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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 141
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0564

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55S

s DaS alte Kloster Lorsch.
(Bon Lehrer X. Staigcr zu Ladenburg.)
Zwischen Bensheim und dem Nbein liegt auf der Straße nach
Worms, auf Hessischem Gebiete, in der Provinz Starkenburg ein schö-
nnr Markflecken, Lorsch genannt, an dem die Weschnitz ruhigen Lau-
fes vorbeifließt. Hier erheben sich die Ruinen eines alten Klosters, das
seines Neichthums und seines großen Ansehens wegen sehr berühmt war.
Eine ungemeine Pracht schmückte seine Kirche. Gold und Silber war
nach allen Seiten dieses Tempels verschwendet, und den Boden des
ganzen Chors deckte ei» reich mit Gold übersticktes Purpurtuch. Meh-
rere kirchliche Stiftungen verdankten ihre Entstehung diesem Kloster, so
z. B. das Kloster auf dem heiligen Berg zu Heidelberg, ferner das
Stift Neuburg bei Ziegelhäuser, und wahrscheinlich auch das Frauen-
kloster auf dem heil. Berge bei Jugenheim, im Amte Seligeustatt der
schon genannten Provinz Starkenburg. Hier in diesem Kloster zu Lorsch
lebten nun anfangs die Mönche getreu ihrem frommen Berufe, und
waren i>>^ den ersten Zeilen als wirkliche Wohlthäter der Gegend be-
kannt. So blieb es aber nicht immer. Manche Aebte entwürdigten
durch unerlaubte Eingriffe und Handlungen ihr heiliges Amt, und das
Beispiel dieser wirkte auch auf die übrigen Väter uachtheilig ciw; kurz
der fromme Geist wich allgemach aus den heiligen Mauern, uns an
seine Stelle trat ein ausschweifendes und habsüchtiges Leben. Dadurch
aber und durch die Verwilderung der Mönche und innere Unruhen kam
das Kloster immer mehr und mehr in Verfall, bis endlich Pfalz.raf
Friedrich im Jahre 155L die Mönche daraus versagte und von dem
Kloster und allem Zugebör Besitz nahm.
Noch schwerere Gewitterwolken zogen sich aber im 17. Jahrbundert
über seinen Thürmen zusammen, als nämlich Don Eorduba nn
Jahre 1621 mit seinen Spaniern die Pfalz b. setzte. Ja in diesem
Jahre trat für da« Kloster sogar die letzte Stunde ein, und das Ge-
schick wollte, daß der stille Nuhchafen vom stürmischen Me,re der Zeit
verschlungen werde. Den» alsbald rückten die wilden spaiuschen Hor-
den gegen das Kloster heran, zerstörte» durch ihr wildes und tolles
Krikgsgeschrei nicht nur den Frieden der Gcge.id, sondern legten auch
Hand an die Prachtgebäudk- der ehemals so berühmten Abtei Ullv lie-
ßen das ganze Kloster in Brand aufgehen. Seitdem liegt es darnie-
der, still und öde in seinem starren Tovesschlaf. Von der einst so statt-
lichen und deiühmten Benediktiner Abtei st.ht nur wenig mehr da, und
Pie Stelle, wo das Kloster und die Kirche stand, ist j yt zu Garten
und Weinbergen angelegt worden. Was noch von seinen Ruinen zu
sehen ist, ist bloß eines der drei Schiffe, woraus die Kirche bestand,
und diests ist nun zu einem Kornspeicher verwandelt. Doch zeugt eö
auch jetzt noch von seiner ehemaligen Größe, und steht auch jetzt noch
da als ein hoher Bau, der mit seiner weißen Wand, wenn die Son-
ue ihre Morgenstrahlen darauf wirst, weit in die Ferne bin leuch et.
