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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 197
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0803

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welches selbst die Hand des Todes nicht hatte verwischen können, machte
in der Umhüllung der zerstreut über das ehrwürdige Antlitz herabfal-
lenden Silberhaare, einen schmerzlichen Eindruck auf das Gnnüth des
Beschauers; aber auf eine rührendere Weise noch sprach der Anblick
der zwecken Leiche zum Herzen und weckte das innigste Bedauern: —
es war ein höchstens achtzehnjähriges liebliches Mädchen, geschmückt mit
allen Reizen der Jugend und Anmuch, dessen feines und zartes blei-
ches Antlitz zwischen den dichten Flechten des schwarzen glänzenden
Haares hervorleuchtetc, wie eine einzelne weiße Rose i» einem Kranze
von düftcrn Cppressen.
Nicht das Gesetz der Natur hatte die beiden Frauen abgerufen aus
der Zahl der Lebendige»; eine frevelnde Hand hatte aus empörende
Weise ihren Lebensfaden zerschnitten, und ihre zerrissenen Kleider, die
krampfhaft geballten Hände und verzerrten Mienen der Armen waren
Zeugen eines langen und schmerzliches Todeskampfes. Einzelne dun»
kele Streifen an ihrem Halse ließen auf eine geschehene Erdrosselung
schließen; doch dies schien der raffinirteu Grausamkeit des Mörders nicht
genügt zu haben; B-ust und Oeeileib der beiden Unglücklichen waren
noch von zahlreichen Stichen durchbohrt. —
tt.ber die Lehne einer der Stühle gebeugt, starrte mit roth gewein-
ten Augen ein alter graulockiger Diener im stummen Schmerz auf die
Gemordeten. Ein ebenfalls schon bejahrtes Frauenzimmer, dem An-
schein nach die Magd des Hauses, lag, das Gesichts mit dem Taschen-
tuch verhüllt, vor ihnen auf den Knieen, und ihr Schluchzen wechselte
mit den Tönen laut ausbrech.nden herzzerreißenden Jammers. Ihnen
gegenüber stand ein Tisch mit zwei brennenden Kerzen; an ihm hatte
der eben cingetretene Untersuchungsrichter mit seinem Schreiber Platz
genommen.
„Ihr werdet gewissenhaft und streng der Wahrheit gemäß die Fra-
gen beantworten, die ich jetzt an Euch richte, Jerome Chabot!" — be-
gann zu dem Alten gewendet der Richter mit lauter Stimme; —
„Ihr müßt später Eure Aussage wiederholen und dann beeidigen. Er-
zählt mir genau die Begebenheit dieses Nachmittags und verhehlt mir
keinen, selbst nicht den unbedeutendsten Umstand." —
Mühsam richtete sich die gebeugte Gestalt des Greises empor. Lang-
sam näherte er sich dem Richter und sein mattes Auge begegnete furcht-
los dessen forschendem Blicke.
„Es wird mir schwer werden dem Befehl des Gesetzes zu gehorchen
und die Wahrheit zu enthüllen," — begann er mit unsicherer zittern-
der Stimme — „denn" — setzte er mit einem tiefen Seufzer hinzu
— „jedes meiner Worte muß zur schweren Anklage werden gegen Je-
mand den ich liebte wie der Vater seine» Sohn, ja den ich jetzt noch
liebe, während ich sein Bild nicht ohne Schaudern vor meine Seele
rufen kann. Doch Sie erwarten meine Aussage und ich will meine
Erzählung beginnen."
„ES mochte etwa um zwei Uhr sein, als Madame St. Aubin mich
in das Wohnzckmner rief, um mir Aufträge zu einigen kleinen Einkäu-
fen zu geben. Sie schien sehr traurig und ihre Augen waren trüb
vom Weinen. Als ich mich entfernen wollte, winkte sie mich zurück;
meine Mienen mochten ihr deutlich genug gesagt haben, daß mir ihr
Kummer zu Herzen ging. Ach! die gute Dame hatte durch eine gütige
Behandlung in den vier und zwanzig Jahren meiner Dienstzeit bei ihr,
mir ein Recht dazu gegeben, an Freud und Leid, das ihre Familie
traf, mehr Antheil zu nehmen, als solches der Diener gewohnt ist.
Sie wußte wohl, daß ich mit Freuden die wenigen Tage, die
»ch noch zu leben habe, hingcgeben hätte, um sie glücklich zu
sehen. Seit dem Augenblicke, als sie vor fünfzehn Jahren die Nach-
richt erhielt, daß dcr Herr Oberst, ihr Gemahl, plötzlich auf einer
Reise nach Paris gestorben, hart ich ihre Mienen nicht so niedergeschla-
gen und schmerzlich gr sehen."
„Jerome" — begann sie, sich die Augen trocknend, mit Matter
Stimme — „ich habe einen Auftrag für dich; du bist treu und verschwie-
gen und wirst kein Mißbrauch machen von meinem Vertrauen. Mein
Nisse Charles hat sich bereits vor mehreren Tagen von Bussp entfernt;
niemand weiß wo er sich befindet. Gestern klagte seine Frau, welche
ihn hier suchte, mir mit unzähligen Thränen, daß er schon seit einiger
Zeit wieder Rückfälle seines tollen Leichtsinns gehabt, der ihn schon so
grenzenlos elend gemacht und mir manches bittere Herzeleid bereitet hat.
Wahrscheinlich schwärmt er wieder mit den frühern rohen Genossen sei-
uer Ausschweifungen umher, von deren Umgang, wie ich zu Gott hoffte,
ich chn bereits für immer entwöhnt glaubte.
(Fortsetzung folgt.)

