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Mannheimer Morgenblatt — 1842

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Beilage zum Mannheimer Morgenblatt No. 151
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https://doi.org/10.11588/diglit.32620#0612

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610

für gültig zu erklären. Man könnte sonft das Gleichniß von dem Messer ohne
Heft und Klinge, welches der Abg. Sander gebraucht habe, auf den Wahlbezirk
Weinheim anwenden, der in der Wahlordnung aber nicht in der Kammer vertre-
ten ftp.
Frhr. v. Rüdt bemerkt, der Vorwurf, im Wahlprotokoll seien mehrere Name»
nicht genau so geschrieben, wie der Gewählte heiße, sei eher eine Anerkennung der
Genauigkeit des Protokollführers.
Echaaf bestätigt dies, und verliest einige dieser Namen, die so, wie sie ge-
schrieben sind, etwas sonderbar lauten.
Rindeschwender. Es scheint nun doch, daß der Abg. Schaaff spanisch
versteht. „
Frhr. v. Rüdt. Aus der Vergleichung der Gegenliste kann man auch nicht
auf die Gültigkeit oder Ungültigkeit des Protokolls schließen, denn solche Abweichungen
kommen häufig vor. Bezüglich auf die Vernichtung der Wahlzettel, kann er den
tz. 83 nicht wie mehrere Redner auslegen. Es heißt nicht, daß cs nach dem Schluß
des Protokolls geschehen müsse, sondern nachdem das Ergebniß der Wahl bekannt
ist, und dies geschieht meistens darum, weil den Wahlmänner» vi-l daran liegt,
zu wissen, daß kein Mißbrauch mit ihren Zetteln getrieben wird.
Welcker beruft sich auf die Vorträge früherer Redner für das was er habe
ausführen wollen, und will nur Weniges beifügen. Wenn es auf die einzelnen
Formalitäten allein ankäme, dann könne man über solche Mängel wegsehen. Aber
hier, wo es auf eine.Stimme ankömmt, und dahei Umtriebe Von Seiten der Be-
amten vorliegen, kassire er die Wahl.
Regenauer erklärt, daß er die behaupteten Umtriebe rein widerspreche. —
Die Diskussion wird geschloffen, der Antrag des Abg. Gerbel, die Wahl für un-
gültig zu erklären, zur namentliche» Abstimmung gebracht und mit 25 gegen 24
Stimmen angenommen. Für den Antrag stimmen: Baffermann, Binz, Bissing,
Blankenhorn-Kraft, Bleidorn, Gerbet, Gottschalk, Grether, Helbing, Hoffman»,
Hundt, o. Jtzstein, Knapp, Lenz, Mathp, Meper, Posselt, Reichenbach, Richter,
Rindeschwender, Sander, Welcher, Weller, Welte, Züllig. Dagegen: Bader, Bann-
warth, Böhme, Fischer, Goll, Herrmann, Jörger, Junghanns, Lang, Leiblein,
Löffler, Martin, Metzger, v. Neubronn, Platz, Regenauer, schaaff, Schanzlin,
Seltzam, tz. Stockhorn, Trefurt, Bogelmann, Waag, Wetzet.
Bissing berichtet über die Wahl von Schwetzingen (Rettig.) Dieselbe wird
nicht beanstandet und der Berichterstatter führt hinsichtlich der Leitung der Wahl
folgendes an: Ihre Kommission erkennt in der besonderen Erklärung des Wahlkom-
miffärs, daß die Wahlmänner ihre Zettel schreiben könnten, wo sie wollte», selbst
außer dem Hause, einen Akt der höchsten Unparteilichkeit und Gewissenhaftigkeit,
welcher noch weiter dadurch bestätigt wird, daß der Wahlkommissär zufolge des
Protokolls die Wahlzettcl, ehe er sie ausgab mischen ließ, um jedem Schein einer
Verletzung des Wahlgeheimnisses vorzubeugen. Meine Herrn, würden sich alle Wahl-
kommissäre einer solchen sorgfältigen, gewissenhaften und unpartheitichen Ausübung
ihres Amtes unterzogen haben, so hätten wir uns schon längst mit dem eigentlichen
Zwecke unserer Mission befassen können. -
Sander und v. Jtzstein schließen sich dem Berichterstatter in dem Lobe der
Unparthellichkeit des Wahlkommiffärs an, finden darin die beste Rechtfertigung der
Ansichten der Kammer hinsichtlich der Wahlfreiheit und insbesondere bemerkt noch
v. Jtzstein, daß selbst die Wahlmänner welche den Regierungskandidaten nicht wähl-
ten ihm die nachahmungswcrthe Unpartheilichkeit des Wahlkommiffärs gerühmt hät-
ten.
