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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 151
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0609

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607

er: das sei einmal so Sitte, aber in der Regel schlafe auch der Herr
nicht ohne Waffen. Er führte mich nach diesen Worten in sein Schlaf-
kabinet und zeigte mir zwei geladene Pistolen, die während der Nacht
stets an dem niederen Theil der Wand bei seinem Bette hingen, so daß
er sie, auch im liegen, bequem mit der Hand greifen konnte.
„Ich habe" — fuhr er fort — „vor nicht langer Zeit die Erfah-
rung gemacht, wie nothwendig diese Vorsicht ist, und Sie selbst wer-
den sie nach dem, was ich Jlmcn mittheilen will, gerechtfertigt finden.
Ich hatte einen Diener aus Volhynicn, einen kräftigen Burschen, mit
einem kühnen, scharfblickenden Auge, das auf eine begabtere Natur
schließen ließ, als man sie sonst bei diesen Leuten trifft. Mit Pünkt-
lichkeit in seinem Dienste verband er Gewandtheit und Unterwürfigkeit.
Ich war mit ihm zufrieden und doch hielt die Verschlagenheit, die aus
seinem lauernden Blicke hcrvorbliyte, mein Mißtrauen wach. An einem
Tage erhielt ich eine größere Summe Geld, darunter zwei Rollen,
jede mit 100 Dukaten. Um eingegangenen Verpflichtungen nach;»«
komme«, gab, sch noÄ an demselben Tage den größten Theil des Geldes
fort, doch jene beideRollen behielt ich und legte sie in ein Schubfach deS
dort stehend enSchrcibsckretärs." (Er beutete auf diesen und erstand so, daß
der daran Sitzende dem gegenüberstchenden Bette den Rücken zukehrte.)
(Schluß folgt.)

Bunter.
ff Bei Anlaß eines heftigen Wortstreites über das neue Schulge-
setz io *** sagte ein Landmann: „Ja, ja, Ihr habt Recht, es ist
eine gottlose^ Ordnung! der Vater hat über sein eigenes Kind nichts mehr
zu sagen! Sechs Jahre kann crs hcrumtragen, dann bckommts der
Schulmeister, dann der Pfarrer unter die Hände, dann holtö der Erer-
ziermrister, und kaum ist der fertig, so nehmenö die Weiber untern
Pantoffel!"
-s- Ein sehr bemerkeuswertber und eigentlich ganz republikanischer
Charakierzug der Haptianer ist ihr gänzlicher Mangel an Kastengeist;
ein Sohn studiert die Rechte und sein Bruder wird Schuster; der Neffe
der Präsidentin hütet die Kühe gerade vor dem Nationalpalast; der
Sohn des Obrist und des Kommandanten Batraville ist ein Schneider;
die Tochter des Platzkommandanten von St. Mare heirathete einen
Tischlergescllen; die vornehmern Damen verkaufen Leinwand nach der
Elle, kurz, Jedermann verdient Geld, so wie er kann. Wenn man
doch hierbei sagen könnte: laut eomme oder nous!

