Hcidclbcrgcr
1X0. 168. Dinstag
Wochcnblatter.
, den 27. August 1839.
Creignisse.
Karlsruhe, 2y. Zuli. DiLkussion deS Kom-
mlssionöberichrö dcs Abgeordneten Asrdbach über
die Motion des Abgeordncren v. Rotteck auf Wie-
derherstellung cinigcn Nechlszuftandcs in Sachen
der Prcffe; als Nachtrag zu unserem Berichte übcr
die Ü5. offentliche Sitzung der II. Kammer. (Forts.)
v. Rotteek: Ich hatre mich nochmals erl'oben,
blos um auf einige Acusserungcn des Herrn Mini»
fters deS Auswärtigen ein Paar Worre zu erwiedcrn;
allein es ha'oen die Abg. Dutrlinger, v. Itzstein
und Welckcr schon das Nothige gesagt, und ich bin
daher jetzt deffen überhobcn. Nur noch ciniges
Wenige mus; ich hinzufügen; ich muß nämlich er->
klären und laut ausrufen, daß die Aeufferungen dcs
Herrn Ministers mich nicht nur betrübt, sondern
in daö höchste Erstaunen gesetzt haben. Was der
Herr Präsident des Ministeriums deS Znncrn sagte,
daß nämlich die Srrenge gcrechtfertigt werde durch
Len einmal vorhandenen und unabwendbarcn Zu-
stand, dem man sich aber unterwerfen müffe, hat
noch cinige Entschuldigung für sich, aber daß das
ganze System deö Prcßzwangs, wclches in einem
großen Theil von Deutschland herrscht, daß daö
ganze Systenc ciner so tyrannischen Censur so ge--
lobr und gcpriesen werden rönne als clwaS, movou
dic Ruhe Deutschlands abhänge, als etwas, wo-
für man dem deutschen Bunde dankbar seyn müffe,
als etwas, was viclcn Leutcn, wenn auch nicht
allen, ais heilsanr und nöthig crscheine, das, muß
ich sagen, ist mir durchaus unbegreiflich, und ich
prorestire laut dagegen. Zch erfreue niich in der
Nähe und Fcrne cines ziemlich großen Kreises von
Freunden und Bekanntcn, unL ich darf wohl be-
theuern, daß untcr ihuen allen nicht einer ist, der
"icht den unterdrückten Zustand der deutschcn Preffe
mit ticsttem Lcidwesen, ja mil Entrüstung betrach-
tete. Zn schriftlichen Mittheilungen, wie in rnünd-
lichen, ist Liese Empfindung unzähligemal gegcn
mich ausgcsprcchcn worden, und gleich allgemein
ift auch Laö Gefühl Lcr Scham, Las uns ergreift,
wenn wir wahrnehmen müffen, wic die fremden
Nationen, denen ein würdigerer Zustand beschieden
ift, auf uns Deutsche mit Blickcn des Mitleids,
oder wohl gar dcr Verachtung herabsehen. Und
leidcr! laffen die Acufferungen Leö Herrn Ministcrs
Les Aeuffern mich fürchten, daß so fchmachvoller
Zustand jo bald noch nicht aufhörcn soll. Wenn
übrigens der Herr Minifter sagt, Laß die Preßfrei-
hcit Deutschland zur Nevolution führcn würde,
daß also Censur zur Verhütung der lctzten nöthig
fey, so ist Lies cin offcnbarcr Änachronismus und
cin beklagenswcrther Zrrthum. Nicht aus de? freien
Preffe, sondcrn aus Ler Unterdrückung dcrselben
stammt dic Nevolution. Me hier und dort in
Deutsckiand vorgekomlnenen Aeufferungen dcs Miß-
vcrgnügens, namentlich auch Las frankfurter At-
tentat, sind blos crnstandcn durch die Bundesbe-
schlüffe von 1852, Lercn cincr ganz vorzüglich eine
Wicdereinschärfung dcs Prcßgesctzes von 1819 cnt-
hielt. Za aus Licscr Ouclle allcin könntc eine
Revolution in DcutschlanL enrstehen, wcnn irgend
cine unter uns möglich ist. Dcnn wenn Lie Preffe
gefcssclt, daö Wort dcr Rcchtsvertheidigung unter-
drückt ist, so hac das Ncich der Gewalt begonn.cn;
der wahre Rechtszustand cntschwindct, und die
nächste Vcrsuchung zu gcwaltsamcr Sclbsthülfc ift
vorhandcn. Dies ists, was ich cmf die Aeufferung
des Hcrrn Ministcrs zu antwortcn habe. Zch
kann rnir auch nicht vorstcllen, wie cin anderer
Nedner der Ncgicrung von zwci Systcmcn, von
dem Systcme dcr Prcßfrcihcit und von dcm Sy-
steme der Ccnsur sprcchcn und sagcn konnte, daß
um den Dorzug bcidcr Systeme sich strciten ließe.
