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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 226
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0921

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921

letzte Heller drauf gegangen und mit ihm der Spaß ein Ende nahm.
Der gute Herzog Philipp, der seiner Güte unbeschadet ein sehr
selbstständiger, kräftiger Herr war, machte vor Schlafengehen gern al-
lein oder mit wenigen Getreuen im schlichten Edelmannswamms einen
Spaziergang durch die Straßen und Gassen, um als Landesvater zu
sehen und zu hören, wie's mit seinen Kindern stehe. Diese Liebhaberei,
die er mit dem Khalifea Harn» al Raschid, Pedro dem Gerechten von
Spanien und manchen andern gekrönten Häuptern theilte, war Philipp
um so lieber, weil er gern einmal den Zwang des Hof» und Herr-
scherlebens abschüttclte und weil er ein großer Liebhaber von Abenlheu-
ern und Schwänken war.
In derselben Nacht, in der wir den lustigen Schuster in der Schenke
guter Dinge sahen, trat Philipp um Mitternacht auf der Seite, wo
jetzt das Montzthor steht, aus dem Buckenhof, bog links nach dem
Turuierfelde ein und gelangte so in die herrlichen Laubgänge des da-
maligen Vorhout, wo er sich hei Hellem Mondscheine noch ein Stünd-
chen ergehen wollte.
Drei Ritter aus seinem Gefolge begleiteten ihn; es waren Zacot
de Noussay, Hue de Lannop und Jahn von Berghe.
Die Nacht war schön, aber kalt und die vier Herren schritten rasch
aus. Doch plötzlich blich der Herzog stehen und runzelte die Stirn.
Denn unter dem einen Baume lag ein Mann lang ausgestrcckt, starr
und bewegungslos am Boden.
„Der Mensch kann hier bei der eisig kalten Nacht unmöglich aus
freien Stücken ein Nachtlager gesucht haben. Sollte da ein Mord im
Spiele sein?"
,/,/Jm Haag ist daran nicht zu denken!"" antwortete Jahn von
Berghe zuversichtlich.
Philipp trat näher zu dem Manne und stieß ihn mit dem Fuße an,
ohne daß der Daliegende ein Lebenszeichen von sich gab. Jetzt rief er
ihn an, aber es erfolgte keine Antwort.
„seht Ihr wohl, daß er tvdt ist!" bekräftigte der Herzog seine
frühere Aeußerung.
Hue de Lannvy bog sich über den Unbekannten, merkte, daß ihm
der Puls noch ging, sah weder Blut noch Wunde, noch einen Riß an
seinem Anzuge und rief, als er seinem Athen, mit der Nase nahe kam,
lachend: „Ach, dcr Kerl ist steif besoffen!"
Jahn von Berghe drehte des Schläfers Kopf ins Helle, und als
ihm nun der Vollmond ins Gesicht schien, rief er: „„Beim Löwen von
Holland, das schlafende Murmelthier ist der lustige Schuster vom Haag;
gewiß hat er heute auf Ew. Hoheit Gesundheit mehr als ein Glas
über den Durst getrunken.""
(Fortsetzung folgt.)

BunteS.
f- Außerordentliche Krankheit. Zu Agdep im Wallis ist
eine Frau von 21 Jahren, die seit zwei Jahren an einer außerordent-
lichen Krankheit leidet. Während 23 Stunden bis um 10 Uhr AbendS
verliert sie ihr Bewußtsein und ist unbeweglich, wie ein Todter; aber
genau um 10 Uhr erwacht sie aus ihrer Lethargie, spricht während 20
Minuten mit ihrer Familie und verfällt dann wieder in denselben Zn-
stand. Im Augenblick, wo sie anfwacht, schließt sie Arme und Hände
rncinander und legt sie oberhalb des Kopfs, und 10 Minuten später
- ^ Genuß aller ihrer Fähigkeiten. Sie ißt nur wenig, und bis
letzt haben alle ärztlichen Mittel nichts geholfen.
^ indianische Völkerschaften erproben die Fähigkeit zum
Kriegsdienste durch Prügel. Wer ihrer eine gewisse vorgeschriebene
Zahl ertragen kann, ohne Schmerzend-Aeußerungen laut werden zu
lassen, wrrd >ur tüchtig befunden; wer aber ihrer noch einige über die
Zahl hinaus ertragt, wird Befehlshaber.

f- In Riga ist eine neue Qpxx yon Dorn: „das Banner von
England" betitelt, Mt großem Beisalle anfgeführt worden. Die „Ri-
gaer Zeitung" ist in dem Lobe des Compositeurs ganz unerschöpflich,
und stellt die genannte Oper den besten Schöpfungen Mozarts und
Webers an die Seite!!!