Gottschalk spricht ebenfalls dem Wahlkommissär seinen öffentlichen Dank
aus. Dies sei der Weg zu Versöhnung und eS sei zu bedauern, daß die Weinhci-
mcr Wahl, welche 14 Tage, nachdem die Kammer mit den Wahlprüsungen beschäf-
tigt war, vorgenommen wurde, mit so grobe» Ungesetzlichkeiten behaftet gewesen
sep.
Frhw v. Rüdt erklärt, daß der Wahlkommissär von Seiten der Regierung
keineswegs die Vorschrift erhalten habe, den Wahlmännern zu erlauben, außer dem
Hause zu schreiben. Die Regierung behalte sich das Recht vor, die Wablkommis-
säre anz»weisen, den Wählern das Verlassen des Hauses nicht mehr zu gestatten.
Schaaff entgegnet, daß er als Wahlkommissär nicht allein die Instruktion
vor Auge» habe sondern auch darauf Rücksicht nehmen müsse, das die Kammer über
die Wahlen souverai» entscheide.
v. Jtzstein behauptet, unter Bezug auf die früheren Verhandlungen, daß es
nicht erlaubt sei, die Wahlfreiheit zu beschranken. Die Kammer werde ihr Recht
zu wahren wissen und die Wahlen verwerfen, bet denen solche Beschränkungen Vor-
kommen.
Knapp theilt die Ansicht des Abg. Gottschalk wegen der Wahlkommtffäre;
diese sollten streng an die Form gebunden werden. Wenn sie dagegen fehlen, so
verfalle man sie in die Kosten der Wahl. Ist dieß einmal geschehen, so werden sie
sich in Acht nehmen. Die zweite Ansicht über die Freiheit der Wahl theilt er nicht.
El« geräumiges Lokal muß vorhanden sein, worin die Wähler unbemerkt schreiben
können, aber aus dem Saale sollen sie nicht. Der freie Mann brauche freilich eine
Beschränkung mcht, aber der Feige sei außerhalb des Hauses allen Einflüssen preis-
gegebene Er könne z» dem Beamten, zu dem Amtsrevisor u. s. w hingehcn und
lassen, wie er wählen soll. Der Redner will der katholischen
Geistlichkeit Mn» Wort sprechen, man könne ihr aber nicht den Vorwurf nia-
chcn, daß ihre Einrichtungen ungeschickt seien. Bei allen ihren Wahlhandlungen
aber dürfe sich keiner aus dein Lokal entfernen.
Frhr. v. Ri.d k, Die Regierung wird ihre Instruktion nach dem tz. 73 der
Wahlordnung richten, wonach den Wählern nur gestattet ist, abzutreten, um sich
vor der Aöstlinmung einander gU besprechen.
Welcher will den «treit ing» verlängern, allein doch darauf aufmerksam ma-
chen, daß die Freiheit des Abtretens pts zuni A bg cb en dci Stimme Gesetz sei;
daran müsse man halten. Die Freiheit sei gesetzlich, und eine Beschränkung unge-
seAslch.
Sander. ES heißt im tz. Es ist den Wählern gestattet, im Ganzen oder
theilweise nach Belieben abzntreten, um nch v„ der Abstimmung unter einander
zu besprechen, und ich habe bewiesen, daß die Abstimmung die Handlung der Ue-
hergabe der Stimmzettel ist, daß also bis zu diesen, Zeitpunkt die Wähler hinge-
hen dürfen, wohin sie wollen.