Man dars bcidc nur mit cincm unbcfangenen Blick
bctrachtcn, so sieht man schon, wclchc Cigenschaf-
ten das eine, und wclche Eigcnschaflcn das andere
hat. Zch glaube nichr, daß die hohcn Häuptcr,
wclche das Censursystcm angcnommcn habeu, seine
wahrcn Eigenschafrcn erkannt habcn; sondern sie
haben dnrch die Einflüsterungcn ungekrcucr oder
bcfangener Nathgcbcr dcn Glauben erltalten, daß
sic die Wohlfahrr dcr Nation dadurch fördcrn. Die
Dcnkenden in der Nation abcr, wclche zu selbftei-
gencm Urthei! geeignct und nicht abhän^ig sind von
dcn Vorspiegelungcn odcr Darstcllungcn Anderer,
sind in ilwer Wal)l nicht zweifelhaft. Sie fagen:
Las Systcin Lcr Prcßfreihcit hat zum Prinzip Las
Licht, Las Systcm Lcö PrcßzwangS dic Finsterniß.
Das crstc will Lie Wahrheit, LaS zweile will —
weil Lie Unlautcren dabei sich bcsser befindcn —
die Lügc; daö crste will Recht und Gercchugkeir,
das zweite will die Macht, nach Delicben auch
Unrecht zu thuu; das erste will und pflegt die INo-
ralirät im Dolke, das zweite die Korruprion. Wcl-
ches von dciden ist nun das bessere? Dicsc hohe Kam-
mer wird sicher nicht schwankend in ihrcr Entschei-
dung seyn, sie wird sicherlich cinstimmig den An-
rrag der Kommission annehmen, und der Herr
1X0. 168. Dinstag
Wochcnblatter.
, den 27. August 1839.
Creignisse.
Karlsruhe, 2y. Zuli. DiLkussion deS Kom-
mlssionöberichrö dcs Abgeordneten Asrdbach über
die Motion des Abgeordncren v. Rotteck auf Wie-
derherstellung cinigcn Nechlszuftandcs in Sachen
der Prcffe; als Nachtrag zu unserem Berichte übcr
die Ü5. offentliche Sitzung der II. Kammer. (Forts.)
v. Rotteek: Ich hatre mich nochmals erl'oben,
blos um auf einige Acusserungcn des Herrn Mini»
fters deS Auswärtigen ein Paar Worre zu erwiedcrn;
allein es ha'oen die Abg. Dutrlinger, v. Itzstein
und Welckcr schon das Nothige gesagt, und ich bin
daher jetzt deffen überhobcn. Nur noch ciniges
Wenige mus; ich hinzufügen; ich muß nämlich er->
klären und laut ausrufen, daß die Aeufferungen dcs
Herrn Ministers mich nicht nur betrübt, sondern
in daö höchste Erstaunen gesetzt haben. Was der
Herr Präsident des Ministeriums deS Znncrn sagte,
daß nämlich die Srrenge gcrechtfertigt werde durch
Len einmal vorhandenen und unabwendbarcn Zu-
stand, dem man sich aber unterwerfen müffe, hat
noch cinige Entschuldigung für sich, aber daß das
ganze System deö Prcßzwangs, wclches in einem
großen Theil von Deutschland herrscht, daß daö
ganze Systenc ciner so tyrannischen Censur so ge--
lobr und gcpriesen werden rönne als clwaS, movou
dic Ruhe Deutschlands abhänge, als etwas, wo-
für man dem deutschen Bunde dankbar seyn müffe,
als etwas, was viclcn Leutcn, wenn auch nicht
allen, ais heilsanr und nöthig crscheine, das, muß
ich sagen, ist mir durchaus unbegreiflich, und ich
prorestire laut dagegen. Zch erfreue niich in der
Nähe und Fcrne cines ziemlich großen Kreises von
Freunden und Bekanntcn, unL ich darf wohl be-
theuern, daß untcr ihuen allen nicht einer ist, der
"icht den unterdrückten Zustand der deutschcn Preffe
mit ticsttem Lcidwesen, ja mil Entrüstung betrach-