Nrcht mehr hat nun der müde Wanderer in den klösterlichen Mauern
«n Obdach. Kein P öetner schließt dem frommen Pilger die Pforten
mehr auf. Kein Ritrersmann legt Kier Panzer und Helmsturz mehr ab,
um die müden Glieder in das Kleid des F iedens, in die Kutte zu
hüllen. Nicht mehr schatten ernst die Thücme in die verglimmende
Abendröthe hinein, und kein Prachtukläute verkündigt mehr aus ihren
Kuppen die festlichen Tage; — aber eine h rrliche Aussicht über die
Bergstraße, zumal über das nahe Heppenheim und die ehemals für
das Kloster so wichtige Starkenburg ladet nun jetzt den Wanderer ein,
einen Augenblick) hier zu rasten, und — er blickt nun mit freudigem
Entzücken hin über die iahenden Fluren und die liebliche Landschaft.
D.eses Kloster zu Lorsch nun hatte übrigens -- wie fast alle Klö-
ster jener Zc-st — seinen Reich,hum und Glanz auch vornehmlich nur
der Huld und dem frommen Sinn der Eolrn und Fürsten zu verdan-
ken, die mit großer Freigebigkeit seiner bedacht waren, und kt ine Ge-
legenheit vorüber gehen ließen, ohne daß sie neue Spenden in die
Hqnde des Ab s niedergelegr hätten. Es war überhaupt damals der
Glaube herrschend, daß, ,v<-r sich eines geistigen Stiftes wohlthätig an-
nehme, sich große Verdienste um den Himmel erwerbe, daher verwan-
delte so mancher reiche Herr ,ei„ Schloß in ein Kloster, oder ließ auS
seinem Vermögen ei» neues erbauen und beschenkte es mit Einkünften,
damit eine Anzahl frommer Brüder daselbst mit Gesang und Gebet
dem Herr» dienen unv dabei auch seiner dann gedenken sollte. Beson-
ders aber war eö der Frankenkönig, Karl mit dem Beinamen der
Große, der sich um Lorsch vorzüglich annahm; auch er war von jenem
Glauben geleitet, nach welchem, wie scheu gesagt, die Begründung und


Begabung geistlicher Stifte der größte Verdienst auf Erden war und
daß man sich dafür ewigen Lohn im Himmel verschaffe» könne. Drß-
halb aber, und weil er noch dazu eine Vorliebe für j »es Kloster hatte,
ließ er ihm auch nicht nur viele Güter zukommen, sond rn beschenkte
es gar noch mit mehrern Ortschaften. Dafür waren ihm freilich die
Väter überaus dankbar und suchten ja, sich für die vi len Wohlthaten
recht erkenntlich zu zeigen. Karl besuchte Lorsch übrigens auch oft seihst,
und zwar, theils allein, theils mit seinen Kindern, biew.ilcn auch mit
einigen Neichefürsten. Denn er hielt in der Nähe, jenseits des Rvcins.
zu Ingelheim an der Selz, und unweit jenes Stromes ofimats
Hof, von wo er, um sein Gcmüth zu sammeln, dann wegeilte und
gerne zur klösterlichen Einsamkeit seine Zuflucht nahm.
