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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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No. 97
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386

Polens Faust.
Phantasiestück von Levitschnigg.
Im Jahre des Heiles 1L90 gerade, als die Glocke die Mitter-
nachtSstunde verkündete, stand auf dem Marktplatze zu Lublin ein hoch-
gewachsener Mann, tief in seinen Mantel gehüllt, wortlos, marmor-
ruhig wie ein Wächter an einem Fürstengrabe. Es war auch eine
Königin gestorben, welcher die ganze Welt unierthan und zinspflichtig
huldigt — man nennt sie Liebe. Sie lag entseelt in seinem Herzen
begraben, und er konnte nicht einmal weinen um die schöne Leiche,
denn er hätte blutige Thränen weinen müssen, und all sein Blut war
erstarrt im Eise der Verzweiflung.
Grollend blickre er gegen den blauen Himmel, und zürnte dem
Monde und den silbernen Sternen, daß sie noch zu leuchten wagten
in der Rächt seines Kummers. Da verdunkelte sich plötzlich die Scheibe
LeS Mondes, eine düstere Wolke senkte sich zur Erde, kam durch Zu-
fall dem Kreuze auf dem Thurine des Domes zu nahe, und sank mit
einem sclttsamcn Weheruf immer dichter und dichter werdend auf den
Marktplatz herab. Erstaunt trat der Lincentiat der Heilkunde, Johann
Dwardowsky, so hieß der Mann im Mantel, naher und gewahr-
te eine wundersame Erscheinung. Ein hagerer Mann erhob sich brum-
mend vom Boden; er sah aus wie die menschgewordene Hektik, und
seine Augen blickten stechend wie zwei Lolche. Er trug trotz der grim-
migen Kälte ein einfaches hochrvthes Wamms, blaue Strümpfe mit
grünen Zwickeln, Schuhe mit Silberschnallcn, und ein schwarzes Ba-
rett, auf dem drei übergroße Hahnenfedern schwankten. An der lin-
ken Seite klirrte ein langer Stoßdegen, auf den er sich zuweilen stützte,
wenn ihm der linke, stattliche Klumpfuß das Gehen erschwerte.
Dieser wundersame Mann blickte dem Nahenden trotzig ins Auge
und näselte mit widrig schrillender Stimme: „Hebe Dich hinweg blei-
ches Menschengesicht, sonst drehe ich Dir den Hals um, oder bringe
Dich sonst auf eine andere beliebige Weise ums Leben. Statt aller
Antwort zog Dwardowsky ruhig seinen Degen. Der Fremde ent-
blößte seine Klinge, und ein hitziger Kampf begann. Er währte nicht
lange. Der Pole unterlief den spindclbeinigen Gegner und schleuderte
ihn unsanft auf die gemeinsame Mutter-Erve, daß der B^dcn dröhnte.
Dann sprach er in der Ironie der Verzweiflung: „Edler,, aber
unglücklicher Ritter vom bauen Strumpfe, Ihr habt sieglos für die
Schönheit Eurer Dame, der blaßwangigen Frau Hektik gefochten, und
das frische grüne Leben hat den Lorber des Tages. Demungcachtet
— dies sehe ich an Euerm trotzigen Blicke — lebt Ihr im Herzen der
Ueberzeugung, Eure Auserwählte sei und bleibe das schönste Weib der
Erde. Cs ziemt sich aber nicht, daß die Todesfurcht Euch veranlasse,
Liese Wahrheit zu verleugnen, darum will ich Euch in der möglichsten
Eile ermorden, und dies so sanft wie möglich."
Da lachte der Fremde homerisch, und mekcrte: „Halt ein, Hand-
fester Ritter und grundgelehrter Licentiat, und erspare Dir unnütze
Stöße. So Du wir die Freiheit schenkst, will ich Dir ein Schauspiel
für Götter weisen."
Mechanisch willfahrte Dwardowsky. Der Fremde raffte sich
auf, setzte mit klafterlangenZSprüngcn über den Marktplatz, und schüt-
telte sich vor Freude, als er den geweihten Boden verlassen, auf dem
wie er sich zu spät überzeugt hatte, keine Lorbcrn für Ritter vom Klump-
fusse zu erringen waren.
Dwardowsky folgte ihm befremdet, aber ruhig; trug er doch
Len Tod im Herzen, und hatte nichts zu verlieren, also auch nichts
zu fürchirn. Der Fremde zog einen kleinen Taschenspiegel aus dem
Wammse, murmelte einige Worte in einer kauderwälschcn Sprache,
und überreichte dann dem Polen das Zauberglas. Dwardowsky
zögerte. Eine unerklärliche, unheimliche Angst hatte sich seiner Seele
demeistert. Der Fremde lachte höhnisch: Ist das der unerschrockene
Studiosus, auf den seine Collegen den Wahlspruch anwandten: „8i
sractus illabatur ortfiz, impavickum kerient ruinse!?" „Nein, so zögert
eine Memme.
Dwardowsky riß ihm den Spiegel aus der Hand, und blickte
wortlos auf die im Mondlicht seltsam schillernde Fläche. Da sah er
ein wohlbekanntes Gemach, und ein unvergeßliches Weib lächelte ihm
freundlich entgegen. Es lag ein Reiz in ihrem Blicke, der die Erde
zum Himmel, das Leben zur Seligkeit gemacht hätte. Aber
dieser freundliche, zärtliche Blick streifte den unglücklichen Licentiaten
nur flüchtig und haftete dann fest aus dem schönen Antlitz eines schlan-
ken Jünglinges, der dem unseligen Weibe zu Füßen gesunken war, und
Kort das Glück des Llbrns und sein Paradies gefunden hatte.