tete. Zn schriftlichen Mittheilungen, wie in rnünd-
lichen, ist Liese Empfindung unzähligemal gegcn
mich ausgcsprcchcn worden, und gleich allgemein
ift auch Laö Gefühl Lcr Scham, Las uns ergreift,
wenn wir wahrnehmen müffen, wic die fremden
Nationen, denen ein würdigerer Zustand beschieden
ift, auf uns Deutsche mit Blickcn des Mitleids,
oder wohl gar dcr Verachtung herabsehen. Und
leidcr! laffen die Acufferungen Leö Herrn Ministcrs
Les Aeuffern mich fürchten, daß so fchmachvoller
Zustand jo bald noch nicht aufhörcn soll. Wenn
übrigens der Herr Minifter sagt, Laß die Preßfrei-
hcit Deutschland zur Nevolution führcn würde,
daß also Censur zur Verhütung der lctzten nöthig
fey, so ist Lies cin offcnbarcr Änachronismus und
cin beklagenswcrther Zrrthum. Nicht aus de? freien
Preffe, sondcrn aus Ler Unterdrückung dcrselben
stammt dic Nevolution. Me hier und dort in
Deutsckiand vorgekomlnenen Aeufferungen dcs Miß-
vcrgnügens, namentlich auch Las frankfurter At-
tentat, sind blos crnstandcn durch die Bundesbe-
schlüffe von 1852, Lercn cincr ganz vorzüglich eine
Wicdereinschärfung dcs Prcßgesctzes von 1819 cnt-
hielt. Za aus Licscr Ouclle allcin könntc eine
Revolution in DcutschlanL enrstehen, wcnn irgend
cine unter uns möglich ist. Dcnn wenn Lie Preffe
gefcssclt, daö Wort dcr Rcchtsvertheidigung unter-
drückt ist, so hac das Ncich der Gewalt begonn.cn;
der wahre Rechtszustand cntschwindct, und die
nächste Vcrsuchung zu gcwaltsamcr Sclbsthülfc ift
vorhandcn. Dies ists, was ich cmf die Aeufferung
des Hcrrn Ministcrs zu antwortcn habe. Zch
kann rnir auch nicht vorstcllen, wie cin anderer
Nedner der Ncgicrung von zwci Systcmcn, von
dem Systcme dcr Prcßfrcihcit und von dcm Sy-
steme der Ccnsur sprcchcn und sagcn konnte, daß
um den Dorzug bcidcr Systeme sich strciten ließe.
Man dars bcidc nur mit cincm unbcfangenen Blick
bctrachtcn, so sieht man schon, wclchc Cigenschaf-
ten das eine, und wclche Eigcnschaflcn das andere
hat. Zch glaube nichr, daß die hohcn Häuptcr,
wclche das Censursystcm angcnommcn habeu, seine
wahrcn Eigenschafrcn erkannt habcn; sondern sie
haben dnrch die Einflüsterungcn ungekrcucr oder
bcfangener Nathgcbcr dcn Glauben erltalten, daß
sic die Wohlfahrr dcr Nation dadurch fördcrn. Die
Dcnkenden in der Nation abcr, wclche zu selbftei-
gencm Urthei! geeignct und nicht abhän^ig sind von
dcn Vorspiegelungcn odcr Darstcllungcn Anderer,
sind in ilwer Wal)l nicht zweifelhaft. Sie fagen:
Las Systcin Lcr Prcßfreihcit hat zum Prinzip Las
Licht, Las Systcm Lcö PrcßzwangS dic Finsterniß.
Das crstc will Lie Wahrheit, LaS zweile will —
weil Lie Unlautcren dabei sich bcsser befindcn —
die Lügc; daö crste will Recht und Gercchugkeir,
das zweite will die Macht, nach Delicben auch
Unrecht zu thuu; das erste will und pflegt die INo-
ralirät im Dolke, das zweite die Korruprion. Wcl-
ches von dciden ist nun das bessere? Dicsc hohe Kam-
mer wird sicher nicht schwankend in ihrcr Entschei-
dung seyn, sie wird sicherlich cinstimmig den An-
rrag der Kommission annehmen, und der Herr