O p e r n - B e r i ch t.
(Bon nd.)
Sonntag den 26. Juni: „Der Brauer von Preston." Komische Oper in 3 Aufzügen.
Musik von Adam.
Diese Oper oder vielmehr dieses Machwerk einer Oper ist unstreitig eines der
jammervollsten Erzeugnisse des in den modern französischen Geschmack sich hinein-
fchwindelnden Componisten. Ein Werk ohne Hand und Fuß; nichts als zerstückelte
Glieder, die sich durchaus nicht zusammenbringen lassen. Adam gicbt sich alle
Mühe den in seiner Art genialen Ander nachzuahmen, aber cs gelingt ihm nicht,
er hat nur nachgeäfft! Es muß für den Musiker, d. h. nicht für den mechanischen
oder die Kunst als Handwcrktrcibcnden, wir meinen für den gebildeten Musiker,
eine wadre Pein sein, ein solches Charivari mitspielen zu müssen. — Seitdem es
so viel Lärm und Spektackel in der Musik gicbt, wird es mit dem Componiren
immer stiller und stiller! Geht das Ding so fort, wie steht es dann am Ende mit
dem musikalischen Geschmack aus? Apropos! was versteht man denn unter musika-
lischem Geschwächt? Nur ein wenig Geduld, denn da der Raum dieses Blattes
nicht gestattet, die obige Frage ausführlich zu erörtern, so sind wir gcnöthigt uns
kurz zu fassen und nur in wenigen Zeilen zu antworten. Um dieß thun zu können,
muß man sich schon ein wenig besinnen, um so mehr da gar Biele ein Zettergeschrei
ausstießcn, wenn in musikalischer Hinsicht von dem Opcrnreferenten - nd. — ein
Schnitzer gemacht würde. Doch zur Sache. Alle jene Compositionen wo die Zu-
sammenstimmnngcn sich nach den Gesetzen der Harmonie bewegen, so, daß in dieser
Bewegung Ordnung, Mannigfaltigkeit, Schönheit, Klarheit und Einfachheit wahr-
genonimcn wird, wo ferner die melodischen Figuren mit den Zusammenstin,münzen
und mit dem Inhalte des Stück's vollkommen fimpathissren, sind in wahrem Ge-
schmack geschrieben. In dem Adam'schen, Brauer von Preston wird man von dem
so eben Gesagten keine Spur finden, „und thät' man auch hundert Laternen anzün-
dcn." Für die tanzlustige Welt, so wie auch für Walzer- und Galloppaden-Fabrj.
kanten niag diese Oper allerdings Interesse haben, denn was diesen Genre der Mu-
ll' betrifft, so läßt sich beinahe in jeder Nummer etwas herausfinden, was man
zum Befördern einer schneller» Fußbewegung gebrauchen kann. Nur zwei Nummern
dieser Oper sind benierkcnswcrth nämlich die beiden Terzette Nr. 8 im zweiten und
Nr. 1l r», 3. Akt.
Ersteres worin Robinson zu seiner Heldcnlaufbahn instruirt wird — ist ziem-
lich karaktnfnsch gearbeitet. — Letzteres, u stur, ist unstreitig die beste Nummer.

Dieses Terzett ist wirklich schön und kommt uns unter den andern Gesangstücken
der Oper gerade so vor, wie eine Oase in der Wüste.
Mit der heutigen Aufführung konnte man nur theilweife zufrieden sein. Die
Stimme des Hrn. Kreuzer — welcher den Robinson gab — schien etwas belegt zu
sein, auch war in seinem Gesangs-Vortrage hie und da ein gewisses Unsichersein
nicht zu verkennen. Bei den anstrengenden Kunstverrichtungen denen Hr. Kreuzer
gegenwärtig unterworfen ist, darf derselbe wohl auf Nachsicht Anspruch machen.
Im Spiel war Hr. Kreuzer befriedigend.
Effie Fr. Ncukäuflcr. Im Spiel zwar recht brav, doch im Gesang die
alten Fehler auf die wir schon — in der Rezension des Liebestrankes - aufmerksam
gemacht haben. Daß die Stimme der Fr. Reukäufler Klang hat und daß hinläng-
lich Mittel vorhanden sind mit Leichtigkeit auch vieles machen z» können wird
wohl Niemand abstrcitcn. Aber die Methode und das verwünschte Detonircn!
Haie jocet lepus i» pipeie! Möge doch die Sängerin sich eine gründliche
und schulgcrechte Gesangsmethode eigen zu machen suchen und ihre Aufmerksamkeit
hauptsächlich darauf verwenden, um das schon stark Wurzel gefaßte Detoni-
ren zu vermeiden. Durch Fleiß und anhaltendes Studium kann ja Vieles erreicht
werden und daran wird es unsere noch jugendliche und mit schönen Mitteln begab-
te Sängerin gewiß nicht fehlen lassen. Wir hoffen das Beste und wünschen, daß
wir recht bald in Stand geletzt würden, über Fräulein Reukäufler günstigere Be-
richte liefern zn können. Es thut uns immer leid, einen Tadel auszusprcchcn, aber
soll man dazu schweigen? wenn Fehler begangen werden oder dieselben vielleicht
noch gut heißen? Nimmermehr! Wir haben uns fest vorgcnommen die Wahrheit
zu sprechen und da versteht es sich von selbst, daß wir auch unparthciisch schreiben.
Mit Comödianteric und Fuchsschwänze!» haben wir nichts zu schaffen. Irren wir
uns einmal — und wem geschieht so etwas nicht — gut! wir nehmen, wenn näm-
lich das Gegcntheil gründlich bewiesen ist, gerne Belehrung an.
Jetzt wieder zu unser», Brauer. Tob-, Sergeant, Hr. Leser. Was im Spiel
und Gesang auS dieser Part-ie nur immer zu machen ist, hat Hr. Leser redlich
gcthan.
Bob, Hr. Discant machte aus dem ganzen Brauer einen halben Paul in
der Schweizerfamilic.
Der Gesang der Offiziere wurde zwar brav durchgeführt hätte jedoch etwas
reiner sein dürfen.
Außer den beiden schon angeführten Terzetten, welche applaudirt wurden,
rührte sich bei den andern Musikstücken keine Hano und dieß ist ein sicherer Beweis
von dem bessern Geschmack des Publikums.
Chöre griffen tüchtig zusammen. Das Orchester recht brav.

