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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 87
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347

Gin Summer Streich.
Zwanzig bis dreißig Jrrländer saßen neulich in einer Schnays-
schcnke der Grafschaft Fermanagh. Die Zecher langweilten sich, wa-
ren aber doch Vergnügenobalber zusammengekommcn und faßten cin-
rnüthia den Beschluß, sich einen Spaß zu machen. Aber wie? Es
ward' Rath gehalten und nichts fand allgemeinen Beifall. Da rief
endlich ein lustiger Kumpan:
Wißt Ihr wo rch war?
r« E«"iskill-n!^
„Wißt 2pr auch, wie dort Recht und Gerechtigkeit gehandhabt
wird?"'


Laß hören:
„So folget meinen Worten; ich will es Euch an einem Beispiel
beweisen: wir wollen Gericht spielen."
Und sie spielten Gericht.
^u/^n wie im Gerichtssaale geordnet,
und Präsident, Geschwornen, Ankläger und Vertheibiger, wie der An-
geklagte durch das rooü bestimmt.
Die Sitzung beginnt. Der Attorneygeneral bringt die Anklagpunkte
^ Z°uS-n werrrn vernommen, der Berthe,diger hält eine stattliche
Rede und die Geschwornen schrei,cn zum Spruch. Ein Schuldig er-
folgt; der Pra,.dc.>tv^ulltsich das Haupt mit einem schwarzen Halö-
tuche und spricht das Tvdcsurthnl aus.
Umsonst sind die Bitten des Schuldigen um Gnade. Die Zechge-
sellschaft wird wilder und wilder. ^ ^
Der Nachrichtcr wird jetzt gleichfalls durchs Loos bestimmt ein Strick
herbeigeholt, und an der Wand befestigt. I,. wildem Nische muß der
Schuldige auf einen Stuhl steigen, der Strick wird ihm um den Hals
gethan und nun?-Ein Fußtritt und der Verbrecher baumelt.
Ein Holla und wildes Geschrei! der arme Teufel schlägt mit Armen
und Beinen. Jetzt genug des Spaßes! — Aber ehe man ihn vom
Stricke befreien kann, wird er geduldig, still-ist er eine Leiche.
J-tzt allgemeines Entsetzen, allgemeine Flucht! der Wirth sucht den Un-
glücklichen wieder zu sich zu bringen: er ist und er bleibt toct.
Die Sache ist jetzt anhängig und dem Gerichtsspiel folgt eine Ge-
richtswahrheit, welche verzweifelt ernst erscheint.
Buntes.
-s-Victor Hugo schreibt in seinem Buche „le Miln:" „Ich lebe hier
(in Cöln) wie ein vollkommener Deutscher. Ich speise mit Servietten
so groß wie Schnupftücher, und ich lege mich Abends auf Betttücher,
so groß wie Servietten. Ich esse Hammelkeulen mit Kirschen, und Ha-
senfleisch mit gedörrten Pflaumen. Ich trinke herrlichen Rheinwein,
und einen unübertrefflichen Moselwein, den ein witziger Franzose, der
gestern einige Schritte von mir dinirte, einen vin so Vomvisello (v. ck.
Nosolle) nannte. Der nämliche Franzose rief aus, nachdem er sein
Glas Wasser getrunken: „U<ssu cku klckn ne vsut pas Is vin <lu kdinl"
In den Gasthöfen spricht Wirth und Wirthin, Kellner und Kellnerin
nichts als deutsch; indessen ist immer ein Usraon vorhanden, der fran-
zösisch spricht. Ader wie! Gestern fragte mein Gefährte, indem er auf
rin Gericht zeigte: „(lu'öst-ae gus cela?" und der Aufwärter entgeg-
ne mit Würde: „c'est cku pietwns!" Er wollte sagen: Tauben.
stebl^b"s versucht ein Franzose, der, so wie ich, kein Deutsch ver-
res Premier gareon, wie man ihn hier nennt, ein ande-
neurs anzuknüpfe», als jene, die man im Ouicks äes Vv^g-
Dieser Premier gar^on ist bloß äußerlich mit französi-
drn Deutchen°"^^bn; dringt man ein wenig tiefer, so findet man
Sa urtbe t Hr Deutschen, den schwerhörigen Deutschen."
- c ? Hugo, dein es kurz vorher an einer andern
^lle " u,t^ Hoffnun^^" bliebt: „Frankreich ist groß in den Erin-
nerungen und Hoffnungen dieses edlen Volkes. Dieses ganze Rhein-
Ufer liebt uns 'A. ^tte beinahe gesagt, erwartet uns." O eitler
Franzose, der über Deutschland ^ubert^ ohne Deutsch zu verstehen,
und darüber spE' d«ß 'nun am ^cht Französisch spricht und
doch behauptet, das Volk am Rhein sxhnx ^ darnach, französisch zu
werden! _
4 Ein Betrunkener, der eine Zeitlang ,n der Straße herumgetau-
Mklt war, fiel endlich vollends hm. Die Wache, die ihn aufgehoben
und weiter führte, sagte ihm: das tst gefehlt mein Freund, so viel zu
trinken! „Das ist nicht gefehlt, aber allein nach Hause gehen zu wol-
len, we»n man so viel getrunken hat, das ist gefehlt."