Buntes.
j- Dem Vernehmen nach werden „Die Hugenotten" am 29. d.
M. auf hiesiger Hofbühne zur Aufführung kommen.
ss Erste Ehe st an dös reu den! In dem Dorfe Villierssur-Nicole
feierte kürzlich ein junges Paar seine Hochzeit. Nachdem man den
ganzen Tag tüchtig gezecht hatte, fing der Gatte ei» Maurer ohne alle
Veranlassung plötzlich des Abends an, sein Weib durchzuprügeln wie
wahnsinnig. Die Aermste weinte, siel auf die Knie und rief alle Hei-
ligen an; allein je mehr sie schrie, desto ärger drosch der zärtliche Ge-
spans auf sie los. „Was Hab' ich dir denn gethan?" fragte die Miß-
handelnde schluchzend, daß du mich schlägst wie cm Toller?" — „Du
hast mir nichts gethan," antwortete der Wütherich; „aber du sollst dir
einstweilen voissillen können, wie es dir gehen würde, wenn es dir
jemals einfiele, mir wirklich etwas zu thun!"

-s In Würtemberg hat ein Zündhölzchen-Fabrikant wegen seiner Ver-
dienste um die würtembcrgische Industrie um die Verdienstmedaille ge-
beten. Vor einigen Jahren wollte sich in Berlin Jemand ein Patent
aus einen neuen Spargelstccher geben lassen.
-s Uns liefern blos Thiere Butter, aber in Afrika wachsen Bäume,
z. B. in Barnabe, Jeliba, welche Butter geben. Der Baum ähnelt
der amerikanischen Ecche, und die Frucht, aus deren Kern Butter ge-
sotten wird, einer Olive. Diese Butter erhält sich ungesalzen über eüi
Jahr, und ist weißer, fetter und schmackhafter, als unsere gewöhnliche
Butter.

-s Blieb ein Besuchender zu lange bei dem bekannten Modelleur
Mcsserschmidt, so fragte er ihn: „Haben Sie viel Zeit?" — „O ja!"
— „Das seh' ich, aber ich nicht!"
-s Der berühmte französische Chemiker Davy, dessen Arbeiten und
Entdeckungen im Fache seiner Wissenschaft den Bereich derselben sehr
erweiterten, hatte zur Zeit der Revolution das Unglück, seine innigst
geliebte Gattin durch den Tod zu verlieren. Da er die irdische Hülle
dieses theuren Wesens nicht den Würmern zur Speise geben wollte,
so verbrannte er dieselbe nach altrömischer Sitte auf einem Scheiterhau-
fen, sammelte sorgsälrig deren Asche, verwandelte diese mittelst seiner
Kunst in ein kleines Stück Kristallglas, und gab diesem die Gestalt ei-
nes Ringes, den er, so lange er noch lebte, am Finger trug.
ck An der Scheune des Gastwirths Boll an der Landstraße von
Schaffhausen nach Constanz sind drei Rebstöcke zu sehen, an welchen
2682 Trauben gezählt werden. Voriges Jahr trug eine von diesen
Reben 792 Trauben; von den drei Neben wurden 72V^ Maaß Wein
gepreßt. Es können von diesen Rebstöcken schon Trauben genossen wer-
den. Die Behandlung dieser Trauben ist folgende: Gleich im Spät-
jahr, wenn die Sommerwärme noch im Boden ist, wird auf densel-
ben wo die Wurzeln ruhen, 3 — 4 Fuß hoch Dung gelegt, so daß der
Boden niemals kalt werden kann. Auf diese Art dringen die Reben
eine Menge Trauben.
j- Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts wurden an Heren und
Hexenmeister öffentlich verbrannt: in Deutschland, Holland und in der
Schweiz 100,000; in England 30,000; in Würzburg allein wurden
im Laufe dieser zwei Jahrhunderte 16,700 Personen verbrannt. Im
Ganzen kann man annehmen, daß eine halbe Million Menschen diesem
gräßlichen Wahne geopfert worden sind. Die Ehre, die letzte Here
verbrannt zu haben, gebührt dem Kanton Glarus (1786), und die
Ehre, die Herenstrafgesetze zuletzt abgeschafst zu haben, Irland (1821.)
Jetzt werden keine Zauberinnen mehr verbrannt; aber dafür ver-
zehren sich die Herzen unserer jungen Herren, die auch keine Hexen-
meister mehr sind, in lodernden Gluten.
-j- Eine Mutter, die gern von ihren Kindern prahlt, sprach kürzlich
von ihrer Tochter: so viel Bücher gibt es in der Welt nicht, als meine
Tochter schon gelesen hat.

-j- In Folge einer Verordnung des Stadtrathes von Nürnberg ward
1540 auf gemeiner Stadt Kosten ei» Wägelchen angeschafft, wor-
auf die auf der Straße angettoffenen Betrunkenen nach Hause gefah-
ren wurden.
 
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