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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 57
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0231

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227

„Seht mir doch ein einmal, wozu brauchst Du altes Wesen denn
einen Blumenstraus? Willst Du dich etwa zur Hochzeit Nutzen?"
„Das nicht; aber ich muß Jemandem einen Blumenstrauß zum
Präsent machen, es geht nicht anders und sollte auch mein Frühstücks-
geld darauf gehen. Zu siner Rose ist meine Kasse zu schwach; geben
Sie mir denn für einen Sou, so viel Sie gerade übrig haben."
„Behalte Dein Geld, Mutter Boucquart, und suche Dir eine Rose
aus, bete nur ein Paternoster für mich."
„Zwanzig, dreißig so viel sie wollen!" rief die Bettlerin hocher-
freut und hinkte dem kleinen Mädchen nach.
„Da hast Du eme Rose mein süßes Püppchen, giebst Du mir wohl
einen Kuß dafür?"
„Einen Kind, begierig nach der Blume grei-
fend; „einen Kuß. Nein, den gebe ich niemals, die Tante hat es mir
verboten — aber Du kannst mir einen geben!
^ ausgesprochen, da preßte die garstige Alte ihre
welken Lippen auf das rosige Engelsgesichtchcn.
So war zwischen dem Bettelweibe und dessen Pathchen eine Be-
kanntschaft angeknupt, d.e täglich an Vertraulichkeit zunahm. Jose-
ph-ne gewohnte sich so sehr daran, Morgen für Morgen der alten Gön-
nerm zu begegnen , daß, wenn dieß zufällig nicht einmal geschehen war,
sie Tags darauf sicherlich nach der Ursache fragte. Zwar dauerten
dergleichen Unterhaltungen immer nur minutenlang, indeß erfuhr Mut-
ter Boucquart doch nach und nach allerhand, was ihre Zärtlichkeit
nicht erkalten ließ. Bald erzählte Joscphine, daß ihre Tante, (so nannte
sie Helene Mirval) sie nicht in die Schule schicke, dagegen aber komme
eine Lehrerin m das Haus, ihr im Lesen und Schreiben Unterricht zu
geben: ein ander Mal plauderte sie von einer Nachbarin, welche sie
besuche, wenn ihre Tante ausgegangcn — und Alles, was das Kind
sagte, ließ auf das eingezogenk, Me Leben schließen, welches Helene
Mirval führte.
Jolephine war zur schönen Jungfrau herangeblüht.
Ein junger Mann hatte bemerkt, daß wenn sie Sonntags aus der
Kirchlhür trat, sic in der Regel bei einem lahmen Bettelweibe stehen
blieb und dasselbe vertraulich anredete — die Alte verlangte, auffal-
lender Weise, nie ei» Almosen von dem Mädchen und beide schienen
überhaupt ganz wohl mit einander bekannt. Darauf baute der junge
Mann einen Plan. "
Am nächsten Sonntag drückte er ein Goldstück in Mutter Bouc-
auarts Hand.
„Hast Du Lust, noch mehr zu verdienen, mein gutes Mütterchen",
sagte er dazu, „so sei heute Abend in der Uuo cie >lst1a„w hinter dem
Zaräi» clu Uurombourz, ich möchte gern über etwas Auskunft haben,
und wenn Du mir sie gibst, soll es gewiß Dein Schade nicht sein."
Der Weg zn dem Rendezvous schien freilich für eine neunundsieb-
zigjährige lahme Greisin etwas weit; doch ein Goldstück war auch keine
Kleinigkeit, und so versprach sie denn, sich pünktlich einzustellen.
Sie hielt Wort. Der junge Mann fand sie, seiner harrend, in
einem Thorwege nicdergekauert, und da man eben nicht hochmüthig
gegen solche Personen zu sein pflegt, deren man bedarf, ließ er sich
ohne Umstände neben dem Bettelweib nieder. Es war ein seltsames
Paar, die mit schmutzigen Lumpen behängte Alte, deren kleine Maul-
wurfsaugen ein häßliches Gesicht überfunkcltey, und der junge hübsche
dessen Toilette höchst elegant war.
e " einmal, Alte," begann er, „kennt Ihr die junge Dame
lich anttd/t'^?^^b Euch jeden Sonntag nach der Herbstmesse sv freund-
2'ei" schöner Herr, ich kenne sie schon seit ihrem ersten Ge-
burtstage. threr Kindheit sah ich sie alle Tage; allein seit sieben
Jahren lange muß es her sein, denn nächste Ostern
wird ^ gerade sechzehn ^hx - also seit sieben Jahren ist sie nur
noch in der Kirche sich,bar.» > > >
„Sie wird also ,ehr strenge erzogen von der Tante?"
„Allerdings; mdeß mag die wohl ihre guten Ursachen haben,
daß sie das Mädchen so ängstlich hüte,. Die Helene Mirval ist ein
respectables Frauenzimmer, und da Joscphine doch nun einmal wun-
derhübsch ist..."
. „Ja, das ist wahr, schön ist sie wie ein.Enael!" bestätigte der
junge Mann mit^einem Seufzer.
. »Was ich sagen wollte -- ja, weil sie so hübsch ist, und weil sie
em ehrbares Mädchen bleiben will, so thut sie viel besser daran, ihr

