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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 20
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0083

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79

Die nächtliche Inspektion.
(Wahre Begebenheit aus dem Militär-Leben.)
Ter Major von D.... hatte zum Lohne für seine langjährigen
treuen Dienste den bequemen und lucrativcn Posten des Commandan-
ten eines befestigten Schlosses an der Rbeuigrenze erhalten. Er hatte
gute und brave Offiziere, welche den Commandanten aller Geschäfte
wobei nicht seine eigenhändige Unterschrift erforderlich war, mit der
größten Bercitwilligkctt übcrhcben , — genug, Herr von D. konnte im
wahren Sinne des -wertes auf seine» Lorbeer» ruhen. Allein ein be-
ständig ungestörtes ruptgeö Glück macht doch zuletzt nur Ui brrdruß und
Langeweile. Sw ll'-ug cs auch dem alten Major, die Rolle eines Com-
manoanten all -onoiog sing entsetzlich zu langweilen, und er be-
schloß, auch einmal ais wirklicher Commandant aufzutreten, nnd sich
mit seinen eigenen tilgen zu überzeugen, ob Alles in Ordninig sei.—
städtischer Dezcmberabcnd. Der Commandant
' .""blche bei ihm gespeis'i hatten, früher als ge-
L Rav '« aucft. ' ^ werde sich schlafen legen', sobald er Lr
0 dlne Weile sann er über seinen Plan
weck-n n d Entschluß, sich um halb ein Uhr in der Rächt
u mawm, S-itten die Runde im Schlosse
zu machen. Um der Verbreitung seines Vorhabens vorzubeugen, sagte
er zu jeinem Dedrenten, er habe sehr wichtige Paviere zu ftudireu
wozu er ernen Theil der Rächt anwenden müsse. — Nach einigen Stun-
ks" der Ruhe wurde der Commandant zur bestimmten Zeit geweckt
^en den scharfen Nordwind sei-
nen dick wattirten ^chlafrock über die Uniform, drückte seinen Feder-
Put tief in die Augen, forderte von dem verwunderten Bedienten den
Schlüssel seiner Wohnung, und befahl ihm, unter keinem Vorwar.de
das Zimmer zu verlassen. —
Während der Bediente sich über das völlig beispiellose Verschwin-
den des Commandanten den Kopf zerbrach, und endlich ein galanies
Abenteuer witterte, umging der alter Krieger leise die einem Winkel
des spärlich beleuchteten Hofes befindliche Hauptwacke und verschwand
rn eitiem alten Tburme, dessen Wendeltreppe auf einen Wall führte.
Durch eine Naber,finstermß gelangte er endlich auf eine Plattform, wo
er zuweilen einen Nachmittagospaziergang zu machen pflegte. Zu die-
ser Zeit gehörte indessen ein Spayicrgang auf der Plattform nxbt ge-
rate zu den Annehmlichkeiten des Commandantcnlebens, denn der Ther-
mometer würde wenigstens zebn Grade unter Null gezeigt baben/und
ein starker Nordvstwind, welcher einen feinen Schnee mit sich snbne,
war so schneidend, daß er in einer Viertelstunde den wärmsten Man-
tel einer Schildwache durchdrungen haben würde. — Sich fest in den
Schlafrock hüllend, näherte sich der Commmandant leise dem ersten
Schildeihause, um eine unachtsame, vielleicht gar schlafende SchÜdwa-
cke zu überraschen. Wer vermag sein Erstaunen, vielleicht gar seine
Freude zu schildern, ^ls er den auf dem Posten stehenden Soldaten
in einem Winkel des Schilderhauses angelehnt und fest schlafend fand!
— Aha! das wußte ich wohl, sagte der Commandant, innerlich frohl-
ockend; — so wird also auf den Dienst geachtet! — Er war schon
»m Begriff, seinem Zorn durch einen Strom von Schmähreden Luft
öu machen, allein er hielt an sich; er bedachte, daß er durch den Lärm
°>e Uebrigen aufwecken, und daher den Zweck seiner Erpedition ver-
ein, Er mwrkte sich daher genau den Schläfer, und setzte
L'"^'ung auf dem Walle mit noch größerer Vorsicht fort. Die
qchöri>k^.^^ schlief nicht; sie ging ganz ordonnanzmäßig in den
etwas -!! Grenzen auf nnd ab, und suchte sich durch diese Bewegung
ein keuelttw?^""cn. — Wer da? rief der Soldat, als im Finstern
Mandant Gegenstand mit einem Fedcrhute sich näherte. Com-
derbolie der So,^ ^ft wenigstens nicht. - Wer da? Parole! wie-
st ircZrstf d7r das Bajonnet fällend. - Kerl, ich lasse dich fü-
Co/rwandan^ ^ saqe dir noch einmal, ich bin der
^chloß-Lommandan ^'^<>w! - Keinen Schritt weiter
ich werde da. n ch°n sich,. ^ ^ Dw Parole?
Wozu brauche ,ch ^ ° Ich bin ja der Commandant. Ich habe
die Parole vergessen, uh we»s noch, sie si„<, mit einem V an; aber
der Teufel soll mrch holen, wenn ich dch übrigen Buchstaben noch weis!
— Zurück, oder lch feine, nef der Soldat,' den Hahn spannend. —
Der Commandant, durch dieftn Empfang etwas außer Fassung gebracht
erklärte, er wolle sich zuruckzrchen. Es blieb ihm nichts übrig, als
sich wieder zum ersten Schilderhause zu wenden. Hier aber gestalteten
sich die Sachen ganz anders. Der Wortwechsel mit der zweiten Schild-
wache hatte den Schläfer aufgeweckt. Er stand zwischen seinem Schil-

