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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 229
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932

Der lästige Schuster.
(Fortsetzung.)
„„Ew. Hoheit beliebt zu scherzen/"'
„Nein, Schatzmeister, ich sage und setze deshalb hinzu, daß Ihr
zu den zweihundert Gulden noch fünf und zwanzig Flaschen von dem
feinen Wein thut, der mir beim Frühstück so trefflich mundete. Auch
darüber laßt Ihr euch einen Empfangsschein ausstrllen und damit Punk-
tum. — Wir wünschen jetzt zu tafeln!"
Dem hohen Herrn wurde jedoch bemerklich gemacht, daß bei Hofe
nie vor zwölf Uhr gespeist werde, und doch noch viele Geschäfte auf
ihn warteten.
Es wurden ihm jetzt Gesuche und Erlasse zum Unterzeichnen vorge-
legt: der arme Teufel konnte aber nicht schreiben.
„Was wollt Ihr denn von mir?"
,,„Ew. Hoheit ersuchen, dies zu unterschreiben,"" entgegnete der
Kanzler.
„Ach, die Hand ist mir eingeschlafen; nein, jetzt geht's wahrhastig
nicht. Unterzeichnet für mich, wenn die Sache eilt, sonst laßt sie bis
morgen. — Doch noch eins! Ich muß Euch ein für allemal erklären,
daß ich nie etwas unterschreibe, wovon ich nicht genau unterrichtet bin;
Denn der Fürst soll so gut wissen was er thut, wie der Bauer."
„„Vortrefflich!"" flüsterte Philipp dem Kanzler zu; „„der Schelm
hat mir aus der Seele gesprochen.""
Hieraus wurde ein Erlaß des Herzogs vorgelesen der mehrere klei-
ne Pensionen und Wohlthaten an arme Leute bewilligte.
„Setzt auch einen Gehalt von hundert Gulden für die ehrliche Haut,
von der vorhin die Rede war, hinzu. Er soll sich dafür dem Hofe
nützlich machen/'
„„Wen meint Ew. Hoheit?""
„Nun, wen anders, als den Schuster Wilhelm!
„„Er ist doch bescheiden," lachte Philipp; „„sie sollen ihm werden.""
Jetzt wurde gemeldet, daß die Tafel servirt sei; als Wilhelm aus-
stand, fragte er, ob die elf Gulden für den Schuster bezahlt seien.
Die Quittung wurde vorgezeigt, er bezeugte seine höchste Zufriedenheit
und fragte weiter:
„Und wie stehts mit Len fünf und zwanzig Flaschen Wein und den
zweihundert Gulden?"
„„Alles besorgt, Ew. Hoheit.""
„Und der Empfangschein?" fragte er mit schadenfrohem Gesichte.
„„Die Mutter des Empfängers hat unterzeichnet; der junge Mann
scheint nicht schreiben zu können!"" entgegnete er Kanzler gleichfalls
mit sarkastischer Miene. Wilhelm wurde roth, griff nach der Fever,
that als wolle er das eine Schreiben unterzeichnen, legte jedoch die
Feder wieder bei Seite, warf sich in die Brust und sagte:
„Alles zu seiner Zeit! Jetzt zur Tafel."
Das Mittagsmahl munterte Wilhelm noch viel besser als der Mor-
geninbiß; er machte der Hofküche Ehre und hieb tapfer ein. Besonders
angenehm überraschte es ihn, daß er sein königlich Gemahl, das hüb-
sche Kammermädchen Lieschen, welches die Jsabclja von Portugall gar
schön nachmachte, wieder fand. Wilhelm war gegen sie die Artigkeit
und Aufmerksamkeit selbst; doch sei es, daß er in seiner Jdeenverwir-
rung sich nicht zu helfen wußte oder daß der Putz der schönen ihn
blendete, genug, er wagte ihr kaum ins Auge zu scheu und spielte den
blöden Schäfer unvergleichlich.
Nach der Tafel ging es zu Balle und waren dem lustigen Schu-
ster die Augen noch nicht übergegangen, so geschah es jetzt. Der Wein
crmuchigte ihn; er war von der Pracht und Herrlichkeit entzückt, von
der Schönheit der Damen bezaubert. Vor allen andern beschäftigte er
sich jedoch mit seinem Lieschen, bei dem er sich so angenehm machte,
daß ihm ihre Blicke sagte», sie sei ihm herzlich gut.
Um sieben Uhr gab Philipp Befehl, dem lustigen Gesellen, an dem
er seine Freude haue, das Nachtessen auftragen zu lassen. Bisher war
Wilhelm in der Trinklnst durch den Mundschenk und Lieschen sehr im
Zaum gehalten worden, doch jetzt gab Philipp Befehl, man solle recht
starken Wein austragen und ihn nach Herzenslust trinken lassen. So
geschah es denn, daß er um elf Uhr gerade wieder so voll wie gestern
Abend war. Er schlief auf dem Stuhle ein und fing an zu schnarchen.
Dies hatte Philipp erwartet.
Sofort wurde er aus dem Zimmer getragen, entkleidet und in seine
Alltagskleider gesteckt.
„Legt ihn wieder unter den Baum, wo wir ihn gestern fanden!"
befahl Philipp. Doch Jsabella, der der lustige Gesell viel Spaß ge-