Das hiesige Journal vom 28. d. enthält folgende
Erklärung
deS ObcramtmannS Gockel von Weinheim über die Prüfung der Deputirtenwahl
in der LandtagSzcitung vom 24. Juni d. I., No. 4g, pag. 187-191. (Mannheimer
Morgcnblatt No. ,49, Seite SSO. No. ISO, Beilage Seite 6vl>. No. 18t, Beilage
Seite 609 u. 610.)
Die Hornberger Wahl von 1839. K. Prot, vom 8. April e. ->. p. 17 ff. wurde
auf falsche Anschuldigung meiner Person Anlaß zu grobem Unrecht, welches mehrere
Aammcrglicdcr an mir verübten. Ich schwieg dazu, indem der allgemeine Unwille
auf die Thäter fiel, und mich die öffentliche Meinung rechtfertigte. Ich würde auch
jetzt bet der Wiederholung dieses Unfuges schweigen, wenn ich nicht besorgen Müßte,
man glaubte am Ende, ich wage cs nicht, dagegen auf,»treten. Damals war (die
Todtcn abgerechnet) Hr. Sander im Unrecht am weitesten gegangen, indem er ab-
läugnete, was er meinem Bruder gesagt hatte, und dolosc verschwieg, was zur Auf-
klärung der Sache diente. Ich kann ihm beweisen, daß er dort die Unwahrheit sprach,
indem er versicherte: Fccht habe ihm geschrieben, er nehme die Hornberger Wahl
nicht an, und daß er fälschlich, zur Widerlegung Anderer, behauptete, FechtS Tochter
sei erst nach der Hornberger Wahl gestorben, llk. Die Todesanzeige in der Carls-
ruher Zeitung vom 1. März 1839. - Wahltag den 7. März. Dieß blos zum Be-
leg, wie cs die Herren eben nicht so strenge mit der Wahrheit halten, wenn sie nicht
in ihren Kram taugt.
Bei der Weinheiiner Wahl geschah dasselbe, indem sich die Herren Welte, Züllig
und Andere erlaubten, bodenlose Anschuldigungen gegen mich vorzubrmgen, die ich
zurückwcise.
Sic sollten sich schämen, mir ko leichthin den Vorwurf der Zudringlichkeit ge-
macht und Thatsachcn von mir behauptet zu haben, die nicht wahr find. Wer kann
sagen, ich sc- am Wahltische gesessen und hätte Stimmzettel controlirt? Wer unter-
steht sich zu behaupten, ich hätte dem Herrn Wahlcommiffär den Vorschlag gemacht,
die Stimmzettel parthtcenweisc auszuthcilen und dergl.?
Solche Erdichtungen sollte kein Deputirter für baare Münze geben. Sein Eid
lehrt ihn vorsichtig und gewissenhaft prüfen, was er über Andere aussagcn darf, und
verbietet ihm leichtfertiges Nachreden des Gehörten. Es erfordert auch wenig Muth
und wenig Witz, einen Abwesenden zu beschimpfen, und sich dabei das Ansehen zu
geben, man übe Gerechtigkeit.
Ein solches Benehmen kan» ich so wenig nobel finden, als die Kraftausdrücke
des Herrn Abgeordneten Rindeschwender, (Roßmängel) geistreich, wenn sie gleich
die Stelle von Entscheidungsgründcn bei ihm vertreten müssen. Herr Sander ver-
lor sich vollends in selbstgeschaffcne Unterstellungen und Vcrmuthungen, die nach
allen Richtungen hin beleidigend und verletzend sind — unbekümmert, wie er dies
verantworte.
Solche Erscheinungen sind beklagenswerth, da sie das Vertrauen in die Red-
lichkeit der Gesinnungen aufheben und Leidenschaft beweisen. Der Zwischenruf in
Hrn. Baders Rede (P. 190 der Landt. Zeitg. Morgenblatt Nr. 151s ist das grellste
Beispiel dieser Art, da kein Stimmzettel eröffnet wurde, bevor alle Wahlmänner
abgestimmt hatten.
Durch solche Vorgänge werden dem Volk allmählig die Augen geöffnet und der
Gewinn einer umgestürzten Wahl steht in keinem Verhältnisse zu dem Resultat,
welches sich in der öffentlichen Meinung über rin derartiges Benehmen bildet.
Gockel.
 
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