Wanda, kreischte Dwardowsky, Kind der Schlange, und zer-
schmetterte mit einem grimmigen Faustschlage den zauberhaften Spie-
gel. Ist dies der Dank, fuhr er nach einer stummen, entsetzlichen
Pause fort, is: dies der Dank, daß ich Dein Leben schonte, heimtücki-
scher Gegner? Du zeigst mir das gelobte Land der Verheißung, pch
Insel der Liebe voll Rosenduft und Nachtigallenschlag, zu der die Brüche
abgebrochen ist für immer und ewig! Du zeigst mir das Paradies,
daß die Falschheit zertreten!
(Forts, folgt.)

Ein köstlicher Predigerstyl.
Der Prediger Meyhöfer zu Barte in Ostpreußen hat vor Kur-
zem zwei von ihm gehaltene Predigten (Königsberg 1842) drucken las-
sen. Die eine, am Todtcnfest gehalten, ist" betitelt: „Das Nichts
und das Etwas," die andere: „Siche, dein König kommt!"
Das Morgenblatt erlaubt sich, daraus einige Stellen mirzuthcilen,
welche von dem merkwürdigen Inhalt und der originellen Form Vieser
Rede einen Begriff geben weroen, und bemerkt dabei nur -voL, daß
dieselben im Jahre 18L1 gehalten worden sind. „Das Nichts und
Etwas beginnt mit den Worten: „WaS seid Ihr heute hichergekom-
mcn? Einen Mann in „weichen Kleidern zu scheu?" Die weiche Klei-
der tragen, sitzen in der Könige Häusern. Oder was seid Ihr heute
biehergekommen? Einen Mann zu sehen, der vom „Winde hin und
her bewegt wird?" Dir da vom Winde hin und her bewegt weiden,
das sind die Pharisäer und Schriftgelchrten, die da „schmücken und
über-ünchen die Gräber, aber drinnen sind sie doch alle voll Moder
und stinkender Todtengcbeine." Also: Was seid Ihr heute hieherge-
kommen? Daß ich Euch mit Thränncn speise, oder, wie der Prophet
es nennt, mit „niedlicher Speis-?" Die euch mit niedlicher Speise
speisen, sitzen m der Könige Häusern. Over was seid Ihr heute Hie-
bergekommen? Daß ich über den Gräbern Friede schreie, wo kein
Friede ist? Die da Friede schreien, wo kein Friede ist, das sind dic
Pharisäer und Schriftgelchrten, welche übertünchen und schmücken die
Gräber, aber drinnen find fie doch voll Moder nnd stinkender Tovtcn-
gebeinc" u. s. w. In der zweiten Predigt: „Siehe, dein König kommt!"
spricht Herr Meyhöfer seine Freude darüber aus, „daß die Evangelien
wiedergekommen sind." „Aber cs sind," fährt er im Eingänge fort,
„doch manche Personen, Ortschaften und Begebenheiten, manche liebe
Freunde, Bekannte, Ortschaften und Begebenheiten, die durch die Länge
der Zeit uns in eine gewisse Ferne getreten sind, und cs ist uns, als
wären wir zu lange ausgeblieben von ihnen. Redlicher Hauptmann
von Kapernaum, Wahrheit suchender Nikodemus, den Herrn bewir»
thende Martha, meine Maria, die du den Herrn salbtest! O mein
glückliches Herz! O mein Hauptmann von Kapernaum, mein Nikode-
mus, meine Mariha, meine Maria! O dein glückliche» Herz! Dein
Hauptmann von Kapernaum, dein Nikodemus/deine Martda, deine
Maria! Nein mein Gott! Du machst uns zu glücklich, daß du in die-
sem Jahre uns die Evangelien wicderkommen lassest" u. s. w. Hx,
Meyhöfer versichert in der Vorrede zu der ersten Predigt, daß die-
selbe unter vielen seiner Zuhörer eine große Erregung bewirkt habe,
und wir wollen daran keineswegs zweifeln.
ststst

BunteS.
st In Folge der glänzenden Resultate, welche das Wirken der nach
der Türkei berufenen deutschen Aerztc. hervorgebracht hat, wird das
Mcdizinalwesen dort ganz aus deutschen Fuß eingerichtet. Vier Batallions-
ärzle, als Dirigenten der vier <pauptjpM,r Constanlionvpels, sind
von der österreichischen Regierung erbeten und bereits auf zwei Jahre
bewilligt worden; ferner wurde eine Sanitäiskoinmiston für die Armee
niedcrgksetzt, welche aus dem Direktor der medlzinnchen Schule zu Ga»
lata-Serai, vr. Bcrnarv, als Vorstand und den Doktoren Spitzer
und Hcrrmann, Professoren an der kaiserl.. medizinischer Akademie,
besteht. Zugleich wurde Bernard zum Genecalinspektor sämintlicher 10
Militärlazarcthe Conjianttnopels ernannt.

st Jemand wollte von einem Andern Geld leihen und sagte: „Lei-
hen Sie mir fünf Gulden, ich brauche sie, und da Sie immer viel
Glück haben, so sind jedenfalls Chancen für Sic da, daß ich sie Ih-
nen bezahlen werde."
 
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