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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 146
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0584

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dieser Anschluß zu Stande kommt, sollen die deutschen Fürsten des Zoll-
vereins sich bereitwillig erklärt haben, die Anleihe von 30 Mill. Thlrn.
zu garantircn, welche Hamburg zum Aufbau seiner niedergebrannten
Häuser machen will.
— Eine recht freudige Sensation hat gestern Abend hier unter dem
musikalischen Publikum die Ernennung Meierbeer's zum General-
musikdirektor gemacht. Derselbe erhält einen Jahrgehalt von 3000
Thlrn. und alljährlich ein Urlaub von sechs Monaten, damit er sein
hiesiges Verhältuiß mit seiner Wirksamkeit in Paris vereinige. Die
Functionen desselben werden sich nicht nur aufs Theater beschränken
sondern auch die Leitung der Hofconcerte umfassen. Die dcßfaüsige
Cabiuetsordre ist für Mcyerbccr in sehr schmeichelhaften Ausdrücken ab-
gefaßt.
Paris, 19. Juni. Die Regierung hat heute keine Nachrichten
aus Madrid bekannt gemacht; man schließt daraus, daß am 14.
Juni die ministerielle Crisis ibr Ende noch nicht erreicht hatte.
Briefe vom 13. Juni drücken Besorgnisse aus vor einer Volksbewe-
gung; Eopartero soll Unruhe hegen; die Polizei hatte Weisung erhal-
ten, die strengste Uebcrwacbung handzuhaden.
London, 17. Juni. John Francis ist heute von dem Central-Cn-
minalhofe zum Tode vcrurtheilt worden. Sein Vertheidiger, Hr.
Clarkson, halte seine Defension darauf gestützt, daß man nicht beweisen
könne, daß die Pistole, mit welcher Francis auf die Königin geschossen,
mit einer Kugel geladen gewesen sei.
— In Galwap (Irland) ist ein Tumult ausgebrochen, welcher
durch die Theurung veranlaßt worden. Am 13. durchzogen viele Ar-
beiter die Straßen und brachen alle Läden auf, wo sie Kartoffeln vcr-
mutheten. Das Militär und die Polizei wurden aufgeboten, aber sie
mußten sich vorder Uebermacktzu rückziehen. Der Comman-
deur drohte mehrmals, feuern zu lassen, wenn man länger mit Steinen
werfe, that es aber doch nicht. Abends war die Stadt beleuch-
tet, um den Sieg des Volkes zu feiern. Die Noch ist so groß,
daß, wären die Lebensmittel auch halb umsonst zu haben, es den Leu-
ten dennoch unmöglich wäre, sie zu kaufen.
Brüssel, 19. Juni. Das Dorf Grathein im Limburgischen soll
ganz abgebrannt sein.
Alexandrien, 26. Mai. Der protestantische Bischof in Jerusalem
beschäftigt sich mit der Gründung eines Hospitals für 250 Personen
und mit der Erbauung seiner Wohnung. Man erwartet dort niedrere
englische und preußische Familien, die sich in Jerusalem nicderlassen wollen.
» Am Grabe eines KinSeS.
Ehe noch die Blume sich entfaltet
Und der Leidenschaften Gluth
Sie zu einem offnen Kelch gestaltet.
Nahm Dich Gott in seine Hut.
Und der Täuschung Schmerz im Erdenland
Blieb Dir unbekannt.
Schlumm're sanft im stillen Erdcnschooße,
Glücklich war Dein kurzes Sein;
Denn des Unglücks finstere, schwarzen Loose
Hüllte noch die Zukunft ein;
Freundlich Dich der stille Rasen deckt
Bis einst Gott uns weckt.
Mannheim. H. Hcngstcnbcrg.

Das Irrenhaus zu Palermo.
(Fortsetzung.)
Da liefen von allen Seiten ein Dutzend Irre, Männer und Frau-
en, m den sonderbarsten Aufzügen herbei, unier welchen ich sogleich den
Sohn des Kaisers von China und den eingebildeten Tobte» erkannte.
Der Erstere irrig eine prunkende Krone von Goldpapier auf dem Haupte,
der andere aber zchrOt ernst und feierlich, wie es einem Geiste geziemt,
in einem großen^weißen Laken gehüllt einher. Die Ucbrigen waren:
der trübsinmge ^jrre, der sichtlich ungern kam, indem er von Zeit zu
Zeit durch Zwei Wärter fortgcschoben werden mußte; eine Frau die
sich für die heilige Theresa hielt, und die ihre Verzückungen halte;
dann eine junge Person von 20 bis 22 Jahren, an welcher man noch
die Spuren einer früheren ausgezeichneten Schönheit erkannte. Auch
diese folgte nur der Gewalt, und wurde von ihrer Wärterin mehr her-
beigeschleppt als geführt. D" wurde der Tanz eröffnet.
Es war das ein cigenthümlicher Cvntratanz! Ein jeder der Tan-
zenden schien mechanisch dem Impuls irgend einer verborgenen Spring-

