Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Morgenblatt — 1842

DOI Kapitel:
No. 304
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32620#1236

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ein deutscher Hexenprozeß in den Jahren 1664
und 166S.
(Schluß.)
Auf diese Weise wurde von dem Richter und dem Geistlichen die
Untersuchung mit unendlicher Thätigkeit fortgesetzt. Das arme Weid
war einem Schiffer zu vergleichen, der mit Sturm und Finsterniß
kämpfend, bald einen neuen Rettungsversuch wagt, bald verzweiflunzs«
voll das Ruder von sich wirft und sein Schiff dem Treiben des Stur-
mes überläßt. Er kann dem Untergange nicht entgehen. Die unglück-
liche Quants nahm bald „in wiederkehrender Deistvckihekt," wie es in
den Protokullen heißt, ihre sämmtliche Geständnisse als unwahr zurück,
bald wiederholte sie dieselben und machte neue Angaben, was der Geist-
liche natürlich für einen Triumph über die fortwäbrenden Einwirkun-
gen des Teufels hielt. Zu diesem Chaos wiedcrstreitender Zustände,
dem Kampfe zwischen Hoffnung und Verzweiflung gesellte sich, wie dies
bei schwachen Gemüthern in solcher Lage häufig der Fall ist, die Furie
der Rachsucht. Die Quants gab eine Reihe von Personen, welchen
sie nicht gewogen war, und selbst Gevattersleute als H.ren an und
sucht mit Frechheit und unter den heiligsten Betheuerungen ihre Angabe
als Wahrheit darzustcllen.
Einst hatte sie in dem Gefängnisse den Versuch gemacht, sich mit
einem Steine den Kopf zu zerschmettern. Der geistliche Inquisitor be-
merkte die hierdurch cntstandne Verletzung, brachte nach langen Fragen
das Geständniß des versuchten Selbstmordes heraus, verwarf dies aber
und ruhte nicht eher, als bis die Gefangene, seinem errathenen Wunsch
nachgebend, bekannte, daß der Teufel sie, wegen ihrer gerichtlichen Be-
kenntnisse, gezüchtigt habe.
Nachdem auf diese Weise der menschliche Unverstand sein schuldlo-
ses, den finsteren Mächten gew.ihtcs Opfer gänzlich zum letzten Akte
dieses Trauerspieles vorbereitet hatte, wurde der niedergeschricdene
Aberwitz in einen Aktenfascikel an die hochweisc Juristenfakultät zu Stras-
burg zur Entscheidung übersendet. Der Spruch der Fakultät gegen Zo«
hannetie Quants lautete aus Feuertod, „dabei doch, — lautet der
Schluß - zumale wann sich keine anderwärtliche Unthaten auf die
Quants außfündig machen lassen sollten, Hobe Obrigkeit die offne Hand
haben, diese nach den strengen Rechte» diktirte Straff in d,e Straff
des SchwerdS und Verbrennung des tobten Körpers auß Gnaden zu
mildern."
Diesem Endurtheile schickte die Fakultät sehr vernünftig entwickelte
Erwägungsgründe voraus, welche den Leser einen ganz entgegengesetz-
ten Ausgang erwarten lassen.
In dem Begleüungssch reiben rühmt sich die Fakultät, daß sie sich
„aufs genauste an die Peinliche Halsgericht-Ordnung gehalten, damit
ja nicht in dieser unter allen peinlichen Konringentien schwersten und
gefährlichsten Sach je irgend worin durch Uebereilung einiger Menschen
auf einigerlei Weise Unrecht geschehe," und nochmals gicbt sie auf eine
sehr saldungsrciche Weise zn erkennen, daß sie „des Herrn Burggeist-
lichen rühmlich prästirtcs Ambt bei der Quantsin sehr hoch vergnüget,
und zu wünschen, daß aller Orte dergestat beide Arme, der geistliche
und weltliche, in Zerstörung des Teufels Reichs kooperirten" ... O
christlicher Wunsch!
Bevor man dieses hochweise Derdammungsurtheil der Unglücklichen
eröffnete, schritt man in der Hoffnung, noch andere Mitschuldigen zu
erfahren, gegen sie von dem „gütlichen Verhöre" zur sogenannten Re-
alterrition, d. h. zur schreckhaften Vorzeigung der Folterwerkzeuge, und
hierauf zur Anwendung der Daumenschrauben. Unter diesen Martern
nannte denn die Angeklagte noch andere Personen, die Mäuse gemacht
sich in Wehrwölfe verwandelt und ähnliche gottverfluchte Greuelthaten
verübt hätten und gestand ein, daß sie Kühe behext, einen Knaben in
des Teufels Namen getauft, und in dem Mäusemachen unterrichtet
habe.
'p Nachdem auf diese Weise die Sache vollends in's Klare gesetzt wor-
den und die Angeklagte vor dem Gerichte ihre bisher abgelegten Ge-
ständnisse nochmals besteigt hatte, wurde am 17. November 1665 auf
der Richtstätte bei Kaichen das hochnothpeinliche Halsgericht gehalten.
Das Urtheil der Blutschössen lautete auf Feuertod.
Die arme Sünderin siel auf Knie und erhob einen Wehschrci
um Gnade, welche ihr hierauf in »ex von der Strasburger Fakultät
auempfolenen Weise verwilligt wurde. Sie ward unmittelbar daraus
mit dem Schwerte hingerichtet und der Leichnam verbrannt.

