. Es kam so weit, daß cin englisches
Dan.-psschiff, der Madagascar, seine Enterbrücken
bereit hielt, auch Kanonen am Hasen aufgefahrcn
wurden, um die Franzosen zu nöthigen. Der
Gouverneur besann sich jedoch anders. (Es wäre
auch, sagt der Sun, eine lächerliche Handlung ge-
wesen, mit Ausgebot bedcutender Streitkräsre einer
ScchSzehn-Kanonen-Brigg und eincs Transport-
schiffes mit sechs Kanonen sich zu bemächrigen, von
dencn der erste das Bugspriet, das zweite sein
Steuerrudcr verloren hatle.) Es wurde nun den
Franzosen jede Vcrbindung mit der Küste, auffer
mic der Werfte zur Fördcrung der Ausbeffcrungs-
arbciten und dem gewöhnlichen Landungsplatze zur
Cinnahlne von Lebensmirteln, untersagr. Den-
noch gingen knel)rere Offiziere, namentlich auch
Hr. v. Tinau, dcr Kapitän der Gabarre, an das
Land. Als dieser auf dem Rückwcg bcgriffen war,
wurde er von dcr Schildwache fcstgenommen und
in das WachlhauS gebracht. (Nach dem französi-
schen Berichte hätte ihn der Gouverncur unarlig
behandelt, namentlich verweigert, ihn zu iprcchen.)
Erst am folgenden Tage wurdc Hr. v. Tinau wie-
der entlaffen. Dieß war der letzte Akt in dem
Srreit. Nachträglich erklärte dcr französische Ka-
pitän, er habe die Absicht gehabt, die englische
Flagge, wie vcrlangt wordcn war, aufzuhiffen,
habe jedoch scine Absicht geändert auf die Nachricht,
daß der Kapitän Driver wegen seiner Beleidigung