macht, bat, daß man ihn wenigstens nach Hause und in sein Bett
schaffen solle. So geschah es; Jacot de Roussay und Jahn von Berahe
verkleideten sich in schlichte Bürgersleute, schleppten ihn nach Hause,
pochten an die Thür und riefen, als Wilhelms Mutter herauskam:
„Da bringen wir Euren Sohn, der unter dem Baume im Vor-
hout lag und Gefahr lief, zu erfrieren."
Sie legten ihn auf die Bank am Ofen.
„„Ach, großen Dank, ihr guten Leute!"" sagte die Alte; „„r-xx
arme Junge hat stch's diesmal zu gut schmecken lassen. Wie ich in
Angst war; denkt nur, seit ehegesteru kam er nicht heim. Das wird
wieder ein Gerede geben!""
„Gute Nacht, Alte, wohl bekomm' es ihm!"
Unter schallendem Gelächter verließen die beiden Edelleute das Haus
des lustigen Schusters.
4.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Wilhelm am näch.
sten Morgen in seinem ärmlichen Bette erwachte.
Die Ueberraschung, die er gestern beim Erwachen zu derselbe»
Stunde empfand, machte sich auch jetzt an ihm geltend; aber was da-
mals angenehmes Staunen, das war nun tiele Niedergeschlagenheit.
Der Mensch gewöhnt sich so schnell an das Angenehme!
Aber was hals es, daß er sich die Augen rieb, die seidenen Bor-
hänge und die Prachtkleider suchte; was half cs, daß er in fast kin-
dischem Trotze nach dem Garderobenmeister, den Junkern und Hofher-
ren rief? Die Pracht und Herrlichkeit war dahin, und als der Lärm
gar zu laut wurde, kam die Alte in die rußige Schlafkammer und
hielt dem Sohne, den sie noch halb betrunken wähnte, ein derbe Straf-
predigt. So mußte der arme Teufel denn endlich doch wieder einge-
stehen, daß er sich nicht früher, sondern gestern in seiner Person geirrt
habe und daß er nichts mehr noch weniger sei als der Schuster Wil-
helm; daß an Fürstlichkeit und Pracht so wenig bei ihm zu denken sei,
wie an die liebe holde Herzogin. Dieser letzte Verlust wirkte ganz be-
sonders nicdecschlagend auf ihn; mit einem tiefen Seufzer und Thro-
nen im Gesichte gestand er der besorgten Mutter endlich, daß er einen
wunderschönen Traum gehabt habe, in dem ihm Alleö so lebhaft vor-
gekommen, als wenn er es wirklich erlebt hätte.
Die Mutter schüttelte den Kopf, ließ ihn aber gewähren, da fie hoffte,
wenn der Rausch ganz verflogen sei, so werde er sich schon wieder besinnen.
Ucbrigens war sie auf Ausschlüsse höchst gespannnt.
Mit Mühe fand sich der arme Teufel endlich in sein Schicksal. Er
weinte wie ein Kind, ließ sich jedoch endlich zum Aufstchen bereden. Jn-
dcß kam ei« Kundmann und brachte Arbeit.
„Frisch ans Tagwerk," rief sich Wilhelm jetzt zu; „es thut Noch! Ich
war ein Narr, denn ich bin und bleibe bei meinem Leisten."
„Nimm's nicht übel, Mutter," sagte er hierauf zur Alten; „ich habe
wohl tolles Zeug geschwatzt; aber es hat auch wohl noch kein Mensch im
ganzen Haag so schön wie ich geträumt."
„„Nun sag' mir aber auch, wo Du Dich gestern den ganzen Tag um-
her getrieben hast?""
„Ich ? Weiß ich'o? Wahrscheinlich Hab' ich den ganzen Tag geschlafen."
Er erzählte der Mutter hierauf seinen Traum. Während er noch so
sprach, blickte er zur Seite in die Ecke der Stube, wo ein Berg Flaschen
aufgcstapelt lag, fuhr, wie vom Blitze getroffen, und rief:
„Ei, Donner und Teufel, wo kommen denn die her?"
„„Mein Gott,"" rief die Alte, „„darüber, daß ich Dir den Tert lesen
wollte, habe ich ganz vergessen, was ich ^.EMHeilen habe. Denk nur,
diese fünf und zwanzig Flaschen sind voll feinen Wein, und unser guter
Herzog Philipp, den Gott erhalte, schickte fix und zugleich die Quittung
von der Rechnung, die du dem Wwth auf der Scheweninger Straße schul-
dig warst; ja noch mehr, er schickte auch zweihundert neue Gulden. Ich
dachte, es wäre ein Jcrthum, da es aber wirklich dir galten sollte, so meinte
ich, Du seist wohl Hostchuster geworden und bekämst das Geld als
Vorschuß/'" (Fortsetzung folgt.)

Der Berg Sinai
wurde unlängst von dem unermüdlichen englischen Reisenden Stephens
besucht, dessen Forschungen und Beobachtungen einen wichtigen Beitrag
zur genauer» Kenntniß des heiligen Landes liefern- Wir geben die
Beschreibung jenes merkwürdigen Berges mit den eigenen Worten des
Reisenden wieder. „Der Superior, des am Fuße des Berges liegen-
den Klosters, welches an Ausdehnung einer kleinen Stadtnahe kommt,
führte mich durch lange aus Steinen erbaute Gallerien mit eisernen
 
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