Einmal aber, so melket die Sage, kehrte er von weiten Fahrten
hergezogen auch wieder in düsein Gotteshausc ein. Der Abt und sei-
ner Mönche Chor hieß den Kaiser hoch willkommen und nahm ihn such
diesmal mit Ehrfurcht in seine stille Mauern auf. Da ruhcte er dann
eine Weile aus, um «kräftigt und mit neuer Stärke hernach seine
Herrscherpflichtcn wieder auszuüben. Ab« er überließ sich auch dies-
mal keinem üppigen Leben, sondern seine gewöhnliche einfache Lebens-
weise fand auch alljetzt statt, und wie früher, so besuchte er auch der-
malen den Tempel des Herrn, und besonders dann betrat er ihn gerne,
wenn die Nacht ihre schwarzen Schatten über die Erde warf und ciue
feierliche Stille ringsum herrschte. Du fiel er daun im Tempel nieder,
faltete seine Hände und betete zu seinem Gott und Heirn. So lag er
auch jetzt einmal da in inbrünstigem Gebete zum Himmel, als —
plötzlich ein wunderbarer Glan; den Temp.l «bellte, die Hallen von
Mannstritten «tönten und durch den laigen Gang ein Mönch zum
Chore schritt, geführt von einem Jüngling mit heiligem Schein umge-
den. Vor dem Hauptaltare sinkt der Mönch dann nieder, bet« hier
ein still Gebet und verläßt dann wiederum die Kirche, aus der der
Glanz auch alsbald nachher schwindet. Der Kaiser staunt darob nicht
wenig, lind er spricht bei sich: wer kann der Heilige wohl sein, den
Engel selbst bedienen! — Sobald daher der Morgen graute, eilt der
Fürst mit ernster Miene ,u dem Abt und erzählte ihm, was er sah
und fragte ihn, welchen Heiligen er unter seinen Mönchen habe? Der
Abt war von des hohen Herrn Frage ganz betroffen und verstund sie
kaum und sprach: „Euch, mein Kaiser, täuscht wobl sich« nur ein
T aum." Aber der Kais« spricht »och ernster: Nein! Mich hat kein
Traum getäuscht; ich sah klar, was ich Euch erzählte; kommt nur in
nächster Nacht mit mir und laßt uns sehen, ob der Heilige nicht wie-
der dort «scheint! Und der Abt geht in kommend« Nacht mit dein
Kaiser ebenfalls dem Münster, zu und beide harren dann voll Verlan-
gen der Erscheinung wie gestern um dieselbe Zeit. Es war eine Tod-
tenstille auch diesmal in dem Tempel, und nur eine Lampe erhellte et-
was den großen, weiten Raum. Siehe! da kommt auch wirklich wie-
der bas Paar dem Heiligthume zugegangen. Ein wunderbarer Glanz
«füllte auch diesmal wieder die Kirche und ein Engel im Lichtgcwande
führt einen blinden Greis an seiner Hand, der von dem Haupaltare
zu den übrigen Altären wandelnd, überall ein kurz Gebet verrichtet,
dann zurück ins Kloster wieder geht. Der Kaiser sah des Blinden An-
gesicht; bekannte Züge nahm er darauf wahr; za er war gewiß, er
hatte den Greis an anderer Stelle schon geiehen, aber damals noch
nicht blind. Er drang daher in den Abt, ihm Aufschluß über diesen
Blinden zu «theilcn: wer er sei und woher « gekommen. Ab« des
Klosters Vorstand konnte ihm nichts weiter melden, als, daß er ihn
schon lange als Laie ausgenommen und daß « seinen Namen nie ge-
nannt. Der Kaiser mit dem Abt geht selbst nun zu des Blinden Zelle,
ihn fragend um den Namen und das Vaterland, u»d beißt ib» s"*
und unverzagt zu spreche», uud der Mönch drauf alio zu dem Kais«
spricht: „Einst gehörte ich dcr Welt; ich licbte sie, und in meinem Va-
terland?, das in weiter Ferne liegt, war ich mächtig und hochangese«
hen; aber der Stolz verblendete mich und ich sündigte unv frevelte ge-
gen meinen Herrn, und diese Schuld ist's, die beute noch ggx sehr
mich schmerzt und drückt. In Baiern war ich Thassilo genannt;
du mein Herr und Kaiser, bast das Todeourchäl über m ine Treulo-
sigkeit an Dir, zerrissen. O, vergieb mir vollends „och die große
"Schuld, dann knüpft mich nichts mehr an das Ltben!" Jetzt war^s
stille. Ja des Kaisers Augen sah man Mitleidsthränen glänzen; sein
letzter Groll schwand auch dahin; gerührt reichte er dem reuevollen
Greis, als Bersöhnungszeichen seine Hand. Ja der Kaiser war ver-
söhnt. Den Baiernherzog Thassilo aber — knüpfte von da an nichts
 
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