4 Man schätzt das Capital, das Dem. Taglioni ia drei Jahren
in St. Petersburg erworben, auf 250,000 Silberrubel. An Diaman-
ten allein soll sie einen Werth von 80,000 Silberrubel erhalten haben.
Wenn man das Geld, das die Elßler in Amerika, die Taglioni
in Rußland, und Rubini in Frankreich und England sich erwarben,
zusammcnlegte, so könnte man ein Banquier-Haiis damit errichien,
das wohl manchem Ersten in Europa ebenbürtig wäre!
s- Ein pariser Stutzer besuchte Mailand. Er wendete sich neuer
Stiefel wegen an einen dortigen Schuster. Man hatte dem Stutzer
einen der geschicktesten Männer seines Faches empfohlen. Der Schuh-
macher kam und der Elegant warf ihm folgende Worte hin: „Es ist
mir unlieb, hier Stiesel bestellen zu müssen, aber die Notb drängt mich
hiezu. Freilich werde ich die pariser Arbeit vermissen, aber arbeiten
Sie mir, so gut Sie können." Der Schuhmacher schweigt erröihend
und nimmt das Maaß. Nach einigen Tagen bringt er einen Stiesel,
wie er sagt, zur Probe. Der Franzose zieht ihn an und betrachtet
die Form. Erstaunt ruft er ans: „Herrlich! Auf Ehre! Ganz wie ein
pariser! Ich hätte Ihnen dergleichen nicht zugetraut!" — Der Schub-
macher bittet den Stiefel auszichen zu dürfe». Es geschieht. Wie
wächst aber das Erstaunen des pariser Stutzers, als er nun an seinem
Fuße noch einen neuen Tanzschuh behält, der innerhalds des Stiefels
verborgen gewesen. „Sie sind ein Künstler, Herr! Ich bewundere
Sie!" ruft der Stutzer, „wann erhalte ich den andern Stiefel?"
„Den lassen Sie sich in Paris machen!" antwortete trocken
der Schuhmacher „des Vergleiches wegen" und geht zur Thüre
hinaus.
So rächt sich ein Schuhmacher in Italien. Die deutschen Ge-
schäftsleute können von ihm lernen, wie man der ausländischen Arroganz
die Kneip-Zange applicirt.
-j- Eines Tages hielt der Fürst von Talleyrand eine Wette ge-
gen Herrn von Saint-Foir und gewann sie. Den cingegangenen.
Bedingungen gemäß war der Verlierende gehalten, ein Aust.rnfrühftück
für zwölf Personen auf seine Kosten zu veranstalten. Dem Gewinnen-
den stand es zu, die Gäste zu wählen. Man glaube nicht, daß Fürst
von Talleyrand dieselben aus der höchsten Gesellschaft wählte. Er
ließ ,'n Paris die größten Ansternesser aufsuchen, und lud sich mit ih-
nen ein, zu dem Mahle des Herrn von Saint-Foir. Dieser wußte
von dem ganzen Scherze nichts und sah nur mit Staunen den Inhalt
der Schüsseln verschwinden, noch ehe man ihn beinahe gesehen. Nicht
nach Dutzenden, wohl aber nach Hunderten zählte man die verschlun-
genen Austern. Jeder Geladene aß deren fünfhundert, Mancher sechs-
hundert; als Sieger blieb ein Herr Cloiseau, der seine Gabel nur
ablegte, nachdem er sechzig Dutzend oder 720 Austern glücklich in seinem
Magen untergebracht.
-j- „Napoleon ist ganz mein Mann," sagte eine Dame i»
einer Gesellschaft. „Da habe ich doch einen Einspruch zu thun,"
entgcgnete ihr anwesender Gemahl.
-j- Ein Elegant ohne Geld beklagte sich, daß ihm die Wäscherin
ein Hemd verloren. Noch neu? — fragte man. — Das nicht. Es
war keine fünf Groschen mehr wcrth, aber es wird nur damit das
Halbdutzcnd ungleich. _
Als ein Mädchen sah, wie der Schnee aufthaute, und sich das
erste Grün des Grases aus demselben hervordrängte, rief es ganz naiv
aus: „Ach Gott, wie schön! die Unschuld vergeht, und die Hoffnung
kömmt." _
ck In Brüfftl zeigt man auch gar keinen Respekt vor der Justiz!
Bei den dortigen Assisen hat ein Taschendieb sogar einem Gerichtsvoll-
zieher sein Schnupftuch gestohlen.
-I- Das Amt eines Bürgermeisters in Cassel muß kein angenehmes
sein, denn schon den siebenten hat man gewählt, und noch ist man
der Annahme nicht gewiß. Dagegen melden sich zu einer Eisenbahn-
conducteurstelle gewöhnlich über 100 Canvidaten wahrscheinlich weil
man da immer den geraden Weg geht.
4 Merkt'S Euch! Wer heute Allen gibt, geht als gerühmter
Weiser zu Bett; wenn er aber morgen etwas verlangt, steht er
übermorgen als Narr auf.
 
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