f Was ein „Sonnenstich" bedeuten will, wissen die meisten, die
wenigsten wohl aber, daß in tropischen Klimaten, besonders zur See,

aucb der „Mondstich" gefürchtet und sorgfältig vermieden wird. So
berichtet unter andern der ausgezeichnete englische Reisende Wellsted,
dem die Kunde von Arabestan, besonders der am persischen Meerbusen
gelegenen Gebiete, äußerst wichtige Aufschlüsse verdankt, Folgendes:
Unser „keuscher" und „silberner" Mond, an welchem die Liebenden
und die Dichter in Europa mit solcher Begeisterung hängen, zeigt sich
im persischen Meerbusen keineswegs so lieblich, zärtlich und schmach-
tend. Sein Licht fällt da in einer wolkenlosen Nacht so schmerzlich,
man möchte sagen, brennend, daß mau fast so sorgfältig sich vor sei-
nen Strahlen birgt, wie vor denen der Sonne. Die Thatsache, daß
in beiden Indien animalische Stoffe aller Art schnell in Fäulniß über-
gehen, wenn sie dem Mondscheine ausgeseyt sind, kann Jeder, der dort
verweilte, bezeugen, ist aber noch nie genügend erklärt worden.
ck „Finden Sie diesen Wein nicht ausgezeichnet für Tisch wein?"
fragte ein Geizhals, der seinem Gast einen ausgesuchten Rachenputzer
vorgestcllt hatte.
„O gewiß, antwortete dieser, für die Schwein ist er gut genug!"

ck Das Wort „Lokomotive", sagte Jemand, kommt von den
bankerottirenden Kaufleuten her; weil diese keine Motive fänden, in
Loko zu bleiben, so machten sie, daß sie so rasch und so weit als
möglich sonkämen.

ck In einem Artikel voll übertriebener floskulöler Lobhudeleien über
Baden-Baden, welcher im Pariser Journal „I'^rtiste" abgedruckt steht,
apostrophirt ein gewisser Herr Jomard die Badener und Deutschen über-
haupt folgendermaßen:-„Arme Badener, gute Deutsche!
warum thut Ihr Eurem Naturell Zwang an, und bewaffnet Euch?
Gegen wen? Gegen Frankreich? Aber diese anregende Nation, diese
Geister, vor denen man Euch Angst einjagcn will, sind ja
die besten Leute von der Welt! Wer bei uns denkt denn daran,
über den Rhein zu gehen? Warum müßt ihr jeden Morgen diese Un-
glückszeitung, das Frankfurter Journal, zum Frühstück einnehmen; die-
ses Journal, das nur bezahlt wird, Euch Schrecken einzublasen, Euch
zu belögen: bezahlt wird, Geld und Menschen von Euch zu ziehen, um
den deutschen Bund zu befestigen, den wir zu kränken durchaus ja
nicht beabsichtigen! Warum urtheilt Ihr auch nur nach käuflichen Blät-
tern über Frankreich?" (Sehr verbunden für Ihren gütigen Wink, Hr.
Jomard!)

Neuster sonderbarer Diebstahl.
Ein frecher Dieb ist doch der Wein;
Er stahl beim Hellen Mittagsschein
Dich, weisen Mann, vor unser»: Blick,
Und ließ dafür ein Thier zurück.
F- Scz.

Charade.
Vielfach nützend schafft aus finstern Gründen
Der Knappe meine Erste an das Licht,
Donnernd dringet sie aus eh'rncn Schlünden,
Und schonet so der Menschen Leben nicht.
Thränen perlen über zarte Wangen . . ,,
Dcr Mud, beweint den Freund, er fiel i»i Kampf.
So zerstört dcr Flure» reiches Prangen
Die Unerbittliche im Pulvcrdampf.
Meine Zweite hängt an kräst'ger Eiche
Gar klein, geh nicht zu schnell an ihr vorbei,
Suche nur! sie steht an leben, Eche,
Und frage nicht, ob ste ein Wesen sei.
Leidend zeigt stch'ö Ganze auf den Wangen
Als Attribut, erzeugt von innrer Qual;
Sichest cs, von Linnen-Schmuck umhangen,
In dem romantisch schönen Wicsenthal.
Endingen.
Auflösung der Räthsel - Korrespondenz in No. r2r:
Sprich! gedenkst Du mein?
Antwort: Ewig Dein!
 
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