derhause und der Brustwehr; und als er die sonderbare Gestalt er-
blickte, welche sein Camerad nicht hattte durchkaffen wollen, donnerte
er ihm ein neues Wer da? entgegen. Ein dem vorigen gleicher Dia-
log folgte, mit der Weisung, nicht vom Fleck zu geben, bis zur Ab-
lösung der Schildwachen. — Der Commandant befand sich in einer
höchst prccären Lage; er stand zwischen zwei Schildwachcn, welche
Feuer auf ihn z» geben drohctön, sobald er sich nach der einen oder
andern Seite wenden würde. Seine wiederholten Versicherungen, daß
er der Commandant, und daß er die beiden Soldaten morgen süsiliren
lassen wolle, blieben völlig unbeachtet. Eine Viertelstunde, die er im
Wmd und Wetter, vor Kälte schlotternd, auf der luftigen Bastei noch
znbringen mußte, schien ihm ein Vierteljabrhundert. Er war kaum
noch un Stande sich aufrecht zu erbalten, als der Unteroffizier kam.
um die Schildwachen abzulösen. Die rätbselhafte Erscheinung mit dem
Feterbute wurde festgenommen und auf die Wache geführt, wo sie
endlich für den leibhaftigen Commandanten erkannt wurde. Hr. von
D. war kaum im Stande, in seine Wohnung znrückzugehen, und das
einzige Ergebnis; seiner nächtlichen Inspektion war — ein Schniipsen-
fiebcr, welches ihn vier Wochen an's Bett fesselte.

Buntes.
ss „Capitän, sagte eine alte Dame zu einem wettergebräunten See-
manne, der zum Mittagstisch in ihr Haus geladen worden war,
Sie müssen doch merkwürdige Dinge auf Ismen Seereisen zu
sehen bekommen. -- Ja wohl, sagte dieser, und fing sogleich an, von
den großen Leviathans der Tiefe zu erzählen. Wovon leben denn aber
diese großen Fische? fragte die alte Dame. — Na, sagte der Cavitän
wovon die großen Fische auf dem Lande leben; sie fressen die kleinern.
— Aber doch nicht roh, wie? O nein war die Antwort; der fünfte
Fssch trägt immer einen Kessel auf dem Schwänze zum Sieden.
-j- In den vereinigten Staaten von Nordamerika wurden im Jahre
1840 nicht weniger als 871 Schiffe gebaut.
-s- Als der in der Geschichte der Mathematik mit Ruhm aennante
LazaruS Bendavid, Verk. des Versuchs über das Vergnügen, der
Verträge zur C-.'itik des Geschmackes und a. m. unter Kästner in Göt-
tingen stndilte, bat er einst diesen seinen Lehrer um ein Zeugniß, Käst-
ner schrieb ibm sogleich folgendes:
„Ich bezeuge hiemit, daß Herr Bendavid, Cmdidal der Mathema-
tik, auf jede mathewathische Lehrstelle Anspruch machen darf, nur auf
— meine nicht."

O p er n - B e r i ch t.
(Von nv.)
Mittwoch den 19. Januar: Der Postillon von Louin »re au, von Adam.
Die liebliche Oper hatte, Madelaine ausgenommen, die nämliche Besetzung,
wie wir schon mehre Male darüber berichtet haben; nur tonnen »ns daher kurz
fassen, da in ver Regel sich die Leistungen des Personals incht wesentlich ändern.
Chapclon ist eine se.-r gute Partie des Hrn. Kreuzer: das Spiel ist ange-
messen und voll Leben, und im Gesänge leistete er höchst Befriedigendes, in so weit
seine Kräfte zulangcn.^ Daß die Kräfte des Hrn. Kreuzer seit seinem Hiersein in
jeder Beziehung, in Stärke und Ausbildung der Stimme, ungewöhnlich aewonnen
haben, müssen wir freudig anerkennen, und wenn die Natur ihm auch versagt hat
einen kräftigen rcmcii Brusttenor zu haben, so reicht er doch damit, freilich nicht in
Heldenrollen, aber in derartigen Parttecii, wie der Postillon, Peter Jvanov u. s. w.
schön, oft sehr befriedigend aus. Luc Liebe des Hrn. Kreuzer für seine Kunst nnd
sein Eifer, darin vorwärts zn komme» und das Beste zu leisten, sind immer sicht-
Wir könnten zwar in Hinsicht der Stimme einen bessern Wagenschmied, der
sich und seinem Handwerke zum Hohn Bijou heißt, wünschen, aber nicht in Hinsicht
der Darstellung der Rolle. Hx. Freund ist fast immer gut, und wo seine «timm-
mittel nicht hinreichen, da leistet eine Fauneciniene, wenigstens für das größere Pub-
likum, Ersatz.
Recht brav war Hr. Leser als Marquis.
Mad. «chumaun von Mainz gastirte als Madelaine. Wir können hier nur
unser früheres Urthcil wiederholen. Mad. Schumann ist eine sehr routlnirtr Sub-
rctte mit gewandtem Spiel und Gesang, aber mit schwacher und nicht umfangrei-
cher und schon sehr herabgekommener Stimme ohne besondere Schule. Die Made-
laine ist keine Rolle für sie, diese verlangt, zumal in den zwei letzten Akten, weit
mehr Stimme und eine bessere Ausführung. Die mittelmäßige Darstellung der
Mad. Schumann that der Oper heute ziemlichen Eintrag. Möge die gewandte
Frau in ihrer Sphäre bleiben, so wird sie noch eine geraume Zeit eine angenehme
Lühnenerscheinung sein.
Orchester und Chöre waren brav.
 
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