Bunte-.
-f Der Erbauer des Themse. Tunnels, Brunel, wettete lehhin mit
Fremden, daß er mit einer Locmonve binnen 100 Mi Uten die Eisen«
bohnftrecke von 120 engl. Meilen zwischen London und Bristol zurück-
legen wolle Er gewann die Wette, denn er verwendete nur 90 Mi-
nuten dazu. Diese Schnelligkeit von 3V- Minuten für die deutsche >
Meile ist die größte bisher aus irgend einer Eisenbahn erzielte.
-f Eine Schildwache sab mit Gelassenheit mehrere Herren mit bren-
nender Pfeife an sich vorüber gehen. Endlich riß dem Manne die Ge-
duld und er rief: „Sein Sie so gut, wenn Sie hier rauchen wollen,
so thun Sie die P,eisen aus dem Mund, oder gehen Sie wo anders
hin."

Zuchtpolizeigericht in Mainz.
Sitzung vom 1Z. und 15. Dezember.
(AuS der Frankfurter Didaskalta.)
Je mehr uns heutzutage durch die unendlichen Fortschritte eines jeden Zweiges
der Cultur Verwunderung abgenöthigt wird, je freudiger wir überall das rege
Streben thätig sehen durch Schulen, durch Vereine, durch Beispiele in Wort und
That die edelsten menschlichen Gefühle und Regungen zu wecken und zu fördern,
desto mehr müssen wir erstaunen, desto schmerzlicher muß es uns bewegen, dennoch
Handlungen zur Sprache kommen zu hören, für die wir längst in unserm gebilde-
ten Zeitalter keinen Raum mehr glaubten, Handlungen, die einen Jeden, der fit
vernimmt, und der nicht entmenscht und gefühllos ist, bis zum Abscheu empören,
bis zu Thränen rühren müssen.
Es standen nämlich am 13. d. M. Georg Schwarz, Schornsteinfeger in
Mainz, und dessen Frau zweiter Ehe vor der in Strafsachen erkennenden ll.
Sektion des Kreisgerichts zu Mainz, beschuldigt: Der öfteren wiederholten
Mißhandlung ihres leiblichen, resp. Stiefkindes Felicitas Schwarz,
während der Jahre 1835 dis 1842.
Unter einem stürmischen Andrauge vieler Hundert Menschen, die das Gerichts»
lökal zu fassen zu enge war, und die deßhalb haufenweise auf der Straße standen,
um doch wenigstens bisweilen Nachrichten von dem Gange und den Ergebnissen
der Verhandlung zu hören, begann die Sitzung des Morgens um 9 Uhr, und nahm
die Thätigkeit des Gerichts nicht nur diesen ganzen Tag, sondern auch den darauf
folgenden Donnerstag bis Abends 9 Uhr in Anspruch.
Die Staatsbehörde, vertreten durch Hrn. Substituten Schalk, prasentirtc t>«in
Gerichte 39 Belastungszeugen, meist ehemalige Dienstboten, Lehrlinge, Gesellen oder
Nachbarn der «chwarzischen Eheleute; der Bcrtheidiger Hr. Dr. Zitz keinerseits
12 Entlastungszeugen.
Aus den eidlich bekräftigten Angaben der Belastungszeugen erhellt nun folgen-
des Sachverhältniß: Schon seit längerer Zelt sprach man, wenn auch nicht laut und
öffentlich, doch in vielen Häusern in Mainz von unmenschlichen Mißhandlungen
und Züchtigungen, die Schwarz an seinem Kinde erster Ehe verübe, und Schwarz
selbst sagt, daß er fast in allen Häusern, in die er kam, deßhalb zur Rede gestellt
worden sep. Obschon nun die vielfachen Gerüchte den Familien-Mitgliedern nicht
verbleiben konnten, so dauerte es doch, aus welchen Gründen cs auch immer sep,