Leben lang zu beten und zu arbeite!!, und Gott vor Augen und im
Herzen zu haben, als dem Gesäusel junger Windbcutel ihr Ohr zu
leihen, die wohl gar mit der Niederträchtigkeit umgehen, Alles zu ver-
führen, was ihnen in den Weg kommt." '
Dabei musterte die Bettlerin den jungen Mann mit einem durch-
bohrenden Blick, doch unbefangen ertrug er denselben und sagte treu-
herzig: '
„Mütterchen, ich will's Euch nur gestehen, ich liebe Josephinen von
ganzer Seele, und Alles, was ich von ihr gesehen, oder sonst von ihr
erfahren habe, bestärkt mich in dem Entschluß sie zu heirathen, wenn.."
„Heirathen!" jubelte die Alte. „Bester Herr, Sie wollten mein
HerzenSjosephinchen wirklich zu ihrer Frau machen?"
(Fortsetzung folgt.)

Buntes
fl Als im Jahre 1800 Erzherzog Carl den Oberbefehl über die
auf dem Rückzug nach Wie» begriffene östreichische Armee übernommen
hatte, verwendete er sich sogleich bei Moreau um die Freilassung des
gefangenen Generals Spanochi. „Er wisse wohl", schrieb er an
Moreau, „daß eine solche Bitte ungewöhnlich sei, allein er machte,
diesmal eine Ausnahme von der Regel, indem er sich für den Freund
seiner Jugend, seinen ehemaligen Erzüher verwende." — Moreau
antwortete sogleich: „Spanochi ist auf sein Ehrenwort entlassen und
in zweimal 24 Stunden haben Sie ibn in Wien." — Der Erzherzog
eilte nun seinem Freund entgegen. Hinter Lin; stieß er auf mehrere
Verwundete, die aus Mangel an Fuhrwerken, unter vielen Beschwer-
den von ihren Kameraden getragen wurden, da man die Pferde zur
Fortschaffung der Kanonen benöchigte. Sogleich gebot der Erzherzog,
die Kanonen auszuspannen, indem es besser sei, daß sie in die Hände
der Feinde fielen, als diese braven Krieger. Dies geschah. Kaum
erfuhr dies Moreau, so sandte er die zurückgelaffenen Kanonen an
die Oestreicher mit den Worten: „Was aus Menschenliebe aufgeopfert
worden, kann bei civilisirten Nationen nicht als Beute gelten." — Wer
war von Beiden am Edelsten? —
fl Zu Herrn L* in Prag, der eine Holzhandlung besitzt, kommt vor
Kurzem ein kränklich aussehenver Mann, und spricht ihn folgender-
maßen an: „Ich komme mit einer Bitte, Herr L*, schlagen Sie mir
dieselbe nicht ab — nun freilich, wenn Sie nicht wollen, muß ich auch
zufrieden sepn." — Hr. L* ermuntert ihn, seine Bitte auözusprechen.
Zögernd erwiederte der Elftere: „Sie sehen mir's wohl an, daß ich
krank bin; man hat mir eine sympathetische Kur angerathe»; ich soll
mir nämlich von der Rinde von 18 Scheitern Birkenholz eine Lauge
kochen und mich darin baden; aber das Holz muß geschenkt seyn,
sonst nützt die Kür nichts, ich bitte Sie daher, mir diese 18 Scheiter
Birkenholz zu schenken; bin ich kurirt, dann will ich mit großem Dank
meine Schuld zurückzablen." — Hr. L* denkt sich: was liegt auch an
den 18 Scheitern/ wenn du Jemanden damit helfen kannst und
schenkt ihm das Holz. — Bald darauf erzählte Hr. L" dieses Geschicht-
chcn einigen B> kannten. „Wie sah der Mensch aus?" fragt Einer,
der ebenfalls mit Holz handelt. Es kommt nun heraus, daß jener
Mann auch von dem Fragenden, ja von den meisten Holzhändlern
Peag's unter dem erwähnten Vorwand Holz bekommen, und sich da-
durch einen hübschen Vorrath für den Winter ergaunert hatte; ja end-
lich bringt man in Erfahrung, daß noch viele Kaufleute auch andere
Sachen z. B. Schnupftücher re. zur sympathetischen Kur beigestcuert
hatten. Das war w.rklich eine sympathetische Kur im strengen
Sinne des Wortes: denn Viele waren dabei mitleidend und wur-
den von ihren Sachen kurirt!
fl An einem öffentlichen Orte Wiens schwadronirte ein Fremder
ans dem Norden sehr bedeutend über das thcure und umkomforlable
Leben Wiens. Unter andern rief er aus: .„Verdammtes Land! Was
man da alles ertragen muß: Stellen Eie sich vor, was begegnete mir
hier neulich für eine verfluchte Geschichte: Neulich will ich hier einen
Dukaten wechseln lassen und — Habs jar keenen."

) Ein Pariser Buchhändler kündigt die seltsamen Abenteuer „cku va-
ron äe UuEmusen" an und versichert dabei, iN Deutschland sei kein
Kind, das sie nicht auswendig wisse. Der Mann hat sich an dem seligen
Baron ein Muster im Ausschneiden genommen.
 
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