feder zu gehorchen, die ihn in Tritt setzte, während sein Geist die Bahn
verfolgte, auf welcher ihn sein Wahn erhielt: dem Schein nach eine
muntere Quadrille, war sie in der Wirklichkeit eine traurige, und Al-
les verrückt, die Tänzer wie die Musici.
Ich mußte einen Augenblick bei Seite treten, fürchtend sy„g
verrückt zu werden.
Jetzt trat der Baron auf mich zu, und sagte:
„Ich habe vorhin Ihre Unterhaltung mit dem armen Lucca unter-
brochen, denn ich sehe es nicht gern, daß er sich in seinen metaphy^
schen Systemen vertieft; die mctapbpsi'cheii Irren sind am schwersten
zu heilen, weites da nicht anzugeben ist wo die Vernunft aufhört und
der Wahn beginnt. Mag er sich für Dante, Tasso, Ariost, Shake-
speare oder Chateaubriand halten, das schadet nicht; ich Hobe fast alle
diejenigen hergcstellt, die nur diese Art von Irrwahn halten, und bin
auch überzeugt, daß mir das mit Lucca gelingen wird; aber die arme
Irre da, die sich abmüht, von den Tanzenden wegznkon.men und wie-
der für sich allcin zu siyn, die werde ich nicht retten können. — Laß
sie, laß sie!" ries der Baron dann der Wärterin zu, welche sie zwingen
wollte, im Contratanz zu bleiben. „Komm, Costanza, komm mein
Kind!" Er ging ihr ein Paar Schritte entgegen, und das junge Mär-
chen lief, ihre Freiheit benutzend, flüchtig wie eine gescheuchte Gazelle,
und hinter sich blickend, ob man sie auch verfolge, auf ihn zu und siel
ihm schluchzend in die Arme.
„Nun, mein Kind, was hast Du denn wieder?
— Ach Valer, Vater! sie wollen ihre Maske» nicht oblegen, sich
nur ihm nennen, und nun gehen sie mit ihm in ein Nebenzimmer. . . .
Ach! ums Himmels Willen, gttb das nicht zu.... sie weiden ihn
tödten!.... Albano! Albano! Ha!.... 0 Gott, 0 Gott! es ist ge-
schehen.... cs ist zu spät!.... Und einer Ohnmacht nahe, warf sich
das junge Mädchen in den Armen des Barons hintenüber. Obwohl
an solche Austritte gewöhnt, traten ihm doch Thränen in die Augen.
Unterdessen tanzten die Andern ununterbrochen fort, ohne von dem
Kummer des jungen Mädchens Notiz zu nehmen, und obgleich deren
Krisis in ihrer Aller Mitte begonnen hatte, ichlen keiner cö b.merkt zu
haben, selbst Lucca nicht, vcr wie rasend den Bogen führte, mit den
Füßen stampfte und laut schreiend Figuren angab, an die sich niemand
kehrte. Es war eine Scene, wie Hoffmann sie erzählt, oder wie man
sie wohl im Traume sieht.
Da es nun für uns an der Zeit war, uns wieder zu entfernen,
ich auch den Anblick des Wahnsinns nicht lange zu ertragen vermag,
so erbot sich der Baron Pisani, der noch in dieser Richtung zu lhun
hatte, uns zurück zu geleiten.
Als wir über den Hof gingen, sah ich das junge Mädchen, wel-
ches sich dem Baron in die Arme geworfen hatte, vor dem Bassi" eines
Brunnens knieen, sich in dem Wasser spiegeln, ihr langes lockiges
Haar netzen, und cs dann an ihre glühende Stirn drücken.
Ich fragte den Baron, was die Veranlassung zu dieser düstern und
bejammerswürdigen Geisteszerrüttung gewesen scy, an deren Heilung
er selbst verzweifelte, und da erzählte er mir dann, was folgt:
„Costanza war die einzige Tochter des letzten Grase" von La Bruca.
Sie bewohnte mit ihrer Mutter, zwischen Syracus und Eatanea, eines
der alten Schlösser von sarazenischer Bauart, wie es deren noch einige
auf Sicilien giebt. Aber wie isolirt dies Schloß auch war, hatte sich
der Ruf von der Schönheit Constanza's dennoch von Messina bis nach
Trapani verbreitet, und mehr als einmal nahmen vornehme Sicilianer
unter dem Vergeben, auf der Reise von der Nacht überrascht' worden
zu sein, die Gastfreiheit des Graft" La Bruca in Anspruch. So be-
kamen sie Constanza zu sehen, und fast ein jeder, der sic sah, wurde
auch sterblich in sie verliebt. ...
„Zu diesen interessirten Besuchern gehörte auch ein Chevalier Brun»,
rin Mann von 28 bis 30 Jah:e», der zu Castrogiovanni Güter hatte.
Er galt für einen der gewaltthatigen und leidenschaftlichen Männern,
die nichts abschreckt, wenn es sich um pix Defridigung eines Wunsches
der Liebe oder auch d" Rache handelt. Constanza achtete auf ihn nicht
mehr, als sie auf all dre andern geachtet hatte, und sah >hn mit der-
selben Ruhe wieder abreisen, mit welcher sie ihn hatte kommen sehen.
Aber ihr Herz fchon anderweitig eingenommen. Nur wenige Mei-
len von dem Schlosse des La Bruca befand sich das Besttzihum des
Grafen von Rizzari; es herrschte zwischen den beiden Nachbarn eine
vierjährige Freundschaft, und sie sahen sich fast täglich. Der Graf von
Nizzari aber hatte zwei Söhne, von welchen der jüngste, Albano, Co-
stanza liebte und von ihr wieder geliebt wurde. (F. flgt.)
 
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