Frhr. v. Rüdt verliest den tz. 73 zur Unterstützung seiner frühere» Behaup-
tung, daß die Wähler nur vor dem Schreiben der Stimmzettel abtreten dürften,
uni sich unter einander zu besprechen.
Sander. Ich kann mich, nachdem ich meinen Zettel geschrieben habe, noch
mit Jemand berathen, ob ich ihn so lassen soll. , ,
Gerbel glaubt, daß kein Zwang für Wähler bestehe, die Stimme geheim zu
hatten. Das Gcheimhalten gelte für die Beamten, die dafür zu >"gen halwii, daß
keiu Unberufener sich zudränge. — Dabei müsse er bemerken, die Partei, von der
man immer spreche, sei nicht Schuld an der Verzögerung der Lvavlprufungen,
Waylkommistare dürften nur die Wahlordnung lesen, um sich 1" uberzeugen,
sic nicht berechtigt sind, die Wähler am Hinausgchen zu hindern, w:e das Beispiel
des Abg. Schaaff beweise. Man hätte bei verschiedenen Wahlen, namentlich bei
der des Abg. Mathp u. A. gesehen, wie von den Regierungsdeputirten^Allcs her-
beigezogen Mirde, um Anstände zu erbeben, während von anderer Seite inehr
Nachsicht bewiesen worden sei. Wollte man aber, um bald fertig Zu werden, über
Anstande Weggehen von so schwerer Art, wie sie hier vorliegen, so könne er dieß
mit seinem Pflichtgefühl nicht vereinigen.
Regenauer will die Wahlkommiffion in Schutz nehme», indem cr bemerkt:
Wenn der Abg. Schaaff ei» Musterprvtokoll vorgelegt habe, so sei er in einer guten
Schule und 'habe seit 4 Wochen ein Kollegium gehört, ras man sonst nirgends
finde. Auf die Bemerkungen des Abg. Gerbel wolle er nichts erwidern, da die Ver-
handlungen öffentlich vorlicgcn. Die Regierungsdeputirtcn, wie er sie nenne, hat-
ten manches mit den, Mantel der Liebe bedeckt.
Bissing. Der Schule, die der Abg. Regenauer hinsichtlich des Wahlkom-
miffärs Schaaff «»führt, setze er hinsichtlich der andern Wahtkoinmiffäre das bis-
herige Regier» ngüspstem entgegen, wornach mißliebige Beamte als zerbrech-
liche Jnstrnmente erklärt werden.
Regenauer und Vogelmann. Das paßt nicht.
Bissing. Doch! Doch!
Die Wahl des Abg. Rettig wird nach dem Antrag der Kommission für unbe-
anstandet erklärt.
Bissing berichtet ferner über die Wahl von Ettenheim (Zittel). Sie wird
für unbeanstandet erklärt.
Helbing erstattet Bericht über die Wahl von Sinsheim (Gastrovh). Die
Wahlhandlung selbst ist in Ordnung. Es werden aber von zwei Wahlmänn«:,
Protestationen eingelegt, die sowohl im Protokoll als ausführlicher in einer heute
eingekommcnen Eingabe enthalten sind. Sie beziehen sich auf die Ungültigkeit der
Urwahlen tu Sinsheim, ans die Umtriebe der Beamten und auf die Rede des Wahl-
kommiffärs, welcher gesagt habe: Die Volkspartei sei feindselig vessLss, Regie-
rung und wolle ihr wenig oder nichts bewilligen. Der Wabikommiifar habe dar-
aus Veranlassung genommen, seine Rede in das Protokoll mederzulegen und sänimt-
liche Wahlmänner, mit Ausnahme des Oekonomcn Fuchs, haben btc Richtigkeit
nachstehender Darstellung bestätigt:
»Er habe mit keiner Splbe erwähnt, daß die Volksparthei der Regierung wenig
oder nichts bewilligen wolle, sondern der Inhalt seiner Rede sei außer der Be-
lehrung über die Wichtigkeit oes Handgelübdes nur dahin gegangen, die Versamm-
lung unter Hmweismig ans die öffentlichen Blätter über die Veranlassung zur heu-