längere Zeit, bis von dieser Seite ein Schritt zur Äbhülfe gethan wurde. Endlich
wurde auf Veranlassung des Beivormundes und Oheims des Kindes ein Familien-
rath berufen, um darin zu deliberireu, ob Schwarz wegen seiner vielfachen Miß-
handlungen seines Kindes von der ihm als Vater gesetzlich zustehenden Vormund-
schaft zu destituiren scy, was jedoch der Familienrath auf das Versprechen des Schwarz,
sogleich sein Kind in eine auswärtige Erziehungs-Anstalt geben z» wollen, nicht
that. Allein Schwarz erfüllte sein Versprechen nicht, sondern behielt das Kind
fortwährend bei sich, und schickte cs nur in Mainz in das sogenannte Institut der
englischen Fräulein, wo es den Tag über die Lehrstunden besuchte, des Nachmit-
tags und Abends aber wieder nach Hause ging. So blieb die Sache längere Zeit,
und an dem Kinde bemerkte man in den: Institute allerdings immer eine große
Aengstlichkeit und Schüchternheit, so wie auch öfter Spuren körperlicher Züchtigun-
gen, fand sich jedoch nicht veranlaßt, hierin etwas Anderes zu sturen, als die ver-
dienten Strafen für begangene Fehler, sowie auch der Umstand weiter nicht berück-
sichtigt wurde, daß das Kind oft tagelang, angeblichen Unwohlseins wegen, nicht
die Schule besuchte. In der Zeit vor Ostern d. I. aber traten Ereignisse ein, die
über die Lage des Kindes Licht verbreiteten, und durch dss der Grund dieser Ver-
handlungen gelegt wurden. Die als Zeugin abgcbörte Lehrerin des besagten In-
stitutes Fräulein Elisabetha Trunk, eine alte, ehrwürdige Dame, gab mit einer
eigenthümlich ergreifenden Stimme, und mit Worten, dje jeden Zuhörer tiefbe-
wegten, über jene Begebenheiten folgende Erzählung: „In der Woche vor der
Charwoche d. I. kam Schwarz zu uns in das Institut, und gab an, seine Toch-
ter Felicitas habe ihm ein Goldstück gestohlen; er fordere uns deßhalb auf, sie 6
Wochen lang bei uns in einer vunkeln Stnbe bei Wasse^.und Brod
einzusperren. Wir wiesen jedoch dieses Ansinnen mit dein Bemerket! zurück, daß
diese Strafe viel zu hart sep, und dem Kinde eher schaden, als nützen'konnte, in-
dem eine sechswöchcnlliche Versäumung Lehrstunde» das Kind zu weit im Un-
terrichte zurückbringe. Schwarz entfernte sich, ohne noch etwas Weiteres zu sa-
gen, und das Kind kam vor wie »ach täglich in die Schule. Nach und nach be-
merkten wir jedoch, daß es ln einem elenden erbärmlichen Zustande sep, indem
es meist von Kälte starrend und zitternd erschien, seine Hand war
aufgeschwollen, sichtbar von erlittenen Mißhandlungen, und am
Arme lief das Blut Herab. Entsetzt über den Zustand des Kindes, entklei-
deten wir es, undfanden es am ganzen Körper schwarz und blau;
am Arme war eine Wunde. Voll Mitleid stellten und setzten wir das arme
Kind, um eS wieder zu erwärmen, und zum Unterrichte tauglich zu machen, auf
warme Platten, und bogen ihm von Zeit zu Zeit die gekrümmten Finger der kran-
ken Hand, um ihnen ihre natürliche Lage und Gelenkigkeit wieder zu geben. Wir
 
Annotationen