tigen Wahl zu verständige», und sie unter gleicher Hinweisung auf den notorischen
Gang der Landtagsv'crhandlungen und die sonst hinlänglich bekannten Zustände unseres
Vaterlandes daraus aufmerksam zu machen, daß leider die badifchen Bürger großen«
theils jn zwei sich schroff gegenüberstehcnde Parteien getrennt seien, von welchen
die eine das wahre Beste, des Vaterlandes nur in einer mehr feindseligen Haltung
gegen die Regierung, im Wege des Tadels, des unausgesetzten Widerspruchs, des
Trotzes und des Mißtrauens verfolgen zu müssen glaubte, während die andere Par-
tci die Stellung der Kammer und der Deputirteu i» der Weise auffaffe, daß zwar
dem Volksvertreter da, wo er mit der Negierung seiner innern Ueberzeugung nach
nicht einverstanden seic, ernster Widerspruch wohl zieme, daß solches jehoch immer in
würdiger, das Ansehen der Regierung nicht herabsetzender Weise geschehen müsse,
und daß in so fern die Deputirten berufen seien, gemeinsam mit der Negierung in
gegenseitigem Vertrauen und in freundlichem Einvernehmen mit derselben zum Be-
sten des Vaterlandes hinzuwirken. Sic, die Wahlmänner, hatten nun bei ihrer
heutigen Wahl mit ihrem Gewissen z» Rathe zu gehe«, welche von beiden Stel-
lungen für das Beste des Vaterlandes sie zuträglicher halten.» Später erklärte noch
Wahlmann Fuchs die Worte: »Feindliches Auftreten gegen die Regierung», nicht
aber »die mehr feindliche Richtung» vernommen zu haben, welchem der Wahlkom-
missär nicht widersprach. .,
Der Berichterstatter fährt fort: Der Wahlkomnnssar habe unter den Parteien
offenbar die Volks- und die RegicrungSpaNer gcmelnt, die beide ihrer Vertreter in
der Kammer haben, der einen das größte Lob gefpendet, die andere mit den schwär-
zesten Farben geschildert. Man könnte Kiew ^crtaumdungen mit Stillschweigen über-
gehen, wenn sie nicht von einem Mikg"e>c rer Kammer an einem Orte vorgebracht
worden wären, wo sic tiefen Eindruck machen mußten. Nach ß. 71 der Wahlord.
nun'g habe.der Commiffär im Allgemeinen die Eigenschaften eines würdigen Abge-
ordneten auseinander zu setzen, dursc sich aber eben so wenig, wie irgend ein an-
deres Mitglied der Wablkommimon erlauben, auf irgend eine Weise aus vas Re-
sultat der Wahl einwirkcn zu wollen. Der Wahlkommissär habe dagegen ein die
Wahrheit entstellendes Bild entworfen und offenbar dadurch auf die W«dl eingewirkt.
Die Mehrheit der Commission ist der Meinung, daß der Wahlkommissär seine Be-
fuqniß überschritten habe, und so leid cs ihr thut, die Wahlverbandlungen verlängern
zu müssen, trägt sie doch mit Z gegen 2 Stimmen auf Verwerfung der Wahl an.
Die Abg. Rettig und Zittel werden beeidigt. , ,, ,
Frhr. von Rudi übergibt die Wahlakten des fünften Aemtcrwahlbezirks Stock«
ach (Kuenzerl MW bemerkt dazu: die Kurie habe dem Abg. Knenzer den Urlaub
verweigert, wogegen er Rekurs eingelegt. Das Ministerium habe nicht gefunden,
daß die Kurie ihre Befugniß überschritten habe. Es stehe aber dem Gewählten der
weitere Rekurs an das Staatsministcnum offen. Derselbe habe die Wahl definitiv
angenommen und die Vorlage der Akten erfolge, weil so sehr daraus gedrungen
worden sei.
Die Diskussion über die Sinsbeimer Wahl wird auf die Tagesordnug für morgen
gesetzt und die Sitzung geschlossen.
 
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